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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951026017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895102601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895102601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-26
- Monat1895-10
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Bezugs-Preis f» der tz«Gtqp»dition oder den i» Stadt- beeirt m»d den Vororten errichteten Au«. Hau- -.SO. Durch die Post bezogen ... Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l S>—> Direkte tägliche Kreuzbandsenvung t»A Ausland: movatlich 7.60. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abeud-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Uedactiou «n- Expedition: Johannes,asse 8. Di« Spedition ist Wochentag- ununtrrbrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: Ott* Nie««'» Sorti«. (Alfred Hahn), Universität-straffe I. Lauts Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigerr-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter demRrdactionSstrich (4g»> jpaltrn) 50^, vor den Familiennamrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniff. Tabellarischer und Zifiernsatz nach höherem Tarif.» (Sxtra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung X 60.—, mit Postbesörderung X 70—. Annalsmefchluß für Anzeigrn: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. 519, Sonnabend dm 26. Oktober 18SS. 89. Jahrgang. Bekanntmachung. Unter Zustimmung der Stadtverordneten haben wir' Ar. Lxcellenz Herrn Reichsgerichlspräsident, Aaiserlichen Wirklichen Geheimen Rath vr. Mr. Gtto von Mehlschliigev Großkreuz, Comthur und Ritter hoher Orden, sowie Herrn Mber-Reichsanwalt Herrmairn Tefsen-orff Comthur und Ritter hoher Orden in Würdigung der hohen Verdienste, welche sie in ihren Stellungen beim Deutschen Reichsgerichte um die Rechtspflege sich erworben haben, und als Beweis unserer Verehrung und Dankbarkeit' da» Ehvenbüvgevvecht -er Stadt Leipzig verliehen. Leipzig, den 86. October 1898. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Grüßet. Bekanntmachung. Unter Bezugnahme auf Ziffer 2 und 16 der Bedingungen sür die Aufbewahrung und Verwaltung von Werthvapieren bei der Reichshauptbank in Berlin bringen wir hierdurch zur öffentlichen Kenntniff, daß vom 1. Januar 1896 ab die sür jeden Depotschein zu entrichtende Gebühr mindestens 2 Mark, bei Loospapieren und Jnhaberpapieren mit Prämien, sowie bei im Auslande ausgestellten Papiere» mindestens 3 Mark beträgt. Für die seither und bis zum 31. Decembrr d. I. niedergelegten Werthpapiere tritt die Verände- rung der Mindestgebühr erst mit dem im Laufe des Jahres 1896 beginnenden neuen Depositionsjahre in Kraft. Berlin, den 24. October 1895. ReichSbank-Tirrctorium. , Koch. GaUenkamp. Gesucht wird der am 7. Mai 1856 in Leipzig geborene Sckuhmacher Eugen Gustav Bauer, welcher zur Fürsorge für seine Kinder an- znhaiten ist. Leipzig, den 21. October 1895. 1 Der Rath der Stadt Leipzig. Armenamt. HlVa. Nr. 1817. Herrische!. Poppitz. Der städtische Lagerhof in Leipzig lagert Waareu aller Art zu billigen Tarifsätzen. Die Lager- scheine werden von den meisten Bankinstituten beliehen. Leipzig, den 26. April 1894. — Die Deputation zum Lagcrhose. Börse zu Leipzig. AuS Anlaß der feierlichen Einweihung des neuen Reichsgerichts- Gebäudes in Anwesenheit Ihrer Majestäten des Deutschen Kaisers und de- Königs von Sachsen bleibt Sonnabend, den 26. October, die Börse geschloffen. Die an diesem Tage anstehende Produktenbörse wird auf Freitag, den 2s. Oktober, verlegt. Leipzig, den 21. October 1895. Der Vörsenvorstand: (gez.) k. (gez.) k. 8ekim1ät, Vorsitzender der I. Abtheilung Vorsitzender der II. Abtheilung (Fondsbörse). (Productenbörse). Bleyl, Börsensecretair. Bekanntmachung. Der Zugang zu den Geschäftsräumen des Unterzeichneten Rent amts ist voa jetzt ab durch den Hauptringang im Augusteum. Leipzig, am 23. Oktober 1895. Königliches Universitäts-Rentamt, vedknrckt. Zum 26. October 1895. -1- Nicht wie in den Tagen von Hamburg und Kiel sind um den Kaiser die deutschen Fürsten alle hier versammelt und nicht, wie dort, sind auf den kaiserlichen Ruf die Ab gesandten fremder Nationen herbeigeeilt — und doch begebt daS deutsche Volk heute ein der Eröffnung deS Kaiser- Wilhelm-CanalS mindestens gleich bedeutsames Fest. Auch von dem.ReichSgerichtSgebäude, dessen Ein weihung Kaiser Wilhelm am heutigen Tage feierlich voll zieht, kann mau mit Recht sagen: eS ist ein Werk deS Friedens. Inmitten deS Krieges ist daS deutsche Reich aufgerichtet, sofort aber find un« die Segnungen deS Friedens verheißen worden, die wir in vollstem Maße seitdem genossen haben. Zu diesen Segnungen gehören vor Allem die Erfolge au dem Gebiete des nationalen Rechtslebens. Mit der Sehnsucht nach dem deutschen Reich ist die Hoffnung auf ein gemeinsames deutsche- Recht und einheitliche Rechtseinrichtungen untrennbar von jeher verbunden gewesen. Wir haben die schönen Träume unserer Väter auch in dieser Beziehung sich erfüllen sehen! Traurig, den Spott oft herausfordernd, war die Zer rissenheit auch in unseren Rechtszuständen. Man braucht die Beispiele hierfür nicht au» längst vergangener Zeit hervor zusuchen. Noch vor 25 Jahren sollten die süddeutschen Stämme von der Wohlthat eines gemeinschaftlichen obersten Gerichtshöfe» für Handelssachen ausgeschlossen bleiben! Aber dieser unter dem Donner der Kanonen von Wörth eröffnet! Gerichtshof wurde bald zum ReichS-Oberhandel-gericht — gesegneten Andenkens — erweitert und der 1. October 1879 brachte nn- da» Reichsgericht. Wie dieser Zeitpunkt noch dadurch besonder» gekennzeichnet ist, daß gleichzeitig die großen Iustizgesetze in Kraft traten, s» eröffnet unS der heutige Festtag, an welchem der Schluß stein in dem hohen Bau an der Simsonstraße eingefügt wird, di« frohe Aussicht auf die Legung eines anderweiten Schluß steins unseres nationalen RechtSlebenS, auf das sicher in ab- ehbar kurzer Zeit zu Stande kommende bürgerliche Gesetzbuch für daS veutsche Reich. Dann wird auch das Reichsgericht seines Amtes aus allen ihm jetzt noch nicht zugewiesenen Gebieten des Rechtes walten. Bei seinem nunmehr sechzehnjährigen Bestehen werfen ich von selbst die Fragen auf: hat das bei seiner Eröffnung mit dem lautesten Jubel begrüßte Reichsgericht den gestellten Erwartungen entsprochen? und wenn dies der Fall ist, aus welchen Gründen? Abzuweisen ist hierbei zunächst die Annahme, als ob dafür die Persönlichkeit eines Einzelnen oder einiger Wenigen, und wären sie die hervorragendsten Männer ihrer Art, entscheidend ei. Auch der Bestand des Richterpersonals ist bei dem Alter, in welchem regelmäßig die Berufung »ach Leipzig ergebt, mehr, wie Lei jedem andere» Gerichte, dem Wechsel unterthan. Sind doch von den am 1. October 1879 ein geführten Mitgliedern nur noch 16 im Amte! Die seitherige Rechtsprechung deS Reichsgerichts hat dem deutschen Volke zum Heile gereicht. Nicht nur blickt mit berechtigtem Stolze ein Jeder auf den zum obersten Organ der Rechtspflege bestellten Gerichtshof als ein sichtbares Zeichen der erlangten Einheit, sondern eS hat sich auch bei Denen, die seinen Spruch zu erwarten haben, ein Gefühl der Rechtssicherheit eingestellt. Seine Urtheile erscheinen als der geläuterte und vollkommene Ansdruck der vorurtheils- reien und wohlbegründeten Rechtsanwendung. Und wenn elbst die wissenschaftliche Kritik pflichtgemäß einmal ihr scharfes Messer ansetzt, so ist auch sie nur ein wohlerkanntes Mittel zu weiterer Erforschung des Rechtes. Jener Erfolg hat nun seinen Grund einerseits in der Heranziehung erprobter Richter aus den verschiedenen Ländern des großen Reiches, andererseits und vornehmlich in der ge meinschaftlichen Thätigkeit mit solchen Rechtskundigen anderer Gebiete. Daß es so bleibt, dafür bürgt die Geschichte des Reichs gerichts in dem jetzt vollendeten Zeitraum. Und wenn nun Kaiser Wilhelm, wie er seiner Zeit die Grundsteinlegung vorgenommen hat, heute in Gegenwart seines Freundes und Bundesgenossen, des Königs Albert, das neue kostbare Heim dem Reichsgericht vollendet übergiebt, so liegt in diesem Zeichen der Huld auch die kaiserliche An erkennung, zugleich aber der Nachweis für das hohe Interesse, das der Kaiser der Rechtspflege entgegenbringt. Möge dieser Tag und das heutige Fest auch für unsere Stadt gesegnet sein! Hoch Kaiser und Reich! Hoch daS Reichsgericht! Deutsches Reich. K Berlin, 25. October. Schablonenjournalisten könnten morgen einen Artikel „Elin Jahr ohneCaprivi" schreiben. Am 20. Märr des Jahres 1891 unv der folgenden Jahre sind ähnlich überschriebene Betrachtungen häufig erschienen, nur daß der Name Bismarck lautete. Am 26. October ist nämlich Graf Caprivi in die Grube gefallen, die er einem Anderen gegraben hatte, und in da« Privatleben zurückgetreten. Die Geschichte seiner. Entlassung ist von uns seiner Zeit mit» getheilt worden und eine soeben im „Deutschen Wochenblatt" des Herrn vr. Arendt gegebene Darstellung bestätigt unsere Erzählung im Allgemeinen. Die Darstellung deS vr. Arendt ist aber in einisten Punkten unrichtig, und wir sehen unS veranlaßt, sie richtig zu stellen, ^weil die Ungenauigkeiten einem Organ der freisinnigen Vereinigung, die Wittwenlrauer um den Mann, dem alle Parteien für national galten, noch nicht abgelegt hat, zum Vorwand benutzen, die Haltung der Krone in jenen Tagen einer ungerechten Kritik auSzusetzen. DaS „Berliner Tageblatt" schreibt nämlich: „Wenn dir Dinge wirklich so gelegen hätten, wie das „Wochen- blatt" schreibt, so hätte vr. Arendt bester gethan, wenn er auch seiner geschwiegen hätte; denn dann wäre es eine Thatsache, daß Graf Saprivi ohne sachlichen Grund seine „Entlastung" — nicht seinen Abschied! — erhalten hätte. Wenn die Sache aber nicht ganz so ist, wie sie hier dargestellt wird — und alles läßt vennuthen, daß die Arendt'sche Darstellung lückenhaft ist — dann sollte die Regierung schleunigst den wahren Sachverhalt im „Reichs- anzriger" kundgeben, damit ans dieser Lr-art nicht von Gegnern der Monarchie Capital geschlagen werde." DaS hat die Regierung nicht nöthig, denn aus dem. wie wir wiederholen, bekannten wahren Sachverhalte gebt hervor, daß allerdings rin sachlicher Grund zur Entlastung Vor gelegen hat. vr. Arendt erzählt: „Die Kanzler- und Ministerkrisis war beigelegt, als Sr. Majestät der Kaiser zur Jagd nach Liebrnberg fuhr. Dort bestand so wenig die Absicht einer politischen Jntrigue oder Verschwörung, daß zunächst der Minister Graf Eulenburg gar nicht anwesend und gar nicht ge- laden war — und gerade Las wurde für Graf Caprivi verhängniß» voll. Die bekannten Auslassungen in der „Köln.Ztg." haben schließlich dahin geführt, daß Graf Eulenburg Beschwerde erhob, und daß Graf Caprivi in einem besonderen Memorandum dem Kaiser seine Ansichten gegenüber der Auffassung des Grasen Botho Eulenburg entwickelte. Der Kaiser hatte hierauf entschieden, daß sowohl der Reichskanzler wie der Ministerpräsident im Amt bleiben solle. Er selbst wolle in Liebenberg dem Grafen Eulenburg das mittheilen und ihn bestimmen, neben dem Grafen Caprivi im Amt zu bleiben. Zugleich befahl Seine Majestät, daß eine Abschrift des Eaprivi'schen Memorandums dem Grasen Eulenburg zugehen solle. Zu seiner Ueberraschung fand der Kaiser unter den Jagdgästen in Liebenberg den Ministerpräsidenten nicht, woraus diesem sofort der kaiserliche Wunsch, ihn dort zu sehen, telegraphisch übermittelt wurde. Graf Caprivi fühlte sich vollkommen als Sieger und über- andte sein Memorandum schleunigst, ohne weitere Aufklärung, nur mit dem Bemerken: auf Befehl des Kaisers, dem Grafen Eulenburg, der hierdurch äußerst erregt, ohne Kenntniff von der vom Kaiser ze.roffenen Entscheidung, sofort sein Abschiedsgesuch nirderschrieb. Erst bann kam die telegraphische Berufung nach Liebenberg. Der Ministerpräsident steckte das Abschiedsgesuch in die Taiche und fuhr dorthin. Ter Kaiser war höchlichst überrascht, als hier bei der ersten chicklichen Gelegenheit Graf Eulenburg seinen Abschied erbat, glaubte er doch, daß nach seiner Unterredung mit Graf Caprivi die Krisis beigelegt sei. Die Aufklärung, welche ihm zu Theil wurde, machte die Ministerkrisis unabwendbar, und damit fiel der Grnnd fort, Graf Caprivi länger zu halten. Während dieser gehofft batte, durch die beschleunigte und jeder Aufklärung entbehrende Uebersendung des Memorandums die Demission des Ministerpräsidenten doch herbei- zuführen, besiegelte er damit nur den eigenen Fall, der sich nun zu einer Entlassung stempelte." In dieser Darstellung ist vor allen Dingen unrichtig, daß Graf Eulenburg wegen der Auslassung der „Köln. Ztg." Beschwerde erhoben habe. Der Ministerpräsident hatte dies weder aus diesem Grunde, noch überhaupt gethan. Die „Beschwerde" ging — nachdem, wie zutreffend gesagt wird, die Kanzler- und Ministerkrisis beigelegt war — vom Grafen Caprivi ein, der sie aus die Thatsache gründete, daß Graf Eulenburg dem Empfang einer ostpreußischen Abordnung des Bundes der Landwirthe durch den Kaiser am 20. October, also nach erfolgter „Auseinandersetzung" der beiden Herren, beigewohnt hatte. Der Reichskanzler witterte in diesem Umstande eine Jntrigue und entwickelte diesen Verdacht oder diese Ueberzeugung in einem Abschiedsgesuch (nicht „Memorandum"), welches er dem Kaiser einreichte. Der Kaiser besuchte darnach den Grafen Caprivi, um ihn dahin aufzuklären, daß die Anwesenheit des Minister präsidenten bei jener Audienz auf seinen (ckeS Monarchen) Befehl stattgefnnden habe und in ihr nicht nn Entferntesten eine gegen den Kanzler gerichtete Spitze zu finden, das Miß trauen des letzteren also unbegründet sei. Zugleich versicherte der Kaiser den Grafen Caprivi in besonders gnädiger Form seines Vertrauens, beauftragte ihn aber, dem Minister präsidenten, damit dieser vollkommen über die Lage auf geklärt sei, Mittheilung von dem Inhalt dieser Unterredung zwischen Kaiser und Kanzler zu machen. An diesem Puncte weist die Arendt'sche Darstellung wesentliche Jrrtbümer auf. Die Aufgabe, der sich nach ihm der Kaiser in Liebenberg unterziehen wollte, war thatsächlich dem Kanzler vom Monarchen zugewiesen worden. Graf Caprivi entledigte sich derselben allerdings in der von Arendt bezrichneten Weise. Anstatt die Frieden und Ver söhnung zwischen den beiden Ministern bezweckende Aufklärung und Bemerkung des Kaisers dem Grafen Eulenburg mit- zutheilen, schickte ihm der Kanzler lediglich sein Abschiedsgesuch, daS eine scharf abfällige Beurtheilung Eulenburg'S enthielt, und fügte nichts weiter hinzu, als daß der Kaiser dieses Ge such abgelehnt habe. Der Ministerpräsident konnte in dieser Information unmöglich etwas Anderes erblicken, als die vom Monarchen ausgehende Aufforderung, seinerseits um den Abschied einzukommen, und verfuhr demgemäß. Graf Caprivi hat demnach das Gegentheil von dem gethan, was der Kaiser be fohlen, und das Gegentheil von dem erreicht, was der Monarch bezweckt hatte. Da diese Mißachtung eines kaiser lichen Auftrages einem Diener des Kaisers und überdies einem preußischen General zur Last fiel, so wird man, wenn man deutsche und preußische Staatsauffassung seinem Urtheil zu Grunde legt, einräumen muffen, daß die Entlassung Caprivi « aus dem triftigsten „sachlichen" Grunde, der nur denkbar ist, erfolgt ist. ^ Berlin, 24. October. Der Vorsitzende des Bundes der Landwirthe, Herr von Ploetz, hat in den letzten Tagen einen StreifzuH in den Westen der Monarchie gemacht und am Niederrhein drei Versammlungen abgehalten. Die „Deutsche Tageszeitung" berichtet von einem glänzenden „Er folge" de« Herrn von Ploetz. Wir finden in den Berichten de» Organ» des Bundes außer den Skizzen der Reden deS Herrn von Ploetz, in welchen dieser seine bekannten Ausführungen im Reichstag wiederholt hat, nichts, waS auf einen solchen Erfolg schließen lassen könnte, es sei denn die Annahme einer Resolution, in welcher die Zuhörer de- Herrn von Ploetz — nicht um die Annahme des Antrags Kaniy, sondern um die Wiederaufhebung der Staffeltarife für Vieh ersuchen. Diese Staffeltarife sind erst kürzlich auf den Westen der preußischen Monarchie ausgedehnt worden und entsprechen den Tarifen, welche seit längerer Zeit auf den östlichen Bahnen bestanden haben. Niemand ist für die Ausdehnung derselben eifriger und entschiedener einaetreten, als gerade die kon servativen Agrarier im preußischen Landtag. Graf Klinckow- slroem bat im Herrenhause von dem Minister Tbielen diese Maßregel Namens und im Interesse der vstelbischen Land- wirthschaft wiederholt auf daS Dringendste gefordert. Tie unter Assistenz des Herrn von Ploetz jetzt von Mitgliedern des Bundes der Landwirthe im Rheinland angenommene Resolution beleuchtet die vom Vorsitzenden dieses Bundes ge predigte Solidarität der Landwirthschaft diesseits und jenseits der Elbe nickt minder scharf, als die Doppelzüngigkeit, welche sich in der Stellungnahme der angeblich „berufenen Vertreter" der agrarischen Interessen zu den die letzteren eng berührenden Fragen kundgiebt. * Berlin, 25. October. In einer gegen die „Köln. Ztg." gerichteten Erklärung, die Herr Stöcker Mitte vorigen Monats im „Volk" veröffentlichte, Ließ es bezüglich seiner Beziebungen zum Frbrn. v. Hammerstein: „Seitdem (d. h. seit ich die erste Andeutung von seinen Ver gehungen erhielt) habe ich, je nach dem Maße der Erkennlniß seiner Schuld, meine Beziehungen zu ihm als Freund und Seel- sorger dazu verwandt, ihn zur Aufrichtigkeit zu mahnen und ihn zu bewegen, daß er auf seine politischen Stellungen freiwillig verzichte." Bei der Weltklugbeit, die Herrn Stöcker eigen ist, glauben die „Berl. N. N." nicht fehlzugehen, wenn sie die Bezeichnung „Freund und Seelsorger", womit er sein persönliches Berbältniß zu Herrn v. Hammerstein zum Ausdruck bringt, als das Ergebniß sorgfältiger Erwägung auffassen. Unsere Strasproceßordnung enthält nämlich in tz. 52 die Vorschrift: „Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt: 1) Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei Ausüduung der Seelsorge anvertraut ist." Die Annahme, daß Herr Stöcker, als er sich als „Freund und Seelsorger" des Herrn v. Hammerstein bezeichncte, dies im Hinblick auf einen künftigen Strafproceß gegen den Letzteren und die hierfür in Betracht kommende oben cilirte Gesetzesvorschrift that, ist jedenfalls nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. * Berlin, 25. October. Ueber die beachtenswerthe Rede, die der preußische Landwirthschaftsminister Freiherr von Hammerstein-Lorten bei einem Festessen in Ratibor am 23. d. M. gehalten hat, wurde vom Telegraphen schon kurz berichtet. Die Rede batte nach der „Schl. Ztg." folgenden Wortlaut: „Als ich vor zehn Monaten mein Amt übernahm, lagen die Verhältnisse ganz außerordentlich schwierig für ein gedeihliches Wirken. Für mich ganz besonders schwierig, weil ich zwar mit Land- wirthen und landwirtschaftlichen Verhältnissen links der Elbe wohl vertrant, ja ich kann sagen verwurzelt war, mir aber die landwirth- schaftlichen Verhältnisse rechts der Elbe noch nicht bekannt waren. Mein Amt aber wies mich aus die landwirthschastlichen Interessen der ganzen Monarchie hin, und gerade in den ältlichen Provinzen verlangte und bedurfte die Landwirthschaft zunächst der Hilfe. Denn während in den westlichen Theilen der Monarchie, Dank einer älteren Cultur und eines günstigen Klimas, die Dinge noch immer nicht so schlimm liegen, bot und bietet der Osten eine Fülle der schwierigsten landwirthschastlichen Fragen. Es war daher vor Allem meine Pflicht, den Osten kennen zu lernen und den Landwirthe« der öst lichen Provinz persönlich näher zu trete». Denn wer heilen will, muß zunächst selbst zusehen, wo es noth thut. Ich habe mich nun auf meinen bisherigen Reisen gewiß noch nicht genügend von allen wichtigen Dingen unterrichtet. Aber den Eindruck möchte ich doch vor Allem wiedergeben, daß die Landwirthe hier treu und aus dauernd ihren schweren Beruf erfüllen, daß sie, durchdrungen von dem Ernst ihrer Lage, aus eigene Kraft vertrauend, ein Leben voller Arbeit führen, daß sie dann aber auch die Unterstützung des Staates erwarten und, ich füge hinzu, mit Fug und Recht er- warten. Ich muß dabei auf zwei Fragen eingehen, welchen Sie die Möglichkeit und Fähigkeit zujchreiben, die Lage zu bessern; diese sind: der Antrag Kanitz und die Währungssrage. Wenn ich überzeugt wäre, daß die Annahme des Antrages Kanitz der deutschen Landwirthschaft helfen könnte, und wenn seine Annahme mit den Handelsverträgen »nd der Vertragstreue ver einbar wäre, so würde ich nicht zögern, sür den Antrag einzu treten. Aber ich habe bei der eingehenden Prüfung, welche der Antrag Kanitz von mir erfahren hat, T« jetzt nicht die Ueber- zeugung gewinne» können, daß er der deutschen Landwirthschaft segen bringen würde, und ich glaube auch nicht, daß speciell der Osten die Vortheile davon ziehen würde, die seine Freunde erwarten. Ueber die Währungssrage will ich nur sagen, daß das Sinken des Silberpreise« ernste Gefahren mit sich bringt. Doch ist bei unseren Verhältnissen da- vollständige über den Haufen Werfen des gegenwärtigen monetairen System« vou zweifelhaftem Erfolge. Ich kann nur sagen, daß in diesem Augenblicke von der königlichen StaatSregierung Mittel erwogen werden, wie diesen Gefahren zu begegnen ist. Ob aber, wenn selbst eine Aenderung in unserer Währung ohne schwer wiegende Folge» für andere Theile und ohne gänzlichen Umsturz unsere- jetzigen monetairen Systems möglich sein sollte, die- der Landwirthschaft Borthetl bringen würde, scheint mir zweifel haft: namentlich aber zweifle ich, ob sich die Betriebskosten der Wirthschaft al-dann nicht steigern würden. Ich glaube daher, daß unser nächstes Ziel sein muff, mit einer ganzen Reihe einzelner Maßregeln zu Helsen, von denen vielleicht jede einzelne an sich von keiner so allgemeinen Bedeutung sein mag, die aber in ihrer Gesammtheit schließlich doch zu einer Besserung verhelfen werden. Ich hoffe und erwarte, daß bei der Berus-treue der deutschen Landwirthe die Krtsi- dann wird über»,
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