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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-21
- Monat1895-12
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Durch die Post bezog»» sur Deutschland und Oesterreich: viertellährltch X S>—. Direct» tägliche Kreuzbandseudung tu« LuMand: monatlich -4l 7«. Die Morgen«?lu«gabr erscheint «m Ubr. die Pbend-AuSgahr Wochentags um ü Ubr. Ledartio« u«t Erpe-itii«: -»Hanne«,affe 8. Dte EktndMon ist Wochentag» ununteedroche» geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Fittalen: Ott» Meimn's Tortim. (Alfred -ahn). Nniversitätssrrahe 1. Lonis Lösche. stotbarinenstr. 14, pari, und KünigSplad 7- Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Kandels - und Geschäftsverkehr. Anzeige»«'PreiS die 6t,rspaltme Petitzeile SO Pfg. Reclamea unter dem Rrdaction«strich («ge» spalten) dO/H, vor den Familirnnachrichirn (kgespalteu) «0^ Gröber« Schriften laut unserem Preis» v«rz,ichnib. Tabellarischer und Ziffrrnsa- noch höher«» Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nnr mit der Viorccn - Ausgabe, ohne Postbefürdernng » 80.—, mit Postbrsörderuug 7Y. Annahmeschluk für Akyei-en: Nbend-AuSgabe: Bvrmittag« 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Mir. Für dir Montaa»Morgen»Ansga'''e: Sonnabend Mittag. Bci den Filialen und Annahmestellen je eine holde Stnnd« früher. Anzeigen sind stet« an d» Vrpedili»», zu richten. Drurl und Verlag von E. P olz in Leiv'.''. 822. Sonnabend den 21. Decembcr 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. ^ Leipzig, 21. Deren,ber. Bei der EtatSdebatte im Reichstage bat die deutfch- e»nf«r»«ti»e Partei es zu vermeiden gewußt, daß die Gegen sätze, die in ihrem Lager sich allmählich herausgebildet baden, zu Tage traten. Nach der Weihnachtspause wird sich der «chein der Einigkeit nicht mehr bewahren lassen; muß er der Wirklichkeit nicht schon früher weichen, so weicht er sicherlich bei der ersten Lesung de« bürgerlichcn (ffesetzbncheS. Bekanntlich wurde der „Köln?Z." berichtet, eS mache sich in der Partei ein immer mehr wachsender Widerstand gegen das baldige Zustandekommen dieses großen nationalen Werkes bemerkbar. Die „Eonservat. Corr." widersprach dieser Be hauptung und bezeichnete sie als „denunciatorische Erfindung". Der „Reichsbote" dagegen sprach die Bermutbnng anS, die Meldung deS rheinischen Blattes sei auf Artikel der „Corr. deS Bundes der Landwirthe" gegen das Gesetz buch zurückzufübren. Dazu bemerkt nun die bündlerische „Deutsche Tagesztg.": „Der Umstand, daß die conservative Partei mit den Aeußernngen deS „Bundes der Landwirthe" nichts zu thun habe, ist allgemein bekannt. Im Uebrizen glauben wir aber, erklären zu dürfen, daß ein großer Theil der conservativen Partei, vielleicht die Mehr heit, mit uns der Anschauung ist, daß das längere Warten auf ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch ein klei» ne res Urbel sei als die unveränderte Annahme deS Entwurfs. Wir sehen nicht ein, weshalb man aus »dieser ernsten und wohl- begründeten Ucberzeugung ein Hehl machen soll". Herr v. Plvtz hat inKvnigSberg erklärt, die dentschconservative Fraction stede völlig auf dem Standpuncte des Bundes der Land wirthe, ohne eine einzige Ausnahme. Die „Corresp. des Bundes der Landwirthe" und vie „Deutsche TageSztg." bekämpfen die schleunige Erledigung des EnlwnfS; das letztere Blatt behauptet, „vielleicht die Mehrheit" der conservativen Partei sei derselbe» Meinung. Wie reimt sich das mit der entrüsteten Behauptung der „Conservat. Corr", cS sei eine „denunciatorische Er findung", wenn das Wachsen deS Widerstandes in der conser vativen Partei bcbanptet werde? Glaubt das conservative Parteiorgan, der Widerstand deS Bundes der Landwirthe werde sich bis zur Berathung des Entwurfs überwinden lassen? Das würde vielleicht möglich sein, wenn bis dahin die Regierung ihren Widerstand gegen den Antrag Kanitz aufgädc. Da aber die Regierung unmöglich beute für möglich erklären kann, was sie gestern für unmöglich erklärte, so muß bei der Deratbuiig des bürgerlichen Gesetzbuches der Gegensatz zwischen reinen und bündlerischeil Conservativen scharf bervortreten, wenn nicht clwa — was wir nicht glauben mögen — die reine» Conservativen auch in diesem Falle denl Bunde der Landwirthe trotz des kaiserlichen Wunsches, der Reichstag möge jene Borlage ohne lange Berathung an nehmen, sich „löblich" unterwerfen. Die Führer der Tocialdemokratie wissen es so genau wie ihre Gegner, daß ihnen zum Eingang in das Paradies ihres PbantasiestaateS ein fester Riegel vorgeschoben ist, so lange dem Zug der „Arbeiterbataillone" nicht die kleinen Bürgersleute und die „harten Bauernschädel" sich an geschlossen haben. Zweierlei Leute wollen aber auch zweierlei Kost. Was bei den „Zielbewußten" und dem sonstigen Proletariat der Großstädte, das an ein starkes Aufträgen gewöhnt ist, seine Wirkung nicht verfehlt, das darf natürlich bei den von der socialistischen „Cultur" noch wenig beleckten Kleinstädtern oder gar bei den Bauern draußen als Anfangskost nicht verabreicht werden. Speciell bei den Bauern darf man ja, wie der schwäbische „Genosse" Kloß einmal ausführte, mit den „Endzielen nicht beginnen". Co ist die Cocialdemelratie allmählich zum JanuSkopf mit zwei Gesichtern geworden. Auf der einen Seite der Krieg der allgeineinen Revolution, mit deren Feuer man „unter sich" spielt, ans der andern Seite eine harmlose Gesellschaft, die keine heiligere Aufgabe kennt, als in der friedfertigsten Weise taS allgemeine Wcltgliick berbeizusübren, bei dem jeder Staubgeboreuc bci möglichst geringer Arbeit den möglichst hoben Genuß seines DaieinS bat und bei der alle bösenSitten, die fick» dieMenschbeit bei der jetzigen Gesell schaftsordnung angewöbnt hat, in der allgemeinen Weltbarmonie zu lauter löblichen Tugenden sich auSlösen werden. Um jedoch mit dieser doppelten Buchführung zu praktischen Erfolgen zu kommen, war es erste Bedingung, daß die Eingcwcihkeren cs sich nicht beikommcn ließen, a» der inneren Unwahrheit dieses Doppelwesens Kritik zu üben. Fast wider Erwarten bat es sich aber auch bei der sonst so fest zusammengeschmiedeten Socialdemokratic gezeigt, baß man niemals ungestraft doppeltes Spiel treiben kann. Schon bei verschiedenen Ge- legenbciten und an verschiedenen Orten hat sich die „schärfere Tonart" gegen die „Ofsicicllen" geregt. Nun ist sie auch in Württemberg an die volle Ocsfentlichkeit getreten. Der Genosse Klink von Asfaltrach sucht in einer Broschüre den Nachweis zu liefern, „wie die Führer der Socialdemokraten Recht und Wahrheit achten". Die Zwistigkeiten haben bereits seit einiger Zeit gespielt, und von beiden Seiten ist schon grobes Geschütz anfgesührt worden. Es wäre nun gewiß nichts verfehlter, als wenn ma» dem Borgeben eines solchen Mißvergnügten und seiner Freunde die Bedeutung zulegcn wollte, als ob sie im Stande wären, eine ernsthafte Bresche in die socialdemolratische Organisation zu legen. Dazu müßten andere Kräfte anferstehen. Aber dazu hat man die volle Berechtigung, die ganze Bewegung als ein Symptom der inneren Gährnng in der Socialdemokratie anzn- sehen, als ein Anfbäumen gegen den für die Jagd nach Walilsiimmen auferlegten Parteizwang. Tie of'sicicllc Social demokratie bekommt m dieser Broschüre böse Dinge zu hören: „Genossen, die sich unliebsam gemacht habe», werden persönlich an gegriffen; man sucht sie zn verunglimpfen aus alle mögliche Arten und ihrer Ehre zu berauben. Lug und Trug, Perleunidnng und Verächtlichmachung müssen herhalten, um solche vor der Leffentlich- keit abzusägeu. Keine bürgerliche Partei ist in diesem Puiiet »och so weit gekommen, wie die socialdcmokratischc." Dem LandcSvorstand der socialdemokratischen Partei in Würt temberg wird der „gute" Rath gegeben, „daß er, wenn er wieder lügen wolle, dies nicht in dieser plumpen Weise tbnn möge". Die Ursache von Allem, waS der Berfasser anSzusetzen bat, fei, „daß die Socialdemokratie mehr und mehr ihren rcvolutionairen Charakter verliert, daß mit Lügen und Gemeinheiten gekämpft werden muß, daß die Ehrlichkeit abhanden gekommen ist .... So ist es wirklich in der socialdemokratiichen Partei, die aus einer Arbeiterpartei eine Partei für verkrachte Existenzen der Bourgeoisie geworden, in welcher sich diese eine Existenz suchen .... Ein Mensch, der einige Jahre auf der Universität die Hosen verrutscht und nachher sich in vie Arbeiterbewegung drängt, wird angestaunt und bewundert .. Die leitenden Genossen selbst, die Klink „Parteipäpste" nennt und denen er den ärgsten Personencuttnö vorwirft, werden mit allerlei lieblichen Namen beehrt. Es ließen sich manche Stilproben anfügeu, die zeigen, daß Klink neben den parteipolitischen auch persönliche Zwistigkeiten auSfechten will, die mit der principiellcn Frage nichts zu tbnn haben. Die üble Sitte, fachliche Kämpfe auch auf persönlichem Boden auSfechten zu wollen, scheint er fick, in feiner Vergangenheit als „ofsicieller" Genosse allzusehr alt gewohnt zu haben. Daß aber die ganze Bewegung, die dieses neueste Schmerzenskind der schwäbischen Socialdemo kratie anzuzetteln verstanden bat, den Führern äußerst un gelegen kommt, das beweisen die scharfen Mittel, mit denen man gegen ihn vorgegangen ist und mit denen man seiner Unbotmäßigkcit die Spitze abznbrechcn gesucht hat. Nun bat sich daS ent'aut teirilile der schwäbischen Socialbemokratie aber doch an die volle Oeffcnllichkeik gewandt, und seine Broschüre über „Recht und Wahrheit" bei den Führern der Socialdemokratic wird nicht nur hei den Gegnern derselben gelesen und beherzigt werden. Nunmehr wird auch die Schweiz ein einheitliches 2rrcnrecht bekommen. Die schweizerischen Irrenärzte selbst haben der „Frkf. Ztg." zufolge einen Entwurf auS- gearbeitet, welcher unter Anlehnung an die Vorbilder der Cantone Genf und Neuenburg, sowie des englischen und schottischen IrrengcsetzeS die Grundsätze sür ein Bundesgesetz in Vorschlag bringt. Der Entwurf betont nach englischem Vorgänge den zweifellos richtigen AnSgangSpunct, daß alle unselbstständigen Geisteskranken und Geistesschwachen des staat lichen SckmtzcS bedürfen, gleichviel ob sie sich in Anstalts- oder Privatpslege befinden. Diesen Schutz soll der Bund unter Mit wirkung der Cantone durch eine beständig von ibm besoldete Comnnssion ausüben, welche wenigstens ans zwei erfahrenen Irrenärzten besteht, die mindestens 10 Jahre, davon 5 Jahre als verantwortlicher Vorsteher in einer großen Irrenanstalt tbätig gewesen sind, und einem juristisch gebildeten Mitgliede. Diese Mitglieder sotten keinerlei anderen Beruf treiben dürfen. Befugnisse und Pflichten dieser Aufsichts-Commission sind im Allgemeinen nach englisch-schottischem Muster entworfen; indeß bleiben die vorgeschl'agcnen Gewährleistungen gegen mißbräuch liche Freiheitsentziehung hinter den englischen Bestimmungen und auch hinter denjenigen in den Niederlanden erheblich zurück. Dies gilt namentlich von der Mitwirkung deS zuständigen Friedens richters bei jeder länger dauernden Jnternirung, dann auch von den sehrzweckmäßige», in bestimmten Zwischenräumen zn wieder holenden motivirten Begutachtungen, betreffend die fortdauernde Anstalts-Bedürstigkeit der Kranken. Beziehen sich doch die berechtigt befundenen Klagen in der Regel mehr ans eine ungebührlich verlängerte Festbaltung als auf mißbräuchliche Aufnahmen in Irrenanstalten. Auch die in England vor» geschriebene sofortige Anzeige jeder Ausnahme und jedes Abganges durch Entlassung oder Tod au die AufsichtS- Co'mmission ist schon deshalb empfebleuSwerth, weil letztere nnr dadurch jederzeit den Soll-Präsenzstand jeder zn rcvidireuden Anstalt genau vorher kennt. Bezüglich dieses PnncteS wird der Entwurf der schweizerischen Irrenärzte wobl noch einiger Erweiterung bcdiirfen, um die gewünschte volle Beruhigung gegenüber möglichen AnstaltSmißbränchen zn gewähren. Bei diesem Anlaß sei daran erinnert, daß die Schweiz in Bezug ans die statistische Häufigkeit des Irreseins den meisten Ländern Europas voransteht; der Canton Zürich batte sogar bci der letzten Zählung das höchste bis jetzt in der Welt beobachtete Verhättniß (32«»l Geistestrante und Geistesschwache ans 3.19 000 Seelen, somit fast 1 Procent der Bevölkerung) anfzuweisen. In dem englisch-amerikanischen Streitfall ist noch nichts geschoben, was den friedlichen AuStrag der Differenzen nnmöczlich zu machen geeignet wäre, im Gegentbeil liegen noch weitere Anzeichen vor, welche erkennen lassen, daß der chauvinistische Rausch, in welchen die Botschaft Cleveland'S das Amerikaner thum versetzt hatte, einer immer nüchterneren Betrachtung weicht. Im Senat erklärte, wie uns gemeldet wird, gestern Sherman, Amerika habe selbst die Monroe-Doctrin nicht be achtet, als eS TexaS und Californien annectirte, und tadelte die in der Venezuela-Frage zn Tage getretene Hast und Erregung. Zwar verwarf der Senat den Antrag Morgan, daß die Grenz - Commission vom Präsidenten der Union unter dem Beiratbe und der Zustimmung des Senats gewählt werken solle, und trat dem Beschluß des Repräsentantenhauses bei, welches die Wahl der Commission ausschließlich in die Hände deS Präsidenten legt, allein man ist im Senat der Anfuhr, daß die Commission sich gar nicht an Ort und Stell: zu begeben brauche, sondern die Sache in Washington erledigen könne, da ihr dort die nöthigen Karten und Schriftstücke zur Hand seien und das Nebrige ihr jedenfalls von Venezuela geliefert werden würde. DaS sieht schon aus wie Rückzug. Von noch größerer Wichtigkeit ist aber der Umstand, daß nach uns vorliegenden New-Dorker und Londoner Meldungen, in Erwiderung des Ersuchens zahlreicher Mitglieder der Ncw-d)orker Handelskammer, welche der Botschaft Cleveland'S nicht zustimmen, der Vorsitzende der Kammer sich entschlossen habe, eine Versammlung zu berufen, um zur Venezuela-Streitfrage Stellung zu nehmen, sowie daß maßgebende Ncw-L)orker Bankkreise behaupten, Cleveland'S Handlungsweise sei für die geschäftlichen Gebiete unheilvoll geworden, finanzielle Unternehmungen seien zum Stillstand gekommen; die in den Vereinigten Staaten erlittenen Perlutte seien schon nach Millionen zu beziffern. Allerdings meldeten die „Times" gestern, die Gouverneure der 28 Staaten hätten dis aus zwei ihre Uebereinstimmung mit dem Vorgehen Cleveland'S diesem telegraphisch auSge' drückt, diese Meldung kann indessen nur aus Solche Ein druck macken, denen die Verhältnisse in den Bereinigten Staaten gänzlich unbekannt sind. Die Gouverneure gehören in den Vereinigten Staaten zu den gewerbsmäßigen „Parteipolitikern", und in welchem Ansehen diese dort stehen, braucht nicht erst gesagt zu werden. Da ist «S denn dock von größerer Wichtigkeit, wie die maßgebenden Bant und Handelskreise sich stellen. In derNew-Iorker Handelskammer bezeichnete einer ihrer Alterspräsidenten, Smith, Cleverland's Vorgeben als einen Schnitzer und ein Verbrechen. Andere hervor ragende Männer verurtheilen eS ebenfalls, insbesondere der Geschichtsschreiber von Holst, Professor an der Universität Chicago. Dieser sagte: „Die Botschaft des Präsidenten birgt die furchtbarsten und nach- thciligsten Folgen in sich, nicht nur sür die Vereinigten Staaten, sondern für ganz Europa. Ich kann nicht hinreichend starke Worte finden, um die Trugschlüsse des Präsidenten und das Un. recht, das seine Worte in sich schließen, zu mißbilligen. Dies ist nicht Monroe lehre, es ist die reine Diktatur. Der Prä» sident und Olmy haben nichts als die Grundlage ihrer illegitimen Doctrinen. Ich verdamme ihre Auslassungen alS öffent liche Schmach und eine Calamität. England ist völlig im Recht in der von ihm eingenommenen Haltung." Ferner schreibt die „New-L)ork World", welche die Bot schüft des Präsidenten sür einen gewaltigen Fehler halt und sie „eine bloße Eiscnfresserei" nennt: „Man braucht doch nur aus Eanada und Britisch-Columbien hinzu- weisen, um zu sehen, daß England in dieser Halbkugel keine fremde Mackr ist. Großbritannien besitzt in Amerika größeres Gebiet, als wir, und war hier, ehe wir eine Nation wurden. Hätte England feindselige Absichten, wie die Worte des Präsidenten insinuiren, so brauchte es nicht aus einen Grenzsireit in dem fernen Venezuela zu warten, um unsere republikanischen Einrichtungen anzugreifen. Die Annahme ist absurd, I und damit fällt das ganze Gebäude der patriotischen Rhetorik des Präsidenten." ' In England verhält man sich denn auch sehr kühl zu den Drohungen Cleveland'S. Die dortige Regierung hat bis jetzt noch keinerlei amtliche Mittheilung von Seite der Re gierung zu Washington erhalten, sie würde aber erst dann FerrNlrtsii. Der Geiger. 10j Original-Roman von Emmy Rosss. Nachdruck verboten. (Fortsetzunq.) Aber auch Bruno war erstarrt — das unermeßliche Glück lähmte ihn momentan — er war nicht einmal eines Gedankens fähig. Wie ein Trunkener wankte er die Treppe hinauf — dort stand Aurel — ahnungslos schritt er auf Bruno zn, da löste sich dessen Freudenbann, er stürzte ibm um den HalS: „Mein — mein Bruder", schluchzte er, in beiße Thränen ausbrechend, die über Aurel'S Wangen flössen. Und Aurel, der bis dahin vergebens auf die Stimme des Blutes in seinen Adern gewartet, fühlte nun auch den Zauber der Zusammengehörigkeit — sie beide liebten eine Mutter. Sein Blut sprach eine freudige Bejahung diesem liebevollen Bruder Dasselbe, was Bruno vorher gesagt, daß Herbert beirathen mußte, sagte nun bei Tisch der alte Commerzien- rath zu seinem Sohn. „Weißt Du, Herbert, Du bist nun bald 29 Jahre alt, daS schönste Alter zum Hrirathen." „Ich denke nicht daran, zu heirathrn, Papa — ich glaube nicht an die Treue der Frauen!" „Ein Fall wiederholt sich in der nächsten Generation fast nie, wie die Erfahrung lehrt, und Du bist ein Mann, der Glück l ei Damen haben wird, so wie er eS will. Also wolle nur. Freilich, ich rathe Dir, wähle feinen Vogel Phönix — kein Wunder der Welt. Mach' eS wie Jacque«! Führe ein vor nehme«, gebildetes Mädchen heim, da« auf seinen Ruf hält, weil eS eine Familie zu achten und ehren weiß — nodlvbsv odlige — wähle Dir auch keine au« verarmtem Adel — Mädchen, die plöUlich zu Reichthum gelangen, verstehen nicht mit Geld umzugeyen und können einen Rothschild bankerott machen — Geld zu Geld, da« giebt die besten Ehen! Eine Schwiegertochter wie Clelia, da« wäre thatsiichlich da« Ideal meiner Wünsche!" „Gewiß, Papa — aber man findet sie nicht so leicht!" „O, such« sie nur — r« giebt. Gott sei Dank, noch viele vornehme Mädchen wie Clelia, di« Dein großer Reichtbum al« Lrquivalent für Aufgeben ihre« Adel« entschädigt. Und dann, setzt man eS durch, satt« e« nötbig ist, daß man mich für verschiedene Dienste, die ich durch Lieferungen dem Staat geleistet, in den Adelstand erhebt — ist Deine Familie von Stand, so dehnt man sicher daS AdelSprädicat auch auf Dich auS." Herbert hörte schweigend zu, an Widerspruch dachte er nicht mehr — eine Frau war er seinem Vater eigentlich nicht schuldig, aber einen Kronprinzen! Bruno war noch zu jung, um ans Heirathen zu denken, eben 24 Jabre — und obgleich wie ans Stein und Stahl verwebt, zählte der Commcrzien- rath doch schon 75 Jahre — ein Alter, wo jeder Tag ge zählt ist. Seitdem der Aufruhr über die untreue Gattin durch Aurel'S Schönheit wieder in dies vornehme HauS getragen, fühlte Herbert sich noch mehr zum Vater hingezogcn als je. Sie barmonirtcn zwar immer vorzüglich, sie waren in allen Dingen einig, eS handelte sich ja auch fast immer um geschäftliche Sachen oder Kunstgegenstände, wo der Sohn sich der klassischen Autorität des Vaters beugte, wenn man das „beugen" nennen kann, daß sie zufällig, wie sie sich äußerlich ähnlich waren, auch innerlich ähnelten. Und die einzige seelische Streitfrage, die Mutter und Frau, Lila, da stand Herbert in schroffster Abwehr neben dem Vater. Er laS sicherlich nicht, wie sein jüngerer Bruder, Bücher deS Fort schritts — eine Dame ver Gesellschaft achtele er, Käufliches kaufte er, die große Masse der hart arbeitenden, nach Erlösung schmachtenden Frauen übersah er, er kannte sic ja kaum — höchstens als Staffage der Straßen und als Dienerinnen im Staube deS Lebensweges. Nun da die überwundenen Schmerzen der Jugend wieder auftauchten, hatten sie noch einen weiteren scharfen Stachel sür ihn bereit. „Sie" appellirte an Bruno'« Herz, den Knaben, der eigentlich ibm gehörte, den er auf seine Art wirklich lieb batte. Andererseits mußte er Jacques Reckt geben, daß man Bruno freiwillig wählen ließe, ob er sie meiden oder aufsuchen wolle. Er wußte im Voraus, wie vaS Resultat auSsiel. Mußte denn aber ein „für" die Mutter auch ein „gegen" den Vater und Bruder bedeuten?" ES war ibm eine Erlösung, daß ein Besuch die« Diner zu Zweien aufhob. — Der Commerzirnrath sagte zwar gern „ich bin ein alter Mann", er glaubte e« aber selbst nicht. Noch konnte die halbe Nacht im gesellschaftlichen Wirrwarr um ihn herum vergehen, wie gestern, und heute setzte er sich um sieben Uhr an den Scattisch und spielte noch um elf Uhr, al« Bruno ibm Guten Abend wünschte. Man sab Bruno wobl dir Tbränen von vorhin ab, aber auch die selige Freude — er drückte des VaterS Hand stärker und streichelte sie sogar. Der Alte lachte ganz eigenartig: „Bruno will nämlich verreisen", sagte er zn seinem Gast, „na, wann geht denn die Reise loö nach Frankofurtig?" „Du willigst also ein, mein lieber, lieber Papa?" „Nun natürlich — lu gruucke ckose " „Aber nicht nach Frankfurt, Papa — weiter, nach Kairo ist eS Dir Recht?" „Einerlei — meinetwegen zum — na, sagen wir böslich, Gott der Unterwelt!" Aber Bruno streichelte dennoch die Hand, die sich ihm, wenn auch nicht ernstlich, zn entziehen suchte, ja, er küßte sie sogar, obgleich sie aufzuckte, als seine Tbränen darauf fielen. Eine Scene, das war so reckt des Vaters Geschmack in Gegen wart von Zeugen — Doch Herbert hatte den Besucher durch eine geschickte Wen dung so placirt, daß kein Dritter es bemerkte — als aber der fremde Herr sich verabschiedete, und Herbert gähnend sagte: „Es ist wohl Zeit sür Alle, inS Bett zu gehen", blieb Bruno an seiner Seile, und wie schon so oft, betrat er auch Herbert'S Wohnzimmer beute. „Gute Nacht, Herbert, ach Berti, Berti, mein Bruder, mein lieber, lieber Bruder, sei mir nicht böse, das würde mein Glück trüben, denn wisse, ich bin heute der Glücklichste der Glücklichen!" „Du Narr", sagte Herbert, aber seine Stimme zitterte. Zwölftes Capitel. Wenn bei Margarethe von Schlieffen zwei Bewohnerinnen vom Mond hereingekommen wären, hätte sie nicht erstaunter sein können, als über die braune Cbocolade-Puppe — denn Trcssi ging ganz in braunem Sammet, während Mira, schnee weiß von Kopf bis Fuß, in der That des DoctorS Scherz bezeichnung verdiente: „die Marzipan-Puppe". — „Sehen Sie, Fräulein von Schlieffen, wir hörten bei Herrn Stern von Ihrem Unfall und daß Sie so großartig Clavier spielen. — Wir sind erst vier Wochen in Europa, wo eS so sebr kalt ist, kenn wir kommen von BuenoS-AyreS, da« heißt ..schöne« Lüftchen". Mama aber ist Engländerin und deshalb spreche» wir meist Englisch; Papa ist Deutscher, aber er bat einen enytiscben Namen; ich heiße Trcssi, Therese, und Baby beißt Miriam, Myra ruft man sie! Wir suchen eine junge Dame von großer Virtuosität, zu wobnen mit unS, zu leben, zu unterrichten unS, denn unsere Duenna au« BuenoS-AvreS lst scheu halb todt vor rotker Nase und Frost." Baby knüpfte sich die große Weiße Schutenschleifc auf : „Und Ihr Doctor hat Herrn Stern gesagt, nickt sehr schlimm mil Fräulein von Schlieffen — in acht Tagen alle- heil, nichts gebrochen, nur verrenkt — und wollen Sw zu uns kommen. Wir haben Parterre, Potsdamer Straße 129 Wohnung. Sic sollen es sehr gut haben, wir sind sehr liebe Kinder, Tressi und ich." Alles in Margarethe jubelte auf, sie dachte sich, da für diese Saison doch ein öffentliches Auftreten wohl unmöglich wurde, wie reizend es sei, mit diesen beiden entzückenden Geschöpfen zu leben. Dann würde sic auch Aurel'S Scheiden nicht so tief empfinden. „Sagen Sie Ja", bat Baby mit ihrer jungen Kebl- stimnic. „Nicht so hastig", wehrte Margarethe ab, obgleich innerlich entschlossen, diese Glücksfrage ihrer Zukunft zu bejahen, „lass i. Sie mir ein paar Tage Zeit zur Ueberlegung — ick muß ja auck erst vom Herrn Professor selbst kören, waö er über meine Einlassung bestimmt." Das war den Püppchen eigentlich gar nicht recht — sie hätten am liebsten ihre begehrte Clavier-Duenna gleich mn- geschleppt, als wäre sie in dem Riesenpompadour rer Emen und Anderen zu placiren. „Und denken Sie, wir haben eben eine große Freude ge- babt, draußen trafen wir Herrn Relau, den wir in der Phil harmonie gekört haben — so ein göttlicher Künstler-Baby hat ibm gratulirt —" „Ja", sagte Baby, und ihre weißen Mausizähnckcn knabberten an einem Bonbon, den sie au- der Boroonnivre geraubt, als Tressi sie Margarethe anbot, „ich liebe ihn schrecklich — ich hätte ihm so gern einen Kuß gegebm, aber ein Herr mit Brillengläsern wie Schnbu-Augcn, lackte so dumm — in Argentinien küssen immer „danke schön!" Tressi schien daS auch ganz in der Ordnung ,u finden. „Herr Rclan kam wohl von Ihnen, Miß von Schleffen, Sic haben ja „in Privat" so schön mit ihm gespielt, daß in allen Zeitungen stand von der großartigen Margarethe Schlieffen. Und von Ihrem Unglück! Sonst hätten wir auck gar nicht gewagt, eine solche große Künstlerin zu bitten — wir beiden jittls girls!" „Ja, kommen Sie, bitte, ja?" fügte Baby hin«, unv mit dem klebrigen Zuckermäulchen küßte sie Margarets ein „Litte schön" auf die Wange — dann „wir kommen bild wieder", und wie ein Lperetten-Pärchcn verschwanden sie wie sie ge kommen.
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