Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.12.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189512268
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18951226
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18951226
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-26
- Monat1895-12
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.12.1895
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2 o. L. 0. Z. o. 8? o. «. s 9. sic. »re. co,L0 »5.40 rrsa )Z.?o i2SL 1.70 50^ »t.«0 so.- r»,so S7.S0 »«.40 »» ».75. W M 99.9V L?^v 4S.io Ä" «H— 4urct> t. 73-Is «0 2 t'!. V7-I. iU, 43 ce« VS »ov.. ros" il.^s !»70,— >t.i2-ui S.12-, S4.L7 i« ä-, us Sll- jcxnii>?s IcrtiNix 1S0 L8S 300 ?Sb ou «SS sic S00 ros— WIM 5V.7S 83,22 so S7.K0 iS 7^0 12» >0 S7.7L 11» 70 SV») re« so !W 197^ , »79 — I03.S0 !z;^ 181^0 2S1 7S 112.7» so».-: SS so 1SS.7L »1.2V 1107.— 2)0.90 , 213.10 » 210.0» IS9.10 1S0.— isgso 1»s — ssoo V4.S0 slü.7» ivi'öö soso 4«^- »«t »Sk veesmdsr v»eemd«^ » «ü-d BezugS-PreiS t» der HuuptqPedtttou oder den im Stadt» »mkl «L d«, »ororttn rrttchtetrn Ar«, qabfftelle» abgehott: vtert»ljLdrlIch^I4.L0, bei zweimalig« täglicher Zustellung in» Haas 5L0. Lurch dt« Post dezoarn für Deatlchland m«d Oesterreich: vtrrieliahrllch ^i 6.—. Lire«», tüglich» Kreuzbaadsendnng t»8 «uslaud: monattlch >li 7.K0. Li« Worg»n.>u-gab« erscheint »m '/,? Uhr. dir Abend-Ausgabe Wochentags um - Uhr. Ledartion un- Lrpeditto«: tzotzanuesgaff» 8. Li« Expedition Ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« «b«ud« 7 Ühr. Fttialen: Otto Ale««'- Sorlt«. (Alfred Hahn), Univrrsitäl-straße 1, Lanis Lösche, Knibm-inenstr. 14. pari. und KSnkclSdknh 7. apzigerLagchlM A«zeigen»Pretr die S gespaltene Prtttzeilr SV Pf,. Reklamen unter dem R»dactivn«strich (4g- spalten) KO/4, vor den Amniltennachrichten (6 gespalten) «0/4- Größere Tchriiten laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffern»»? nach höherem Tarif. Srtra«vrilagkn (gefalzt), aur mit der Morgeu» Aasgab,, ohne Postbeförderung X SO —, mit Postbesörderung I« 70.—. Anzeiger- Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Amiahmeschluß fir Anzeigen: Adeud-Au-gab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Für «1» Moatag-Morgru-Aasgabr: Sonnabend Mittag. Vti den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von k. Pol» in Leipzig. «2S. Donnerstag dm 26. December 1895. 8S. Jahrgang. Die nächste Nummer erscheint am Freitag Abend. Amtliche Bekanntmachungen. Nutz- und Lrennholz-Anction. Donnerstag- de« 8. Januar 1888 solle« im B«trk««rr Uorftrrsirre aus dem vlittrttoaldschlagt, dtcht am vupprnstegk uu» dem Nedergangr der Ttzkriager Etseubahn, nach der arotzen Eich«, »n «b:h. L4d L von vormittag- 8 Uhr an gegen hi» -bliche Anzahlung: 1ü Etchen»Nl-iz« von 86—106 «w MttlrnstSrke u. 8—8 m Lange, 1 Buchen» » » 49 - » «g»» 4 Ahorn» » - 80-40 » » »-—»»« 18 Eichen» » » 16—SL « « » 8— 8 » « 24 Anftern-- » 20—48 « » » 4—18 » » 1 Linden» » »bl» - »S»«u. 1 Nirschban«» »88» - »v». sowie lü kiuck SchirrhSlzer, ll. von >6 Uhr an gegen sofortige Bezahlung» 6V, Rmtt. Eichen'Rutzschetle L. uud U. Li, LL . Eichrn- 1 » Vuchen- 2V, » Eschen» vreaascheite, 5 » ASftera- 2 - Ltnden- 8S Hansen Adran» und ^ 4L . Schlagreisig, unter den tm Termtae »uShSngendeN Bedingungen meistbietend der- tauft werden Ansammenknnst: auf dem oben bezeichnet»» Schlage. Leipzig, am 18. December 180b. Des Math» Aorstdkdntatian. Die städtische Sparkasse zu Markranstädt verzinst die Ttn- lagen halbmonatlich uud zwar m>t: ExpeditionSzeit jeden Wochentag vormittag von S—18 Uhr mit Ausnahme de- Sonnabend«. , . , Sparverkehr im Monat Octvber: 188 11» > 81 ^ ikinlagen nnd 82 881 -4 58 Rückzahlungen. Di-voniblr Gelder liegen zur AuSleibung gegen Stellung von Hypothek oder Verpfändung mündelsicherer Wcrthpapicre, sowie gegen Verbürgung hier bekannter und zahlung-fähiger Personen ledrr- zeit bereit. Lparcaffe Markranstädt im November 1895. Die drei berechtigten privatschuien in Leipzig führen wie dl« öffentlichen Realschulen ihre Zöglinge bi« zu der durch da« Gesetz vom lk. Februar >884 für die öffentlichen wie für dir privaten Realschulen vorgeichriebenrn Reifeprüfung, mit deren Bestehen auch die Berechtigung zum einj. freiw. Militairdiensl er langt wird. Zugleich bereiten fl» für dir enti'prechenden Tlassen der öffentlichen höheren Lehranstalten vor. Zur Aufnahme In die VI. Realschul- dez. Progymnasialclaffe genügt da- 9. Lebensjahr, während in die Vorichulclassen Schüler vom schulpflichtigen Alter an ausgenommen werben. Dir Unterzeichneten sind zur Entgegennahme vün Anmeldungen und zur Eriheiluna jeder gewünschten Auskunft täglich (allster Sonntag») I I—>2 Uhr bereit. Dir. Ilr. L. vurtii, Realschule mit Elementorclassen (Quer straste 19 und Bahnhossiratze b). Dir. Vr. kr. üvtk (Teichmann-l)r. Roth'sche Privatschule), Real schule mit Proqymnasial- und iklementarclasieu (Ecke der Universiiäts- und Schillerstrabe. Fernsprecher Nr. L0S9). Dir. 0. Voller, Realschule (Lrntralstrabr 1). Von der Leipziger pieißenburg. Gleichzeitig mit einer Mittbeilung über den preisgekrönten Plan zur Auftbeilung de« Pleigenburggeländes in Leipzig bringt die „Deutsche Bauzeitung" dir ^Zeichnung für einen Wiederberstellungsentwurf de« zur Erkaltung bestimmten Tburme« der Pleihenburg vom Stadtbaudirector Prof. Licht und folgende baugeschichtliche Studie über die alte Leipziger Pleißenvurg. „Mauchen Ort Hab' ich betreten, den Geschichte rühmend nennt. Manche Stätte, die t» späte« Tagen noch der Enkel kennt. Als die trefflichste von allen, geh* Ich st» tm Geist, durch, Hat am schönsten mir gefallen Leipzig« alte Pleibenburg." So sang noch im Zabre I8K6 ein junger preußischer Soldat ln der „Deutschen Allgemeinen Zeitung". Dennoch batte schon damals der ehrwürdige Bau de« Hieronymus Lotter durch den Abbruch seines „TrotzerS" und Hinzusügung Von modernen An« und Aufbauten Vieles von seiner charakter vollen Erscheinung eingebüßt, welche seitdem durch die Er bauung von iwei Mebllbürmen, eine- ExrrcirhauseS rc. noch rnedr verwischt worden ist. Wenn nun jetzt die Tage der ebemaligen Beste gezahlt sind, welche in dem Augenblicke der Uebernabme der aus der denkwürdigen Flur von Möckern im Bau begriffenen neuen Easernen durch den sächsischen Staat (voraussichtlich Ostern t897) in den Besitz der Stadtgemeinde übergebt und damit dem Abdrucke verfallen ist, so tönuen wir nach dem Borber- gesagten ein tiefes Bedauern deshalb kaum auSsprechen. Wir ballen eS zudem für einen ungemein glücklichen Gedanken drS NatbeS der Stadt Leipzig, auf dem in Rede stehenden be deutsamen Boden u. A. ein neues monumentales RatdbauS erbauen zu wollen, welches sich dem zu erkaltenden Tburme der Pleißenburg derartig angliedern soll, daß letzterer an be vorzugter Stelle künstieriich verwertbrt, kommenden Ge schlechtern künde, wo einst Leipzigs berühmte Pleißenburg ge standen bat. Dieser schöne Gedanke der Erhaltung und Ber- wrrtbung des letzten Zeugen eine« Iahunderte umsaffeiiben Capitel« der sächsischen, der deutschen und Leipziger Stadt- geschichte lag bereits dem Preis-Au-schrribra für dir Auf- theilung d«S Pleißenburg-ArealS zu Grunde. Durch die Ausführung d»S beregten Gedanken- würde der Name de- Baumeister«, der für dir deutiche Renaissance in Kursachsen, speciell für Leipzig, bedingungsweise von ähnlicher Bedeutung ist, wie etwa Eliaö Holl für Augsburg oder Heinrich Sckickbarvt für Stuttgart — der Name de» Bürger meisters Hieronymus Lotter (siebe I)r. G. Wustmann. Der Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter 1497—1580), Baumeisters d«S alten Leipziger Rathbause«, nunmehr auch mit dem zu errichtenden Neubau eine- solchen eng verbunden werden. Zn der frübesten Erwähnung von 1015 wird Leipzig be reits als uibg, also als ein Ort mit Ringmauern und Graben, bezeichnet. Die Geschickte der ersten Befestigung reicht aber bis rum Zabre 928 zurück, in welchem Kaiser Heinrich der Sachse, der Finkler, zur Niederballung der unter worfenen Wenden in der Ebene zwischen Pleiße unk Parthe an der Stelle, die heute noch „die alte Burg" beißt, rin Castell errichtete, welche- mebrsact» u. A. auch von Otto dem Reichen l?ll verstärkt und erweitert, bis zum Zabre 12ll bestand. Als aber Kaiser Otto IV. in seinem Kampfe gegen den Markgrafen Dietrich in dem eben genannten Zabre die Stadt Leipzig belagert», einnahm und dir Mauern schleifte, wurde auch diese Burg zerstört. Erst durch Kaiser Friedrich II. erbielt Markgriff Dietrich im Zabre l2l? die Slavt Leipzig zurück. Bor den Schlössern, die er nunmebr hier erbaute, lag da- eine ungefähr an der Stelle der fetzigen Pleißenburg, jedoch dem AuSgange der Burggasse naher. Dieses Schloß, nicht das heute noch vor- danvenr, wir Biele glauben, war daS Local der berühmten öffentlichen neunlägigen Disputation zwischen Lutber, Carl- stad t und Vr. Eck, welche 1519 in der großen Hofstube da selbst — im Trotzer — stattsand. Bor Leipzig und diesem srinem Castell lag im Schmal- kaldisckrn Krieg« da- Heer Kurfürst Jobann Friedrich'- de- Großniütbigen, und rS wurde da-Schloß in der Belagerung, die vom v. bi- zum 27. Januar 1547 wäbrte, vollitändig zerschossen, ebne daß es dem Feinde, den Schmalkalvenern, gelungen wäre, dasselbe und die Stadt zu erobern. Sofort nach Beendigung deS Kriege- nahm der nun- mebrigr Kurfürst Moritz dir FortistcationSpläne wieder auf, mit denen er sich seit 1545, als seine polnischen Pläne zu reifen begannen, in Bezug auf Leipzig getragen batte, die aber durch den großen Entscheidungskampf unterbrochen worden waren. Unter der Leitung von Hieronymus Lotter begann 1549 der Neubau der jetzigen Pleißenburg, die 1551 soweit voll endet war, daß sie als sturmfrei gelten konnte. Der innere Ausbau wurde erst 1557 unter Moritz' Nachfolger und Bruder, Kurfürst August, vollendet, der Thurm erst 156? bis 1568 erbaut. AIS erster Feind vor den Mauern der neuen Pleißenburg erschien I6Zl TiUy, der sie eroberte. Nach der Schlacht von Breitenfeld, 17. September 1631, ging sie wieder in die Hände der kursächsischen Truppen über. 1632 nahm sie Holk, der aber 1633 vergeblich vor Sladt und Festung lag; ebenso erfolglos war die Belagerung l63? durch Banner'- Schweden, welch« sie aber 1642 unter Torstenson und KönigSmark durch Capitulation einnahinrn. Innerhalb der Mauern der Pleißen burg starb l633 Pappenbeim, der tödilich verwundet vom Lützener Scklachtfelde beimgebracht, hier die Worte sprach: „Saget Friedland, ich sterbe gern, da ich weiß, daß der er bittertste Feind unserer heiligen Religion (Gustav Adolf) den Tod gefunden." Zu Anfang vorigen Jahrhundert- batten Leipzig und seine Pleißenburg tbatt'äcklich aufgrhört, Festung zu sein. Zm nordischen Kriege l?06 rückten die Schweden widerstandslos ein, nachdem man vorder die bier gefangen gebaltenen Söhne Johann Sobiröki'S, di» Prinzen Konstantin und Jakob, nach dem Königsrein übcrgrfübrt batte. Zm zweiren schlesischen Kriege nabm die Burg 1745 vbne Schwertstreich der alte Teffauer ein. Ebenso unblutig erfolgte 1756 die Uebergabe derselben an die Preußen, mit denen Ewald Christian von Kleist, der Sänger des Frühlings, einzog, welcher bier Vor steher eines LazarelbS war und gewaltige Ansprüche auf „DouceurS" erhob. Lurch den Berliner Juden Ephraim Lewy ließ hier Friedrich die verrufenen minderwertbigen Acht- und Viergroschenstückr mit sächsisch-polnischem Wappen schlagen, von denen später 4888 Centner wieder einge schmolzen werben mußten. Schließlich waren die Easematten der Pleißenburg daS Gefangniß der Leipziger RatbSberrrn und Kauflrute, die der vorgenannte König hier harten Entbehrungen unterwarf, um von ibnen eine neue Auflage von 300 000 Tdlr. zu erpressen. Nach dem Frieden 1764 wurde in dem westlichen Flügel, dem Borbilde der Dresdner Kunstschule entsprechend, eine Malerakademie begründet, deren erster Direktor bis ru seinem 1799 erfolgten Tode Friedrich Adam Oeser war, als dessen eifrigen Schüler wir Goethe kennen. Nach Oeser folgte DeitbanS Schnorr v. Karolsfeld bis 184 l, während man auf dem Thurme von 1787—90 eine Sternwarte errichtet batte. Nachdem die Pleißenburg noch die bewegte Zeit der Napoleonischen Kriege bezw. die Leipziger Völkerschlacht gesehen, diente sie schließlich, mehrfach erweitert und umgebant, seit AuSgang der dreißiger Jahre diese- Jahrhundert« bi« heute in der Hauptsache als Caserne. Aus den vorstehenden kurzen Notizen ist ersichtlich, daß die Stellung, welche die Pleißenburg in der allgemeinen Ge schichte einnimmt, keine unbedeutende ist. Betrachten wir sie nun vom rein baulichen GesichtSpuncte aus. Auf daS fast tragisch zu nennende Geschick ihres aus- führenden Baumeisters, de- Leipziger Bürgermeister« Hieronymus Lotter näher einzugeben, ist hier nicht der Ort. Die Frage aber, ob Hieronymus Lotter auch als der geistige Urheber der Plananlage deS in Rede stehenden Castell« zu betrachten sei, ist nicht erörtert. Solange nicht aus Dresdner Archiven andere Ergebnisse gewonnen werden, verneinen wir diese Frage und halten dafür, daß al« solcher de« Kurfürsten Moritz oberster Zeug- und Baumeister Caspar Voigt von Wierandt angesehen werden muß, dem seit 1540 die Grsammtleilung aller Befestigungsbauten von Leipzig und Dresden übertragen war, unbeschadet der urkundlich fest stehenden Behauptung Lottrr'S, „daß ihn Churfürst Moritz zu einem Baumeister allbier zu Leipzig über daß Schloß Pleißenburg gemacht habe". Aber der Grundriß weist so sehr auf italienische Befestigungsart hin, daß ibn nur ein aus der Höhe der damaligen Miiitairbaukunst stehender In genieur oder Festungsbaumeister entworfen haben kann, und ein solcher war der Leipziger Kaufherr und Bürgermeister schwerlich, obschon er „ein ui der Baukunst und Architektur wobl erfahrener Mann" genannt wird. Au- Vieser unserer Anschauung über den italienischen Ursprung de« Planes wird der Schluß gezogen werden können, daß somit an der alten immer wieder abgrschriebenen Mär, daß Kurfürst Moritz die Leipziger Pleißenburg nach dem Muster deS Mailänder Castell- gebaut bade, doch etwa« WabreS sein muß. Aber da« Mailänder Castell war im Jahre 1549, al- der Bau der Pleißenburg begann, fortificatorisch bereit- veraltet, worauf zurückzugreisen, zumal nach den Erfahrungen der eben slattgebabten schmalkavischen Beschießung, sicher keine Ver anlassung vorlag. Es kann vielmehr nicht bezweifelt werden, daß der Archilekt sich an die beste und neueste Befesligungs- weise angelebnt haben wird, die derzeitig auSgefübrt war. Als deren glänzendste Beispiele mußlen im Jahre 1549 die Bastionen di Spagna, T. Zenone, die San Bernardino und belle Mavdelena in Verona, die Sanmicheli wenige Jahre vorher, von 1525—1530 den Mauern der Scaliger vor- gelegt, mußten die Befestigungsbauten gelten, die der große Feuilleton. Zwei heilige Abende. von Georg Hiller. E« waren lange Zabre vergangen, seit er da- alte Buck, znm letzten Male ans dem Regale genommen hatte. In einem Winkel, ganz unten, hatte e< verstkckt gestanden, verstaubt war «S und bald vermodert, und doch war »« da« einzige Erbe, da rr von dem Vater übernommen hatte, von dem Vater, den er kaum gekannt und von dem er nur unvollkommene Bilder besaß. Am Weihnachtsabend hatte er «S wieder brrvor» geholt — gedolt, nein, e- war ihm in dir Händt gefallen, er wußr, selbst nickt wie. Daß er auch gerade beute «ine alte Schrift suchen mußte, an die er sich erinnerte und die er zu brauchen wäbnte, zu brauchen zu einem Gedanken, der seine Philosophie stützen, seine Argument« festigen sollte. Nicht vor die große Oeffentlichkeit trat er mit seinen Gedanken — nein, «m Schriftsteller war er nicht, auch kein Gelehrter — aber er war, wie er sich gestand, ein gebildeter Mann, ein Mann, der trotz seiner geschäftlichen Sorgen und seine- ge schäftlichen Erfolge« noch nicht lächelnd über alle Geistesarbeit, die nicht auf einen Geldgewinn auSgiog, binwrgsab; ein Mann, der nach der Wabrbeit suchte, dessen Geist nach de« Tage« Last sich von den Ervrnschlacken befreien konnte und der in stillen Stunden noch Genuß an guten Büchern fand. Geschichte und WeilweiSheit, Naturkunde und Poesie, davon war seine Bücherei voll, und manche schöne stille Stunde innerlicher Zu friedenheit dankt« er den treuen Genossen seine- Leben-. die >bn wachsen ließen und wachsen sahen in der Achtung seiner Mitmenschen. Und er hatte eS doch so herrlich weit gebracht. Groß und angtsebrn stand er da. Seine Maaren gingen in aller Herren uno Völker Länder, Schiffe kreuzten mit ibnen dir Wellen de- Weltmeere- und sein Wort galt Tausende. Er lebnte sich in seinem Stuhle zurück. DaS durch den mfttnen Schirm gedämpfte Licht der Lampe fiel auf den Schreibtisch und auf die verschnörkelten Buchstaben der alten Bibel. Die feinen weißen Hände trommelten auf der Kante de- Stuhles und sein Blick richtete sich immer wieder auf dir Stelle: Fürchtet Euch nickt, siebe, ich verkündige große Freude, die meinem Volk widerfahren wird. . . . Er lächelte, aber e« war nickt daß Lächeln, da< so oft seine Lippen umspielt«, wenn seine ivoblbtrechneten Spekulationen arglückt waren; e< war nicht da« Lächeln, da« aur seine ein- ame Lampe sah, wenn er in seinen Büchern auf eine Stelle ließ, mit der er ganz »inverstanden war; «S war da< Lächeln, da« Ihr, sein Gesicht huschte, als ihm vor wenigen Jahren vertlindet wurde,«- sei ihm eia Sohn geboren. Ein Lächeln, da« die harten Züge de« Manne« zwar verschönte, aber doch nickt rin volle- und ungetrübte« Glück verkündete. Ein bitterer Zug mischte sich hinein, ein wehmüthige« Gedenken, da« auf einen ver borgenen Schmerz deutete. Damals, e- waren nun vier Zabre her, als man ihm die Kunde von der Geburt seine- Sohue- brachte, schiea e-, ab» ob er di« Befriedigung ein-- beißen Wunsche« empfände; aber da- war nur einen Augenblick aewesen, dann kam ein so fremder Zug in da« Gefickt, «in Ausdruck drS Zweifel-, ja der Hoffnungslosigkeit, daß die Frau, die ihm da« Ereigniß giückstrablend verkündet hatte, sich scheu zurückzog. Und als weniae Tage später die Mutter de« Knaben starb, als er ihre kalte Hand in der seinigen birlt. da mischten sich in den gramvollen Zug um seine Lippen wieder fast höhnisch« Züge, so daß man nicht wußte, war der Mann da an dem Todtenbette traurig oder war er nur bestürzt. Er bat ein barte« Herz, sagte di« Wärterin. Wenn Jemand in der Brust de« Mannes hätte lesen können, so Härte er ibr Recht gegeben. Was war au- ibm, dem drrz,gen blondlockigen Knaben, der keinem Thiere etwa« zu Leid tbun konnte, geworden. Er, der al- Junge die berz- licke Liebe war, der seinen Bissen, und eS war ein schmaler Bissen, immer noch mit einem ärmeren Kameraden tbeilte, er, den sein« Lebrer al- rin Muster von Güte alle» Anderen binstrllten, er war ein kalter Egoist geworden, dem selbst der Tod seiner Frau keine Thränr mrdr auSprrffen konnte. Seiner Frau? War sie wirklich seine Frau gewesen? Die Frau, die mit ihm Freud und Leid theiit«, dir mit ihm füdlir, mit jauchzte und mit dachte? Nein sie war rS nicht gewesen, und die Erkenntniß war eS, die ihm den bittern Zug ia seinem Lächeln gab. Theilnehmend war sie ein Jahr an seiner Seite gewandelt, folgsam und zu frieden, de« reichen Manne« Krau zu sein, ohne Wunsch, obne fick bewußt zu werden, welche Ausgabe sie an ihm zu erfüllen batte. Sie «hat, wa« er wünschte, sie hielt sein Hauswesen in Ordnung, aber das tiefe Gefübl des Weibes, der Milkämpferin im Leben, ging ibr ab. Als er die« mit seinem scharfen Verstände in der ersten Zeit seiner Eb« er- kannt batte, war er ibr kühl gegenüber geworden und hatte den Glauben an da« Glück seiner Ebr verloren. Und als man ibm die Nachricht von der Geburt seine« Sohne« brachte, da wußte er, daß das Leben de« Sohne« mit dem Leben der Fra» bezahlt wurde. Ai« er ihre kalte Hand in der seinigen fühlte, al« ihr Blick langsam erlosch, da glitt da« bittere Lächeln über sein« Züge, er batte wieder Recht bebakten, da« wahre Glück, das er durch da« Kind zwingen wollte, war wieder von ft,m gewichen. Er scklug da« erste Blatt de« Bucke- auf. Da stand in groben SchriftzÜgen in der alten eckigen Handschrift seine« Groß vater«: „Diese Bibel kaufte ich am Tage meiner Hochzeit mit der ebrrnwertben Jungfrau, ineiner jetzigen Frau, »nd vererbe sie als ein unveräußerliche« Brsitztbum an die erstgeborenen Söhne meiner Nachkommen." Wieder zuckte r- bald ironisch, Haid spöttisch um die Mundwinkel. Er wußte e«, er batte e« von seiner Mutter gekört, da- Buch war da« einzige Erbe, da« der Schreiber seinem Sobn« hinterließ, «nd al« dieser ia der Vollkraft seiner Jahre starb, da war r« auch da« einzige, wa< sein Vater ihm hinterließ. Das war bald vierzig Jahre her. Er war noch ein kleiner Bursche gewesen, kaum so alt wie sein eigener Sohn, und Noth und Sorge wareu damals eingczogen ia die elterliche Wohaua- und Kummer und Krankheit hatten auch seiner Mutter ein frühe« Trab gegraben. Er war zwar immer lustig gewesen, er batte freudig geholfen zu Hanse und batte für die Leute gearbeitet, alle die kleinen A»beiten, die rin Junge von zehn Jahren in einer kleinen Stadt für Andere verrichten kann. Fröhlich batte er dir Glocken mit geläutet, fröhlich, wenn auch hungrig, in der Kirche gesungen, wohl- gemuth war er von Hau- zu Hau« gewandert als Currente nnd batte fromme Lieder zum Preis« de- Höchsten gesungen. Ein frommer Knabe war er geworden, rin guter Schüler, und der Herr Pastor hatte ibm bei der Constrmation die Hand aus« Haupt gelegt und wärmer al« den Anderen den Segen ge« gehen. Wenige Wochen darauf warf er drei Hände voll Erde aus den Sarg seiner Mutter. In der fremden großen Stadt, wo er in die Lebre gebracht wurde, fühlte Niemand mit ibm, und wenn er einstmals stolz die alte Bibel al« seinen einzigen Schatz zeigte, lackte man idn au« und meinte, daß die „alte Scharteke" nickt zehn Groschen wertb sei. DaS batte er frei lich nicht gewußt, daß man solche Bücher nach Geld schätzte, und eines Tages legte er denn das Buch zu unterst in seinen Koffer und sab es nickt mehr an. Der Klang der Silber linge gefiel ibm bester, ai« die alten verschnörkelten Buch staben, und wa- man in der Kirche sang, da- war nicht daS, wa- er neuerdings gelernt harte. DaS GotteSbauS war ibm zu groß, die Gesichter zu fremd, er verstand nicht. Wa der Mann auf der Kanzel sagte, die Worte klangen wohl an sein Obr, sie gingen ihm aber nickt mrbr zu Herzen. Seine Kameraden lackten ihn au«, wenn er mit srinem verwachsenen schwarzen Anzug sich zum Kirchgang rüstete, sie höhnten ibn ob der kurzen Aermcl nnd der kurzen Hosen und sein Principal sagte ibm geradezu, daß er am Sonntag im Laden nöthiger gebraucht würde; erst käme da« Geschäft. Er ging nicht mehr. Wenn er aber sah, wir tief sich sein Principal vor den Leuten verneigte, die reich waren, wenn er sab, wie nur die geachtet wurden, die in Kutschen fuhren, dann bäumte sich wobl sein rechtlicher Sinn, aber sein Herz verhärtete auch. Dann dacht« er in seiner stillen, engen, frostigen Kami,irr über Alle« nach, was er sab, er dachte an seinen Vater, an seine Mutter, an seinen Herr» Pfarrer, der ibn batte heran- wachsen seken, und der immer so lieb und gut war und verglich das Damals mit dem Heute. Damals hatte er oft gehungert, aber ein K»ß von seiner Mutter, der armen ab gehärmten und abgrarbriteten Frau, batte ibn satt gemacht, ein Wort der Liebe seine« alten Lehrers hatte ihn wieder lassen fröhlich sein. Wer aber verstand ihn jetzt? Niemand. In der großen Stadt war e« so ganz ander«, dort war der Mensch nicht Fleisch und Geist, er war nur Fleisch und Geld — ja, da« war «S, um da« sich Alle« drehte, Geld und wieder Geld. Da kam zum ersten Male jene- Lächeln über ibn: Hieisck bist Du, werde auch Geld. Er wurde e«. Er ging seinen Weg allein. Zu fremden Völkern kam er, er lernte sie kennen, wie er seine Geschäfte kannte, er la« Bücher Uber sie und nutzte sie au«. In sich selbst ging er nickt, in seinem Innern la« er nicht, von seinem Herzen wußte er nichlS. In Rom staub er in der PeterSkirche, in Petersburg in der Kasankathedrale, in Kokstantinopel sah er die Moslem aus den Knien in der Agia Sophia liegen, in Indien bört« er Vit Lehren de« Buddha, in Ekina bewunderte er dir Porzellan tempel, in der kleinen hölzernen Kirche am einsamen Fjord in Norwegen hörte er begeistert« Worte über den Protestantismus, in drr Synagoge zu Berlin sab er die Tbora, er sab, wie viele mit Verebrung an diesen heiligen Stätten weilten, er sah aber auch, wie manche andere mit dem Geist wo anders waren. Dann sab er die Gläubigen an der Ouelle von LourdeS kniern, er wohnt« einer Taufe der Baptisten bei und hörte in einer freireligiösen Gemeind« von drr Gedankenfreiheit reden. Aber überall umspielte jene« Lächeln de« Zweifel« seinen Mund. Er schüttelte den Kopf: da« war immer nur die Form, wo blieb der Inhalt? Sein Reichtbum wuchs, er gönnte sich mehr Ruhe. J„ die Philosopbie vertiefte er sich, Naturwissenschaften studirte er, seinen Faust trug er immer bei sich, und wenn er sich dann des Abends ein oder daS andere Mal in seinen Stuhl setzte und dem Nauche der Cigarre nachsah, da baute er auf die lustigen Gebilde kübnc Weltsysteme, die bald darauf mit den leichten Wölkchen gestallenlo« zerrannen. Immer böher stieg er in der Achtung und in der Steuerclafse. Freunde und Freundinne» umgaben ihn, eS gab scheinbar keinen be- »eidenSwertheren Menschen al« ihn. Er aber blieb kalt, einsam und mißtrauisch. Da sah er ein Mädchen, er glaubte sie zu lieben, er beiratbete sie und fand sich getäuscht. Wa« er für Einfalt d«S Herzens hielt, da< war Einfalt VcS Geiste«, wa« er für wahre Keuschheit hielt, da« war die anerzogrne Sittlichkeit, was er für rin bildungsfähiges tiefes Gciiilfth hielt, das war der steinigste Boden deS Unverstandes. Die Enttäuschung verwundete ihn tief. Er hatte den bittern Kelch bi« auf die Neige geleert. Heute war Weihnachtsabend. Morgen in der Frühe sollte dem Kinde der Lichterbaum angebrannt werden. Eine ganze Stube voll Spielzeug war für d.n Knaben bestimmt. Alles, was er sich gewünlcht hatte, daS war ihm gekauft worden. Fremde Leute hatten eö ausgesucht, fremde Leute putzten in der Kinderstube an dem Baume herum, bedingen ihn »lit goldnen Aepfeln und Nüsse», mit Zuckerzeug und bunten Ketten. Fremde Hände bauten Pferde und Wagen, Trommel» und Trompeten auf und fremde Herzen freuten sich auf die fröhlichen Augen de- Kleinen. Der Vater hatte ja kein Interesse dafür. Er dachte daran, als er wieder ans die alten Schriftzüge starrte und darunter la«: „Diese- Buck soll auch mein Sobn in Ebren halten." Das hatte sei» Vater geschrieben. Wieder kam ihm das eigenlkümlicke Lächeln, aber der bittere Zug machte dem wehmifthigen Platz Nur dunkel stieg die Gestalt de- Vater« vor ibm auf, aber Heller verklärten sich die Züge seiner Mutter. Es war da« letzte Weihnachten mit ihr. Schon nagle der Tod an ihrem Körper, schon wußte er, daß e- ihr letzte« Fest sein würde, und dock, wie hatte sie gesorgt für ihn, wie batte sie sich ab- gedarbt, um ihm eine Freude zu bereiten! Ein großes Buck batte sie ibm geschenkt, fast so groß wie die Bibel, die vor ihm lag, mit vielen schwarzen Bildern, mit vielen Zahle».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite