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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960118028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896011802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896011802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-18
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichniß Tabellarischer und Zissernsaß nach höherem Tarif. 1»rtra-Beilagen (gesalzt), »ur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbeförderung ^ll 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabr: Vormittag- 10 Uhr Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Au-gobe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vrpellition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^31. Sonnabend den 18. Januar 1896. SV. Jahrgang. Amtlicher Theo Wir, Albert, von Gottes Gnaden König von Sachsen ,c. rc. rc. wollen, um die 25jährige Wiederkehr des Tages, an dem daS Deutsche Reick neu begründet wurde, durch einen Act um fassender Gnade zu begrüßen, allen den Personen, gegen die bis zum heutigen Tage, diesen eingeschlossen, in Unserem Lande durch Strafbesebl, durch polizeiliche Strasversügung oder durch Strafbescheid oder durch Ilrtbcil cincS Unserer Civilgerickte wegen Uebertretung Haft oder Geldstrafe oder wegen Vergehen Freiheitsstrafe von nicht mehr als 6 Wochen oder Geld strafe von nicht mebr al» 150 Mark rechtskräftig ausgesprochen worden ist, diese Strafen, dafcrn und soweit sie noch nicht vollstreckt sind, in Gnaden erlassen. Haftstrafen bleiben von dieser Gnadenerweisnng ausgeschlossen, sofern zugleich aus Ueberweisung an die Landeßpolizeibehörde erkannt ist. Ist in einer Entscheidung eine Person wegen niedrerer strafbarer Handlungen vernrtbeilt worden, so greift diese Gnadenerweisung nur Platz, sofern wegen Uebertretungen nur auf Haft oder Geldstrafe und wegen Vergehen nur ans Freiheitsstrafe von nickt mehr als 6 Wochen oder aus Geldstrafe von nicht mehr als 150 Mark erkannt ist. Wegen der von den Militairgerickten erkannten Strafen haben Wir entsprechenden Gnadenerlaß durch besondere Verfügung ergeben lassen. Gegeben zu Dresden, am 18. Januar 1886. I.. S. Albert. Heinrich Rudolph Schurig. Georg von Metzsck. Paul von der Planitz. Paul von Seydewitz. Werner von Watzdorf. Wir, Altert, von Gottes Gnaden König von Sachsen rc. rc. rc. wollen, um die 25jährige Wiederkehr de» Tages, an welchem das Deutsche Reich neu begründet wurde, auch hinsichtlich der Armee durch einen Act der Gnade zu begrüßen, denjenigen Militairpersonen, gegen welche bis zum heutigen Tage im Bereiche der sächsischen Militairverwaltnng 1) Strafen im Disciplinarwege verhängt sind oder 2) durch ein Militairgericht aus Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Wochen oder Geldstrafen von nickt mehr als Einhiindertfünfzig Mark oder beide Strafen vereinigt rechtskräftig erkannt worden ist, diese Strafen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, und die noch rückständigen Kosten in Gnaden erlassen. Ausgeschlossen von dieser Gnadenerweisnng bleiben: 1) die wegen Beleidigung, vorschriftswidriger Behandlung oder Mißhandlung Untergebener (8 l'-tl, 122 dcS Militairstrafgesetzbuchs) verhängten Strafen; 2) Freiheitsstrafen, neben denen zugleich auf eine militairischc Ebrenstrase erkannt ist; 3) die gegen Fahnenflüchtige im Ungeborsamsverfabren verhängten Geldstrafen. Ist in einer Entscheidung die Derurtheilung wegen mehrerer strafbarer Handlungen ausgesprochen, so greift diese Gnadenerweisung nur Platz, sofern die Strafe insgesammt das obenbezeichnne Maß nicht übersteigt. Dresden, den 18. Januar 1896. gez. Albert. ggz. von der Planitz. Oie 25 Dinge Jubelfeier der rieubegniildnily des deutschen Ueichs. * Berlin, 18. Januar. (Telegramm.) Als heute vor 25 Jahren, am ! 8. Januar 1871, zu Versailles in feierlicher Weise die Kaiserproclamal ion stattfant und mit dieser die Wiederanfrichlung des deutschen Kaiserreichs sich vollzog, da brauste durch ganz Deutschland der Jubel- ruf des begeisterten Volkes, der auch in den Herzen aller Deutschen jenseits der Meere enthusiastischen Wieder- hall fand. Das lange vergebens erhoffte Werk war in einer Weise zur Wahrheit geworden, wie kein Sterblicher es erwarten konnte. Das deutsche Kaiserreich, dessen Nieder gang vor jetzt 90 Iabren erfolgte, war weil glänzender als früher wieder erstanden, und die Krone desselben trug nun jener aufopfernde königliche HelrengreisWilhelm I.,dem Deutsch land seine glänzende Wiedcrgcbnrt verdankt. Deutschland war geeinigt. Die schwarz-weiß-rothe Fahne entfaltete fick glückverheißend in allen Thcile» des nun so mächtigen und großen gemeinsamen Vaterlandes, und wenn König Wilhelm I. nach der siegreichen Schlackt bei Sedan an die Königin telegraphirte: „Welch' eine Wendung durch GotteS Führung!" so dürfte jetzt jedes treu dem Vaterlande schlagende deutsche Herz in tiefster Dankbarkeit gegen den Höchsten diese Worte sich selbst zu eigen machen. Die dankbare Erinnerung an jenes große, weltgesckicht licke Ereigniß wird beute wie bekannt in feierlicher Weise im Weißen Saale deS hiesige» königlichen Schlosses begangen. Kaiser Wilhelm Ist ehrt durch diese erhebende Feier das Gedächtniß an den rubmgekrönten, sieg reichen und unvergeßlichen hochseligen Großvater, an den niit goldenen Lettern in der Geschichte unseres grcßen Vaterlandes eingetragenen erbebenden Act, an die zahlreichen tbeurcn Opfer, die Blut und Leben willig und selbstlos für die Größe und Macht deS Vaterlandes Hingaben! Wie immer, so ging auch der heutigen Feier ein Gottesdienst für die zu demselben ge ladenen Personen, sowohl in der Schloßcapelle, als auch in der St. Hedwigs-Kirche vorauf, nach welchem die Geladenen sich im Weißen Saale des königlichen Schlosses versammelten. Tis Neichstagsmitglieder nahmen dem Throne gegenüber Aus stellung. während die Generalität an die Capellenseite, die Minister und die sonst eingeladenen Personen gegenüber, an der Fcnsterseite des Weißen Saales — nach dom Lustgarten — traten. Die Mitglieder des Biindcsraths hatten sich nach dem Gottesdienste im Marinesaal neben der Bildergalerie ver sammelt und von dort nach dem Weißen Saale sich begeben, wo sie sich links vom Throne aufstellten. Die Kaiserin Friedrich, die Prinzessinnen des königlichen Hauses und die fürstlichen Damen halten sich in der Rothen Sammettaiiimer versammelt und betraten nach dem Gottesdienste mit ihren Gefolgen die Tribüne auf der Eapellenseite deS Weißen Saales, wahrend die Prinzen des königlichen Hauses, sowie die Prinzen aus jonveraiiien altfürstlichen Häusern nach dem Gottesdienst sich nach der Rothen Eammettammer begebe» hatten. Der Kaiser und die Kaiserin wohnten dem Gottesdienste in der Schloßcapelle bei. Nach demselben betrat die Kaiserin mit dem Gefolge die CapeUentribiilie. Die Personen des großen Vortritls, sowie die zum Tragen der Reicks- Insignien befohlenen Personen hatten nach dem Gottesdienste in der Bildergalerie sich eingesunken, wohin schon vorher durch Escorte von Officieren und Mannschaften der GardeS du Corps die gedachten Insignien geleitet worden waren. Nachdem der Reichskanzler dem Kaiser die Meldung erstattet Halle, daß die Versammlung im Weißen Saale ge ordnet sei, begab sich der Kaiser unter dem großen Bortriu dorthin, wöbe, der glänzende Zug folgende Ordnung aus wies: Vorauf schritt die Schloß Garde-Compagnie, rer die zur Feier befohlenen Fahnen und Standarten der 18 früher bereits genannten Regimenter folgten. Hinter denselben schritten die Hofsonriere, dann folgten die Königlichen Hof pagen, die Hof-, die Vice-Ober-Hof-, die Ober-Hof- und rie Obersten Hofcbargen, paarweise, die jüngsten voran. An die Obersten Hofchargen schlossen sich die nachstehend aufgefübrteu Neichs-Jiisignicn, paarweise, nämlich: u. das Reichs-Jnsiegcl, aus einem Kissen von cllap ck'pi^ont. getragen von dem Geuerallieutenant General-Adjutant Grasen von Wedel, b. daS entblößte Neicksschwert, aufrecht getragen von dem Kriegsminister, General der Infanterie Bronsart von Schellen dorff, und rechts davon c. der Reichsapfel auf einem Kiffen von ckrap ck'urgout. getragen von den» General der Cavallerie und General Adjutanten, Landhofineister Grafen von Lehndorff, ck. das Scepter, auf einem Kissen von ckrsp cl'vr, getragen von dein General der Infanterie, General-Adjutanten v. Werder, und reckts davon o. die Krone, aus einem Kiffen von ckrap ä'oi, getragen von rem General der Artillerie und General-Adjutanten, Fürsten Anton Radziwill, t. das Reichspanier, getragen von dem Generalobersten der Cavallerie, General-Adjuianten Freiherrn v. Loü, welchen die Generallieutenants v. Klitzing und Graf v. WartenSleben geleiteten. Zur Neckten und Linken wurden die Insignien von den bereits erwäbnten Officieren der GardeS du Corps escortin. Unmittelbar hinter dem Reichspanier schritt der Kaiser, ge folgt von den Prinzen des königlichen Hauses und den hier anwesenden Prinzen auS souveraineu altsürstlichen Häusern; den Schluß des imposanten Zuges bildeten die General- Adjutanten, die Generale und Admirale L la suite und die Flügel-Adjutanten, der Minister des königlichen Hauses, der Geheime Cabinetsratb des Kaisers und das Gefolge der Höchsten Herrschaften. Der Weiße Saal bot durch die heutige illustre Ver sammlung ein Bild dar, wie es sich glänzender Wohl kaum jemals dem Auge gezeigt hat. Unvergeßlich wird es Jedem bleiben, dem es vergönnt gewesen, dem heutigen festlichen Acte beizuwohnen. Nachdem der Kaiser auf dem Throne Platz genommen, hatten sich auch inzwischen die übrigen im Zuge befind lichen Personen zu ihren Plätzen begeben. Die Prinzen des königlichen Hauses und die hier anwesenden Prinzen ans souverainen alkfürstlichen Häusern waren zur Rechten des Thrones vor die dort ausgestellten Fahnen und Standarten getreten. Die Fahne des l. Garde-Regiments z. F. und die Standarte des Regiments der GardeS du Corp« standen unmittelbar hinter dem Kaiser unter dem Thronhimmel. Die andere Hälfte der Fahnen und Standarten hatte links vom Throne hinter dem BundeSratbe Aufstellung ge nommen. Generaloberst Freiherr v. Lvö hatte sich mit dein Reickspanicr rechts, der Kriegsminister Bronsart v. Schellen dorff mit dem Neicksschwert links hinter dem Kaiser aus die mittlere Thronslnfe gestellt, während Fürst Anton NadziwiU die Krone auf da? rechts vom Tbronsesscl zunächst stehend.' Tabouret, der General v. Werder das Scepter auf das links stehende Tabouret, der General-Adjutant Gras v. Lehndorff den Reicksapsel aus das zweite, rechts stehende Tabouret und der General-Adzutant Graf v. Wedel das -»«»»>»'»»>.»- -> ' '>>>»> allein sprechen, ihr den Ring geben könne, den er zu sich gesteckt hatte. Und sieh' da! Der Beweis, daß sic gleichzeitig an ihn dackte! Sie führte die Hand mit seinem Ring an die Lippen. O, Annalise! Und sie nicht in die Arme schließen zu dürfen. Seine Mutter sah ihn erstaunt an. Warum stieg ihm denn plötzlich das Blut bis unter das Haar? Man erhob sich, wünschte einander gesegnete Mahlzeit, trennte sich. Da kam ihm ei» Gedanke, ein leuchtender. Statt dcS üblichen Wunsches sagte er ihr: „Fünf Ubr! Bei den Weide»!" Niemand als sie konnte es höre». Sie stutzte, ihre Auge» winkten ihm ein Ja, und dann nahm Joachim GlogowSky's Arm, der schon wieder argwöhnisch hinter ihm stand. Knitter mit einem der jungen Verwalter übernahm cs, den Ziiiimermann und ein paar Knechte zu rufen. Alle zogen dann auf den Boden und besichtigten die Gobelins, Frau von Linowitz tain dazu, der ganze Nachmittag verging damit, daß man nach Knitter s Anweisung die Wand teppiche in der leerstehenden Scheune ansbängte. Unterdeß saß Annalise bei ihrer Pflegemutter; Adele Jwanowna war in reizbarster Laune. Wo blieb ihr Schwager? Warm» kam er nicht? Sie fürchtete offenbar, er wolle ihr ans dem Wege gehen. Dann sing sie von Glogowsky an zu reden und Annalise zu schelten, daß sie durch ihr veränderliches Wesen ihn nicht zu Klarheit kommen lasse. rf: rf: Das Liebespaar war trotz Regen und Sturmes aus ver schiedenen Wegen unbemerkt zu dem verabredeten Platze gekommen. Äimalise hatte diesen Weg i» letzter Zeit öfter gewählt. Die Dämmerung sank bereits herab, ein leichter Schnee fall trat ein und machte den Aufenthalt im Freien nicht angenehmer. Dennoch verlebten sie eine selige halbe Stunde, selig, nur beiden viel zu flüchtig vorübergerauscht. Er steckte Annalise den Ring, den er initgebrachl batte, selbst an den Finger »nd sagte, sie sei nun sein, nichts dürfe sie trennen. . . Von dem stürmisch bewegten Manne ging die tiefe Er regung auch auf sie wieder über. . Sie waren sich Beide der Hoffnungslosigkeit ihrer viebe bewußt, aber sie hoffte» aller Vcrnuft zum Trotz. FrrsiNeton. Aimlllise's Pflegemutter. 14j Roman von L. Haid heim. Nachdruck verboten. Carola hatte sich inzwischen um die Wirtbschaft bekümmert. Cie ließ sich nicht im Traume einfallen, daß die gewünschte „Partie" zwischen Joachim und Annalise sich inzwischen dort auf dem Boden abschloß. Annalise würde Wohl in ihrem Zimmer sein, überlegte sie. So kam eS, daß das Paar ungestört blieb. Die Haushälterin begegnete dein Junker, als er unmittelbar vor dem Diner vom Boden herabkam; sie sab ihn erstaunt an, denn er wurde flammend roth und sichtlich verlegen und stammelte, er habe sein Messer dort oben vergessen gehabt. Und dann forderte er von ihr ein GlaS Wasser, so daß sie erst wieder in die Küche hinab mußte. Glogowsky erschien sehr gereizt und mit finsterer Miene; er spielte den Beleidigten. Joachim in seiner glückseligen Tiegerstiminnng überbot sich au Liebenswürdigkeit. Annalise ließ durch Carola um Entschuldigung bitten, wenn sie später komme. Der Hausherr war noch nicht zurück; Frau von Linowitz war an seine Unregelmäßigkeiten gewöhnt. Knitter saß mit unbehaglicher Miene da; aber nicht lange, denn sobald der Fund der Gobelins besprochen wurde, und er einen guten Handel witterte, belebte er sich und wußte auch verständigen Rath zu geben. Er war eben in allen Sätteln gereckt. Man mußte die einzelnen Stücke sofort vom Boden herab tragen; auseinandergerollt, wie sic jetzt da lägen, sei immer Gefahr, daß Mäuse daran nagten. In der großen Scheune, schlug er vor, sei e» hell und lustig, einige große Stellagen seien schnell dort zu machen, an denen man die Teppiche aufhängte. So würde man auch das richtigste Urtheil darüber ge winnen. Der Oberlandmarschall von Kruck kaufe für sein nach allen Bildern der Krucksburg neu erbautes Schloß, was er an echtem alten Gerälh und Schnitzwerk finden könne, vielleicht —! Er sei ein schwer reicher Mann durch seine Heirath mit Fräulein Löwenzahn und der alte Löwenzahn kenne kein höhere» Glück, at» die Aknen seine» Schwieger sohnes zu Preisen und diesem für seinen feudalen Geschmack die Mittel zu liefern. Das Alles war zwar durchaus der Wahrheit gemäß; Glogowsky blickte aber zu den Bemerkungen Knitter's un behaglich, und die übrige Gesellschaft fühlte den Hohn des Emporkömmlings ebenso peinlich. Um das Thema zu ändern, entschied Joachim betreffs der Gobelins: „Wir wollen das gleich heute Nachmittag machen." Ihn leitete daneben die Rücksicht auf die bekannte Indolenz seines Vaters. Er fühlte sich erregt von dem Gedanken, daß ihnen durch diesen Fund Geldmittel in die Hände kommen könnten, die bedeutend genug wären, wenigstens eins der großen Löcher zu stopfen. Da that die Thür sich endlich auf. Annalise war es! Welche Ueberwindung kostete es Joachim, nicht aufzuspringen, sie nicht in seine Arme zu schließen. Ihre Blicke trafen sich, leuchtend vor Glück und Seligkeit. Aber sie hatten verab redet, genau verabredet, wie vorsichtig sie ihr Gcbeimniß bergen wollten. Dennoch wurde Glogowsky aufmerksam, ohne indeß seinen dunklen Argwohn damit bestätigt zu sehen. Annalise batte sich wie zu einem Feste gekleidet, statt des schwarzen Gewandes ein Weißes gewählt. Schwarze Sammetschleifen, ein Ietschmuck standen ihr bei dem bell blonden Haar entzückend. Alle schauten sie bewundernd an. Joachim schlug das Herz zum Zerspringen. Annalise vermied aber seinen Blick und er brannte in heißer Sehnsucht nach einem zweiten Liebesgruß. Sie entschuldigte sich bei seiner Mutter, sprach über Adele Jwanonowna's Krampfanfall, dem man ein besonderes Ge wicht nicht beilegte, und suchte sich möglichst den Schein der Unbefangenheit zu geben. Sein Ringlem trug sie am Finger, aber versteckt zwischen zwei andere. GlogowSky's üble Laune machte sich i» ärgerlicher Schilderung seines langweiligen Morgens Lust. Annalise neckte sich mit ibm, unbefangen, übermüthig. Er sah sie zweifelnd a». Woher diese Veränderung? Hatte sie sich besonnen? So recht wagte er dies nicht zu glauben; aber seiner Eitelkeit war anderseits die Deutung willkommen. Gegen das Ende der Mahlzeit batte Joachim keinen anderen Gedanken, als wie er die Geliebte für eine Minute Joachim Linowitz biß die Zähne aufeinander und sagte fick, eS müßte irgendwie ein Weg sich finden lassen, ein offener, gerader Weg zum Glück, eS müsse und werde. Und sie? WaS that sie anders, als jedcö liebende Mädchen? Sie liebte ihn und vertraute ihm. WaS hätte auch ihrem starken, mannhaften Joachim mißlingen sollen? Der Wind wehte stärker. Der Abend sank berab. Um sieben Uhr mußte Annalise wieder bei ihrer Pflegemutter sei», der Weg war nicht so ganz kurz bis zum Schlosse, sie mußte sich auch erst umziehen; welcher Zeitverlust für ihre Liebe! Gab cs denn im Schlosse nicht irgend ein Plätzchen, wo sie sich treffen könnten? Joachim dachte unruhig darüber nach, vergaß eS aber doch wieder über dem glückseligen Geplauder mit Annalise. Was hatten sie sich seit dem Mittage nicht Alles Zu sagen! Gettloh, daß es schon so dunkel war! Sie gingen eine Strecke zusammen, dann aber mußte» sie sich trennen. Ein kurzer Abschied! Joachim fürchtete fortwährend, das; ein Lauscher Annalise sehen könnte. AlS sie dann forteilte, verwünschte er das turze Lebewohl und hätte sie am liebsten ringeholt, um noch einmal einen seiner beißen Küste auf ihre frischen Lippen zu pressen. Um so eifriger sann er, ob denn nicht irgend ein Erter stübche» tauglich sein möchte zu einem Versteck für sie beide. Er müsse Carola dann ins Vertrauen ziehen, sagte er fick. Es fiel ibm eine Art Bodenkammer ei», in welcher er als Knabe seine Drachen gefertigt, seine Rüstungen neu mit Silber- oder Goldpapier beklebt batte, weil man ihn in den Wohnzimmern damit nicht dulde» wollte. Er wählte einen aiidern Rückweg, al» Annalise; auch das hatte» sie verabredet. Ein Juiige kam hinter ihm her und fragte ihn, ob er Herr Knitter sei; denn es war schon zn dunkel, iim ihn zu erkennen. Joachim verneinte, und der Junge rief klagend: „Scho» eine Stunde warte ich hier aus ihn, inS Schloß soll ich nicht kvmmen." „Ter Mensch hat immer Heimlichkeiten", hackte Joachim und ging. AIS er über den Hof kam, sah er seinen Vater, offenbar in bester Laune. „Na, Kronprinz, hast Du di« Zeit benutzt?" rief der Alte ihm entgegen, wie eS seine Art war, laut und lärmend. „Ja!" hätte er freudig rufen müssen, „nie besser." Aber sein Glück durste nur ein verschwiegene» sein.
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