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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960131019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896013101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896013101
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-31
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Größere Schriften laut unserem Preie Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffern)»,,, nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nnr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung X 60.—, mit Postbesürderung >l 70.-. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an dl« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^°S4. Freitag den 31. Januar 1896. Sv. Jahrgang. Das künftige Lürgerliche Gesetzbuch. HT. Dienstbarkeiten. Rirtzbranch. Erbbaurecht. BorkaufSrcch». Bon vr. Zur. W. Braudis. (Nachdruck verbalen.) Der gewerbliche und eher noch der landwirlbschaftlicke Betrieb mackt es oft für den Eigenlhümer eines Grundstücks im hohen Grade wünschenswerth, ein anderes, meist ein benachbartes Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen zu dürfen, z. B. über dasselbe gehen, auf demselben Wasser schöpfen, über dasselbe Wasser leiten iu dürfen, oder verlangen zu können, daß der fremde Eigenlhümer sein Grundstück in einer gewissen Art nicht benutzt, z. B. dasselbe an der Grenze nicht bebaut. Derartige Beschränkungen oder Be lästigungen des ElgenthumS zu Gunsten des Eigenthümers eines anderen Grundstücks nennt mau Grunddienstbarkeiten oder, vom Standpuncte deS Berechtigten, Grundgerechtig keiten. Nach dem in Preußen, Sachsen und anderen Staaten geltenden Grundbuchrecht können dieselben einstehen, ohne daß eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich wäre. Dies soll künftig anders werden. Der sonst im Grundbuch wesen geltende Grundsatz thunlichster Offenlegung der Be lastungen des Eigenthümers soll auch auf die Grunddienst barkeiten Anwendung finden. Selbst solche Gerechtigkeiten, welche ständig und offen vor den Augen des Eigenthümers seit Jahren ausgeübl sind, können nicht mehr ein Recht be gründen, wie es gegenwärtig noch durch „Ersitzung" möglich ist. Umgekehrt soll natürlich auch derjenige, für den eine Grundgercchtigkeit im Grundbuch eingetragen ist, dieselbe nicht mehr durch bloßen langjährigen Nichtgebrauch, also durch Verjährung verlieren können. Die zur Zeit be stehenden Grunddienstbarkeiten bleiben den Berechtigten auch ohne Eintragung erhalten; den einzelnen Staaten soll es aber anheim gegeben werben, vorzuschreiben, daß auch alle bestehenden Grunddienstbarkeiten oder wenigstens einzelne Arten derselben eingetragen werden müssen. Nack dem Entwürfe soll eine derartige Vorschrift durch „landesherrliche Ver ordnung" erfolgen können. Das wäre ein Eingriff in daS Staatsrecht der Einzelstaaten, nach welchem der Erlaß privat rechtlicher Normen nur im Wege deS „Gesetzes" mit Zu stimmung des Landtages erfolgen kann. Im Gegensatz zu den Dienstbarkeiten, die nur eine be schränkte Belastung eines fremden Grundstückes herbeisübren, giebt der Nießbrauch daS Reckt, die Nutzungen einer Sache, und zwar gewöhnlich in vollem Umfange gleich einem Eigenlhümer, zu ziehen. Die Geistlichen und Lehrer auf dem Lande, die Förster und anderen Beamten, welchen Dienstgrundstücke zur Bewirthsckaflung überwiesen sind, haben hieran den Nießbrauch. Die denselben regelnden Rechtssätze kommen für die Beamten aber nur aushilfsweise zur Anwendung, nämlich wenn die für sie erlassenen beson deren Bestimmungen oder Regulative unvollständig sind. Der praktisch wichtigste Fall des Nießbrauchs ist wohl der des überlebenden Ehegatten am Nachlasse des zuerst Ver storbenen. Da Streitfälle aus diesem Anlaß nur selten sind, können wir die Regelung des Nießbrauchs im Ent würfe hier umsomehr übergehen, als derselbe keine wesentliche Abweichungen vom gellenden Rechte bringt. Erwähnt sei nur, daß der Nießbrauch auch der juristischen Per sonen erst mit deren Erlöschen aushören soll. In dem ersten Entwürfe war die Dauer des Nießbrauchs in Ueber- einslimmung mit dem gemeinen Recht auf 100 Jahre be schränkt. Die Aenderung kann für Kirchen, milde Stif tungen, Städte u. s. w. von großer Bedeutung sein. Ein noch weiter gehenoes Nutzungsrecht ist das Erbbau recht. ES ist daS Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Baurecht zu heben, und zwar eni vererbliches und auch frei veräußerliches Recht. Ter Ent wurf will diese alte und auch beinahe veraltete Ncchtsein- richtung conserviren. Denn wenn sie auch nur sporadisch im deutschen Reiche vorkommt und nur verhällnißmäßig geringe Flächen zu umfassen pflegt, — ein Anwcndungsfall ist z. B. die einem Schankwirtb erlheilte Erlaubniß zur Erbauung eines Wirtbskauses in einer stscalischen Waldung ohne Verkauf des Bauplatzes — so ist dieses Institut doch noch nickt auSgestorben. Man findet Bestimmungen darüber deshalb in allen neueren Gesetzbüchern, auch in dem neuesten, dem sächsischen. Tie juristischen Streitigkeiten über die Natur der gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Gnindeigenthümer und dem Bauberechtigten entscheidet der Entwurf dahin, daß letzterer alleiniger und freier Eigentbümcr seiner baulichen Anlage wird und bleibt. Das Eigentbum von Grund und Boden ist also in einer anderen Hand, als dasjenige an dem daraus errichteten Gebäude, jeder Eigentbümer ist durch den anderen beschränkt. Ein getrenntes Eigentbum an den niedreren Stockwerken eines Hauses, ein Stockwerks- eigenthum, welches in manchen Gebieten, z. B. in Württemberg, gilt, wird von dem Entwürfe nicht anerkannt. Von ganz anderer Art ist das dingliche Vorkaufs recht. Um dem Vorkaufsrechte eine über die Person der Gegenpartei hinausragende Tragweite zu geben, kann man nämlich das Vorkaufsrecht in das Grundbuch eintragen lassen. Obwobl ein solches, durch die Eintragung nicht aus den ersten Verkaufsfall beschränktes Vorkaufsrecht lebhaft bekämpft ist, weil eS das Grundstück erbeblich im Werthe mindert, ohne daß die Berechtigung des anderen einen gle>chkommendcn Wertb hätte, so hat die Commission des Bürgerlichen Gesetzbuches dennoch das dingliche Vorkaufsrecht beibehalten zu sollen geglaubt. Maßgebend für diesen Entschluß sind volkswirth- schaftlicke Gründe gewesen, und zwar die Absicht, die Ver äußerung von Land seitens der Großgrundbesitzer, insbesondere des Staates als deS Besitzers von Domainen, an Klein- grunddesitzer zu fördern. Sofern Staat und Großgrund besitzer dazu übergeben, kleinere Parzellen an ihre Arbeiter zu veräußern, um dieselben seßhaft zu machen, so haben sie allerdings ein Interesse daran, sich einen Einfluß darauf zu bewahren, in welche Hände daS veräußerte Land kommt. Ganz die gleichen Gründe kann übrigens auch unsere Industrie bei dem Verkaufe von Grund und Boden an ihre Arbeiter geltend machen. Auch im nickt geschäftlichen Leben kann sehr wohl Grund gegeben sein, sich bei einem Verkaufe ein Vor kaufsrecht vorzubehalten, dessen Zweck weniger dahin geht, das Grundstück zurückzuerhalten, als vielmehr dahin, einen unerwünschten Eigentbumswechsel zu verhüten. Mit gutem Grund ist daher das dingliche Vorkaufsrecht beibehalten. Deutsches Reich. Leipzig, 30. Januar. Im „Berliner Local-Anz." lesen wir: „Wie verlautet, besteht unter den aus Posen und Westpreußen stammenden deutschen Studenten der Berliner Universität die Absicht, eine Agitation sür die Errichtung einer Universität in Thorn zu beginnen, um mit deren Erbauung ein neues Merk zeichen des Deutschthums und Protestantismus im Osten zu schaffen." Ein derartiger Plan ist nicht neu. Schon vor Jahren wurde für die Errichtung einer neuen Universität im Osten des Reiches, und zwar in Bromberg, Stimmung zu macken versucht. Es wäre gewiß erfreulich, wenn in der Ostmark dem Deulschlhum und dem Protestantismus ein weiteres Bollwerk erstünde. Aber ob der Erfolg dem Aufwand, den die Errichtung einer Universität erforderte, entsprechen würde, erscheint uns sehr zweifelhaft. Die neue Universität würde in der Hauptsache doch nur von Söbnen der Provinzen Schlesien, Posen, West- und Ostpreußen besucht werden; für diese aber reiche» Breslau und Königsberg vollkommen aus, der Besuch Königsbergs ist bekanntlich nickt bedeutend. Darf man nun wünschen, daß diesen beiden Hochschulen des Ostens eine dritte Concurrenz macht? Sicherlich nicht. Wir hoffen daher, daß die studentische Agitation, die laut dem „B. L.-A." begonnen werden soll, unterbleibt. L. Berlin, 30. Januar. Die Reden der leitenden eng- ischen Politiker sind neuerdings nicht von der Art, daß sie nach ihrem politischen und völkerrechtlichen Inhalt im Aus lände unbedingt ernst genommen werden müßten. Es sind eben einfach Reden, ein gehauchte- Seitenslück zu dem, waS Fürst Bismarck einmal „Druckerschwärze auf Papier" genannt )at. Man braucht sich deshalb auch nicht darüber zu erregen, daß Lord Hamilton, der Staatssecretair für Indien, vorgestern in einer in der Londoner Vorstadt gehaltenen Rede die Anwendung der Monroe-Toctrin aus die englischen Colonien, besonders in Südafrika, proctamirt hat. Der edle Lord fügte drohend, aber nicht bedrohlich hinzu: „Jede andere Nation soll klar erkennen, daß Jeder, der ver sucht, eine solche Doclrin, soweit unsere südafrikanischen Colonien in Fiage kommen, zu durchbrechen, auf den Wider- iand der ganzen vereinigten Macht Englands und seiner Colonien in allen Welttheilen stoßen würde." Das klingt großartig, aber juristisch schwach. Die Monroe-Doctrin ist ein Welttheils - Princip, von den Vereinigten Staaten aus gestellt, gerade für solche amerikanische Gebietstheile, die den Vereinigten Staaten nicht gehören. Jbr Feldgeschrei ist „Amerika den Amerikanern". Das durch eine Parole „Afrika den Engländern" zu copiren, wird wohl Lord Hamilton, ob wohl er auf einen, Diner gesprochen zu haben scheint, nicht eingefallen sein. Hat er nur die m englischem Belitz oder unter englischer Obbut befindlichen Gebietstheile gemeint, so brauchte er nicht die Monroe-Lehre auszurufen, denn hinsichtlich dieser gründet sich das Reckt der Engländer, jede fremde Ein mischung zurückzuweisen, auf ihr staatsrechtliches Verbätlniß zu den betreffenden Gebietstheilen; hat ihm aber, und das scheint der Fall gewesen zu sein, Transvaal vorgeschwebt, so kann sich England dort auf Besitz- oder Hohcitsreckte aller dings nicht berufen, denn die Transvaal - Republik ist ein unabhängiger Staat. Er darf sich aber ebensowenig auf die Moiiroe-Doctrm, wenn diese überhaupt anerkannt werden könnte, zur Begründung seiner Ansprüche stützen, denn die südafrikanische Republik ist ein afrikanisches Land und die Monroe-Doctrin begründet kein Recht der Einmischung der Vereinigten Staaten oder eines andern amerikanischen Staates in die Verhältnisse eines amerikanischen Landes, sondern das Recht der Zurückweisung einer nichtamerikanischen Intervention. Zp Berlin, 30. Januar. Während sich die finanziellen Verhältnisse der Versicherungsanstalten für die Jn- validitäls- und Altersversicherung im Allgemeinen sehr günstig gestaltet haben, giebt es doch einzelne Anstalten, bei welchen der Vermögensbestand nickt einmal zur Deckung des Capitalwertbes der Renlenantheile hinreicht. Nach der dem Reichstage zuzegangenen Rachweisung der ReetmungS- ergebnisse der Anstalten auf 1894 belief fick das Vermögen derselben Ende deS genannten Jahres auf 304,3 Millionen, der Capitalwerth der Alters- und Jnvalibenrenten-Antheile dagegen nur auf 147,6 Millionen. Für die Mehrzahl der Anstalten ist das Verbältniß demnach günstig. So steht denn auch beispielsweise bei der Anstalt Berlin dem Rentcn- capitalwerth von 2,3 Millionen ein Vermögen von 18,5 Millionen gegenüber, bei der Anstalt Brandenburg einem Rentenwerth von 10,1 Millionen ein Vermögen von 16 Millionen, bei Schlesien gegenüber 16,4 Millionen 24.9 Millionen u. s. w. Dagegen ist bei einzelnen Anstalten der Rentencapitalwerth bedeutend größer als das Vermögen. Bei der Versicherungsanstalt Ost preußen betrug der Rentencapitalwerth 10 Millionen, das Vermögen nur 5,6 Millionen, bei der Anstalt Nieder bayern 2,6 Millionen und nur 1,9 Millionen. Nach H. 20 des JnvaliditätS- und Altersversicherungsgesetzes ist die Höhe der Beiträge so zu bemessen, daß durch dieselben die Verwaltiingskosten, die Rücklagen zur Bildung eines Reserve- onds, die durch Erstattung von Beiträgen voraussichtlich entstehenden Aufwendungen, sowie der Capitalwerth der von der Versicherungsanstalt aufzubringenden Renlenantheile gedeckt werden. Die beiden letztgenannten Anstalten haben demnach durch die jetzigen Beiträge noch nicht einmal die Deckung für einen der im Gesetze vorgesehenen Ausgabeposten, der allerdings der bedeutendste ist, aufbringen können. * Berlin, 30. Januar. Der Redacteur des antisenii tischen „Deutschen Generalanz." Karl Sedlatzeck batte sich gestern vor der achten Strafkammer des Landgerichts 1 wegen Beleidigung durch die Presse zu verantworten. Im Oclober vorigen Jabres enthielt der „Vorwärts" einen Artikel mit der Uebersckrift „Principal und Verkäuferin." Ein junges Märchen schilderte darin die Erfahrungen, die sie bei der Bewerbung um eine Stelle gemacht haben wollte. Sie habe sich aus Grunv einer Anzeige in der „Boss. Ztg." bei dem in der Frantsurtcr Allee wohnenden Kaufmann gemeldet. Dieser habe sie in seinem Privakcontor empfangen, ihr eine Anstellung in Aus sicht gestellt, aber hinzugefügt, daß er eine bindende Zusage noch nicht geben könne, sie möge sich am Nachmittag 4 Uhr im Wartesaal zweiter Classe deS BabnhofS Friedrichstraße ein- stellen, er würde dann das Nähere mit ihr verabreden. Obgleich ihr diese Geschäftspraxis sonderbar vorgekommen sei, habe sie dennoch sich eingestellt und den Principal auch dort getroffen. Dieser habe ibr bei einer Tasse Kaffee über ihr Aeußeres Schmeicheleien gesagt und ihrZumuthungen gestellt, die sie mit ibrer Ebre unvereinbar hielt. Sie bade ihn ent schieden abgewiesen und auf die Stelle verzichtet. Am 17. November wurde dieser Artikel im „Deutsch. Generalanz." abgedruckt und dabei gerügt, daß der Name des PrincipalS nicht genannt worben sei. Der „Generalanz." sei in der Lage, dies nachzuholcn» der saubere Patron, der die schandbare Handlung begangen habe, sei der Kaufmann Max Manheim, Frankfurler Allee 85. Der so an den Pranger Geslellre war wie aus den Wolken gefallen, als ihm der Artikel zu Gesicht kam. Das einzige Wahre in dem Artikel war, daß er iin September v. I. durch die „Voss. Ztg." eine Verkäuferin gesucht und gefunden hatte. Er erstattete gegen Sedlatzcck Anzeige wegen Beleidigung. Der Angeklagte sprach sein Be dauern darüber aus, daß er den Mittheilungen seiner sonst zuverlässigen Gewährsmänner Vertrauen geschenkt habe, er räume ein, daß der Zeuge Manheim sich eines guten Rufes erfreue und das Opfer einer Personenverwcchselung geworden sei. Der Gerichtshof hielt mit dem Staatsanwalt die Fahr- jässigkcil des Angeklagten für eine sehr grobe und akndcte sie mit 300 ^ Geldstrafe. V. Berlin, 30. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm beute früh einen Spaziergang im Thiergarten und subr dann nach dem Auswärtigen Amte, um mit dem Staats secretair Freiherrn von Marschall zu conferiren. Nach dem Schlosse zurückgekebrt, hörte er den Vortrag des Kriegs Ministers und arbeitete darauf längere Zeit mit dem Chef des MilitaircabinetS. — Prinz Aldrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, empfing heute Mittag den com- mandirenden General des Gardecorps General der In fanterie von Winterfeld und folgte dann mit der Prinzessin Albrecht einer Einladung der Majestäten zur Frühstücks- tafel. Um 6 Uhr Abends findet bei dem Prinzen und Feuilleton. Die Polka. Boa Otto ElSnrr (Berlin). Nachdruck «erboten. Ob wobl jemand auf die Bermuthung kommen möchte, daß die Polka, der beliebteste Tanz in unfern Ballsälen und jedem so geläufig, daß er ihn beinahe beherrscht, ohne ihn jemals gelernt zu haben — daß er gerade der jüngste unter allen Tänzen ist. so viele ihrer jetzt im Carneval die reigen frohe Jugend erfreuen? Und doch ist es der Fall: die Polka steht, neben den übrigen landläufigen Tänzen, noch im aller- jugendlichsten Alter. Der Walzer ist im Vergleich zu ihr ein uralter Greis, und Gavotte und Menuett, die jetzt wieder so beliebt gewordenen Touren-Tänze deS alrsranzösischen HofcS, nebmen sich neben ihr, was die Jahre betrifft, wie versteinerte Mumien aus. Selbst Contretanz und Quadrille st I» eour, von denen die letztere gleichfalls eine noch junge Gabe Terpsichorens ist, sind älter als die Polka, die mit ibrem fröhlichen Hüpfsckritt und der Lust, sick bald links, bald reckts berumzukreiseln, bald auf ein und derselben Stelle nur den Tact durch lei en Spitzenaufschlag zu markiren, bald in breiten Windungen durch den Saal zu stürmen, so reckt daS jugendliche Feuer zu vcrralben scheint, das in ihr, wie in dem übermüthigcn Galopp» zuckt und glüht. Als die Polka zum ersten Male im modernen Ballsaale auftauchte, wußte man von ibrem Ursprung absolut nichts. Sie war da, die Melodie schmeichelte sich dem Ohre ein, der Fuß eignete sich mit einer Leichtigkeit, die in der Choreo graphie bisher unerhört gewesen, den Schritt an — also tanzte man sie. Man war sogar nicht wenig enttäuscht, alS mau vernabin, daß daS schöne Märchen aus der Fremde — denn selbstverständlich mußte die Polka, wie beinahe jeder der modernen Tänze, den Weg über Pari- nebmen, um bei un» ballfähig zu sein — eigentlich recht unv schlecht nichts weiter war als eine böhmische Dorsmagd, die sich nur unter wegs in fremden Flitterstaat geworfen und dadurch zuerst unkenntlich gemacht hatte. Die Polka stammt nämlich, wie jetzt von berufener Seite nachgewiesen worden ist, aus dem böhmischen Städtchen Elbeteimh, und ihre Erfinderin ist thatsächlich ein junges Bauernmädchen gewesen, daS bei dem Lekrer deS OrtS, Namen- Josef Neruda, im Dienste stand. Sie ist kürzlich als hochbetagle Greisin gestorben und hat oft genug davon erzäblt, wie sie darauf verfiel, den Tanz zu ersinnen, und wie sie noch Zeuge davon gewesen, daß dieser dann seinen SiegrSzug durch die gesammle cultivirte Welt zurücklegen durfte. Heiteren Sinnes und mit jener Freudigkeit am Tanze, wie sie der Jugend im Allgemeinen und der böhmischen iin Besonderen eigen ist, begann da- junge Dorfkind eines Sonntagnachmittags einen Tanz zu ibrer eigenen Belustigung aufzuführen. In der Hand hielt sie noch die Taffen und Teller, die sie gerade abtrocknete, und sie ahnte nickt, daß ihr Herr, der sich nebenan im Zimmer befand und eben die Schulhefte corrigirle, sie bei ibrem stillvergnügten Treiben beobachtete. Dazu sang sie eine einfache Weise, die zu dem Tact- schritt des neuen Tanzes paßte uud ihr just so in den Sinn gekommen war. Josef Neruda, der als echter Sohn Böhmens im Tanze nickt weniger bewandert war als in der Musik, horchte auf. Beides, sowohl der Tactschritt des neuen Tanzes als die dazu gesungene Melodie, erregten sofort sein volles Interesse. Sie waren nicht nur völlig neu, sondern auch durchaus eigenartig Er setzte sich also nieder und schrieb die betreffenden Noten auf daS Papier. Ter Tanz wollte ihm seitdem nicht mehr auS der Erinnerung; bald eignete er sich sowohl den Pa» als auch die Weise an und machte sie bekannt. Die ersten Tage nachher hallten sämmt- liche Häuser in dem böhmischen Städtchen von der Melodie wieder, unv in jeder Familie, wo junge Leute anwesend waren, drehte man sich nach dem Rhythmus. Als kurz darauf in Elbetheinitz eine öffentliche Lustbarkeit stattfand, tanzte man den neuen Tanz zum ersten Male nach den Klängen eines Orchesters und unter Beobachtung der Ge selligkeitsformen, die das moderne Leben für solche Gelegen heiten fixirt hat. Die Polka war damit geboren. Aber vorläufig mußte sie sich noch begnügen, obne Namen auSrukommen. Diesen er hielt sie erst einige Zeit später, im Jahre 1835, als sie zu erst die Landeshauptstadt Prag berührte und auch hier den allgemeinsten Beifall erntete. Dort gab man ibr den Namen „Polka", hergeleiket von dem tschechischen Worte „pulle»" gleich Hälfte, wahrscheinlich wegen de- HalbschritteS, der die charakteristische Wesenheit unsere- Tanzes auSmachr. Bald befand sich die aesammte Moldaustadt rie-seikS und jenseits des Stromes in einem Polka-Taumel. Er ergriff alle Stände; in den uralten vornehmen Palästen deS feudalen Adels herrschte er nicht minder als in den Schänken ver Ufergassen, wo die untersten Schichten ihre Belustigung suchen. Damals war Pergler Capellmeister am deutschen Landeslbeater. Ter neue Tanz däuckle ibm so originell, daß er ihm sofort seine ganze Aufmerksamkeit widmete. Von einem solchen Orchester ge spielt, wie es das von Pergler geleitete war, mußte die Polka noch mehr zünden. Zumal sich auch jetzt namhafte Componisteo daran machten, dem Tanz, der sich bisber auf jene einzige Melodie gestützt hatte, die er aus dem Städtchen Elbeteinitz mitgebrackt, neue Weisen zu erfinden. D>e erste Polka, die im Musikalienbandel erschien, sagt Alfred Waldau, der ihre Geschichte geschrieben, rührte von Franz Hilmar her; tanzbare Weisen, die denn auch damals sehr beliebt waren, lieferten in der Folge vorzugsweise Labitzky, Liebmann, ProckaSka, Swoboda und Titl. Die nächste Station auf dem Werdeproceß der Polka zu einem eckt internationalen Gesellschaftstänze ist nunmehr Wien. Sckon Pergler hatte mit seinein Orchester die Polka gelegentlich einiger Gastconcerte, die er an der Donau veranstaltete, wiederholt gespielt. Der Erfolg war ihm auch damals treu, und man wird ihn um so höher an schlagen müssen, wenn man die musikalischen Verhältnisse in Betracht nimmt, die, wie in Wien stets, und besonders zu jener Zeit an der Donau maßgebend waren. Es war die Epocke, wo der Walzer eben seine erste künstlerische Ent faltung gewann. Franz Schubert'« geniale Ländler, die wie in halbaufgebrockener Knospe schon Form und Farbe des später so glänzend aufblühenden Walzer- zeigten, beherrschten nicht nur den Concert-, sondern auch den Tanzsaal. Josef Lanner schuf eben seine entzückenden, gemüthvollen Walzer melodien, den „Schönbrunner", die „Prster" und vor Allem „Großmütterchen". Johann Strauß, der Vater unseres jetzt regierenden Walzerkönigs, stattete seine Walzer - Compo- sitionen mit jenem blendenden Colorit aus, daS diesem Tanze nachmals ein so vorzüglicher Geleitdrief sür seinen Triumpbzug um die Erde wurde. Mit dem Walzer konnte sich die Polka nickt gut messen; an der schönen blauen Donau, feiner Heimatbsiätte, mußte sie stet- unterliegen, sobald sie es unternehmen wollte, einen Kampf gegen den Lieblingstanz deS Wieners zu wagen. Dafür errang sie in Pari», wohin sie wenig später, im Jahre 1840, von Raab gebracht worden war, einen um so durchschlagenderen Erfolg. Dieser, ein Wiener Kind und gleichfalls Capellmeister am Deutschen LandeS-Thrater ru Prag, veranstaltete in Paris Soireen, auf denen die Polka gelehrt wurde. Er tbat daS mit ebenso viel Glück und Geschick, wie namentlich auch mit der notbwendigen Reclame. Indem er von vier Paaren, die er mitgebrackt batte, die Polka vortanzen ließ, warb er sich seine Schüler und gewann sebr viel Geld; außerdem konnte er mit gutem Gewissen bebaupten, daß er eigentlich dem zuerst so unschein baren böhmischen Bauerntanz erst zu seinem spateren inter nationalen Weltrufe verholfen hat. Nun verbreitete sich der neue Tanz gleichsam strahlen förmig mit einem Schlage über sämmtlicke Länder. Com Positionen in Polkaform überflutheten den Musikmarkt; wo ein Tanzsaal war, wurde sie aufgespielt. Noch zu Raab s Zeiten kam sie in Paris auch aus die Bühne, indem sie in der Großen Oper selbst als Ballet-Einlage getanzt wurde. WaS sie seitdem für die gesammte tanzende Welt bedeutet, wissen wir Alle. Wegen der geringen Schwierigkeit, die sie dem Fuße bereitet, wird sie eben von Jedermann getanzt. Während die großen Touren-Tänze unserer Alt vordern nicht allein an die Fußspitze deS Tanzenden, sondern auch an sein Gedächtniß und seine gesammte Haltung die größte Anforderung stellten und während selbst der Walzer mit dem sich stet» wiederholenden Schleis schritt, sofern er wenigstens gut auSgeführt werden soll, eine verhältnißmäßig sehr lange und gewissenhafte Uebung erfordert, gekört die Polka Demjenigen, der nur einigermaßen für die Rhythmik de» Fuße» begabt ist, schon fast mit dem ersten Tact von selber. In Vieser Ein fachheit des Schritte« und der Leichtigkeit, mit der man sich ibn anzueignen vermag, liegt aber auch zugleich der Todeskeim der Polka. Sie sinkt zum Allerweltstanz herab, sie leidet an einer Monotonie, die von Jahr zu Jabr fühlbarer wird. Aus dem Tanzsaal wird die Polka wahrscheinlich so leicht nicht verschwinden, aber ihre Blüthe ist vorüber, und ihre Beliebtheit bat doch schon einen starken Rückgang erfahren seit den Zeiten, da man sang: „Polka, Polka tanz' ich gern" u. s. w. Wenn nickt Alles trügt, so kehren wir immer mehr zu den Touren Tänzen unserer Altvordern zurück, wie denn auch bereits mit der Wiederbelebung von Gavotte und Menuei in durckan« vernünftiger Weise der Anfang gemacht ist.
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