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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189602097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-09
- Monat1896-02
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1896
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Größere Schriften laut unserem Preio- verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffern^ «ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbesörderung 70 -. Ännahmrschluß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhc. Für die Montag-Morgen-AnSgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filiale« und Annahmestellen je »ine halb» Stund« srnher. Anjrigen sind stets an di, Expr-itiou zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^?7I. Sonntag dm 9. Februar 1896. so. Jahrgang. Aus -er 12. Die erste Berathung des Bürgerlichrn Gesetz buches im Reichstage hat ia der verflossenen Woche die politische Aufmerksamkeit nicht zu absorbiren vermocht. Dazu waren zwei zu starke Ablenkungen vorhanden: die sächsische Wahlreformvorlage und der Eintritt des Herrn Stöcker in eine neue Phase seiner politischen Bewegung. Was die genannte Vorlage auaeht, so fließt da- Interesse, das man außerhalb Sachsen» an ihr nimmt.au- zweierlei Quellen. Bei der einen ist es der selbstverständliche Antbeil an der Entwickelung eines großen und wichtigen Bundesstaates, die zur sorglichen Prüfung der vorgeschlagenen Aenderungev treibt; da- Urtheil der Presse, die sich aus diesem Beweggründe sachlich mit dem Gegenstände befaßt, läßt sich — der Wortlaut des Entwurfs bat in Berlin beispielsweise erst am Freitag Vorgelegen — noch nicht zusammenfassend mittbeilen. Sehr viel rascher bei der Hand sind die Organe, die, wie alles, so auch diese Vorlage unter demGesichtSpuncte der agitatorischen AuSbeutungSfähigkeit betrachten. Um die neueWaare in ganz Deutschland marktgängig zu machen, ist für sie der sächsische Entwurf rin „Vorstoß gegen da- ReichstagSwahlreckt." Eine ernsthafte Zurück weisung verdient dieser parteipolitische GeschästSkniff nicht und ebensowenig da», was von dieser Seite im Einzelnen gegen die Wahlresorm vorgebracht wird. Der Radicalismus will in Allein und Jedem so ganz anders als die positiven Parteien, daß eine Auseinandersetzung über seine Gründe ein unfruchtbares Beginnen ist. Komisch ist, wie die bürger lichen Helden vom 23. März sich — mit wie zweifel- bastem Recht, ist im „Leipz. Tagebl." gezeigt worden — sich gegen die Vorlage ans den Fürsten Bismark und die social demokratischen sich gleichfalls auf den soeben erst von ihrem Führer Auer beschimpften Mann berufen. Der Austritt des Herrn Stöcker ans der conservativen Partei bat viel mehr bei dieser die Zurückweisung, als bei den andern Gliedern des ehemaligen Cartells die Wiederaufnahme des CartellgedankenS hervorgerufen. Die Warnung der „Eonservative Cörrespondenr" vor „Illusionen" ist ganz überflüssig; wer politisch zu sehen und zu verstehen vermag, der weiß, daß von einem Cartell mit oder ohne „nalional- liberrrle Spitze", wie es bestanden hat, im Reiche heute nicht die Rede sein kann. Es empfiehlt sich, wieder einmal in Erinnerung zu bringen, worin der Inhalt des Cartell- abkommenS eigentlich bestanden hat, weil eS gar zu leicht vergessen oder außer Acht gelassen wird. DaS Cartell war ein Wahldündniß, nach der Reichstagsauslösung im Ja nuar 1887 zu dem Zweck abgeschloffen, bei den Neu wahlen eine der Septennatsvorlage günstige Zusammen setzung des Reichstags herbeizusühren. Weiter ent- bielt das Abkommen damals nnd bei seiner Erneuerung im Jahre 1890 nichts. Daß in den Jahren 1887—90 ein gutes politisches Einvernehmen der Cartellparteien bestanden bat, war eine thatsächtich, aber nicht mit Naturnothwrndig- keiteingetreteneFolgedeSWabibünduifses. Daß ein solche« Blind- niß im Reiche beute nicht möglich wäre, verhehlt man sich nirgends, auch in Sachsen nicht, dem einzigen Lande, wo eine An von „Cartell" fortbesteht. Noch weniger wäre das frühere Ein vernehmen zwischen den drei Parten zu erzielen, nachdem sie sich in einem Wahlkampfe befehdet haben. Und waS die Hauptsache ist: jene drei Parteien sind gar nicht mehr vor handen; die konservative ist in Preußen und vielen anderen Staaten etwas Anderes geworden, als sie war, und wenn — wir enthalten uns darüber jeder Bermuthung — die Trennung von Herrn Stöcker als Reconstructionsversuch gedacht sein sollte, so ist sie jedenfalls noch keine Reconstruction. In der Erklärung de- Frbrn. v. Marschall in der Budgetcommission ist ohne Zweifel das Wichtigste die Ver sicherung,daß die Erwägungen, ob eiueFlottenverstärkung nolhwendig sei, nicht etwa ia Zusammenhang mit einer Aenderuag der deutschen auswärtigen Politik ständen. Wenn die Erklärung die Annahme zuläßt, daß die politischen Ereignisse .jüngsten Datums die Frage zu einer dringlichen gemacht haben, so hat diese Möglich keit nicht- BeunrnhigendeS an sich. Die Regierung würde sich einfach in dem Falle der Mehrheit des Dolkes hrfinden, das erst durch die Transvaal-Angelegenheit zur klaren Erkenntniß der Nothwendigkeit einer stärkeren See macht gelangt ist. Es ist nicht nur unbedenklich, sondern un erläßlich, daß Deutschland sich eine Flotte schafft, mit der es jeder jsrinen Interessen entsprechenden Politik Nachdruck ver leihen kann. WaS abgewiesen werden muß, das ist der Ge danke, eine verstärkte Flotte zu bilden, um dann nach ihr die Politik einzurichten. Daß der Staatssecretair des Auswär tigen nicht« mitgetbeilt hat, was geeignet wäre, die gegen wärtigen, an die Marioevergrößerung anknüpfenden politischen Treibereien völlig zu unterdrücken, ist bedauerlich, war aber wobl durch die Lage der Dinge geboten. UebrigenS — wenn diese Kugel den Meerkatzen in der Presse und anderswo entrissen worden wäre, so würden sie mit einer anderen das gleiche Spiel begonnen haben. Recht sonderbar ist eine Stelle in der Erklärung deS „ReichöanzeigerS" über den Diebstahl in der Druckerei des „Armee-BerordnungSblatteS". Es wird gesagt, der „Unbekannte", d. h. der der Redaction des „Vorwärts" an gebliche unbekannte Ueberbriuger der den Gnadenerlaß ent- haltenden Nummer sei am Tage nach seinem völker- besreienden Diebstahl wieder in die Redaction des social- demokratischen Blattes gekommen und habe gebeten, ihn nicht zu verrathen. Der „Reich-anzeiger" verrälh mit keinem Worte, daß da« ganz unglaublich, ja unmöglich ist. Wenn der Ueberbrinzer der Redaktion wirklich unbekannt war, dann konnte sie ihn nicht verrathen und beschwor er erst durch seinen zweiten Besuch, bei dem er möglicherweise von Dritten erkannt werden konnte, eine Gefahr herauf, die bis dahin nicht vorhanden war. Deutsche- Reich. ^ Berlin, 8. Februar. Die Reichstagscommission für di» Novelle zum Wirthschaftsgenofsenschaftsgesetz hat dir Meile Lesung beende». Ihren Beschlüssen zufolge wird dem Plenum die Annahme der wesentlichen Bestimmungen der Regierungsvorlage — strafrechtliche Garantien gegen die Waarenabgabe an Nichtmitglieder — vorgeschlagen werden. Der Ausnahmebestimmung zu Gunsten der in der Vorlage sogenannten landwirthschaftlichcn Eonsumvereine, die, ohne einen offenen Laden zu kalten, sich auf die Vermittelung von ausschließlich zum landwirthschaftlichcn Betriebe bestimmten Waaren beschränken, hat die Commission zugestimmt. Im klebrigen hat sie Ergänzungen beschlossen, die sich durchaus in der Richtung des Zweckes bewegen, den die Regierungen bei der Feststellung ihrerVorlage im Auge gehabt haben müssen. Es gehört dahin zunächst da« »ur Eontrole der Beobachtung des Gesetzes ausgesprochene Verbot, Marken, Anweisungen, Quittungen und ähnliche Ersatzmittel für baares Geld im VerkausSbetrieb der Eonsumvereine zu verwenden. Ferner die Strafandrohung gegen Mitglieder von Consumverrinen, welche von diesen bezogene Waaren gegen Entgelt gewerbS- oder gewohnheitsmäßig veräußern oder ihre zum Waaren- bezug berechtigenden Legitimationen einem Dritten überlassen; benutzt dieser die Legitimation, so macht er sich gleichfalls straffällig. Ia der Fassung erster Lesung dieser, im Wesent lichen einem Antrag der Abgg. Osann und Münch-Ferber folgenden Bestimmungen war die Strafbarkeit der Abtretung an Nichtmitglieder davon abhängig gemacht, daß es sich um Waaren „von nicht unbedeutendem Werthe oder in nicht unerheblicher Menge" handelt. Der Verzicht auf diese Ein schränkung scheint sachgemäß. Dasselbe gilt anderseits von zwei anderen Einschränkungen, welche neu getroffen sind. Kach der einen bleibt die Abgabe von Gegenständen, welche Mitglieder aus Consumverrinen beziehen, straflos, wenn sie in Speiseanstalten der Mitglieder oder an ihre Kostgänger zum alsbaldigen persönlichen Gebrauch erfolgt; die andere gestattet Eonsumvereinen, welche Mitglieder eines anderen EonsumvereinS sind, von diesem bezogene Waaren an ihre Mitglieder abzugeben. Auch die Vorschrift über die Consum- anstalten (Waarenhäuser der Ofsiciere, Beamten u. s. w.) hat eine geänderte Fassung erhalten. Eiaentbümer, Vorstände und Verkäufer solcher Anstalten, sowie Personen, für die sie bestimmt sind, sollen, wenn sie von der Anstalt bezogene Waaren an Nichtmitgliedrr oder an Solche abgehen, für die die Anstalt nicht bestimmt ist, den für die unbefugte Waarenabgabe der Eonsumvereine festgesetzten Strafen unterliegen; hier wie dort ist auch der un befugte Waarenvezug strafbar. In der ersten Lesung war das Abgabeverbot auf „Gegenstände der LebenS- und Haushaltungsbedürfniffe" beschränkt worden. Die im Ganzen und Großen nur zu berechtigte Unzufriedenheit mit der staatlichen Begünstigung der Eonsumvereine uud Anstalten von Beamten hat die große Mehrheit der Commission in einer Resolution znm Ausdruck gebracht, die sich gegen die Ueberlaffung von dem Reiche gehörigen Räumlichkeiten an geschäftliche Unternehmungen dieser Art und die Verwendung von im Dienste de» Reichs stehenden Beamten in ihren Betrieben richtet. Obwohl die Resolution die Abgabe von Gegenständen zum augenblicklichen Gebrauch aus drücklich auSnimmt, wurde von der Regierung gegen sie geltend gemacht, daß von ihr unentbehrliche Einrichtungen, beispielsweise in der ReichSdruckerei,wo die Arbeiter der Eontrole wegen zum Frühstück nicht au» der Arbeitsstätte entlassen werden könnten, und die Werftcautinen betroffen würden. Der Sachverhalt wird wohl im EommissionSbericht klar ge stellt werven. Jedenfalls ist darau festzuhalten, daß die Ver sorgung der Arbeiter großer staatlicher Etablissements an Ort und Stelle in der Regel nicht zu den Auswüchsen des Coasumvereiuswesens gerechnet werden kann. Zumeist ist durch die Anlage uud Erweiterung solcher Betriebsstätten eine Nachfrage erst ia neuerer Zeit entstanden, ein vor handene» seßhaftes Gewerbe mithin durch genossenschaftliche und ähnliche Einrichtungen nicht geschädigt worden. DaS Gleiche gilt von Cousumaustalten ia privaten Betrieben. Anders bei den Waareahäusern der Omeiere u. s. w., die die Verschiebung einer von jeher vorhandenen Nachfrage bewirkt haben. * Berlin, 8. Februar. Die Christlich - Socialen hielten gestern Abend ia der Tonhalle eine öffentliche Ver sammlung ab, in der Hofprediger a. D. Stöcker über die Scheidung der Christlich - Socialen von der konservativen Fraktion sprach. Die „Natioaal-Ztg." berichtet darüber: Der Saal war bis auf den letzte» Platz besetzt, alle Galerien waren überfüllt, etwa 1800 Personen, unter denen sich auch eine größere Anzahl Damen befand, mochten anwesend sein. Ein beträchtlicher Theil der Versammelten gehörte jedoch anscheinend nicht zu dra Anhängern Stöcker'«, sie verhielten sich vollständig reservirt und der Beifall, der Herrn Stöcker gezollt wurde, war stellenweise recht dünn. Stöcker tprach im Anfang seiner Rede mit recht gepreßter Stimme, die Worte wollten ihn, gar nicht aus dem Mund; später wurde es freilich etwa» anders. Stöcker erNSrle schließlich: Wir wollen jetzt im Hinblick auf die Eonservativen schirdlich-friedlich Vorgehen, das christlich-sociale Panier hochhalün. Am 26. Februar wollen wir »n« mit unseren Freunden ver einigen und sehen, ob wir uns ia der Freiheit nützlicher machen können als in der Gebundenheit. Möge der Herr seinen Segen dazn geben, also in GolteS Namen vorwärts! (Beifall.) Nedacteur Ob er wind er: Die Abneigung der Eonservativen gegen das „Volk" sei schon lange vorhanden gewesen, aber erst seit der Umsturzvorlage, die er und seine Freunde scharf bekämpft, sei sie stark hervokgetrrten. Den Eartelbestrebonarn seien dir Christlich- Socialen und das „Volk" im Wege gewesen; «ras Limburg- Stirum habe keinen Zweifel darüber gelassen, daß er und seine Freunde da« Eartel für energilche Bekämpfung der Socialbemokratie anstreben. Wenn es mit den Eonservativen so fortgeh«, so würden sie »ine rein agrarische Partei werden, und da hätten doch die Christlich-Socialen nicht mitmachen können. Rrdarirur von Verlach: Er habe an den zweiten Präsidenten der Partei Prof. A Wagner geschrieben und ihn ersucht, der Versammlung beizuwohnen, um damit zu zeistra, baß er, Wagner, die Trennung von den Eonservativen billige. Wrgner habe geantwortet, daß, so lange er das Rektorat der Universität habe, er sich vorgenommen, jede« Hervortreten zu vermeiden, di« Dminung von der konservativen Partei billige er durchaus, recht wäre es ihm gewesen, wenn sie schon früher erfolgt wäre; hart gegen die jüngere christlich« Richtung zu urtheilen, halte er sür unangebracht, er glaube, daß die alten Lheistlich-Socicilen mehr Einigendes als Trennendes mit den jungen hätten. Ern anderer Christlich-Socialer erklärt«, di« Verjammiung solle ein Protest gegen die Undankbarkeit sein, dir Herrn Stöcker zu Theil geworden. Stöcker ergriff nun nochmal» da« Wort und bezeichnet» eS als sein» Hauptaufgabe, dir 80 Procent der arbeitenden Llasse sür die christlich-sociale Sache zu gewinnen. Bei Schluß der Ber- sammlung wurden Hochs auf Stöcker auSgebracht, welche er mit einem solchen auf die freie christlich-sociale Partei beant wortete. Im Großen und Ganzen war dir Stimmung in der Ver sammlung eine gedrückte; die wiederholte Aufforderung vom vorstandstisch, die Mitgliedschaft der christiich-socialen Partei zu erwerben, fand wenig Gehör; die ausliegendrn Listen blieben fast ganz leer. Pfarrer Naumann äußert sich über den Austritt Stöcker's aus der conservativen Partei im „Briefkasten" seines Blattes wie folgt: „Stöcker gehört also nicht mehr zur conservativen Partei. End lich! Gut ist es, daß nun wenigstens das falsche Verbältniß von conservativ und christlich-social sertig ist. „Ihr könnt nicht konser vativ sein und christlich-social!" WaS Stöcker weiterhin thun wird, wissen wir in der Stunde, wo die letzten Zeilen zur „Hilfe" ge schrieben werden, noch nicht. Wir vermuthen, daß er eine selbst ständige conjervativ-christlich-sociale Gruppe bilden will, hielten es aber sür bester, wenn gleich jetzt der Zusammenschluß aller Christlich-Socialen erfolgen würde. Was wird wohl der „Reichst»otr" sagen? Er sitzt nun am äußersten Rande der Conservativen, und dieselben Elemente, die erst uns und dann Siöcker abgejchüttelt haben, werden nun auch ihn in den tiefen Ab grund zu stoßen suchen, wo sich alles das sammelt, was socialer Neigungen verdächtig ist." V. Berlin, 8. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser verblieb gestern auf Einladung des Großherzogs von Olden burg etwas länger, als ursprünglich beabsichtigt war, in Oldenburg, um au der Familieatasei im dortigen Schlosse theil- zuaehmen. Bei der Abreise des Kaisers gab der Großherzog demselben daS Geleite dis zum Bahnhöfe. Um 10'/» Uhr Abend- traf der Kaiser in bestem Wohlsein wieder in Berlin ein. Heute Vormittag machten der Kaiser und die Kaiserin den gewohnten gemeinsamen Spaziergang. Nach dem Schlöffe zurückgekehrt, hörte der Kaiser daselbst den Ver trag des Chefs de- GeneralstabeS und arbeitete daraus längere Zeit mit dem Geueraladjutanteu v. Hahnke. Später sprach der Kaiser bei dem Staatssecretair des Auswärtigen Freiherr,, v. Marschall vor, mit dem er eine Unterredung batte. Nach mittags gedenkt der Kaiser sich mit dem fahrplanmäßigen Zuge 3 Uhr L Min. zur Besichtigung der Recruten de- FüstffrrbataillonS des ersten Garderegiments z. F. nach PolSdam zu begeben und im dortigen Stadtschloffe zu übernachten. L. Berlin, 8. Februar. (Privattelegramm.) Ueber die Abberufung de- MarineattachSS bei der fran zösischen Botschaft in Berlin, SchiffSlieuteuant« »e Maa-at-Braucetz, find verschiedene Lesarten verbreitet. Die Einen behaupte», die Abberufung sei erfolgt, weil eS dem MarineattachS nicht gelungen sei, sich hier eine Position zu schaffen. Wie die „Nat.-Ztg." von zuverlässiger Seite erfährt, ist diese Annahme durchaus unrichtig, da Herr de Mandat- Grancey sich im Gegentheil großer Beliebtheit erfreute. Anderer seitsveröffentlicht der „Figaro" unter der Überschrift: „Berliner Zwischenfall" einen eingehenden Bericht, in dem ausgeführt wird, der französische Botschafter Herbette habe sich bei dem Marineministrr Lockroy über den MarineattachS beklagt, dessen Abberufung dann sofort erfolgt sei. Hervorgehoben wird ferner, daß Kaiser Wilhelm bei dem nächsten Hoffeste Herrn de Mandat-Granceh gegenüber seinerVerwunderung über dessen völlig unerwartete Abberufung Ausdruck geliehen habe, so zwar, daß Herr Herbette und die übrige Umgebung es hören mußten. Auch Freiherr v. Marsch all soll am nächsten Tage bei einer Unterredung mit dem Botschafter dasselbe lebhafte Bedauern geäußert haben. Von anderer Seite wird noch behauptet, daß der französische Minister des Auswärtigen, Barlhelot, gleichfalls an ber zwischen Herrn Herdelte und dem Marine minister Lockroy vereinbarten Maßregel Anstoß genommen habe. Im Zusammenhänge mit diesen Vorgängen wird denn auch von verschiedenen französischen Blättern der bevorstehende Rücktritt de» französischen Botschafters in Berlin angeküudigt. — Der ReichStagsabgeordnete vr. Lieber hatte seine Absicht, den Staatssecretair von Marschall in der Budget commission zu interpelliren, diesem vorher mitgetheilt, uud so war der Staatssecretair heule in der Lage, die gemeldete Erklärung zu verlesen und in mehreren Exemplaren den Commissionsmitgliedern schriftlich za übergeben. — Der „Magdeb. Ztg." wird au» Berlin telegraphirt: Gegenüber den Meldungen, die von einem Zurückziehea der Zuckersteuervorlage mit Rücksicht auf die gegen wärtige Höhe deS Zuckerpreises wissen wollen, können wir aus Grund von Erkundigungen, die wir an unterrichteter Stelle eiugezogen haben, auf das Bestimmteste verstch-rn, daß die Regierung einem solchen Gedanken vollständig ferasteht. ^ — Die zur Herbeiführung einer gütlichen Erledigung der Streitfrage einberufene Versammlung der Berliner Damen- und Herren - Eonfectionaire (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) wird, wie der „Cvnfectionair" erfahrt, heute statlfinden und zwar unter dem Vorsitz des Regierung«- und Gewerbrraths vr. Sprenger. — Die Arbeiter der Holzbearbeitungs-Fabriken wollen am Montag den lO. Februar in einen allgemeinen Ausstand treten. Ihre Forderungen lauten: Neunstündige Arbeit-dauer. lOprocenlige Lohnerhöhung. Anerkennung des 1. Mai. Der geplante Ausstand wurde von der Gewerk« schaftscommission genehmigt. * Kiel, 8. Februar. Kaiser Wilhelm hat der Marine- Ostseestatlon die Segelyacht „Meteor" zum Geschenk gemacht, damit auf derselben deutsche Seeleute zu Renayacht- Matrosen ausgeblldrt würden. Der Stationsches Viceadmiral Thomsen soll die Leitung übernehmen. Da eme neu« Segel yacht „Meteor" demnächst vom Stapel läuft, so ist di« alte in ,Lomet" umgetauft worden. (B. L.-A.) * Hambnrs, 7. Februar. Die „Hamb. Nachr." schreiben heute: „Die „Germania" behauptet, „daß die Angriffe auf Herrn von Boetticher von FriedrichSruh nur deshalb erfolgten, weil derselbe nach dem Rücktritt« des Fürsten Bismarck seiar ungewöhn lich große Kraft unv Arbeit dem Käfter »ad dem Reiche weiter zur Verfügung gestellt habe, statt sich der Bismarck'jchen Fronde anzu- schlirßen " Wir glauben, daß wenn in FriedrichSruh Verstimmung gegen Herrn von Boetticher rxisrirt, dieselbe ihren Ursprung nur in dem Verhalten dieses Ministers vor dem Rücktritte des Fürsten Bismarck haben kann." * Thorn, 7. Februar. Ueber einen skandalösen Vorgang, der sich kürzlich in Thorn abgespielt hat, schreibt die „Thorner Presse": „DaSFeuerwerkspersonal der Tborner Garmson beging in einem größeren Vergnügung-local am 18. Januar die Feier des ReichsjnbiläumS, auS welchem Anlaß das Local mit Fahnen und nationalen Emblemen geschmückt worden war. Am 19. Januar fand in demselben Locale eine Kinder- bescheerung statt, die von einem aus Vorstandsmitgliedern de» polnischen Jndusirievereins, de- polnischen Arbeiter vereins und des polnischen Turnvereins „Sokol" bestehenden ComilS veranstaltet war. Bei dieser polnischen Veranstaltung sind nun die deutschen Fahnen und Embleme von den Wänden des LocalS heruntergebolt, zerrissen und beschmutzt worden. Darnach hat man die Decoralionsgegenstände auf die Galerie des Saales geschleppt, wo man sie in einen Winke! auf einen Haufen warf und diesen mit Bier übergoß. Unter den Emblemen befand sich ein Germaniabild in einem Nahmen; das Bild bat man zerrissen und den Rahmen zer trümmert. Als Mitglieder des Feuerwerkspersonals Tags daraus sich die Decoralionsgegenstände aus dem Local abholen wollten, fanden sie diese beschädigt und beschmutzt so vor, wie es beschrieben wurde. Der Wirthin des Locals wurde von dem Funde Mittheilung gemacht und diese stellte hieraus die Herren vom polnischen Comilv zur Rcde. Ob es dabei auf der einen Seite zu einer Kündigung de» Locals oder aus der anderen Seite zu dem eigenen Entschlüsse der Aufgabe deS Locals gekommen ist, haben wir nicht erfahren, bekannt ist aber, daß der polnische Arbeiterverein seine Versammlung am 26. Januar nicht mebr in dem in Rede stehenden Locale abhielt, sondern dieselbe nach dem polnischen „Museum" der legte. Qb die Sache von irgend einer Seite noch weiter verfolgt werden wird, wissen wir nicht." * Neichenbach (Schief.), 7. Februar. Da» hiesige Schöffen gericht verurtheiite den Rebacteur Feldmann vom „Proletarier" wegen Beleidigung de- Polizeipräsidenten, des Landgericht- Präsidenten, deS Ersten Staatsanwalts und eines Gesanaen- bauSverwalterS in Köln zu 200 Geldstrafe. Die Ber urtheilung erfolgte wegen eines der „Rheinischen Zeitung" entnommenen Artikel», in welchem gesagt war, daß im Kölner Gesängniß ein Häftling in Folge von Mißhandlungen ge storben sei, und eines weiteren Artikels aus dem Hamburger „Echo", in welchem die Untersuchung diese» Kalles ironisch behandelt wurde; naH diesem Artikel war anzuaehmen, vaß die llntersuchungsbehorde parteiisch gehandelt habe. Die Zeugenaussagen ergaben, daß der Häftling nicht gemißbandeii worden, sondern an Fallsucht und Delirium gelitten habe. V. Erfurt, 7. Februar. Die hiesigen Fabrikanten haben in einer gestern Abend abgehallenen Versammlung folgende Resolution gefaßt als Antwort auf die Tarif eingabe der Lobncommisflon der ConfeclionSarbeiter: „Die Unterzeichnete» Erfurter DamenmSntel-Fabrikanten er widern auf die ihnen zugegangene Zuschrift der Lohncommission der Schneider and Schneiderinnen Folgendes: Wir zahlen hier nach- weislich znm Theil höhere Arbeitepreis«, als für die gleichen Genres ia Berlin, Breslau u. s. w. gewährt werden; es ist desdalb «in einseitiges Vorgehen unsererseits in der Lohafrage unmöglich, weil wir dann nicht mehr concurrenzsähig wären, die hiesige Lonfectioas- Industrie vollständig lahmgelegt würde und die Folgen in ihren Endzielen gerade die Arbeiter und Arbeiterinnen träfen. Dir stehen einer Aufbesserung der Arbeitsprrife nicht entgegen, wenn die Fabrikanten unserer Branche in Breslau, Berlin. München n. s. s. in gleicher Weise Vorgehen. Im Uebrigen machen wic darauf anfmrrisam, daß wir in weitere Verhandlungen nur mit sach verständigen hiesigen Vertretern der Ardriterkrrise «nseree Branche einrreten werden." Die Einrichtung von Betriebswerkstätten wird von allen Firmen als nicht durchführbar abgelehnt. * Köln, 8. Februar. Der Bauernverein des Kreises Ree« faßte eine Resolution gegen Freiherr» v. Los unc berief ein« Versammlung der „cratrumstreaen Bauern' des Kreises ein. (Magdeb. Ztg.) * Stutt-irrt, 7. Februar. Die „Horber Chronik" meldet, Freiherr v. Münck, der ehemalige Reichtagsabzeordnete, se> durch Urtdeil deS Amtsgerichts Horb entmündigt worben Freiherr v. Münch hat in den letzten Iabren fast immer aussichtslose und lheuere Processe geführt. * Ltratzburg i. E., 7. Februar. Der heute veröffentlichte Entwurf, betreffend die Waudergewerbesteuer. setzt die Steuer pro Jahr im Mittel aus 48 fest. Außerdem schlägt er für Wanderlager eine besondere Gemeinde abgabe von wöchentlich 60—30 vor, je nach der Größe des Orts, in welchem das Wanderlager sich befindet. Oesterreich - Ungarn. * Pest. 8. Februar. (Telegramm.) Der Minister des Innern forderte zwei Obergespane, aus deren Bezüge eine gerichtliche Beschlagnahme erfolgt war, auf, ihre finanziellen Angelegenheiten zu ordnen, da die Regierung nicht dulden könne, daß hervorragende Beamte mil Geld- schwierigkeiten zu kämpfen hätten. Auch der Obergespan deS Zalaer ComitatcS Benjamin SyasticS legte sein Amt nieder. Großbritannien. * London, 8. Februar. (Telegramm.) Die AuS- lieserung Ärton's wurde in allen Puncten endgiltig rü ge standen. — Dem „Glasgow Herald" zufolge umfaßt rer neue britische Flottenplan den Bau von vier Kamps- sckiffen erster Elaffe, von zehn Kreuzern und von sechzig Torpedozerstörern mit einem Kostenaufwand von MiU. Pfund Sterling. Schwede« rmd Norwegen. * Christiania, 8. Februar. (Telegramm.) Der unt« r den StorthingS-Mitglirdrrn neugebildete BundderLaad- wirthe uahm gestern eine Resolution a», die den Wunsch auSspricht, auf alle landwirthschaftlicben Product«, mit Aus nähme des Getreide«, Zölle einzufilhren. Der schwedisch- norwegische Handelsvertrag dürfte nur dann erneuen werden, wenn jede Schädigung der Landwirthschast dabei vermieden wird.
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