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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930502010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893050201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893050201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-02
- Monat1893-05
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Tabellarischer und Ztffennsas »ach höher« Darif. ExtrarBeilage» (gesalzt), »»r mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesördrrnng ^l 60.—, mit Postdesörderuug- 70.—. ^nnahmrschluß sir Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margea-Ausgabr: Nachmittags »Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und AnnadmesteAe» j, ein» halbe Stund« früher. Anzeige» find stets an dia Expeditis» zu richte». Druck und Verlag von L. Pol» t» Leipzig. ^-221. Dienstag den 2. Mai 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Neiseabonncments nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus älv Lxpvllltlon äes l'aZedlatte«, Johannisgasse 8. Amtliche Bekanntmachungen. Lekauutmachuut. Wege» vorzunebmender Reparaturen wird Nie ElftrrdraSe in Lripzig-Nriischleuhig von heut» ab aus einige Tage für den Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am NS. April 1803. Der Aath der Stadt Leipzig. ID.610b. 1>r. Georgi. Stahl. Platz-Verpachtung. Der an der Berliner Straffe Ar. 88 gelegene, der Stadt- gemeinde gehörige und z. Z. von Herrn Steinmetzmeister Hermann Hempel pachtweise benutzte Battplatz von 978 am Flächengehalt, jedoch «it Ausschlnff eines davon an der Südwestseile als Zugang zur Parth« für Zwecke der städtischen Verwaltung vorzubehaltendcn 6 m breiten Streifen-, soll zur Benutzt»»«» als Werk- ader Lagerplatz vom I. Juli diese» Jahres an gegen vtertelsidrige Kündigung anderweit verpachtet werden. Di» Verpachlungsbedtngungen können aus dem Rathbouse, l. Etage, Zimmer Nr. 8, ringeseheu werden. Daselbst werdea auch Pachtgesuch« rntgegengeaonlmen. Leipzig, den LS. April 1893. Der Math »er Etadt Leipzig- I». 1498. vr. Seorgt. Krumbiegel. Diebstahls-Sekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldeue Dameu-Ae»a»t.-Ntzr mit Aabriknummer 84 ISO, sternarttaer Sravirung und anhäageuder Daublä-Pauzer» kette mit Laradmer. am L6. vor. M.: 2) eine aaldeue Anker-Rcmout^Savanett-Uhr mit Secunde, arabischen Ziffern, blumenarligcr Äravirnng, Abbildung einer weiblichen Figur und mit dem Monogramm „0. ü. . am 18. vor. M.; 3) eine silderue Ltzlinder-Remantairudr mit Goldrand. Secunde, Schildchen und Verzierung aus der Rückseite und Fabrik nummer 13 693, vom 2L. bis 23. vor. M.; 4) »ine silderue iktzltiider-Armontair-Utzr mit Goldrand, Sekunde, Schildchen auf der Rückielt« und anhängender band- ähnlicher Rtckeikette mit einem sächs. Dtzaler p. 2- 1788, am 23. vor. M.; b) 2 itdarnier-Uhrketten, neu. 2 Daubls-Vkedatllau», Herz- förmig, aus einer Seile gravirt, am 26. vor. M.: 6) 18V Stück Cigarren, thell» in einer trist« mit der Be- zeichnung „8epp, v«p. Xo. 775", ein Aacket, getragen, von grau- und schwarzgesvrissettem Stoff, mit Horuknöpfen und schwarzem Futter, vom 26. bis 27. vor. M.; 7) ei« schmarziederrtr« Portemonnaie mit Nickelschloß, ent- ballend 4 75 ^ und einen gaideue« Trauring, gravirt: „4.. 3. 30. 6. 88." am 24. vor. M.; 8) 22«« Stück Ctgarre« (1800 Stück ta Kisten, der Rest in blauem Papier), am 2V. vor. M: 9) ein graues Lrinmaudbatlchen, SS Silo schwer, stgnirt: „8. 6.1480", enthaltend 2 Stück buntgestreisteu Matratzeildrei, am 28. vor. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenständ« oder über Len Thäter sind ungesäumt bet unserer Lrtminalablheilung zur Anzeige zu bringe». Leipzig, de» 1. Mat 1893. Da« Polizei-Amt der Stadt Leipzig. Bretfchnrider. Vr. Fi»ke. Lekanntmachung, die Verpachtung eine» Steinbruches detr. Ans dem der Stadtgemelnd« Wurzen gehörigen, südwestlich de- breiten Berge« hinter der Betram'scheu Lavillcrei gelegenen Gelände soll ein Steinbruchsbetrirb eröffnet und derseib» verpachtet werden. Pachtlustige werden ersuch», nach Einsichtnahme der Pacht- bedingungen im Stadtbauamte ihre Gebote über den für jeden Steinbrecher zu gebenden wöchentlichen Einheitssatz, über die Zeit- dauer des Pachte« und über etwaige sonstige Bedingungen schriftlich, in verschlossenem Briefumschläge und mit entsprechender Aufschrift dt« zu« 1«. Mat diese» Lntzrr» im Stadtbauamt» abzugrben. Wurzen, am 27. April 1893. Der Stadtrat-. Mühle, Bürgermeister. Geschichte und Vatarwissenschafl. Es war ein interessantes Schauspiel, welches sich am vorigen Sonnabend um die Mittaasstunde in unserer Universität-aula vor den Augen des Beobachter- abspiclte: man war gekommen, um die erste feierliche akademische Antrittsrede de- laufenden Semesters entgegen zu nehmen; der an Maurenbrrcher's Strlle als Ordinarius für neuere Geschichte berufene Profeflor vr. Max Lehmann sollte über das Thema .Geschichte und Naturwissenschaft" sprechen. Schon die Zusammensetzung der erschienenen Zuhörerschaft, soweit dieselbe aus Angehörigen des akademischen Lehrkörper« bestand, zeugte für da- allgemeine Interesse, da« dem Bor- träge entgegenaebracht wurde: neben den engeren Fachgenvssen des Redners hatten Vertreter der verschiedensten Disciplinen der phtlosophrschra Facultät Platz genommen, auch die Juristen fehlten nickt. Und dies Interesse mußte in bobem Maße gerechtfertigt erscheinen, sowohl im Hinblick aus den Stoff, den das neue Mitglied unserer »lw» mater zum Gegenstand seiner Aussührunaen zu machen versprach, als auch mit Rücksicht auf den Vortragenden selbst »nd seinen rühmlichst bekannten Namen. Man durste von dem Manne, der nach eigenem Ausspruch iu sria bedeutendstes Werk, den .Scharnhorst", «in Stück seine« Herzens hinringelegt batte, grade bei eme» Thema, wie das angrküodigt« es war, «i» wissenschastlickes GlaubenSbekcnntniß in de« Wortes vollster Bedeutung erwarten, und ma» kvunte nach des Redner« literarischer Tbäligkeit von vornherein nicht zweiiclbafl sein, wie dasselbe ausfallcn würde, Ein gedrängte« Referat mag über den reichen Inhalt des Vortrag- selbst orienliren. Der Rtbner ging von einer Schilderung de- immensen Aufschwung« aus, den in unserem Jahrhundert die natur wissenschaftliche Methode, insbesondere durch französische und englische Forscher genommen bat. Diese» Aufschwung aber ist zugleich von einer gefährlichen Folge begleitet gewesen: er hat zu der Behauptung geführt, dieselbe Gesetzmäßigkeit, welche im Reiche der Natur herrscht, geile auch für da« Gebiet der GeisteSwissenichafteu, ja diese Wissenschaften führten jenen stolzen Namen zu Unrecht, sie seien im Grunde nicht« Andere« als Theitc der alleinigeudei' Naturwissenschaft. Gewisse DiS- ciplinen batten diese Reflexion vermittelt: die Sprachwissen schaft, welche für ihre phonetischen Versuche Anatomie und Physik zu Hilfe rufen muß. die nalionalökonomischc Statistik, welche niil Zablen expcrimcniirt, eie Jurisprudenz in jener besonderen Richtung, welche da« Verbreche» an« Abnormi täten de« Gehirns erklären will. Die Darwin'sche Dc- scendenztbcoric schien dem Beweise für die Berechtigung der Aushebung de« Unterschied« zwischen Geiste«- und exaclcn Wissenschaften den Schlußstein eiusügen zu sollen: wie au« dem Protoplasma in unendlicher Znchlwabt die Fülle der organischen Lebewesen hervvrgegangeu, so sollte auch die Entwickelung de« Menschengeschlechts sich fort und fort mit gleicher Natur- »olhwcndigkeit vollziehen, Ausgabe der Geschichtswissenschaft sc« e« nur, die Gesetze dieser Entwickelung zu entdecken. Die ganze vorgetragene Theorie aber beruht auf einem großen Irrthum. Denn nicht jede Gleichmäßigkeit ist Gesetz, vielmehr beziehen sich die Gesetze nur auf die constaute Wirkung von Kräften. Sind solche Gesetze im Reiche der GeistcSwiffenschaften möglich? Nimmermehr! Ter Versuch de« französischen Posilivisten Auguste Cvmte, die Sociologie unter allgemeine Gesetze zu bringen, muß als gescheitert betrachtet weroen, für die Nationalökonomie und Statistik ist die Unmöglichkeit fester Gesetze durch den Tübinger Kanzler Rümelin schlagend bewiesen. Die Geschichtswissenschaft vollend« muß sich auf da« Energischste gegen die Ucber- tragung der naturwissenschaftlichen Methode in ihrGebletverwahren. Denn den Regeln, wclckc man glaubte für die historische Entwicklung de« Menschengeschlechtes auf- stellen zu können, fehlt stet« da« Hauptmerkmal de« Natur gesetzes: die Ausnahmslosigkeit. Viel ist gesprochen worden von den zwingenden Wirkungen, welche durch die geographische Lage, die Bodenbeschasfenheit und da« Klima eine« Land striches aus die socialen und politischen Schicksale seiner Be völkerung auSgeübt werden sollen. Aber die Länder um da« Aegäische Meer, einst die Stätten blühendster Eultur, sind später jahrhundertelanger Verödung anbeimgesallen, da« reiche Meißen, da« meerbespütte Mecklenburg haben nicht dir poli tische Bedeutung der sandigen Hobenzollernmark zu er ringen vermocht. Die BerfaffungSformen lösen sich tbat- sächlich durchaus nicht überall und immer in der gesetz mäßigen Reihenfolge: Monarchie, Aristokratie, Demo kratie, ab, wie GrrvinuS in Anlehnung an Aristo teles behauptete; Ranke hat da« überzeugend dar- getban. Da« bauptsächlichste Erkenittnißmittet de« Natur forschers, da« Experiment, ist dem Historiker durch seinen Stofs zu benutzen verwehrt, ihm stehen nicht die Dinge selbst zu Gebot», sondern nur die Ueberlieferung, Diplom und Scriptor lasten sich nicht in höherer Potenz destilliren. Analogien sind dem Naturforscher erlaubt, dem Historiker verboten, denn sie vergewaltigen die Ueberlieferung: Znnft- vcrhältniffr in Straßburg gestatten keinen sicheren Rückschluß auf Zunftverbältnisse in Basel. Aber auch dir Ueberlieserung ist nur ein Reflex de« inneren HeiliglhumS der Geschickte, die- Heiligthum selbst ist die Persönlichkeit. Die Historie kann de- geistigen und sittlichen ComvlementS der Lebenskraft nicht entbebren. Wenn der Vater der .wtssenschaftlichen" Sociatdemokratie, Karl Marx, die Persön lichkeiten nur al« Träger von Lebenskräften gelten lassen will, so führt diese Weisheit in ihren letzten Eonseguenzen zu Lombroso'S Behauptung von der Verwandtschaft de« Genie« mit dem Wahnsinn. Unermeßlicher Schaden für die Geschichtswissenschaft aber wäre die Folge der Rcceplion dieser Theorie». E« verschwände au- der Geschichtsschreibung die Kunst der Charakteristik und der Einfluß der Assecte, e« ver schwände da« moralische Element und die Beziehung auf da« Ewige, Uebersinniichc, woraus doch gerade die größten Staats männer aller Zeiten ihre beste Kraft geschöpjl haben. Ver schwinden würde da« Helveuthum; was ein Luther, ein Stein, ein Bismarck für ihr Volk gethan, müßte unoöthig genannt werden, dir Kraft der Strömung hätte das selbe auch ohne sie zu Stande gebracht Verschwinden würde endlich — und da» ist die Hauptsache — die historische Wahrheit. Denn die socialen und politischen Gebilde der Vergangenheit sind eben doch alle Schöpfungen von Persön lichkeiten und erhalten hierdurch ihr individuelle-Gepräge; jede bistorischeThat trägt denSiempel der Persönlichkeit ihreögcisligcn Vater« an der Stirn. Swei neunte Symphonien, zwei sixtinftche Madonnen stad Unmöglichkeiten. D>c Persönlichkeit aber ist in Wahrheit unergründlich. Wir können einem Freiherr» vom Stein wobt Nachweisen, daß seine Abstammung »nd sein Stand ihn in seinem politischen Wirken beeinflußt haben, woher aber stammten sein tiefe« religiöse« Gefühl und seine stürmische Vaterland«liebe, dir ih» zu seinen größlen Thaic» befähigten? Daß aus der äußeren Vorbedingung einer Gc- mätdcbesteUung durch die Mönche von S. Sislo eine sixtinische Madonna bervorging. konnte nur Rasael'S Persönlichkeit be wirken. Dir geschichtliche Entwicklung ist nicht ein Strom oder eine Mehrheit von Strömen. Denn häusig herrscht völlige Stagnation, wie in Arabien vor Muhamet, in Schottland vor John Knox; erst solchen gewaltigen Persön lichkeiten gelingt es dann, die träge Masse wieder io Fluß zu bringen. Insbesondere bei religiösen Bewegungen zeigt sich die Macht der Persönlichkeit: die LoSiagung von der katholischen Kirche im Zeuatter der Reformation würde un weigerlich einen Zerfall der Protestanten in eine Reibe von Seelen zur Folge gehabt haben, bätle sich nicht Luher'S machtvolle Persönlichkeit dieserZersplitterungentgegcngestemml Dir persönlich« Vrsorgniß Friedrich Wilhelm s l. vor der Dkeinflußung seiner Entschlüsse durch mündliche Unterhand lungen mit seinen Rätben führte zu einer starken Bevor zugung de« schriftlichen Verfahrens bei der Verwaltung »nd in weiterer Eonseguciir zui» bekannten preußischen Bureau- kraliSmii«. Rußland leitet »och beule unter den Folgen der Regierung Peter'- de- Großen, der sein bisher a» die ein fachsten Forme» de« staatlichen und cullurcllen Lebens ge wöhntes Volk in gewaltsamem Sprunge zur modernen Euttur- niacki erhoben wollte. So ist und bleibt denn die Ge schichte der Menschbcit die Geschickte der Persön lich keilen. Herrscht im Reiche derNatnr Notbwcndigkeit, so walto» ini Reick der geschichtlichen Entwickelung Freiheit. Die Natiirwissen'chasl kann die Erscheinungen ihres Gebietes erklären, die Historie kann, wie Dropsen richtig und unter Zustimmung von Helmbottz tefinirt hat, die ihrigen nur verstehe», d. b. ibnen in ihrer Totalität gerecht werden. Em besonderer Unterschied ist noch bezüglich de« Fort schrittes vorhanden. Die Naturwissenschaft darf sich eine- »icmats ahreißciidcn, uiillnterbrocheiien Fortschrittes ihrer Erkenntiiiß rühme», nicht aber die Geschichte. Ehrisllicher als Ehristuö kann Niemand sein, Shakespeare und Goethe können in ihrer Eigenart nicht übcrtrosfcn werden. IedeS Leilaltcr hat einen besonderen Werth für die Entwickelung des Menschengeschlechts, jede« Zeitalter hat aiiterkrscilS auch seine besviidernGcbrcchcn. Rom ist beute Hauptstadt de« einigen Italiens, aber e« ist mit dem Falle deSPapslthuniS für immer seine« besonderen Zauber« entkleidet. Nie wird ein Staat dem Ideal einer Republik sich wieder in dem Maße näker», Wie c« da« Athen de- Perikle« grtdan, nie wird e« in Deutsch land wieder ei» Heer gebe», wie cS da« preußische von 1813 gewesen, denn mit der allgemeinen Wehrpflicht ist seitdem Gesetz und Zwang geworden, was damals Begeisterung und freier Wille war. Trotz all' dieser Verschiedenartigkeit vereinigt di« nnivor- »ittrs littoiLiiim dennoch mit Recht Geistes- und exacte Wissen schaften, Historiker und Naturforscher. Denn in demselben Sinne sollen sie ibre Arbeit thun. Wer der Wissenschaft dient, muß Entsagung üben können, er muß sich aller per sönlichen Wünsche und Erwartungen seinen ForschungSresul- taten gegenüber zu entäußcrn verstehen, strenge Objectivität ist seine erste Pflicht. Dem Naturforscher ist die Erfüllung duffer Pflicht schon durch tft Eigenart seiner ForsckungS- objecte erleichtert, der Historiker wird insofern von ihm lernen können. Soweit der Redner. Der Berichterstattung, welche für die TageSprcsse bestimmt ist, geziemt «S nicht, dem wissen schaftlichen Credo de- Gelehrten auch kritisch näker zu treten. So sei zum Schluß nur eine allgemeinere Benicrlling ge staltet. Ter Fortschritt in der Geschichte — so lehrte lin der Vortrag selbst — gebt nicht in gerader, stetiger Linie, im Zickzack schießt er vielmehr bald »ach dieser, bald nach jener Seite hinaus über die geradlinige Bewegung »ach dem Ziele. Ebenso verbätl cS sich mit der Wissenschaft selbst, die den historischen Werdegang der Menschheit zum Gegenstand ihres forschenden Fleißes macht. Auch zum Gipset der geschichtlichen Eikcliiitiiiß führt kein gerader Weg, der Fortschritt vollzieht sich im Kamps der entgegengesetzten Ueberzeugungen. Mögen sie sich denn immerhin zu fröhlichem Turniere wappne», die historische Wahrheit kann dabei nur gewinnen. Or. 0. Deutsche- Reich. SS. Berlin l. Mai. Es hat sich noch nicht oft ereignet, daß sich eine Partei der Unwahrhaftigkcit ihrer agitaloriichc» Schlagwörter derart überführt hat, wie die drutschsrei- sinnige in den Verhandlungen über die städtische M > elhS - steuer. Dreißig Jahre hindurch hat diese Partei die A»f- crlegiiiig von Steuern ans unvermeidlichen Aufwand im Lande wie im Parlament als da« non plus ulirn slaalssinanzieller Verworfenheit gcbrandmarkt und in der bekannten „schlimmen Hinterlassenschaft taS Fürsten Bismarck" zeigt sie noch bente Steuern dieser Art als die grauenerregendsten Invenlarsiiicke auf. Das Tabakspsciscken und da« Schnapogläschc» doS armen Manne«, der Zucker für die Kasseeschale der armen Frau — welche Rolle haben sie nicht bei der dcurschsreisiniiigen „BolkSaiisklärling" gespielt. Während testen aber belastete die exclusiv deutschficisinnige Berliner Stadtverwaltung das Obdach des armen Manne« mit einer der »»gerechtesten und drückendsten Steuern, die je ersonnen wurde». Unk »»», da der Vertreter einer gteichjalls mit der Mielbssteucr be hafteten Stadl, der allerdings tein „ForlschrillSmaiiil" ist, da- staatliche Verbot dieser Steuer im Abgco>t»ele>,Hause beantragt, beschweren sich die Mameluken und Ossiciöscn der Berliner Sladtrcgieruiig über „woblscilc radikale Phrasen", über feindselige Iiistincte der Volksvertretung gegen die Hauptstadt, über unsägliche Nichtachtung des s> na» zielten Bedürfnisse-, sie, die sich dringendsten Bedürfnissen de- Reiches gegenüber regelmäßig auf Bedeuten wegen der „Steuergerechtigkeit" zurückgezogen babe». Und die«, obschon keine vom Reiche erhobene VerbrauchSabgabe an Härle an die Berliner MielhSsteucr hcranrcicht. man diese eine directc oder indircctc Steuer zu nennen hat, ist eine Tcctorsrage, jedenfalls belastet die WohnungSsteucr das Uneiitbebrlichfte im Haushalt de- Menschcn. Vielen der von Finaiizzölle» »nd RcichSabgaben gctrostenen Verbranchs- gegenständkii kann sich der Einzelne entziehen, die Wohnung hingegen ist nicht nur an sich ilneiitbchrlich, die Bebördc zwingt sogar Icdrrniann, zu wohnen, und geht im Unvermögens- falle mit Bestrasung wegen Vagabonkaze vor. Datei ist in Berlin die Last der Mietd-stener »och iiiit himmelschreiender Ungerechtigkeit auf die verschiedenen Be- völkerungsclasten vcrtheilt. Sie läßt nur M>ethen bi« zu 299 srei und auch die- erst seit kurzer Leit. B>S zu 499 Mietbc beträgt sie 2 Proccnt, bi» 699 3 Procenl, bi- 899 4 Procent bi- >999 ^ 5 Procent. Bedrückt sic dergestalt, wenn nian die bvben Mietd-preise in Berlin in Betracht zieht, den kleinsten und kleinen Mittelstand sowie die mittleren Einkommen — über deren allzuftarlc Be lastung >m StaalSeinkommensteuergesctze Herr Richter so viele Krvkodilszäbren vergossen bat — in unerhörter Meist, so behandelt sie die sebr Reichen ganz unverbällmßmäßig mild. Von 1999 ab beträgt nämlich die Mietbs- Iteuer ohne jede weilere Steigerung 6»/, Procent. So zahlt ein Mann mit 299 999 ^ Einkommen» der für seine Wohnung 15 999 -ck au-girbt — kein seltener Fall — 1999 Miethsstcuer, mithin den 299. Theil seine« Einkommens. Ei» Man» de» gebildeten Mittelstandes bin- gegcn, der von seinem Einkommen von 4599 -ck au- Er werbs- oder SkandcSrücksichlen niinbesten« 1999 >ck auf die Miethe zu verwenden gezwungen ist (wobei er noch sehr be scheiden wobnen muß), zahlt 59 -ck Miethsstcuer, also den 99. Theil seines ganzen Einkommen-, mithin verhältnißmäßig mehr als doppelt so viel, wie der millionenreiche Bewohner einer Villa im Thiergarten. Ganz z» schweigen von der Ungerechligkeil, kleine GeschäftSIeulc, Beamte u. s. w. mit 6 b>S 8 jährlich dafür herainuzieben, daß sie ihren Fa milien eine halbwegs menschenwürdige Unterkunft gewähre». Der Aeiiderung eine« solchen Zustandes hat sich der Abg. Meyer >m At'gcordncteiibaiisc auf da« Energischste widersetzt, also der Wortführer derselben Partei, welche die Einsübrung de» zweijährigen Dienstzeit angeblich an« dem Grund« zu verhindern sucht, weil die ininimale Höbcrbesteuerung eines GeniißmittelS eine unerträgliche Belastung de« deutschen Volkes bedeute. Worauf im Falle von Neuwaklen dieses Volk aufmerksam zu machen, man hoffentlich nicht unter lassen wird. /V.V.V. Vrrli«, I.Mai. Der „Allgemeine Deutsche Verband" wird im Herbst diese-Jahre« einen „Kalender aller Deutschen", Jahrbuch de« „A. D. V", berau-geben, welcher ausschließlich der Weckung de« vaterländischen Sinne- u»d der Vertbeidigung der gemeinsamen Interessen der Deutschen im In- und Anstande dienen soll. Diese- Jahr buch will auch die Bestrebungen de« österreichischen und de- rcichSdeulscken SchulverrinS, der Eolonialgescllschaftrn, des Deutschen Sprachvereins und ähnlicher nationaler Vereine beachten und möglichst fördern. Al« Herausgeber bat Herr Karl Pr ölt die Leitung de- Kalender« übernommen,' der früher schon den „Deutsch-nationalen Kalender für 18«l" und da« „Deuisch-nationale Jahrbuch für l8S2 und 1893" zusammengestellt bat, welche vielfachen Anklang fanden. Jede parteipolitische Richtung wird vermieden, und nur der große, alldeutsche GesichtSpunct sestgebalten werden, so daß dieser „Kalender aller Deutsch,»" als die geistige Fortsetzung der früheren Jahrbücher Karl Pröll'S zu betrachten ist. Der bisherige Verleger der gedachten Jahrbücher, der Buchhändler Ha»S Lüstenöder, scheint gleichfalls eine Fortsetzung derselben zu planen, bei welcher jedoch eine einseitige, bisher abgelehnte Tendenz hervortrelc» dürste. Wir müsien die« erwähnen, »ni Irrungen vorzubeugcn, fall« die bereit« bekannt gewordene Flagge ci» anderes Gut decken sollte. V. Berit», t. Mai. (Telegramm.) Zu der officiösen Nachricht, daß der Kaiser mit Rücksicht auf den Ernst der Lage schneller nach Berlin zurückkebren werde, schreibt die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung": „Wir sind in der Lage, diese Mittheiliiug dahin zu ergänzen, daß Se. Majestät bereit« ani 4. Mai Morgens in Berlin einlreffen werde. Wenn der .Kaiser da- Zusammensein mit seinen hohen Bcr- wandlen früher abbrechen will, als Ansang» beabsichtigt gewesen, so beweist da«, welche» hohen Werth der Monarch darauf legt, am Sitze der Regierung zu weilen während einer Zeit, in welcher die Entscheidung darüber fallen muß, ob der Reichstag die Militairvorlage in einer der Ehre und Sicherheit des Vaterlandes entsprechenden Form annehmcn wird". ^ Berlin, t. Mai. (Telegramm.) In Sachen der Militairvorlage ist, so schreibt die „Nationalzeitung", eine Wendung eingetrrten, welche möglicherweise eine Ver ständigung berbeisübrcn wird. Herr von Huene hat einen »euen Eompromißvorschlag, wie cS heißt, von 39699 Mann, gemacht, der die Zustimmung de- Reichs kanzler« gesunden hat. ES wird dabei auf die Stimmen der Nationalliberalen, der Conservativen und mit größerer Bcstimmtbcit als bei den srüberen Vorschlägen auf die Stimmen de- Eentriimö und der dcutsch-sreisinnigen Partei gerechnet. Die Einzelbeiten werden noch vertraulich behandelt. — Aus anderer Quelle verlautet, daß der freisinnige Abgeordnete Hinze gestern eine Audienz beim Reichskanzler Grase» Caprivi gehabt und bei dieser Gelegenheit erklärt haben soll, daß 29 Abgeordnete der freisinnigen Fraktion für den Antrag Huene stimmen würden. »> Berlin, t. Mai. (Telegramm.) Die antisemitische „StaatSbürgcrzeitung" veröffentlicht beute Uber den letzten Vorstoß Ablwardt's einen Artikel, in welchem sic Ahlwardt zum Vorwürfe macht, daß er eü versäumt habe, das Material zu sichten, dir Acten zu stndircn, die in Aussicht gestellten abzuwarten, alle« mit seinen FractionS- genossen zu beralben »nd den Vorstoß sorgfältig vorzubereite». Er habe sich durch geschickte und verstkckt gehaltene Angriffe reizen lassen und von Verdächtigungen übergcsprudelt, unbe kümmert darum, gegen wen sich diese richtete»; er stütze sich, so bald er aus Widersprüche stoße, auf Acten, deren Inbatt ihm »nr vom Hörensagen bekannt sei, im blinden Vertrauen aus Die, welche ihm da« Material zugetragen. Eine solche KampftSweisc sei nicht gestattet, am wenigsten im Par lament, und nur geeignet, der guten Sacke zu schaden. Wir sind, heißt e« dann, nicht in der Lage, Ahlwardt zu be schönigen, und müssen ihm überlassen, wa- er dazu sagen wird. Ahlwardt ist aber aus gegnerischer Seite einer mala li.Ie- begegnet, in der Absicht, de» Glündersckwindet in den Letbestvom zu versenken. Dem müsse» wir unter allen Um ständen entgegen treten und tonnen nur den deutschsocialen Blättern beipslichlc», welche kategorisch eine Nachprüfung de« GrüntungSschwindelS verlangen. Zum Schluß de« Artikels beißt cS: Wenn die deutschsocialen Blätter die Forderung rollcr Ansklärung druck» Untersuchung dr- Gkünderschwindcls, Beseitigung aller an unlauteren Gründungen belheiliglc» Personen aus dem öffentlichen Leben, Rückgabe der geftoblencn Millionen an da- Volk oder Schaffung eine- Fonds ans den beschlagnahmten Ver mögen zur Durchsükrung socialer Woblfabrt-einrichtungrn verlangen, so können wir den, nur bristimmen. Wie wir hören, werden antisemitische Abgeordnete in diesem Sinne morgen in die Debatte eingreifen,so daß zu erwarten siebt, daß unter den von AKIwarrt begangenen Fehlern der gute Kern seine« Vorstoßes nickt verloren geht. — In einer interessanten Betrachtung des bekannten Berliner Berichterstatter« der ,N. Zürcher Ztg." über de»
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