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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930428021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-28
- Monat1893-04
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Bis zu einer geradezu krankhaften Erregtheit steigerten sich die ungezogenen ZerneSergüsse dieses Blattes und zwar durch eine Reibe von Nummern hindurch, ats die Bersammtung, von der die „Germania" gar keine unmittelbare Kenntniß haben konnte, abgehalten worden war. Der Reichs kanzler wurde sogar angerusen, uns in die gehörigen Schranken ru weisen, weil wir — für die Ausrechterhaltung eines be stehenden RcichSgesehcs aus denselben Gründen pelitioniren, die vor 2l Iabren zum Erlaß dcS Gesetzes geführt hatten. Seitdem aber Anfang März der genaue stenographische Be richt über die Bersammtung (Freundschaftliche Streitschriften, Nr. 48. Barmen bei D. B. Wiemann) erschienen und auch der „Germania" zugesandt worden war, schwieg das Blatt vollständig. Ich konnte dies nicht ruhig ansehcn Ich sandte deshalb am 4. April nachstehenden Brief „eingeschrieben" an die „Germania": An hie Redaction der „Germania" in Berlin. Leipzig, 4. April 1593. Die am 20. Februar d. I. in Barmen abgebaltcnc Ein spruchsversammlung gegen Aushebung des Zcsuitcngesctzcs hat sowohl vor als nach ihrem Zusammentritt die denkbar heftigsten Angriffe der „Germania" erfahren. Es ist von „ccnsessioneUer Friedensstörung verwerflichster und gefährlichster Art", von einem „empörenden, verleumderischen Aufruf" gesprochen worden. Man hat die Versammlung eine „hcrostratische Hetzerversammlung" genannt, hat ihre Resolution als „Aus geburt konfessionellen, fanatisch fricdenSstörcrischen Hasses" (.-zeichnet, und die Theilnehmer als „Feinde Deutschlands" gebrandmarkt. Gilt Alles dies in besonderem Maße den Rednern in der Versammlung, zu denen auch ich gehört habe, so sind wir noch besonders als Verleumder schlimmster Art bezeichnet worden. DaS Alle« ist ausgesprochen worden, bevor die „Germania" ron den gehaltenen Reden genaue Kenntniß haben konnte. Seitdem sind vic Reden im Druck erschienen. („Frcund- sckastliche Streitschriften, Nr. 48. Barmen. D. B. Wiemann.") Wie mir berichtet ist, ist auch der „Germania" ein Exemplar schon vor einer Reihe von Wochen zugesandl worden. Seitdem hüllt sich die „Germania" in völliges Schweigen. Dennoch kann ick, der vor der Oeffentlichkeit als Verleumder Gebrandmarkte, mich bei diesem Schweigen nicht beruhigen. Ich habe in meiner Rede darzulegen gesucht, daß der Ausruf, welcher zu der Versammlung cinlud, durchaus der Wahrheit entspricht. Ich habe daö nicht gethan, wie die „Germania" jedenfalls vor Kenntnißnakme deS genauen Be richtes behauptet hat, aus Grund „längst widerlegter Be hauptungen" oder durch Eitate aus älteren Schriften. Im Gegenthcil babe ich gerade an diese „Widerlegungen" seitens des Herrn v. Hoensbrocch und der „Germania" an- gcknüpft und habe zur Klarstellung der Tbatsachen in meinem Vertrage drei Fragen gestellt und ausdrücklich um Beant wortung gebeten. Aus den nach meiner Ansicht einzig mög lichen Antworten seitens deS Jesuitenordens und die „Ger mania" baut sich meine Darlegung und meine Rechtfertigung deS Aufrufes allein auf. Die drei Fragen präcisire ich hier nochmals also: I.S. 40: „Hat allein der Staat zu bestimmen, wer legitimer Richter ist. und bat der Staat zu entscheiden, ob der legitime Richter rechtmäßig die Zeugen unter dem Eide fragt?" Es handelt sich hier um die tiefgreifende Frage, ob die Mental reservation und die Ambilogic*) auch in dom Eide vor einem deutschen Gerichte von den Jesuiten als erlaubt, ja eventuell als pflichtmäßig anerkannt wird. 2. S. 43: „Ist die Theorie der von einem unfehlbaren Papste ex cutliellra erlassenen Bulle „unam sauctLw" be treffend das Vcrhältniß von Staat und Kirche und die praktische Verwcrlhung dieser Theorie ein für atlcmat auf- gegeben und wird niemals geltend gemacht werden, oder iss die Anwendbarkeit dieser Theorie nur vorläufig zurückgestellt, bis etwa die Zeit kommt, da sie in voller Conscqucnz auf- lebcn kann?" Ich Halle meinerseits aus Grund der Dar legungen seitens tcö Jesuiten Brunengo**) den Beweis an- gctrcten, daß bei uns in Deutschland nur die zweite Frage mit Za bcantworlet werden kann. 3. S. 49: „Gebt die katholische Kirche resp. der Jesuiten orden mit der Anwendung äußerer Gewalt gegen die Ketzer deshalb heutzutage nickt vor, weit sie die Anwendung welt licher Strafen und Zwangsmittel grundsätzlich verwerfen, oder geschieht diese Enthaltsamkeit nur, weit die Macht zur Ausführung nicht vorhanden ist?" Auch hier war Brunengo der Gewährsmann, daß nur auf die letztere Frage ein Ja als Anlwort gegeben werten kann. Bgl. auch den Syllabuö des Papste» Pinö lX. Ich weiß, daß mir juristisch kein Recht zusteht, von der „Germania" die Antworten auf diese drei Kragen zu verlangen. Aber ich bvsfe, daß die geehrte Redaction mir darin zustimmt, daß eö nickt nur eine gesetzliche, rechtliche Pflicht, sondern auch eine sittliche Pflicht gicb», daß man die schwere Anklage der Verleumdung nicht bloS aus Grund mangelhafter Zeitungs notizen erbebt, sondern wirllich ans Grund deö authentischen Berichts begründet. Ich darf wohl bestimmt erwarten, und betone diese Erwartung als ein mir zusteheiidcS sittliches Recht, daß die „Germania" mir aus meine Fragen, welche die Anschuldigungen gegen den Jesuitenorden begründen, Rede steht und de» Beweis der Verleumdung antritt. Wenn die „Germania" seit längerer Zeit bereits dem „Reichsbolcn" gegenüber in Sacken der kirchlichen Verhält nisse in Mecklenburg auf eine Antwort dringt, da ihr die bisher gegebene Antwort nicht genügend erscheint, so darf sic mir, dem als Verleumder von ihr Gelästerten, das gleiche Recht nicot versagen. Zn der Hoffnung, daß die Antwort nur durch besondere Verhältnisse hinauSgeschobe» worden ist und ich die klare, un zweideutige Antwort auf meine Fragen erwarten darf, zeichne ich Hochachtungsvoll v. Georg Rictschel, Professor der Theologie in Leipzig. Vergeblich habe ick auf Antwort gewartet. Infolgedessen ging am 16. April folgender zweiter Brief ab: A» die Redaction der „Germania" in Berlin. Leipzig, den 16. April 1593. Am 4. April sprach ich in einem „eingeschriebenen" Brief der gcebrten Redaction die Erwartung auS, daß dieselbe mir auf drei Fragen, welche ich in meinem am 20. Februar in Barmen gehaltenen Vortrag gestellt hatte, antworten würde, um den schweren Vorwurf der Verleumdung mir gegenüber zu begrünten. Ich betonte und betone auch beule diese Forderung einer Beantwortung als mein sittliches Recht. Da ich bis beute keinerlei Antwort erhalten habe, erlaube ich mir die Bitte um Auskunft auSzusprcchen, ob überhaupt die geehrte Redaction, und zwar vor Beratbung dcS EcntrumSantragS, das Jesuitengcsetz betreffend, meiner ge rechten Erwartung zu entspreche» gedenkt. Ich erlaube mir für die Rückantwort eine Briefmarke bcizulegen. *) DaS Nähere über diese jesuilische Lehre ist in dem voraus, gebende» Vonrag von Herrn Proicsjor Achelis, auch in meiner Schrift: „Wider die Jesuiten, Leipzig, WaUmaii» 1891", daraelegt. **) In der Livllta cattollea vom Jahre 1891. S. das Nähere in meiner Rede. In der Hoffnung, daß mir diese letztgenannte Auskunft erthcilt werden wird, zeichne ich Hochachtungsvoll v. G- Rictschel, Professor der Tbeokogie. Auch Liese nack den einfachen Höflichkeitsgesetzeii, die zwischen gebildeten Mcnschen bestehen, zu erwariciite kurze Auskunft habe ich bis heute (24. April) nicht erhalten. Unterdessen ist die überraschende Kunde gekommen, daß Herr Gras v. Hoeiiöbroech auü dem Jesuitenorden ausgetreten ist. Um so mebr erwächst der „Germania" die Pflicht, die von mir targclcgten jesuitische» Grundsätze entweder zu ver treten oder ausdrücklich abzuweisen. Zwar schreibt die „Germania" noch am >6. April d. I (nicht mit Bezug aus meine Person) ironisch: „WaS ein solcher Professor lagt, ist einfach wahr, wenn eS auch nicht wahr ist. Fatal aber ist, daß eben die bösen Jesuiten sich diesen modernen „Grnntsatz" nicht aneigncn wolle», sondern zähe an dem alten Brauche scstbatten, daß einer das, was er behauptet, auch beweisen müsse, nam entlieh wenn eS die Ehre des Nächsten verletzt." Wie wenig bat die „Ger mania" Liesen „alten Brauch der Jesuiten" für sich selbst im Gedächtnis;, wie bat sie so trefflich sich „die modernen Grund sätze eines Proscssors" angeeignct! Ich kann getrost das Urtbcil über ein derartiges unerhörtes Verfahren der „Ger niania" nickt nur jedem evangelischen, sondern auch jedem katholischen Christen, dem nicht durch ultramontaue Dialektik das einfache sittliche Urthcil abhanden gekommen ist, überlassen. Wenn aber die „Germania" nicht auf die ge stellten drei Fragen eine klare Auskunft erthcilt, ist durch ihr Schweigen von ihr ausdrücklich an erkannt, WaS ich nicht nur behauptet, sondern deutlich aus den neueren Zeugnissen des Jesuiten ordens bewiesen habe: 1) Ter Jesuitenorden siebt unter dem Deckmantel der Mcntalrcscrvation und Anibilogie auch eidliche Aus sagen vor deutschen Gerichten jür berechtigt, ja unter Umständen als pflichlmäßig an, die nicht nur »ach sittlichem Urthcilc als Meineide zu betrachten sind, sondern auch von deutschen Gerichten als Meineide bestraft werden müssen. 2) Der Jesuitenorden hält auch noch beute sowobl in der Theorie, als auch, soweit dies durch die Verhält nisse ermöglicht ist, in der Praxis die mittelalterliche Anschauung von der obersten Herrschaft der päpst lichen Gewalt auch über den Staat und die weltlichen Fürsten ausrecht. 3) Ter Jesuitenorden vertritt auch noch beute sowohl in der Theorie, als auch, soweit dies durch die Verhält nisse möglich ist, in der Praxis die Anschauung, daß der römische» Kirche die Anwendung äußerer Gewalt und weltlicher Strafen behufs Rückführung der Ketzer zur römischen Kirche zusteht. Aus diesen drei von der „Germania" durch ihr Schweigen bis heute als richtig anerkannten Sätzen folgt mit zwingender Nvtbwendigkeit die Richtigkeit dcS Barmer Ausrufs und der Barmer Resolution gegen Aufhebung des Jesuiten gesetzt S. Ob die „Germania" auch selbst diese drei jesuitischen Grundsätze vertritt, kann ich mit Bcslimmlbeit nicht bc Haupte». Ihre Wendungen und Windungen haben bisher niemals ein klares Unheil ermöglicht. Schweigt die „Germania" aus meine drei Fragen etwa nur, weil sie eine klare, unzwei deutige Antwort nicht zu gehen wagt? Mir ist diese Frage keine Frage mehr." Politische Tagesschau. * Letpstg. 28. April. Die über daS gewöhnliche Maß der Höflichkeit nach all gemeinem Empfinde» binauSgcbenke Lebhaftigkeit und Innigkeit des VerkebrS mit den Häuptern der Eurie, welche bei dem Kaiserbesuch in Rom bervor- gctretcn ist. bat in weiten Kreisen de« deutschen Volkes ein peinliches Gcsübl der Beklemmung und Beängstigung erregt, dem auch wir wiederholt Ausdruck gegeben haben. Der „Rcichsanzcigcr" trägt in seinem nichtamtlichen Tbcil beute Einiges dazu bei, die Besorgnisse zu zerstreuen. Er versichert, wie schon telegraphisch gemeldet worden ist, weder in der Unterredung dcS Kaisers noch in der dcS StaatSsecretairS v. Marschall mit dem Papst sei die Mililairvorlage erwähnt worden und auch in de» Besprechungen dcS Reichskanzlers mit CcntruinSmilgliedern über die Militairvorlagc sei von kirckcnpolitischcn Zugeständnissen nickt die Rede gewesen. Wir begrüßen diese Versickerungen, in die wir keinen Zweifel setzen, mit Genuglbnung. Freilich fragt man sich, WaS bei der Audienz de« deutschen StaatSsecretairS. deren andcrt- balbstündigc Dauer vom „RcichSanzeigcr" mit großer Gc- heimniß- und Wichtiglhuerei ausdrücklich hcrvorgehobeu wurde, eigentlich den Gegenstand der Unterhaltung gebildet babe. Zwar hält die „Kreuzzeiinng" die Meldung dcS „Standard", der Papst habe nur dem deutschen StaalSsccretair Uber die Wahrscheinlichkeit einer Zurückberusung der Jesuiten ge sprochen, aber daS Verspreche» nicht erlangen können, daß die Frage wieder ausgenommen werden würde, für zutreffend. Aber wenn daö richtig wäre, warum Kälte eS der „ReichSanz." verschwiegen? DaS deutsche Volk blickt in seiner über wiegenden Mehrheit mit Besorgnissen, Mißtrauen und Mißbehagen auf jedes Anzeichen des HervortretcnS einer Macht, von der Deutschland in den vielen Iabrhnndertcn seiner Geschichte fast nur Abneigung und Feindschaft ersabrcn hat. Wenn gar jemals der Argwohn Play greisen sollte, daß über die höchsten Anliegen der deutschen Nation im Vatican verhandelt und entschieden werde, müßte ein gerechtes Gefühl der Scham und dcS Zornes sich allent halben regen. Wir wünschen sebnlickst, eS möchte über die Militairvorlagc noch zu einer Verständigung kommen, aber aus den Händen deS Papstes, mit der unvermeidlich damit verbundenen weiteren Unierwersung in kirchlichen und Cultur- fragcn, möchten wir sie nicht biiiiiebmcn. Mit Zugeständnissen irgend welcher Art an die römische Curie darf auch die Befriedigung von LebenSintercsse» der deutschen Nation nicht erkauft werte». Vermag das Ccntrnm nickt, aus sachlichen »nd patriotischen Erwägunge» die Hand zur Verständigung zu bieten, so werden dem deutschen Volk »och mehr, als es letzt schon der Fall ist, die Augen ausgeben über die unwürdige und unhaltbare Lage, in die wir durch die entscheidende Stellung dieser Partei gerathen sink, und darin liegt viel leicht die Hoffnung aus eine endliche Besserung. Ausfällig ist cS übrigens, daß der „Neichsanzeigcr" mit keiner Silbe die Gerückte berührt, die besonders von ultraniontancr Seile über die angeblichen Aeußcrungcn dcS Kaisers zu dein Cardinal LedochowSki verbreitet worden sind. Sogar die „Nordd. Allgcm. Zlg." scheint dieses Schweigen deS „Reichs- anz." für ausfällig zu halte», denn sie schreibt beute: „Verschiedene nationallibcrale Blatter, namentlich die „National- Zlg." und der „Hann, Eonricr", äußern sich sehr erregt über von der „Köln. Volkszig." verbreitete Versionen einer angebliche» Aenßerung des Hassers zuin (kardinal türase» Lcdochvweki. Tie beide» ge nannten Zeitungen betonen dringend die Nothwendigkeit einer amtliche» 9! ichI i g st c l l» » g. Wir wissen nicht, ob dieser Wunsch Aussicht aus Erfüllung hat, und nehmen von der (Oereiztdcit der genannten Blatter auch nur Notiz, weit dieselbe für die politische Stimmung des AugeiibtlckeSeinigerina»en bezeichnend ist." Ta« Verlangen »ach einer amtlichen Richtigstellung wird aber »och gesteigert durch folgende Mitthcilung, die der häufig FeuiUstsn. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Itachdnick verboten. 51 (Fortsetzung.) DaS hatte neckisch, fröhlich und allerliebst geklungen. Das stelze Fräulein war rin paar Minuten lang, wenn nickt ein liebendes, so doch ein liebenswürdiges Mädchen gewesen. Jetzt suchte sie fick wieder in der alten Haut zurecktzusinden. „Verzeihen Sic die Unterbrechung, mein Herr", bat sic, an Waldstedt'- Seite weiterschrcitcnt, „Sie erinnern sich dessen, was ich MrS. Sampson beim Abschied sagte, aber ich weiß nichts mehr davon. Wie war eS doch?" „Sie sagten: Ein Loch im Kleid ist doch kein Flecken ans der Ebre." „Nun?" „Die Dame fühlte sich getroffen." „Getroffen? " „Sie zuckte zusammen und ward dunkelroth. Es ist also wahrscheinlich etwas in ihrer Vergangenheit, dessen sie sich zu schämen hat." „Meinen Sie wirklich?" ries sie bestürzt. „Sie haben einen merkwürdig scharfen Blick. Aber, wissen Sie, da- wäre fatal, sehr fatal, denn die Person denkt niedrig genug, um mir zuzutrauen, daß ich um ihre Vergangenheit gewußt und den Ausspruch mit Vorbedacht — mein Herr — mein Herr. Eie haben eS selbst geglaubt I" Sir rief da- plötzlich mit Ueberzengung, mit Entsetzen. Etwa- in seinem GesichtSauSdruck batte sie an daS erinnert, WaS er von dem Hochmuth gesagt hatte, der sich tugend hafter dünkt als Andere. „Mein Fräulein", mußte er reuig bekennen, „ich habe Ihnen Unrecht gethan." „Da- haben Sic", rntgcgnete sie in ihrem tiefsten Harfenton. Mit einem Aufsprühen der Augen, einem Zucken der Lippen setzte sie hinzu: „Sie sprachen von Stolz al« von der Quelle der meisten edlen Eigenschaften. Sie nannten mich stolz und trauen mir nnn die Feigheit und Erbärmlichkeit zu, einen Stoß auS dem Hinterhalt zu führen!" „Mein Fräulein, daß ich momentan irre an Ihnen wurde, dürfen Sie mir so übel nicht nehmen — eS ist ja kaum eine Stunde, daß ich die Ehre und daS Vergnügen Ihrer Bekannt schaft habe!" „Freilich, kaum eine Stunde, aber — so scharfsichtig, wie Sie sind!" „Allzu scharfsichtig, mein Fräulein! Ich scbe mehr, als wirklich zu sebcn ist — wie ich Ihnen an einem anderen Beispiele beweisen könnte." Sic blickte ihm mit ängstlicher Spannung inS Gesicht. „Ich konnte soeben nicht umhin, Ihr Gespräch zu über hören! „Es wurden keine Geheimnisse verhandelt, mein Herr." „Auf diese Weise erfuhr ick, daß Sie in der Lage sind, Ihre Roben von demselben Kleiterkünstler zu beziehen, wie die Kaiserinnen und Königinnen Europa- — bis dabin war ich der festen Ueberzengung gewesen, Sie hätten daheim mit Nahriingsscrgen zu kämpfen." Sie sah ihn staunend, grübelnd an. „NabrungSsorgen?" wiederholte sie. Lächelnd an ihrem zerrissenen Kleide nieder- blickend, kopfschüttelte sie: „Ich gehe ja allerdings in Lumpe», aber —" „WaS mich besonders auf die Idee brachte, mein Fräulein, war, daß der Gedanke, sich Ihren Lebensunterhalt durch Malen verdienen zu können, Sie so entzückte." „DaS that er", nickte sie, „da- thut er noch. Ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Man giebt uns eine so mangelhafte Ausbildung, unS Mädchen hier aus dem Lande. Eine einzige Gouvernante soll nach allen Seiten bin unseren Wissensdrang befriedigen und nebenbei noch unsere» kleinen Talente» gerecht werden — da- ist fast »»möglich. Tic meine z. B. tbat zwar Wunder auf dem Elavier, worauf ich ewig eine Stümverin bleiben werke, aber vom Malen verstand sie nicklS. Wa« ich also mit dem Pinsel kann, habe ich mir fast ohne Beistand erworben, »nd nun sagen Sie, ich kann genug, um Maluuterricht ru rrthcilen. Soll ich mich da nicht freuen?" „Gewiß, daS ist Alle- ganz einfach, aber —" „Sic meinten, ich frohlockte in der Aussicht, Geld zu ver dienen? Nu», warum nicht? Ucbrigenö ist mir -, als hätte ich Ihnen zu verstehen gegeben, daß ich nicht daraus an gewiesen sei, zu unterrichten." „DaS lhaten Cie, mein Fräulein?" „Aba! Sie glaubten mir nicht recht?" „Mein Fräulein —" „Mein Herr, ich fürchte, Sie siud rin bischen miß trauisch!" „Ich kann nicht dafür, mein Fräulein, daS Leben hat mich dazu gemacht." „Schade!" „Und dann bin ich besonders an den Frauen Ihre schöne Ansrichtigkeit nickt gewohnt" „Nock mehr schade, denn dann verachten Sie die Frauen!" „Mein Fräulein!" „Ja, ja, dann gehören Sie zu den Männern, die »uS allesainmt für oberflächlich, »nwabr. launenhaft, puysücktig — ha! dabei fällt mir ein! Cie dürfen nicht glauben, daß ich alle meine Kleider von Worth beziehe — für so eitel und verschwenderisch dürfe» Sie mich nickt ballen! DaS Meiste lasse ich in Lenden machen, oder von der Jungfer, oder gar im Dorse, aber —" „Mein Fräulein — mein Fräulein, ich bitte Sie, nickt zu vergessen, daß ich als ein von, Himmel geschneiter Fremd ling gar kein Neckt ans diese Erklärungen habe!" Sie sab ihn an, dann vor sich nieder, plötzlich fragte sie, leise in sich hincinlachend: „Wenn Sie mir nun nicht so fremd wären, mein Herr, wie ick Ihnen?" „Ich — Ihnen nicht fremd?" rief er und blieb in un- geheucheltcm Erstaunen stehen. „Beschworen kann ich eS nicht", entgegnete sie mit etwa- wie Schelmerei im Tone, „aber wir werten ja sehen. Kommen Sie — kommen Sie nur! Wir sind gleich am Ziel. Dies hier ist schon die Gartenmauer von LakhayrS. Zwischen den Ulmen dort lugt daS HauS hervor — ein einfacher Back- steinbau, nicht viel Schönheit daran, aber immerhin freund lich blickend auS seinen bellen Fcnsterangen. — Sol jetzt stehen wir am Thor und drüben — eS trifft sich gutl — ist gerade Robert, der seine Blumen begießt und nebenbei seine ewige Pfeife raucht Halt, Kinder! LLartct einen Augenblick, cs gilt, Papa zu überraschen! Mein Herr, tbun Sie mir den Gefallen und treten Sic ein klein bischen in den Schalle» zurück, damit er Cie nicht sofort siebt!" Waldstedt gehorchte mechanisch. Er kam gar nickt wieder heraus aus seinem Erstaunen. Seine stolze Be gleiterin war im Handumdrehen zum muthwilligcn Backfisch geworden. Da stand sic iniltcn im Thorwcg und rief, während der Schelm ihr aus den Auge» lachte: „Robert! Robert! Du bekommst Besuch! Dein Freund — Herr Waldstedt aus Amerika!" Das letzte Wort »och aus der Lippe, wandte sie sich blitz schnell um »nd weidete sich an unseres Helden sprachloser Uebcrraschung. 5. Capitcl. Der Angernscne, eine mittelgroße, kräftige Gestalt, in sommerliche- Gra» gekleidet, hatte den Wasserscklauck, den er gebantbabt, sallcn lassen und kam nun mit großen Schroten den KicSpfad Lader. ES war ein Mann in den dreißiger Iabren, »lit einem Gesicht, daö genügend Intelligenz, aber noch bei weitem mehr HerzcnSgütc zum Ausdruck brachte. Die Züge waren unregelmäßig und unschön, doch ein Blick der braunen Augen machte die- im Nu vergessen. Ein dunkler Schnurrbart saß ihm keck aus der Lberlippe, dichte«, krause- Haar legte sich eng an seinen Kopf. Mit großen Schrillen also und wie Einer, welcher seinen Lbren noch nicht glauben kann, weil seine Augen noch nickt sehen, kam er daher, allein, als nnn Waldstedt Plötzlich aus dem Schallen der Mauer trat und ihm die Hand entgcgen- streckte, war e- etwa- Schöne- um seine Freude. Da« Auge ward ihm seuckt, eS kam ibi» etwas in die Kehle. Er brachte kein Wort hervor, faßte nur die targobotene Hand und drückte und schüttelte sie zwischen seinen beiten Händen. „Robert, aller Junge!" sagte Waldstedt in herzlichem Tone, „ick war gerate in der Gegend und meinte, Du würdest eS gerne sehen —"
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