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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930720023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-20
- Monat1893-07
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Daß solche Schwierigkeiten cintretcn können, ist bei der Zusammen setzung deS Reichstags allerdings nicht ausgeschlossen. Wir haben bereits aus sic hingcwiesen und dabei hervor gehoben, daß Graf Caprivi besonders auf die Kreuz- zeitungSconservativen nicht unbedingt werde rechnen dürfen. Um so erfreulicher ist cs unS, daß heute die „Kreuz- Zeitung" versichert, den Russen und den Franzosen werde das Gegentheil ihrer Wünsche und Hoffnungen rasch genug bewiesen werden.— BeachtcnSwertbcr als jene russischen und französischen Stimmen ist eine Ausführung des Londoner „Standard", der darauf hinweist, wie die Annahme der Vorlage zunächst dahin geführt habe, daß die Franzosen sich sagen, daß am Rhein keine Lorbeeren für sic zu holen seien, und daß daher ihr Drang nach gloiro ein anderes Feld, und zwar in Asien und wo sonst englisch-französische Interessen ancinander- grenzen, zu suchen beginne. Damit habe England zu rechnen, und in Siam siebe jetzt eine erste Probe be vor. „Die Kräftigung Deutschlands und des Dreibundes in Europa muß mit Nothwendigkeit dahin führen, daß der Ehr geiz Frankreichs und Rußlands sich auf entferntere Objecte richtet. Ist der Rhein unpassirbar geworden, so werden einer- traditionell ruhelosen und aggressiven Macht Menam nnd Mekong um so anziehender. Wir tbälen gut, in Asien ebenso vorausjchauend zu sein, wie Deutschland sich in Europa ge zeigt hat." Aus Lüddcutschland wird der „Nat.-Lib. Corr." ge schrieben: So froh man auch hier zu Lande in allen patrio tischen Kreisen ist, daß die schwere Sorge n», die mili- tairische Sicherheit LeS Vaterlandes endlich beseitigt ist, so empfindet man doch eine Art von Scham, daß der deutsche Süden und Westen, der doch am allernächsten von der Kriegs gefahr bedroht ist, so unverhältnißmätzig wenig zu dem schlietzlichen glücklichen Ausgang beigetragen hat. AuS ganz Bayern mit seinen 48 Reichstagsabgeordneten haben nur die 6 Psälzer und 4 rechtsrheinische Mitglieder mit Ja gestimmt, auS Württemberg von l7 Abgeordneten gar nur 3, auch auS der preußischen Rheinprovin; von 35 Abgeordneten nur 8. Etwas besser war das Verhältnis) in Baden, wo von 14 Abgeordnete» 7, im Großhcrzogthnm Hessen, wo von den dermaligen 7 Abgeordneten 5, und im Regierungsbezirk Wiesbaden, wo von 6 Abgeordneten 3 für die Militairvorlage gestimmt baden. Das macht auS den süd- und westdeutschen Landschaften 36 Freunde der Militairreform aus 127 Gegner. Da kann man sich ja förmlich an den Elsaß-Lothringern erbauen, die von 15 Abgeordneten 5 zur Militairvorlage gestellt haben, von den Polen gar nickt zu reden. Wenn es anderwärts nicht besser gegangen wäre als im Süden und Westen, dann wäre das Spiel allerdings verloren gewesen. Die Ur sachen dieser unerfreulichen Erscheinung liegen vornehmlich darin, daß das bayerische Volk außer den pfälzischen und einigen fränkischen Gegenden unter dem Bann des Ultra- montaniSmuS undParticulariSmuS immer unzugänglicher für die nationalen Interessen und Bedürfnisse wird, daß es in Württem berg den an und für sich zahlreichen nnd starken nationalen FeriiHrton. tleber Klippen. 20j Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) DaS Mädchen hatte die alte Frau gebeten, sich ebenfalls zur Ruhe zu begeben, wenigstens auf eine Stunde den alten Gliedern Schlaf zu gönnen, denen heute schon so Vieles zu- gemuthet worden war, aber Marka wollte nichts davon hören. Wie man ihr so Etwa- zumuthen könne! Sie werde nicht auS dem Zimmer gehen, bis nicht ihr licbeS, süßes Comteßchen die Augen öffne. Wie man nur daran denken könne, daß sie jetzt Ruhe oder Schlaf finden könne! So schob ihr Lory den Lehnstuhl anS Bett, in den sich Marka nach langem Zureden endlich setzte. Sie sei nicht so bequem, bemerkte sie, sie sei eine einfache Bäuerin, obwohl sic Stefan wie eine Königin dielte und ihr das Blaue vom Himmel herunterholen würde, wenn sie es nur wollte. Dann sprach sie von dem Comteßchen und, wie gut sic sich gegenseitig waren, wa« sie aus einander gehalten hatten, wir sich ihr das liebe Geschöpf in das Herz bineingcschlichen hätte, und daß sie andere — ganz andere Pläne mit ihr gehabt habe.... Und unwillkürlich mußte das Mädchen dies einfache, un scheinbare Weib, dessen Herz eine solche Fülle selbstloser Liebe barg, mit der eigenen Mutter vergleichen, die die Angst und Sebnsucht nicht zu dem Kinde trieb und die ihr Ich unbewußt in den Kreis aller Erscheinungen stellte. Stunde uni Stunde verging, nichts unterbrach die Stille. Marka's Kopf hatte sich ein wenig zur Seite geneigt; trotz der festen Vornahme, wach zu bleiben, hatten sich die alten, müden Augen nach und nach zum Schlummer geschloffen, und sie schlief fest, wie es nach einer großen Erschöpfung der Fall ist, wenn der Schlaf die Glieder endlich übermannt.... Plötzlich fuhr sie auf. ES hatte ihr geträumt, sie stehe am Ufer deS Baches und suche den Körper TereSka's auS dem Wasser zu ziehen. Es ging aber nicht, es war, wie wenn er mit eisernen Kette» in den Fluthen festgcschmiedet wäre. Nnn sah sie, daß ein großer Stein auf der Brust des Mädchens ruhte und daß dieser daS Hinderniß war. „Erst den Stein weg, erst den Stein weg! Er drückt mir ja da« Herz abl" horte sie die Stimme TereSka'S sagen. Elementen dock immer schwerer fällt, der von den Ultramon tanen und Socialdemokraten unterstützten demokratischen Strömung Meister zu werden, daß auch in Baden in einer ganzen Anzahl von Wahlkreisen die nationale Sache gegen den von der freisinnigen Demokratie geförderten Ultramon- taniSmuS nicht mehr aufzukommen vermag. In dem rheinpreußiscken Pfasfcnquarlicr ist für nationale Be strebungen erst recht wenig zu suchen. ES kommt hinzu, daß eine uralte historische Tradition und Erziehung in den alt- preußischen Provinzen und von da cinwirkend auf andere norddeutsche Bundesstaaten einen ausgeprägteren militairischen Geist im Volke erzeugt hat, atS cS im Süden und Westen der Fall ist, wo man sich weit schwerer in die neuere, strengere militairische Zucht gesunden hat und noch heute an Manchem Anstoß nimmt, was in Altpreußcn kaum Jemandem auffällt. An dem Zustandekommen der Heeresreform haben die alten östlichen Preußischen Provinzen nebst einer Anzahl be nachbarter kleinerer Bundesstaaten ein unverhälti»ß»iäßig großes Verdienst, das auch von allen Patrioten im Süden und Westen unseres Reichs dankbar anerkannt wird. In der belgischen Kammer ging dieser Tage wieder einmal — zum so und soviellen Male — das Ge rücht um, der Ministerpräsident Beernaert trage sich mit Rücklrittsgedanken, und zwar zur Abwechslung einmal allen Ernstes. Beernaert hat, seiner Stärke wie der Gunst sich bewußt, in welcher er bei König Leopold steht, derartige Gerüchte — auch ganz unwiderruflich — mehrfach selber auSsprengen lassen, und eigenthiimlicherweise geschah das immer, wenn irgend etwas an der Staatsmaschine nicht glatt rollen wollte. Ta ist jetzt z. B. die famose Frage der Senats wahlen. Kein Ausweg zeigt sich. „Ich gehe", sagt Herr Beernaert — und denkt bei sich: „Nun werden sie schon wollen, wie ich will." Obwohl das Gerücht diesmal auf Aeußerungen Beernacrt's zurückzuführen ist, sagt der „Courier de Bruxelles", ein klerikaler Intransigent, der von Anfang an die VerfassungSdurchsicht mit dem allgemeinen Stimmrecht und anderen „modernen" und infolge dessen „ver dächtigen" Aenderungcn aufö Wütbcndste bekämpft hat nnd der außerdem von Beernacrt's entschiedenstem Feinde, der „grünen Eminenz", Staats- und Exministcr Woeste, inspirirt ist: „Diese Rcportermeldung ist natürlich ganz aus der Luft gegriffen. Nachdem der Herr Beernaert uns in das revi sionistische Abenteuer lancirt hat, kann er nicht daran denken, sich zurückzuzichen und unö ohne eine Lösung zu verlassen. Es wäre allerdings recht nett, ein neues Ministerium zu schaffen, dessen Mitglieder sich wieder wählen lassen müßten durch eine Wählerschaft, die sic soeben als unfähig abgcsetzt haben." Ter „Patriote", Beernacrt's Vertrauter, klagt, der Minister habe sich übermüdet, er möge doch ja nicht abgehcn, sondern auf ein paar Wochen Urlaub nehmen und gesund und munter zurückkehren. Thaksache ist, daß Ministerpräsident Beernaert m den neun Jahren seiner Regierung viel gearbeitet und — sich viel ge ärgert hat. Die Möglichkeit eines Rücktritts wäre daher wohl vorhanden, zumal da die Hauptsache der Revision jetzt erledigt ist, nämlich die Annahme des allgemeinen Wahlrechts und die Congosragc. Man gebt aber wohl trotzdem nicht fehl, wenn man dieses neueste Rücktrittsgerücht, falls dasselbe überhaupt wahr ist, was aber vom halbamtlichen „Journal de BruxelleS" bestritten wird, als ein Feuerwerk betrachtet, nur veranstaltet, um bei der Abstimmung über das Senats- Wahlrecht eine blendende Wirkung auszuüben und die An nahme in der Form zu sichern, wie der Herr Premierminister sie wünscht. Mit einem leisen Schrei fuhr Marka vom Stuhl empor und stand mit einem Ruck aus beiden Füßen. Es hatte sich nichts verändert, cs war der alte Anblick. So wie vor Stunden, so lag auch jetzt Tercska still nnd regungslos, das Haupt sanft zur Seite geneigt wie im Schlafe; die einzige Veränderung, die cingetreten, war die etwas erhöhte Farbe des Gesichtes. „ES ist immer noch derselbe Zustand", sagte Lory auf die stumme Frage der Alten. „ES sieht wie Schlaf auS", murmelte Marka, die endlich Traum von Wirklichkeit zu unterscheiden begann, nach einer Pause. „Und ist doch keiner, wenigstens kein gewöhnlicher", versetzte das Mädchen niit tonloser Stimme. „Ich habe sie einigcmale nmgelegt, sie gestreichelt, gclicbkost, mit den stehendsten Worten gerufen, leise und laut; sie hätte mich hören müssen, wenn sie bei sich wäre, aber kein Zeichen, keine Bewegung!" „ES ist, wie wenn sich die Seele nicht zurechtsinden könnte", sprack die Alte. Dann saßen sie sich wieder stumm gegenüber und sahen schweigend auf daS stille, blasse Gesicht. Da war eS Marka, als höre sie die Stimme im Traume wieder: „Erst den Stein weg, erst den Stein weg! Er drückt mir ja daS Herz ab! ... Z Da ging plötzlich ein seltsamer Ausdruck über ihr Gesicht, eS war wie ein Leuchten, daS sich von den Augen aus über die alten, runzligen Züge verbreitete. „Hier kann kein Doctor, hier kann vielleicht nur Einer helfen" — sagte sie mit leiser, geheimnißvollcr, fast flüsternder Stimme, „nur Einer.... niein Stefan!" Mit diesen Worten humpelte die kleine, gebückte Gestalt aus dem Zimmer. Betroffen, fast verständnißlos sah ihr Lory nach. WaS batte sie gesagt? .... Wenn Einer, so konnte er helfen — WaS dachte sie sich dabei? Wie tonnte Stefan Helsen? Und wenn ers könnte, würde er es wollen?! .... Heute, an dem Tage wollen, wo seine eigenen Hoffnungen Schiffbruch ge litten? .... Die Dämmerung brach an, der erste bleiche Schimmer drang durch die »nverhüllten Fenster, Sturm und Regen batten ausgehört, an die Scheiben zu klatschen, fahle, grau blaue Stellen blickten durch die zerrissenen Wolkcnbilder, an denen vereinzelt erblassende Sterne standen. — Wo blieb Marka? .... Und wie die Zeit langsam unv bleiern, und doch weiter und weiter rückte! .... Ter einstige KriegSminister deS CabinctS TcpretiS, Senator Nicolti, bat sich jungst in einer Rede mit dem Zustande der italienische» Armee besaßt und wenig Erfreuliches zu sagen gewußt. Eine Besserung der bestehenden Schäden sieht er darin, daß Italiens zwölf schwache zu zehn starken Armee korps ausgebildet würden. Der gegenwärtige KriegSministcr Petloux hat, um sich den ökonomischen Bedürfnissen Gio- litti'S zu fügen, daS KriegSbudget sehr herabgesetzt; Ricvtti aber erklärt, cs bliebe, wenn man die zwölf ArmeecorpS in einen der Zeit nnd namentlich der alliirten Macht Deutsch land würdigen Zustand setze» wollte, nichls übrig, als die ordentlichen Ausgaben im KriegSbudget um20 bis 25Ä>llionenzu vermehren, was aber mit Rücksicht auf die »och immer kranken Finanzen Italiens, die ei» Deficit von 50 bis 60 Millionen ergeben, unmöglich sei. Ricotli bekennt, daß Caprivi, als er wahrend der Militairdebatte im deutschen Reichstage auf die italienische Armee hingcwiesen, mit Recht die Schwäche des Esfectivstandes an de» FriedenS-Bataillonen in Italien be tont bade. Italien wolle nnd könne sich an Kriegsstärke „sit Deutschland und Frankreich nickt messen; eS genüge Italien, wenn seine Armee im Kriege und Frieden an technischem Werthe der Hälfte der deutschen und französischen und zwei Dritteln, vielleicht drei Vierteln der österreichischen Armee gleichkomme. DaS würde aber auch mit zehn ArmeecorpS er reicht, wenn diese in sich stark und zuverlässig wären. In Griechenland macht die Opposition, WaS indeß in dem traurigen ProtectionSsystcm, wie cS in Griechenland bei läufig nichls Ungewöhnliches ist, und bei den ebenso traurigen Finanzverhätlnissen deö dem Bankrult nahen Königreiches seine ausreichende Begründung findet, der Regierung das Leben rechl schwer. Trotzdem aber und obwohl die Opposition energisch die endliche Einberusung deö Parlaments fordert, macht die Negierung gar keine Miene, den nur zu be rechtigten Wünschen ihrer Gegner zu entsprechen. Dafür aber beginnt sie um so energischer die vom Ministerium TrikupiS übernommenen Beamten abzusetzen, wobei vorerst die Nomarchen und andere hervorragende politische Beamte an die Reihe kommen. Später dürste VaS gleiche Loos alle jene im Staatsdienst stehenden Personen treffe», die sich bis jetzt noch nicht offen für die neue Regierung erklärt haben. Dabei beginnt leider auch daS Agio in beunruhigender Weise über 50 Proccnt hinaus zu schwanken und die Nach richten von den ausländischen Geldplätzen lassen noch immer kein günstiges Bild von dem Erfolge der letzten Finanz operation aufkommen. Zn den oppositionellen Blättern aber fährt man fort, das Thema der Kritik auch an der von der Regierung mit dem Hause Hambro abgeschlossenen Convention zu variiren. Bekanntlich übernahm dieses Hauö die Bei pflichtung, einen Tbeil der für den Juni - Juli - Coupon nöthigen Obligationen zum Course von 65 Procent bis zur Höhe von 5>/, Millionen Francs cinzulöscn, wodurch die Hälfte der bczeichneten Coupons für die Gläubiger mit einem EScompIe von 35 Proccnt sicher gestellt wurde. Gemäß der werteren, nach vielen Schwierigkeiten zu Stande gekommenen Bereinbarnng zwischen der griechischen Regierung einerseits, dem Hause Hambro, der griechischen Nationalbank und der „Banquc de Constantinople" anderer seits erstreckt sich die Verpflichtung dieser Institute zur Ein lösung der zum Course von 65 Procent angcbvlencn Obli gationen bis zur obcnbezeichnetcn Höhe nur aus den Zeitraum von vier Monaten. In den oppositionellen Erörterungen ist eS nun diese Bestimmung, die in der jüngsten Zeit am heftigsten vcrurtheitt wird. Die Opposition spricht beharrlich von einer acuten Krisis und meint die Anzeichen hierfür in den rasch aufeinander folgenden, lange währenden Berathungen XXH. Marka war direct in Stesan'S Zimmer gegangen. Sein Bett war unberührt; er batte nicht geschlafen. Wie hätte er auch an Ruhe denken können, wo seine Seele derart aufge rüttelt war von Grauen und Entsetzen, das sogar den Schmerz um die eigenen vernichteten Hoffnungen in den Hintergrund drängte!... Seinetwegen batte ein Mensch den Tod gesucht... ein Wesen, das er für ein Kind gehalten!... Er war Schuld daran, er, dem es unerträglich war, wenn eine vernunstlose Creatur einen Schmerz, einen Schaden durch ihn erlitt.... Und welch ein Meer von Schmer; und Verzweiflung hatte dies arme, junge Herz durchmachcn müssen, bis cS daö Ent setzliche vollführte — Und alles auS Liebe zu ihm, und er war Schuld daran!... Er stand am Fenster und sah den jagenden Wolken nach, die die Helle deö Morgens zu färben begann, da öffnete sich die Thür, und der graue Kops Marka's schob sich herein. „Nun, wie steht's?" fragte er, hastig sich zu ihr wendend. „Nicht besser. Kein Schlaf und kein Wacben, kein Tod und kein Leben! Es ist, wie wenn die Seele den Weg nicht mehr zuriicksinden könnte..." „Dann muß man den Doctor benachrichtigen", sagte der junge Mann und machte eine Bewegung »ach der Thür. Sic legte ihm die Hand auf den Arm uno kielt ihn zurück. „Da wird kein Doctor . . da kann kein Mensch helfe», Stefan ... nur Einer, Einer — Tu!.." Er wich einen Schritt zurück und sah sie verstört an. „Höre mich an, mein Sohn! Als ich jung war, da lebte in unserem Dorf eine junge Dirne, die auch so eine über menschliche Liebe für einen Bnrscken gefaßt hatte. Die Eltern des Mädchens wollten aber nichts davon wissen; denn sie waren rei>i>, und der Burscke nur ein armer TagelöhnerSsohn. Da sing die Dirne an, hinzusiechen »nd zu verfallen, zusehends und von Tag zu Tage. Dann kam ei» hitziges Fieber dazu und brachte sie an den Rand deS Grabes. Der Doctor aus dem Städtchen kam jeden Tag, aber WaS er auch verordnete, was er verschrieb, es war nur ein Schlag inS Wasser, eS wollte nichts fruchten, es war umsonst. Da sagte eines Tags der Doctor: Wenn die Hitz: noch um einen Grad zunimmt, dann ist eS auS, dann kann Keiner helfen. Tie geängstigten Eltern dachten: sie ist a»S Liebe zu dem Burschen krank ge worden, dieser soll sic wieder retten. Sie ließen den Burschen holen, er wurde ihr Pfleger, uns seine Nähe wirkte mehr als alle Arzenei." Sie schwieg und sah ihm in die Augen. „Hast Du mich verstanden, Stefan?" der Minister zu finden, während diese wieder behaupten, e- handle sich »i ihren Beralhungen bloS um Erledigung lausender Angelegenheiten und um Vorbereitung von Gesetz entwürfen. HedensaUS ist die Stellung der Regierung durch daS lange Andauern der Entwerthung der griechischen StaatS- papiere ebenso erschüttert, wie durch die Entlassung so manches verdienten Beamten, und daran wird auch durch die bevor stehende, für Griechenland sehr bedeutungsvolle Eröffnung deS CanalS von Korinth sich um so weniger etwas ändern, als die Vollendung dieses CanalS nur bis zu einem gewissen Grade auf die Rechnung der derzeitigen griechischen Regierung kommt. Zur Pamir-Frage macht der „Ostasiat. Ll." interessante Mitlheilungen, 'von denen wir wenigstens die folgenden hier wiedergebcn wollen. Daö Blatt, daS über asiatische Ver hältnisse sich schon oft mit großer Sachkenntniß verbreitet hat, stellt zunächst fest, daß Rußland sich thatsächlich in dem um strittenen Gebiet festgesetzt hat, und geht dann zur Stellung der beiden Rivalen, Chinas und Englands, über. WaS zunächst China betrifft, so wird dieses trotz aller Drohungen cö doch kcinenfalls zu folgenschweren Zer würfnissen mit einer europäischen Macht, am wenigsten mit Rußland, kommen lassen, denn ein Krieg könnte dem losen Gefüge des chinesischen Reichs empfindlichen Abbruch thuu. Es ist indeß zu berücksichtigen, daß sich im inneren uud im westlichen China seit Jahren Rußland uud England eifrig bemühen, in handelspolitischen Dingen die Oberhand zu gewinnen. Außerdem macht sich nenerdmgS in jenen Gegenden des weiten Reiches ein rasches Umsichgreifen LeS Islams süblbar, in jwelchem dem chinesischen Staats- Wesen ein feindseliges Element erwächst. Wie bekannt, hat Rußland in den sechziger und siebziger Jahren, als ganz Ost- turkcslan sich unter einem muhamevamischen Gewaltherrscher von China loSgcrissen hatte, danach gestrebt, die Schutz- Hoheit über jenen muhainedanischen Staat zu erlangen, um auf diese Weise mit einem Schlage festen Fuß in Hochasien zu fassen. Nur dem mächtigen Einfluß Englands ist cS zuzuschrcibcii, daß dieser für die britische Herrschaft in Apen sehr bedrohliche Plan damals vereitelt wurde. Nicht ohne Englands Unterstützung glückte cS Cbina auch, den Ausstand in Kaschgar niederzuwerfen. Mit Bezug auf diese Vorgänge ist es begreiflich, wenn China — und hinter diesem England — in dem jetzigen Zurückdrängcn der chinesischen Ansprüche auf die Pamire seitens der Russen die Anzeichen dafür sicht, daß Rußland von Neuem versuchen will, seine Macht über das chinesische Hochasicn zu erweitern. Daß dies den brilisckcn Interessen znwiderläuft, bedarf keines Nachweises. Tie bisherigen Erwerbungen Rußlands auf den Pamiren selbst sind für England zwar nicht gefährlich, Wohl aber recht unbequem. Die Russen haben einen breiten Streifen der GebirgSländer Pamirs in Besitz genommen, der einen natürlichen Zugang aus der Ebene deS russischen TurkestanS nach den Niederungen deS nordwest lichen Indiens darstcllt. Man darf hierbei jedoch nicht außer Acht lassen, daß dies Gebiet fast in gleicher Höhe mit der Spitze deS Montblanc liegt und sich deshalb kaum zu mili- tairischcn Unternehmungen eignet. Daher wird Indien ans diesem Wege wobt niemals ein Angriff drohen. Immerhin aber vermag Rußland durch seine vorgeschobenen Kosacken- posten aufreizend auf die kriegerischen Völkerschaften zu wirken, die den Nordwcsten Indien« bewohnen und der britischen Verwaltung fortdauernd Schwierigkeiten verursachen. Jede Beunruhigung Indiens, jede Erschütterung im Leben der säst 300 Millionen Unterthanen der indischen Krone übt aber eine merkliche Rückwirkung aus die Gesammtlage der Ob er sie verstanden hatte! — Eine tiefe Erschütterung, der ganze, große Kampf seiner Seele spiegelte sich in seinen Zügen. Marka faßte mit einem bittenden Ausdruck seine Hände. „Wecke sie mit dem Ruf der Liebe, Stefan! Vielleicht wird sie Dich hören..." „DaS kann ich nicht!" schrie er jetzt mit fast rauhem Ton und machte sich frei. ,DaS... das kann ich nicht!" wieder holte er noch einmal tonlos. „Du kannst cs nicht?!" Die kleine, gebückte Gestalt schien zn wachsen, wie sie sich jetzt vor ihm ausrichtete; ein feierlicher Ernst lag in den Zügen, und Zorn und Trauer klang auS der Stimme, als sie weiter sprach: „Du kannst cS nicht?! ... Und war cS weniger, was Du tbatest, als Du Dich damals dem Wut »enden Thicre cntgegenwarsst, Dich zertreten und zer fleischen ließest, um ein sremdeS, hilfloses Leben zu retten? Damals warst Du ein Knabe, jetzt bist Du ein Mann . . . Besinne Dich, mein Sobn!. .. besinne Dich erst recht, ob das Wesen, das ans Liebe zu Dir den Tod gesucht hat, weniger werth ist als jenes lahme, verkrüppelte Mädchen!" Damit ging die alte Frau, ohne ein weiteres Wort hinzu- zufügen oder nur einmal den Kopf zu wenden, aus dein Zimmer, ihn in der höchsten Pein und Seclcnbedrangniß zurücklassend. Als cS ganz Tag geworden war, kam der Doctor. Dieser wurde selber besorgt nnd schüttelte den Kopf. Es war ein höchst merkwürdiger, ein seltener Fall, ihm wobl bekannt, aber in seiner Praxis noch nicht vorgekommen. Eine Art innerlicher Krampf, eine Folge deS Sturzes inS kalte Wasser oder vor- bergcgaiigcncr großer, seelischer Erregungen. Jetzt war nur Zweierlei anzunekmen: entweder würde sich ein schweres Gehirn- siebcr entwickeln, oder — sie würde so leise hinüberschlummern und überhaupt nicht mebr erwachen. Er versuchte zwar noch ein warmes Bad, obwohl er keine großen Hoffnungen hegte; eS erwies sich auch als vollständig erfolglos. „ES bleibt nichts Anderes übrig, als — abzuwarten", sagte er zu Lory. „Es giebt Fälle, denen wir Aerzte auch ohnmächtig gegcnübersteben." Im Lause deS Vormittags kam die Gräfin; sie geberdete sich aber gleich so maßlos, stöhnte und jammcric so laut, daß sie bald in ein anderes Zimmer gekrackt werden »inßte. Lory schloß halb die Jalousien, denn durch eines der Fenster siel grell nnd blendend die Vormittagssonne aus die weiß- getünchtcn Wände, dann setzte sie sich wieder an daS Lager nieder.
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