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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931229027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893122902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893122902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-29
- Monat1893-12
- Jahr1893
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ES wird die Thatsache zugegeben, daß das preußische Staalsministerium „einen ganzen Nachmittag lang beratben l,at." Nun, das ist doch ct>raS. Aber in der vorigen Woche bat nickt eine, sondern cS haben drei Sitzungen des SlaatS- ministeriumS stattgefunben. Und wenn wir gemeldet haben, daß die Sitzung vom 22. Deecmber von 2 bis 7 Ubr gedauert bat, so können wir dem hinzusiigen, daß die Sitzung vom 23. von noch längerer Dauer war, sie zog sich dis 7>/z Uhr Abends hin. A» sich bleibt cS ausfällig, wenn auch nur eine Sitzung des StaalSministeriumS so lange Zeit in Anspruch nimmt, den» gewöhnlich sind zwei Stunden genügend, und wenn eS auch richtig ist, daß am IakreSschluß DiSciplinarsachen zu erledigen und eine größere Zahl von Vorschlägen für Ordensverleihungen abzuwickeln sind, so ist die schnelle Folge lang dauernder Sitzungen doll» nicht aufgeklärt, da über alle solche Sachen keine längere» Erörterungen statlzusindcn pflegen, denn eS bandelt sich dabei nicht um Principicnsragcn. Richtig ist auch, daß Vorlagen für de» Landtag zurBerathung standen, der Entwurf über die Einsührung von L andwirthsckastSkam inern, ferner der Entwurf über die Ausbesserung der Lebrergebaltc, welcher im vorigen Jahre von den konservativen abgclcbnl wurde, weil sic angeblich ein das ganze Schulwesen regelndes Gesetz verlangen; auch ein particularrcchtlicheS Apolticken gcsey soll in Vorbereitung sein. Aber von ossiciöser Seite wird ja nachdrücklich betont, daß „volle grundsätzliche Uebereinstimmung" im Sckooße des Staatsministeriumö vor handen sei, und, wie cS im Lateinischen beißt: mlulnm non enrnd praetor, um die technischen EinzelbcNcn der Gesetz vorlagen wird im StaatSministerinm nicht gestritten. Also wird doch wohl eine ernstereM cinun gsvcrsck iedcn- heit verbanden gewesen sein, welche stundenlang dauernde Erörterungen veranlagte. Gern wollen wir gläubig es hin- nrhmen, daß die Differenzen vorhanden „gewesen", daß sie wieder einmal beigelegl sind, aber — von einer Harmonie zu sprechen, erscheint uns doch zu euphemistisch. Es ist auch dem Grafen Eaprivi zum Bewußtsein gekommen, was vor Gl Jahren aller Well klar war außer dem Reichskanzler, daß cS ein politischer Fehler war, den Vorsitz im preußischen Staatsministcriuni nicdcrzulkgcn, welcher doch, wenn auch vielleicht nicht staatsrechtlich, so dock' tbatsäcklich, dem Posten des Reichskanzlers den hauptsächlichsten Inhalt aicbt. Und wenn auch die preußische» Ressortminister sämmtlich Staatsminister und gleich gestellt sind, der Minister präsident hat den überragenden Einfluß im Eollegiiiui. Jetzt wird von mancher Seile die durch Graf Eulenburg bewirllc Erinnerung an den Erlaß vom 4. Januar 1882 als ei» Beweis der Eintracht zwischen Graf Eaprivi und Gras Eulenburg bingestellt, »nd doch wird dabei zugleich bcrvor- gchobcn, der Reichskanzler habe die erneute Bekanntmachung „durchgrsetzt". Za,wenn wirklich völlige Uebercinstimmuiig, wie sie zum Wohle des Reiches und Preußens unerläßlich ist, zwischen beiden Staatsmänner» herrsch!, dann brauchle Graf Eaprivi »ichlS „durchzusctzen", dann wäre die Bekannt gcbuuz drei Monate früher erfolgt, daun hätte auch Herr von Heyden, der preußische LantwirtbschaflSminister, der zugleich Mitglied deS BundcSratbS ist, bei der Berathiiiig der „kleinen Handelsverträge", als rie Agrarier ohne Skrupel mit unrichtigen Zahlen unk falschen statistischen Be hauptungen gegen rie Reict'Srcgicrung Sturm liefen, taS Wort nehmen müsse». Doch Herr v. Heute» war zwar am Tische des BunkeSratbS, aber er schwieg, er schwieg volle acht Tage hindurch und überließ cS dein Grasen Eaprivi und dcm Frlir» v. Marschall, mit Gras Mirbach und den Herren v. Plötz und v. Hamme,stein sertia zu werden! Nock» bat Graf Eaprivi das ^)br und den Rückhalt dc- Monarchen Aber cs ist kein Gebeimniß, daß der Kanzler auch in den Hoskreisen, inil denen cS ikni an allen vcr wandtsckastlicken Beziehungen fehlt, nicht wenige Gegner bat. Die hohe Würde ist ibi», wie er neulich gesagt baden soll, längst zur Bürde geworden, und wer weiß, ob nicht in aller nächster Zeit eine Wandlung einlrilt, welche vielleicht nur Wenige noch überrascht — ohne daß merkwürdiger Weise kur; vorher eine „KrisiS" vorhanden war. Politische Lugesschau. * Leipzig, 20. Teecmber. Der vrr'.ä» von (rob«un-(^ott>a bat i» der ossieiellcn Zeitung seines Hcrzogthuuio zu den ibn betreffenden pei»- lichen Debatten ini englische» Parkaincntc eine im heutige» Morgcnblalt iiiilgelbcille Erläuterung gegeben, die aber leider aus ganz wesentliche Pune:e nicht ringebt. Man erfährt mir, daß derjenige Tbeil der Dvlatien aus englischen Staatsmitteln, ans den der Herzog nicht verzichtet bat, mit der Bestimmung über da« Witllhni» der Herzog.» ver bunden ist und seit Dccciinien tbcilS für die Kosten der englische» Hofhaltung des Herzogs von Edinburg. die sich nicht mit einem Schlage aufbeben lasse, tbrils ür die Hofhaltung i» Eoburg verwendet worden ist. Bc- ricdigend ist auch diese Erklärung nicht. Man kan», wie die „Neu Ztg." »nt Reck't bervorhebl, zugcbcn, daß die Angelegen heit für den gegenwärtigen Herzog von Eoburg besonder- schwierig geworden ist, weil seine Nachfolge auf dem HrrzogS- stuhl bis zu», letzten Augenblick zwciselhast war und er seine Privalvcrhältnisse daher nicht aus sie eingerichtet hatte: bc kauullich galt eS für o.uSgeuiacht, daß nicht der Herzog von Ekin bnrg, sondern sein Sohn der Nachfolger des Herzogs Ernst werden würde, und es wird vielfach angenommen, daß dies auch ge schehen wäre, wenn beim Tode des Letzteren der Sohn des Herzogs voiiEdinbnrg bereits großjäbrig gewesen wäre. Inkeß wenn dieser selbst sich entschloß, deutscher BundeSfürsi zu werden, so inußle er auch die Eoiiscaucnzcii ziehen. Eine ausländische Prinzessin, welche einen BundeSfürstcii beirathet, mag auö ihrer Hcimath ein Nadelgeld beziehen: sie bat keinen, wenigstens leinen berechtigte» Einfluß auf die öffentlichen Angelegen heiten Deutschlands. Ein BundeSfürsi aber tan» nicht a»S ländisches Geld annehmen, ohne z»m Mindesten mit den be rechtigten Emsintnngcn des deutsche» Volks in Widerspruch zu gcratben. Die Zeiten, in denen man i» DeiUschland keine» Anstoß daran »abm, daß ein König vo» Hannover sich als englischer Prinz sühlle und einen Tbeil seines Unter halts aus England bezog, sind vorüber. Es handelt sich aber auch nicht allein um d,c finanzielle Frage, sondern auch um die andere, ob der Herzog noch Mitglied des englischen Ober hauses und englischer Unlcrtbaii sei. Und darüber sagt die Erklärung der „Eobnrgcr Zeitung" »ichtS. Herr Gladf'tone bat kiese Frage gleichfalls osten gelassen, indrm er erklärte, oh der Herzog noch Mitglied deS Oberhauses sei, möge das Oberhaus, oh er noch englischer Untertban sei, möchten die englischen Kronjuiisic» enlsckeidcn In Deutschland aber muß man verlangen, daß ein dculschcr Buiitcofürst auö sch ließ iich Deutscher sei, und zwar aus Grund deS deutschen SlaalSieckitS. Die Erwägung wird sich nicht umgeben lassen, ob dies nicht in der Reich-Verfassung, mindestens für die Zukunft, ausdrücklich auSznsprccheii ist. Die zahlreiche» Verwand! schäften deutscher Fürstenhäuser mit ausläiitischcn Dunaslien geben dieser Frage eine nicht wrgzulengiiente praktische Be deutung, ganz abgesehen von dem peinlichen Eindruck, den die zuweilen recht tactloscn Debatten im englischen Uiiicrhausc über solche Frage» ans seren Deutschen mache» müsse». Erst gestern wieder bat sich das Unterhaus eine solche Debatte geleistet, über die der Telegraph beule auS London Folgendes dcrichlei: Der stellvertretende Rrckt-repiaienlant der Regierung, Sir I. Rigbli, ertlarte i» der heutigen Sitzung, so weit der Regierung t clannt, sei iiickuo vergeloniincii, wodurch die Lurch Geburt erworbene hriüiche Rmiviialiiut des Herzog- vo» Suchjeu-Coburg und Golha verändert würbe, aber al- souverainer Fürst handle Lersclhe in alle» Angelegenheiten, die sich uns seine Eigenichnst al- Sonverain beziehen, »»ubhaiigig. lHcckerteii.) An? die Frage Daleiel-, oh der Herzog die Iatirc-a vpaiiagr von U.NOU PiL. Sterl. in 'einer vriviite» Eigenschasl oder in leiner Eigenschait als Sou- verain beziehe, und welche- die Slellung Leo Herzogs in Ieilc» eine- Kriege- zwischen England und Deutschland sein würde >Ruse: Oh! und Peiiall', crwidcuc Sir I. Rigb», eine derartige Frage lei ohne vorherige Aiilündigung nicht zu beantw orten. Wir hofsten, daß der Reichstag bald nach scincin Wicdcr- znsainnieiitriu Gelegenheit »in»»!, iiicklt nur die verbündeten Regierungen über ihre Ansicht zu befrage», sondern auch der seiiiigcn einen möglichst unzweitentigen Ausdruck zu geben. Der EoiitrnmSantrag aus Bosch» iiiikung dcü «olpo» tagr-BnchtzanScls konnni vorausnchUich schon im Januar zur Verhandlung im Reichstag. Die Auslastungen der „Nortd. Allg. Ztg ", welche in ebenso unwissender, als bochsalirender Weise eine durchaus berechtigte Beschwerde tcö deutschen Buchhandels absertigcn zu sollen glaubte, haben in allen bc- ltieiligten Kreisen Icbhaficn Unwillen hcrvorgerusc». Hoffent lich wird man in Liesen Auslassungen nicht die Auffassung der Regierung zu erkennen haben. Von der Erregung in buch händlerischen Kreise» zeugt daS Erscheinen eines eigenen EorrcspendenzblatlcS zur Bekämpfung deS cnlturscindlichcn Antrag- Gröber Hiyc. In diesem Blatte beißt cS u. A : „Zn den politisch bedauerlichen Irrthümern, die schier »naus» rettbar sink, gehört die Ansicht, als vertreibe der Eolpvrtage- handcl nur die schon so oft kritisieren Eolportageromanc. Daß rem nicht so ist, lehrt eine von dem Bnchbniikcl angc fertigte Statistik, nach der nickt weniger als zwei Drittel der gesanimten Buck und Zeirschrisicnproductlon durch den Eol- portagc- und den ihm ähnlichen Rcisebuchbandcl vcrkrichcn werde». Wer dieser Ausstellung nickt Glauben z» schenken ver mag, der hat nur nölliig, eininal dicTaschc irgend eine- Expor teurs zn »ntersucken; er wird sich davon überführen können, daß die Eclporlagc Ronianheslc, wenn sic überhaupt vorhanden sind, verschwinden gegen die Masse der illnstrirten Zeitschriften »nt LieseruiigSwcrte, die der Eolportcnr mit sich fuhrt. Eine Illustration zn dem gewaltige» Umsätze, de» der Vertrieb der besseren Lectürc durch Eolporlagc und Reisebuchhantcl erzielt, ergicbt sich aus der Thatsackc, daß c>» einzelnes fleeisegcsck'äft von eiiicui Werke im Ladciipreisc von l«ü> (EonversalionSIerikon > lediglich durch Reisende llllrmo Eremplare absetzie, waS einen Umsatz von ca l8> - Niillionen Mark auSmack» " Unk in solch einen Betrieb soll ans Vor- nNhcil »nd Unlcnntniß mit plumper Hand ciiigcgriffcn werden k Der Entwurf ecS Schwrizor Gesetze- über Verbrechen gegen die öffentliche Sicherheit, genannt „Anarchisten gesetz", resse» Haupthettimniungen bereits »lilgctheill wurden, ist von den vorberathenden Eommissionen beider Rätbe der Bundesversammlung aus die nächste Tagung verschoben worden, weil tue BuiikcSanwaltschasl erllärt hatte, daß auch die bestehenden Gesetze genügten, »m etwaigen Anschlägen auf die öffentliche Sicherheit »achdrücklick'sl zu begegne». Andererseits läßt in der Eidgenossenschaft nichts ans etwaige Störung der öffentlichen Ordnung schließen. Der vom BnndeSralbc auSgearbeitete, der Bundesversammlung zur An nahme empfohlene Gesetzentwurf sinket sehr verschiedene Beurthcilung, die stellenweise um so schärfer anSsällt, als ma» sich gegenüber einem Ausnahmegesetz befindet, daS den Ueber licfeniiigcn deS Schivcizervolkcs eigentlich fremd ist. Die An hänger der Todesstrafe finden, daß für die durch anarchi stische Attentate verübte» Morde Zuchthausstrafe dem öffent lichen NechtSgefüble nur ungenügend Sühne bietet, und ander seit- ist man mit der im Gesetze vorgcschricbenc» Anzeigepflicht nur halbwegs einverstaiikc», da durch diese nickt allein dem den, schweizerischen VolkSgcistr so fern liegenden Tcnuncianten- tbnm Vorschub geleistet werde, senbern auch gar zu leicht durch Uedcrciser die mißlichsten Vorkommnisse veranlaßt werden kennten Jedenfalls dürste die Geseycsvorlage, falls sie in nächster Tagung behandelt werden sollte, in beiden Rätbrn sehr lebhafte Erörterungen Hervorrufen. Tic in Sachen der anarchistischen Umtriebe gefallenen Andeutungen bezüglich Vereinbarung inter»a tio»aler Maßregeln gegen die Anarchisten habe» in Schweizer Rcgierungskreisen nur wenig Wiederhall gefunden. Vcr kcui Schwurgerichte deS Ebarente-DepartementS finden gegenwärtig die Verhandlungen gegen, die wegen der Ruhestörungen in AigncS Mortes aiigcklagtcn Fr<mz«srn stakt. ES ist für die in Frantrcich gegenüber Italien herrschende Gesinnung bezeichnend, daß der Proecß nicht dem Schwur gcrichle deS Gard-Departement- überwiesen werden konnte, in dem Aigues MorteS gelegen ist. Der Bevölkerung dieses Departe ments wird eben nickt einmal die erforderliche Objektivität zu getraut, die Metzeleien vo» AigncS BeorteS ohne Voreingenommen heit bcurtbeilen zu können. Mit welcher Naivctät dir an- geklagten Franzosen ihre Vertheidigiing führen, erhellt unter Anderem daraus, daß sie ganz ernsthaft behaupten, die Ita liener hätten zuerst mit dem Rufe: „Nieder mit Frankreich, eS lebe Italien!" angegriffen. Man sollte cS nickt für mög lich Hallen, daß dem Schwurgerichte eine solche Leicht gläubigkeit zugeinnlbet wird: daß italienische Arbeiter, deren Nüchternheit und Bescheidenheit in allen Ländern, in denen sie fick ciiisindcii, gcsckä > wird und die nichts sehnlicher wünschen, als ihre» Verdienst in aller Ruhe zu suchen, eine hcransserderiidc Haltung beobachtet haben könnten, erscheint völlig auSgeschleffen. Aus demselben Niveau wie die AnSsagcn der Aiigcllaglcn hielt sich diejenige deS Friedensrichters, der seine Pflicht in gröblichster Weise verletz! balle. Behauptete dieser „Friedensrichter" Lock iinniiichr, das; die Italiener eine so drohende (!) Haltung angenommen hätten, daß der Befehlshaber der Gendarmerie Feuer geben lassen wellte, was er, der Friedensrichter, ver hindert bade. Dieser erweist fick hier offenbar als ein unverfälschter Landsmann TartariuS de TaraScon, der seine PhanraSniagorieii für Wirklichkeit erachtet Dieser seltsame provenealischc Friedensrichter ist denn auch in drastischer Weise n>t nli-mnlui» geführt worden. Wie bereits im Mvrgcnblatlc telegraphisch gemeldet worden ist, baden der Angeklagte Bussat »nd der Befehlshaber der Gendarmerie den Herrn Friedensrichter gründlich deSavouirt. In dcm spanisch-marokkanischen Streite ist eine weitere bc:nerkeiiSwe>thc Besserung eingetreicn, die Hoffnung auf eine baldige friedliche Beilegung erweckt. Der Bruder Fsnillston. Äus abschüssiger Lahn. Zeitbild von F. A > i n ck. L ü t r t S b u r g. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Er fuhr mit seiner arbeitsharten Hand über ihre Wange und sie sah ihn lächelnd a». „Nein Adam, aber Du darfst nicht so heftig werden, dann habe ich nicht den Mutb, Dir zu sagen, wie ich über manche Dinge denke und ein AuSsprechcn muß doch sein." „Nun?' Die Brauen zogen sich zusammen, aber sic batte leine Furcht mehr. „Ick kenne Dick gar nickt wieder. Du bist beute ganz anders, und wie Du die Worte deS Herrn aufgcsaßl, so ist eS mir ja begreiflich, daß Du Dich mit seinen Gegnern zu- sammengethan hast." ^Also dochl" Es war, als ob ihre Worte ihm eine gewisse Erleichterung verschafft. „O ja, nur müßte immer überlegt werden, wie Herr Hvbrecht dazu gekommen ist, so, mit Dir gerade, z» sprechen ES muß ein Grund dazu vorhanden gewesen sein Nun laß auch mich einmal fragen und sprechen, Adam. Weber kam ver Herr, als Du mit ihm zusammcntrafst?" „ÄuS dem ArbeitSsaal." „Ach so! Er war in vollem Aerger über die Leute." „DaS mag wohl sein, aber WaS geht da« mich an, ich hatte nicht« mit ihnen zu schaffen." „Vielleicht dachte er doch so, Adam Du kamst zu einer Unrechten Stunde, Du wähltest falsche Worte, als Tn Deine Bitte anbrack'test. Er hat Dich immer als Muster ausgestellt. Wir sollte er plötzlich so ganz anderen Sinnes geworden sein ? E- ist gar nicht zu dcnlen. WaS nun aber Deine Kameraden anbelangt — hat der Herr Unrecht? Wie das« Tu selbst von ihnen gesprochen? Ist es nickt wahr, daß sie den Lohn in die Sckenken tragen? Daß sick idrr Frauen nickt »in dir Wirthsckast bekümmern, den Kindern wobk gar da» Notb- weodige entzieben, um sich z» putzen und ibren Vergnügen «achzugeben Bist Du nicht selbst der Meinung, daß ein hravrr, fleißigir Arbeiter nicht zu darben braucht?" „So lange Alle« gut geht — nein. Wie ist'« aber »ui »nS bestellt? Haben wir liederlich gewirlhschaslct?" „DaS nicht, aber der liebe Gott bat »nS auch noch er halten, und cS kann noch Alles gut werden, wenn da« Lorcken wieder gesunde Tage sieht. Adam, ich boffe, Du hast dem Herrn nickt unrecht gclban." * » Adam hatte eine sehr unruhige Nacht verbracht. Am Morgen erhob er sich vorzeitig, von innerer Unruhe getrieben, obgleich er wußte, daß er nicht aus Arbeit brauchle. Die LuN drohte ik» zu ersticken, er mußte in« Freie hinan«. Vielleicht dachte er auch daran, sich irgendwo Arbeit zu suchen. Es war in der Erntezeit »nd an Feldarbeiter» hier »»d da Mangel. „Ick lomiiie bald wieder, Marie", sagte er, als sie ihn bat, ans den Kaffee zu warten Er trat auf die Straße hinan«, die noch iiicnschcnlecr war. Die Häuserreihe entlang schreitend, näherte er sich kein Freien, der bauinbcgreuzien Ebaussce, die am Fuße de« bewaldelcn HöhciizngS entlang führte. ES war ei» schöner Angustttiorgcn Jenseits des eilig vornberrauschrneen FlusseS lag weißlich rer Tan über Feit und Flur, doch als jetzt zur Lucke» die Sonne am Horizonte cmporsticz, erschien er plötzlich wie ein glänzendes, mit blitzende» Steine» turck- wirltcS Schleicrgewcbe. Tiefe, lautlose Stille herrschte ringsumher, nichts vom Woge» und Lärm menschlichen Treibens. Dort oben aus dein Wipfel einer alten Tanne saß ein Relbschwänzchen, die gefiederten Schläfer ringsum weckend Ein Hänfling hupsie von Baum zu Bauni. sein gleichförmiges und dock aiinuilhigrS Lied wiederbolcud, auch der Rus einer Amsel unterbrach die morgendliche Stille und aus dcm Trabt einer Telegrapbe»- stange saß un fröhlichen Gezwitscher eine Reibe von Schwalben mit ihren liugrn Auge» fckeinbar neugierig den einsamen Wanderer mnsteriid. Adam war a» manchem Sonnlag Nachmittag mit Frau und Kind in die Natur binanSgewandert und batte allzeit ein offenes Herz und offene Augen für sie gehabt. Heule fehlte ibin der rechte Sin», sich ihrer ;» freuen Und dennoch! Der Zauber der herrliche» Well nahm ibn gesungen, nur fühlte er sick von ihr bedrückt Die Ereignisse des vorhrr- gehcnken Tage« lasteten schwer auf seinem Grmülb, er war uiizusriktku mit sich selbst und wollte cS sich doch nicht zu- geslehen. Immer mußte er a» Mariens Worte denken, und lies, lief in der verborgensten Falte seine« Herzens war rin Etwas, da« ihr Reckt gab, das ihm sagte, er habe sich z» Dingen hinrcißen lassen, die seinem Wesen fremd waren. Vo» der anderen Seite tönten unablässig die Worte des Herrn Hobreckt in seinen Obre», dazu gesellten sich die Ge danke» a» sein Lorchcn. die unbestimmte Furcht vor ko»i- nicndcn Tage», die sich nicht durch Wahnvorstellungen beseitigen ließ. Er wankertc weiter und weiter, vo» peinigender Unruhe getrieben. Der Gedanke an eine Heimkehr tam iln» nicht. Die Stadt war seinen Blicken entschwunden, auch balle er daS Gefühl, als sei eö angenehmer, nickt den Blicken seiner Frau zn begegnen. In der enge» Stube sitzen' WaS lbu»? Um mit Menschen zusammen zu komme», fehlte ihm über- daupt die Lust. Man würde fragen. Er balle immer ab fällig über >kas Tbun und Treibe» gewisser Genossen gcnr lbcilt, nun gehörte er z» diesen. LinlS vom Wege lag der Krug. Er kalte ibn bisweilen einmal besucht mit Fra» und Kind, a» Festtagen. Allein nie. Die Wirthin stand unter dem Eingang, sauber gekleidet mit blau leinener Latzschürze. Sie rief ibm einen sccnnd- lichen Morgengruß zu. „Wohin schon de« Wege«?" Er konnte nickt, wie er gern gclban haben würde, ebne Antwort vorüber geben. So trat er näher. Ei» Wort gab das ankere. Ganz reckt, daß eS die Leute so machten, nm zn ibrcni Reckt zn keniincn Warum sollte der eine Tbeck Menschen nn Wagen fahren und der ankere zu Fuße gehen? Sie könne sick immer über die BranerSlöcktcr von drüben ärgern. Der Großvater sei ganz klein «»gefangen, habe mit dem Sckicbkaricn seine Tnchwaaren von Leipzig gebolk, dabei „ S Geld von den Lebendige» genommen." Der Bater fei Braulneckt gewesen. Zufällig, wie bei vielen anderen Häusern in der Stakt, babe die Braligerecklsame ans seiner Kalbe geriihk und er cs sich zn Nutzen zu machen verstanden. Darum sei er noch nicht rer liebe Herrgott. So und nickt anders aber geberre er sick mit seiner ganzen Sippschaft, cS sei gerateweg z»m Herkriegen. „Sauer bat er sick, s aber werden lassen", warf Adam beinahe iinsickcr rin. „Ja — sauer, wir wissen«" spottete rie Wirthin. „tkeiiiiiit dock einmal Verein, Adam, ick bade schon meinen Aerger in der Frübe, darum gerade wollte ick einmal Lus« schnappen. Ick war beim Bicrzapfen Alleweile wolle» die Arbeil-lcule auch 'mal idr Töpfchen Bäuerisch trinlen. Das liegt so in der Zeit. Und warum sollen sie'« auch nicht, wenn sic'S bezahlen können? Wenn unsereiner ihnen dann aber solches Zeug versetze» soll!" Während sie noch so sprach, hatten Beide die Gaststube betreten, die nock leer war. Auf einer Holzbank lag ein Faß Bier, daneben stand eine Anzabl gefüllter und ungc fUlltcr Flaschen. Sic »abm ein GlaS, ließ eS bis zum Rande voll und reichte cS Adam. „Da, probirt cS 'mal, hat eö nicht einen jämmerlichen Beigeschmack?" Er wehrte ibr niit der Hand. „Nein, Fra» Schneider — eö ist ja kaum sieben Ubr, daö bin ich nicht gewöhnt." Sie lachte. „Ack, dummes Zeug, Adam. TaS «Hut Euch nicht«. Grad' im Gcgcnlbeil — cS gicbt Eourage" Noll» zögerte er, dock nur einen Augenblick. Es giebt Eourage! Die hatte er nöthig »nv — er war auch durstig von dem weiten Spaziergänge. Mil einigen Zügen batte er das GlaS geleert und reichte eS der Winkln zurück „O, ick meine, cs schmeckt dock, ganz gut." „Weil Ihr« nickt versteht, Adam, aber die Andere» ver stehen», die schmecken gleich daS Faß, das sind Kenner, sage ick Euch Dciil! Ihr aber, ich kaunS zurückgebc»? Damit iil's nickt« AuSgetriiiike» muß werde» und ick babe den Aerger davon, dreidorpel», wenn ick dann die blaue Kutsche mit den Fräuleins vorbeis'abren scbc" „Ick »löcklc mich doch einen Augenblick setzen", meinte Adam. Er war in der Tbat einen so trüben schweren Trunk nickt gewohnt »nd tcr'elhc tbat beinahe sofort seine Wirkung. Die Wirtbi» tackelte mit putmiithigeiii Spott. „Tbnt da« und erzählt mir, wie- bei HobrechtS zu- gegangen ist. Tie Fra» Rälbi» wird ibren Aerger haben. Ick dachte gar nickt, daß eS in der Fabrik einmal so ge kommen wäre. Die Hobreckt- sind nickt die Schlimmsten. Sir babe» beite viel für dir Arme« grtban." Dagegen ließ sick nicht« sagen, aber Adam glaubte, sie gehörten zu de» Leuten, die sich verstellen könnten, er batte leine guten Elsahrungc» gemacht, und Frau Schneider unter stützte ibn in dieser Verniiilhuiig ans das Ledliasteste. So redeten sie lnn »nd her. Adam dachte daran, den Krug z» verlasse» »nd nach Hause zn gehen, aber er süblte eine ibm fremde Müdigkeit, d,e ibn sitze» z» bleiben zwang. Sein Kopf war ibm schwer, »nd da« Sprechen ging nur langsam, er konnte seine Gedanke» nicht recht sammeln. Draußen von der Ehauffic drang plötzlich laute« Singen
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