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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970108027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897010802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897010802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-08
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Reel«««« «1er demdtadaetiMisstrich jtg». spalten) SO-4, »or de» Amutiteauachttchten («^spalte») «K-4. chrtchere Schriften l«N aus«» drei», verzeichuiß. Tabellarischer und Ztfsernsatz »och hiherr« Dartf. Ertra »BeNage« (gefalztl, nnr mit dev Morgen-Autgabe, ohne Postbefördrrung >l 60.—, «rt Poftbesördernng ^l 70.—. Avnahmeschlnd str Anzeigen: Abeud-Au-gab«: vormittag» U) Uhr borgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei de» Filiale« »ad Annahmestellen je ^n, halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an dt« Oxpedition zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz in Leipüg. 13. Freitag den 8. Januar 1897. 81. Politische Tagesschau. * Leipzig. 8. Januar. Nach einer annähernd vierwöchigen Pause nimmt der Reichstag am 12. d. MtS. seine Arbeiten wieder auf. Die Ferien haben etwas länger gedauert, als gewöhnlich, vermuth- lich, weil man sich erfahrungsmäßig vom NichtStbun länger erholen muß, als von der Arbeit. Denn dem Nichtsthnn hat sich die große Mehrheit des Reichstags in doppelter Hinsicht hingegeben: einmal durch eine überaus geringe Theilnahme an den Plenarsitzungen, zweitens aber durch die absolute Unfruchtbarkeit der geleisteten Arbeit. Wir wagen kaum zu boffen, daß in einer der beiden Beziehungen nach den Ferien eine Aenderung eintretrn werde. Hinsichtlich deS Besuches der Sitzungen ist eine Besserung kaum zu erwarten, weil crsabrungsgemäß die Abgeordneten sich in größerer Zahl nur zu solchen Sitzungen cinzusinden pflegen, eie einen gewissen pikanten Reiz erhoffen lassen. An solchen Sitzungen aber dürste eS nach dem vorliegenden Arbeitstableau im Allgemeinen feblen. So wird Wohl der Saal nur bei wichtigeren Ab stimmungen die beschlußfäbige Anzahl von Mitgliedern in seinem weiten Raume erblicken. Auch das Gepräge der Un fruchtbarkeit, das der Sessionsabschnitt vor Weihnachten der vorjährigen Tagung aufgedrückl hat, dürste den ReickstazS- sitznngen während der Dauer des zweiten TagungsabschnitteS erhalten bleiben. Die Aussichten auf das Schicksal der Ta mpfersubventionSvorlage und der Marine forderungen haben sichwährend der Weibnachtsserien, soweit das überhaupt möglich war, leider noch verschlechtert. Bei einigen anderen Vorlagen, wie z. B. dem AuSwandernngS- gesetzt und der Militairstrafproceßreform, scheint die Negierung auf eine rasche Erledigung nicht allzu großen Werth zu legen. Beide Vorlagen hätten ohne erhebliche Ueberanstrengung so gefördert werden können, daß sie kurz nach dem Wiederbeginn der Sitzungen dem Reichstage zur Kenntnißnahme hätten vorgelegt werben können. Statt dessen erfährt man, daß die eine Vorlage dem Bunvesrathe erst vor wenigen Tagen zugegangen ist und außerdem nur einen Theil der erwarteten Vorlage enthalten soll, insofern, als die Bestimmungen über die Auswanderung nach den deutschen Eolvnien nicht darin enthalten sind, und daß die andere Vorlage sich noch immer innerhalb des Bundesrathes in einem vorbereitenden Stadium befindet. Immerhin dürften diese beiden Vorlagen, wenn sie nur einigermaßen de» oft genug geäußerten Wünschen ent sprechen, auf Zustimmung des Parlaments zu rechnen baben. Ein weniger günstiges Schicksal wird möglicherweise die Novelle zum AlterSversicherunzsgesetzc haben, die bekanntlich bei den Praktikern allgemeine« Mißfallen erregt hat. Bei einigen anderen Gesetzen dürfte der Reichstag geneigter zu gesetzgeberischer Tbätigkeit sein, als e« den verbündeten Regierungen erwünscht ist. Die Vorlage über die Zwangsorganisation des Handwerk« wird im Reichstage selbst voraussichtlich eine nicht unerbeb liche Majorität finden, während unter den verbündeten Regierungen die Meinungsverschiedenheiten recht erheblich sind. Ebenso liegt der Regierung reckt wenig an dem konservativ- klerikalen Gesetzentwürfe betreffs der Margarine. Denn der Antrag enthält zuni Theil Bestimmungen, die die Regierung im vorigen Jahre für unannehmbar erklärt hat. Giebt die Regierung nach, so wird sie von der linken Seite des Hauses der Schwache gegenüber dem agrarischen Anstürme beschuldigt werden; bleibt sie fest,so bringt sie sich in einen ihr unangenehmen Gegensatz zu den beiden größten Parteien des gegenwärtigen Reichstages. Eines sich ren Erfolges ist wobl »ur die aus dem Bürgerlichen Gesetzbuche resultirende Novelle über die Zwangsvoll st reck nug sicher; wenigstens wurde diese Novelle bei der ersten Lesung von den Rednern fast aller Parteien sebr freundlich bebandelt. Abgesebcn von den Gesetz entwürfen, wird, wie in jedem Jabre, die zweite Lesung res Etats einen ziemlich breilen Raum eiiinchmen. Natürlich wird es auch hier an Gegensätzen nicht sebten, aber wir glaube» Voraussagen zu dürfen, rag die Beratbungen ruhiger verlaufen werden, als in manchem der früberen Jahre. Ten» durch die Interpellationen über den Fall Brüsewitz und über die Duellfrage ist ein wesentlicher Tbeil deS AgilalionSstofses vorweggenommen. Die Potensrage wird verimitblich im preußischen Abgeordnetcnbause so gründlich bebandelt werde», daß ihre Verhandlung im Reichsrage überflüssig wird. So wirr wobl nur der Fall Leckert-Lüyow einiges Leben in tieDebane» hineiiitragen, abgeseben naiürlich von den üblichen Be schwerden, die besonders beim Posteiat, beim Militairetal und bei dem Colonialetat vorgebracht zu werden pflegen. Herr v. Stephan ist an solche Beschwerden gewöhnt und beantwortet sie nach einem bewährten Schema; der neue preußiiche Kriegsminister und der neue Colynialdirecto, werden zu zeigen haben, ob auch sie mit Geschick und Takt ihrer Haut sich zu wehren wissen. Im Ganze» wird man auch nach den Ferien viel Langeweile, wenig Besuch und wenig positive Leistungen vom Reichstage zu erwarten haben, es müßte denn die Artilterievorlage noch im Laufe der Session eingehen, was indessen nicht wahrscheinlich ist. Von verschiedenen Seiten wird der „Post" übereinstimmend gemeldet, daß das beute seine Beraihungen .wieder auf nehmende preuszischc Abgcorvnetcuhans in cine'Bcspreckung der Interpellation des Centrums wegen der Auf lösung von Versammlungen in Oberschlesien, in denen polnisch gesprochen worden ist, beute nicht eintretcn werde. Daß von polnischer Seile eine Hinaus schiebung der Debatte nicht gewünscht wird, darf wohl schon daraus geschloffen werden, daß ihre Fraction auf gestern Abend eine Besprechung dieser Frage an gesetzt halte. Und da auch dem Centrum an der Hinaus schiebnng nichts gelegen sein wird, so kann man nur an- nebmen, daß die Regierung es ablebnen werde, die Inter pellation zu beantworten. ES verlautet denn auch, eine solche Ablehnung werde erfolgen mit der Motivirung, daß bei der Etatsberathunq Gelegenheit genug zu Polendebatten sich bieten werde. Än sich wäre dieser Slandpnncl zu billigen, da die Interpellation lediglich einen agitatorischen Zweck verfolgt und ihr Inhalt beim Etat deS Langen und Breilen erörtert werden könnte. Sie bat eben nur den Zweck, den rabiaten oberscklesiscken Polen die Unterwürfigkeit deS Ccntrlims vor Augen zu sübren, und jedenfalls hat die preußische Regierung keine Veranlassung, sich zum Sciaven parleilaclischer Zwecke zu mache». Trotzdem würden wir eS für verfehlt halten, wenn die Regierung es beute ablehnen wollte, auf die Interpellation einzugebe». Um eine Polendebatte kommt sie doch nicht berum und je weiter sie diese binauSschiebt, um so mehr giebt sie de, polnischen und polenfreunbliche» Presse Gelegenheit, bei ihren Lesern die Meinung zu erwecken, die Regierung habe ein böses Gewissen. Das fortgesetzte Liebäugeln der officiösen itnlic- uischen Presse mit Frankreich, seitdem Crispi ans dem Amte geschieden ist und vor alten Dingen seitdem Visconti- Venvsla d,e auswärtige Politik Italiens leitet, zeigt, daß in Nom coiiscgiieiil eine Annäberung an Frankreich erstrebt wird. Die italienische Regierungspcesse, allen voran die unter dem Einflüsse des Ministerpräsidenten stehende „Lpinione", führt einen wahren Eiertanz aus, indem sie bald ihre Anhänglich keit an dem Dreibünde versichert, bald re» Franzosen verschämte LiebeSertiäriliige» macht. Sv bringt die „Opinionc" jetzt wieder ein n von Liebe zu Frankreich überströiiienden Artikel, weil der französische Gesandte i» Rom sich am Nenjabrstage zu seine» Landsleuten wohlwollend über die fran ösisch- italienischen Beziehungen ausgelassen bat. Die „Opinwne" ist glücklich darüber, daß die Besserung der Beziehungen zwischen de» bilden Laurern die Vöcker wieder die „Gemein- lamkeit ihrer Interessen und ihrer Empfindungen" erkenne» läßt. Nun wird vollends aus Tunis, 7. Januar, gemeldet: Bei einer gestern ini sranzömchen Lkeaier unter Borsitz de- sranzöü chen Geiierol-Nesiteiiten Bnt.et und des nolie-i ch- n dlpio- niaiiichi» Ageiiie» und Geiierol-Conjuls MucchiaveUl veianstcUtele» jLolillhäiigkeilsvorsleUung wurden die a rjeil la ise und tie italieniiche Hymne Hintere, »an der geipieit, stehend angehöri und von den Äuigiiesern veider Colo ien i» l Beisatz begleitet, Cs ist dies die erste beraitige Kundgevung in Tunis. Die „Oplnione" wird natürlich nicht verseblen, ob dieser Versöbnungskulidgebung außer dem Häncche» zu geraibe», andere Lerne können ,n derselben freilich nur eine für Italien nicht sonderlich ehrenvolle Bestätigung der Tbaisache erblicken, daß diese Macht in Tunis, wie ini Mittelmeer überhaupt, hinter Frankreich auffällig zurückgctrelen ist, daß es kort die zweue Nelle übernommen bat, daß cs dies ebne Noib geihan »int raß es sich noch darin zu gefallen scheint. Der jüngst erneuerte französlich lunksffche Hautet, venrag bedeutet die Anerkennung der französische» Vorherrschaft in Tunis. Glaubt man etwa in Nom, rannt, daß man dieses E»elg»iß gemeinsam mit der stammverwandten Nation auf tunesischem Voce» feiert, Herrn Msline Italien gegenüber zum Freihändler zu bekehren? Aber man rechnet vielleicht auf die Kurzlebigkeit französischer Ministerien. Auch dabei verrechnet man sich, den» man ver gißt, daß Msliiie'S jchutzzölllierischer Anhang auch nach seinem etwaigen Sturz in der Tepulirlenkammer »och ebenso groß sein wird, wie er vor seiner Berufung z»»i Ministerpräsidenten gewesen ist. Wenn wir übrigens auch nicht an einen Erfolg der italienischen Liebcswcrbungen in abiehbarer Zeit glaube», wenn auch, so lange König Huinbert lebt, an dem Festhalten Jlatiens am Treivnnd nickn zu zweisei» ist, io wird man doch gut lbun, die. sranco-ilatieniichen Beziehungen ffain zu verfolgen. Es wirb immer klarer, daß Nnszland, ohne Rücksicht a »f Frankreich, in der türkische» Frage >eine e > ge „ e» Wege geht. Seiest der „Figaro" geliebt ries ein, ja er giebt zu, daß Frankreich bei den Reibungen zwischen der Pariser und der Petersburger Diptvmalie wegen dieser Dingt de» Kürzere» gezogen bat. Der belreffende Artikel erinnert daran, daß Kaffer NicolauS Hanotaux' Finanzreformplan für die Türkei zugeslimmt habe, daß es Herrn v. Nelilow aber gelungen >ei, den Zaren davon zu überzeuge», daß eS rem immer hilfsbereite» Bu»r.sge»vssen gegenüber zwar sehr freunt- schastlich gedacht sei, die türtischen Finanzen zu sauire» und so den französffchen Gläubiger» des Sultans zu ibrem Gclde zu verbelse», daß es aber keineswegs im russischen Interesse liege, bei rer Erhaltung und Stärkung des türkische» Reiches milzuwirkc», »oet, sich durch eine Art von Condo minium mit den übrigen Mächte« in der Türkei für tie Zutunft die Hände zu binden, und daß de-batb der Vorschlag Hanotaux', die türkische Finanzwirtbsckasr einer gründlichen Reform zu unterziehen und eine» russischen Telegirten in die internationale Eommisüon der Dtzttv publigue eintreten zu lassen, schließlich dankend ab gelebnt worden sei. Man war in Pari« über diese Rück sichtslosigkeit sebr verstimmt, glaubt sich aber jetzt, nachdem die letztcNvleNelidow'S an den Sultan bekannt geworren .ft, darüber biiimcgsetze» zu können. In dieser Note wurde bekanntlich erklärt, daß, wenn die türkische Regierung die Rechte des Oouseii ckv In Ostt« kabligus verletze »der die den Inhabern lürkffcher Papiere zugestandenen Staats- einkünste «»greisen sollte, Rußland sich aenöthigt seben winke, gleich den übrigen Mächten die Einsetzung einer internationalen Fina»;coliiinission zu verlangen, wie dies durch Protokoll 18 res Berliner Vertrage» vorgesehen ist. Der „Figaro" glaubt darin ein endliche« Entgegenkommen den sranzösischen Wünschen gegenüber erblicken zu sollen. Allein b-er ist offenbar der Wunsch, ernste Differenzen mit Rußland als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen zu lassen, der Vater deS Gedankens gewesen. Allgemein wird die Note Nelitow's dabin anfgefaßi, daß dieselbe sür den Sultan nur ein Wink sei» soll, wie er sich einer internationalen Ueberwachnng der rü>k>scken Finanzen entziehen kann, daß, so lange nicht ein unmittelbarer Eingriff in die Rechte rer Staatsgläubiger erfolge — und da- wäre doch ras Alleräußerste — er nichts zu befürchten habe, da Rußland nur in diesem äußersten Falle seinen Widerspruch gegen die Schaffung einer Controlcoliiniission ausgeben werde. Nach Allem, was voraufgegangrn ist, beabsichtigt Rußland — und darin wird man durch die letzien die türkische Frage betreffenden Petersburger Artikel rer „Pol. Corr." bestärkt, welche zu weitgehender Nachsicht und Geduld gegen die Pforte mahnen — die orien talische Frage vcrsumpse» nnd die Türkei sich nach und nach verbluten zu lassen. Der Beschleunigung dieses Proc.sffS ent- gegenznwirlcn, liegt durchaus imJnlcreffe Rußlands, das augen blicklich noch nicht bereit ist, die Erbschaft des „tränten Mannes" anzutreien, die es aber auch keiner andern Macht zusallen lassen will. Fraglich ist nur, ob di« christliche Bevölterung des otto- manischen Reiches nicht einen Strich durch diese Rechnung macht. Mil de», Beginn »nlderer Witterung Wirk, falls der alte Schlendrian weiter geht, zweifellos der Aufrubr sein Haupt w.er r erbebe» — in Kreta ist es ja bereiiS zu hl»! gen Zn« iniiiicnstöüen gekommen —, und dann dürfte die B<rzi)gt»nnykpolit'l Rußlands sehr bald an« Ende sei». Leutschcö AcUü. * Leipzig, 8. Januar. Die „Post" berichtet auS Berlin: „Weyen öiieiitlichcr Beleidigung mehrerer Unterofficiere des 4. «Parde-Regimeiils z. F. hatte sich heute der Arbeiter Ludwig Köih vor dein Schösfengerichie zu veraniivonen. Ai» Aordbaien versperrte der Angeklagte, der eine Karre über den Ltrovenbamm schob, absichtlich den Weg, jo daß die uuier Führung einesOsficiers hernnmarichireiiLe Truppe nicht weiter kunnie. Tie Znruie der Unteroificiere erwiderte er mi« den widerwüriiqsle» Redensarten, weshalb der Gerichtshof auf eine Gesängnißstrase von zwei Wochen und Publicakion des Unheils erkannte." Im letzten Morgcnblatte baben wir eine Erfurter Correspondenz abgerruckl, der zufolge ein Arbeiter H. wegen wissentlich falscher Anschuldigung z» drei Monaten Gesäiigniß, cer Recacteur der die falsche Behauptung verbreitenden ^ Die Nir-orfs. Roman von Hermann Heiberg. Siatbdnick vrrboien. Heute künimerte sich Niemand von den Herrschaften um DaS, waS unten geschah. Nur wenn sie noch ein Bedürfniß nach Wein, Kaffee, natürlichem Wasser oder Liqueuren empfanden, erscholl die Glocke und Daniel eilte hinauf und brachte, WaS befohlen ward. Unten drehte sich das Gespräch vornehmlich um die Zukunft, wer nun Herr werden und was dann geschehen wurde. Robert, der erste Koch, führte hauptsächlich das Wort und erzählte, was Ole ihm vertraulich berichtet habe; daß sicher die Gräfin nicht ohne geheime Absichten von Eutin bereingekommen und bei dem Kranken in der Nacht zu gebracht hätte. Er vermutbe, daß sie bei dem Werthschranke gewesen sei, in dem die wichtigen Dokumente und auch, wie er wisse, daS Testament niedergelegt seien. Er habe keine Möglichkeit gehabt, den im Schreibtisch liegenden Schlüssel zu dem Schrank an sich zu nehmen. Sie habe ihn gleich fortgejagt. Ole glaube, daß Gras Axel die Herrschaft bestimmt sei; wiederbolt habe sich der alte Graf in diesem Sinne gegen ihn geäußert. Und dann wurde dieser, der Anwesenden Neugierde im höchsten Grade beschäftigende Bericht doch unterbrochen, weil der kleine Heiduck Alfred eilend herbeihelaufen kam und meldele, daß Graf Rudolf'« Wagen ungesäumt angespannt werden solle und daß die übrigen Herrschaften sich rüsteten, der Rübe zu pflegen. Nun stoben sie auseinander. Die Lichter drinnen und draußen waren bereit« erloschen. Alles lag oben und unten in tiefem Schlaf, und nur einer wachte noch. Er hatte sich unau«gekleidet auf« Bett gestreckt, zählte ungeduldig die Minuten, bis eine Stunde vergangen, erhob sich dann leise, entzündete Licht in einer Laterne und schlich mit Katzeuschritten die Flügeltreppe hinauf. Vom Sprisesaal nabm er den Weg ins Vorzimmer und trat, vorder noch einmal gespannt horchend, in daS Sterbe- gemach deS alten Grasen. WicS tagsüber gewesen, so war- noch jetzt. Nur daS Bett war inzwischen auSgeränmt, die Leinen waren abgezogen, die seidenen Decken und Kiffen lagen auf einem Stuhl daneben. Mit rascher Hand riß der Eintretende an den schweren Zuggarvincn und verschloß dadurch der Außenwelt den Ein blick in den Raum. Auch verriegelte er, so größere Rübe und Zuversicht sür seine unheimlichen Pläne findend, die Tbür nach dem Vorzimmer und nachdem auch da« gesa-eben, sab er sich zitternd vor Erwartung nach dem Schreibtisch um, fand, nacktem er die Schublade aufgezogen, in einer der Ecken daS von Ulrike jüngst benutzte Schlüsselbund und öffnete, wie sie, nach längerem, vorsichtigem Probiren den großen Eichenschrank. Hier nahm er heraus, WaS an Geldwerth vorhanden, bemächtigte sich aber auch de« daneben liegenden Testaments, da er so den Verdacht der Entwendung auf sie zu lenken vermochte. Wie eine teuflische Erleuchtung war« ihm bei dem Bericht deS Kocks durch da« Gebirn geschossen, diesen durch Ole'S Abwesenheit begünstigten Di bstabl auszufübren, die Umstände, die auf einen anderen Thäter wiesen, für sich auszunutzen. Auch batte er sich, seit Jahren bekannt mit den Räumen und Verhältnissen im Schloß, bereit« einen Plan sorgsam au«- gearbeitet. Nicht an sich nebmen wollte er da« Geld, sondern e« oben in einem der Gesellschaft«räume verbergen. Nach einiger Zeit, nachdem die Gemütber im Schlöffe sich beruhigt, wollte er e« dort wieder fortnebmea und irgendwo d»e Früchte de« Raube« gemächlich genießen. Nun gallS, nachdem er Alle« wieder sorgfältig an seinen Platz geschoben, noch in dieser Nacht den Schatz hinaus zutragen. Vorder überzählte er, bei jedem dadurch entstehenden Geräusch angstvoll innehaltend, die gestohlene Summe und stellte einen Betrag von 6000 Tbaler in Papier fest. 6000 Thaler waren in Palleten verpackt, in Geldscheinen vorhanden. Also vorwärt-l Er schob mit bebender Gier die Packet« in seine Kleiderlaschen, schaute sich noch einmal um, ob auch Spuren seiner Tbätigkeit zurückgeblieben, schloß darauf die Tbür leise, bebutsam wieder auf und entwich mit der Geräusch losigkeit eines Lichtstrahl« bi« auf den Flur. Von hier schlich er die breit« Treppe oben in den Eorridor hinaus nnd öffnete das äußerste, im linken Flügel befindliche sogenannte Domino-Gemach. Hier verbarg er nach kurzem Wägen in einer alten rumpeligen Commvde Geld und Testament, versteckte den Schlüssel hinter das Sitzpvlster eines ebenfalls dort befind lichen seirenbezogenen Divans und nabm endlich — seinem klopfenden Herzen gebietend, leise den Weg wieder ins Schlaf zimmer hinab. Dort eingetreken, reckte er sich mit gehobener Miene, nnd nach kaum einer Viertelstunde drang schon sei» tiejes Schnarchen durch den dunklen Raum. Kaum ei» Herrscher konnte mit größerem Prunk und mit größeren Ebren begraben werden at« ver verstorbene Gras von Nixvorf auf Skciiihorst. Die höchsten Behörden deS Landes waren erschienen, fast der gesammte holsteinische Adel balle sich eingestellt, und zudem waren auS Land und Stadt zahlreiche angesehenc Personen: Beamte, Privatleute, Gutsbesitzer und endlich auch zahlreiche Lanoeinwohner aus allen zu Steinhorst gehörigen Dörfern herbeigeeilt. Sechs schwarzbehangene Pferde, mit wimpelnde« silbernen Federn auf den Köpfen und silberne» Engeln aus den Zügel- ringen, zogen den Leichenwagen, auf bei», schier vergraben unter Blumen und Kränzen, der Ebenbolzsarg rubte, und hinter ihm schritten Hunderte und ebensoviel jolgten i» ihre» Caroffen. Einen unvergeßlich feierliche» Eindruck gewährte es, den von schwermlltbiger Tranermusik begleiteten Zug langsam und gemessen sich durch die ebene Landschaft bewegen zu seben. Im Flugsander Park, in der Gruft der Ripdorf-, fand die Beisetzung statt, und wenn der Eutiner Propst, Doctor Bogsen, der Leichenrede hrrvorbob, daß hier ein Man», ein Ritter und ein Adeliger im besten Sinne des Worte« begraben werde, so erhob sich in keines der Anwesenden Brust eine Stimme dagegen. Wobt aber richteten sich unwillkürlich tie Blicke auf die Hinterbliebenen, auf den kalt und finster verharrenden Grafen Rudolf mit dem nnbeimtichen rothen Bart und auf die Gräfin Ulrike von Todtteben mit den barten hockiniütbigen Zügen. Aber Zweier Sw»,erz rührte die Herze». Axel war bewegt wie ein Kind, und auch in den Zügen der schönen Jsabella von Todtleben erschien eia AuSvruck schmerzlicher Trauer. Und nach dem letzten Vaterunser, dem die Versammlung mit entblößtem Haupte zubörte, nach stummem Abschied«, banderruck »nd ernster Verneigung löste sich dann der gewal tige Menschenknäuel. Die Landbewohner strebten nach Hause zu gelange», und nur die vornehme Welt bestieg die Wagen, um noch einmal nach Schloß Steinborst rurückzukebren, allwo in den glänzend erleuchtete» Sälen die Tische für das Todteiimahl hcigerichter waren. Uub nach Aufhebung der Tafel aingS binauf i» die sür den benffgcn Tag erschlossenen G-ffellschailsräniue oben, die nicht minder kostbar und prunl roll eingerichtet waren, bis dann nach Kaffee nnd beiße:: L'gneuren endlich der Befehl znm Vo»fabrea der Kutschen enheitl wurde, uuo sich alle die Hunderte von der gräflichen Familie Rixvorf empfahlen. DaS war draußen auf dem Schloßplatz eia Rufen, Lausen, Antworten, Schreie», Stoppen und Wagenrolleal Uiia»ishö»lia- klappien die Wageuschläge, stießen die Hufe aus di« harten Steine der Rampe auf, folgte ein herrische«: „Hüh, hüb!" unter Züzelreißen und Peffschenknalleil, folgte dem fort jagenden ein mit ungeduldig emporstrebendeu Pferden be ipannteS neue« Gefäbrt und entstand wiederum unten im Wagenpark Lärm »nd Schreien, weil die Fuhrwerke beim Nachrücken i»it einander ins Gedränge geritlbe». Und als Vordercouliffe da« von oben b>S unten erleuchtete, schwer in Lickt schwimmende gewaltige Schloß und al« Hinlerwand der dunkle, weit sich dehnende Hof, aus dem zu Zeiten in schwarzen Umrissen die GutSgebäude und die entlaubten Bäume bervorragten, aber auch die zahllosen Wageiilaternen lichter wie unruhig wimmelnde Lnstslämmche» erschienen. Mit alle» Anzeichen völliger Erschöpfung ließ sich, nach dem die letzten Gaste die breiten Treppen hmabgestirgen waren, Ulrike von Todtteben in den seidenbezogenen Lehn- stubl ziirückfallen und auch Axel und Jsabella verharrten, von ver Ermüdung ergriffen, wortlo«. Nur Rudolf von R-xdors dlirchmaß die Flnchi der Gemächer, ließ die gierigen Augen ruhe» auf den schweren Teppichen, reiche« Vorhängen, Bildern und Möbeln und hielt erst mit seiner ruhelosen Wanderung inne, al« Axel da« Schweigen brach und erzählte, daß ibr Verwandter, der alte Graf von Oppen, den Wunsch an den T-'st gelegt bade, die hinten im Dominozimmer stehende alte Rococoeouimod« zum Andenken zu besitzen. S,r sei einst seiner Consine, der Geschwister Mutter, von einen, sächsischen Bekannten, dem Grafen von Brüst, verehrt worden, bade früher allezeit ,m Wohngemach gestanden „nd wäre von der Gräfin eine Zeit lana viel gebraucht worden. Ihm seien bei dem Anblick de« alten Stückes liebe Erinnerungen an sie geweckt worden, und wenn die Geschwister keinen be sonderen Werth auf den bereits etwa« ramponirten Gegen stand legten, werde er durch eine Ueberlaffung sehr er freut sein.
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