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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970109012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897010901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897010901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-09
- Monat1897-01
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Ext»«-Beilage« (gesalzt), nnr mit L«, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung »i 60.—, mit Postdesördrrung ^ 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Äöniglichen Land- «nd Äntlsgericljtes Leipzig, des Rathes «nd Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Amlahmeschlvß für Äuzeigen: Abe,d-Au»ga»«: «onnit«^« 10 Uhr. Morgen-Au-gab«: Nachmittag» »Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» «n, di« Expedition »o richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. Sonnabend den 9. Januar 1897. 9l. Jahrgang. Polizeiliche Discredilirung des Gesetzes über die Sonntagsruhe. K Wir haben dieser Tage eine Versammlung Berliner Gewerbetreibender erwähnt, die den Nnmuth über eine im Oktober ergangene und am I. November in Kraft getretene Polizei-Verordnung über die äußere Heilig- baltung der Sonn- und Feiertage zum Ausdruck gebracht hat. Berliner Kundgebungen sind n» Lause der Jahre in wohlverdienten Mißkredit gerathen, man könnte deshalb geneigt sein, auch die recht kräftigen Ausdrücke, die in der erwähnten Versammlung gefallen sind, und ihre Beschlüsse auf die so häufig zu Tage getretene Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit des reicbsbauptstadtischcn LürgerthumS zurückzusübren. Um zu zeigen, wie verfehlt dieses Unheil im vorliegenden Falle wäre, seien einige Be stimmungen der merkwürdigen Polizeiverordnung mitgetheilt. Dir Angelegenheit beansprucht ein allgemeines Interesse, denn eS handelt sich um Vorschriften, die im Wesent lichen in ganz Preußen erlassen worden sind, also ren Geist der Ccntralverwallung des größten deutsche» Bundesstaates athmen. Schon das Erscheinen der Verordnung an sich hat berechtigte Mißstimmung erregt. Das Gesetz über die Sonntagsruhe ist erst kurze Zeit in Kraft, die Geschäftswelt hat sich kaum in dieselbe eingelebt, und nun läßt man bereits sehr empfindliche Verschärfungen eintreten, zum Unterschied von anderen Bundesstaaten, wo die ersten Ausführungs- bcstimmungen, nachdem sich ihre Härte herausgesteUt, Milderungen erfahren haben. Natürlich haben die neuen preußischen Verordnungen mit dem Arbeitersckutz nichts zu tbun, sie handeln, wie auch ihre Ueberschrist besagt, nur von der äußeren Heilighaltung der Feiertage, der Staat leiht mit ihnen seinen Arm der Kirche, aber ohne Zweifel zu deren wie zu seinem eigenen Nachtheil. Was die Heilighaltung eigentlich erfordert, da» haben sich die rechts- und staatswissen- schastlich gebildeten, zum Theil auch gottesgelahrt«« Herr«« ag der Spitze der Regierung selbst nicht zu sagen getraut' und in Befolgung der in Preußen sonst nicht sehr hoch gehaltenen Maxime, daß nämlich die stete Berührung mit der Bevölke rung die Eignung, sie zu regieren, erhöhe, den unteren Organen, den Schutzleuten, überlassen. Z. B. sind alle die SvnntagSrubc störenden Belustigungen inPrivaträumcn während des Hauptgottesdienstes verboten. WaScineBelustigung ist, ob eine Belustigung stört oder nicht, das entscheidet daS untere Polizeiorgan. Ein Ehepaar begeht daS Fest der goldenen Hochzeit. Ein Freund des Hauses hat zu der Feier ein Lied gedichtet, die Enkelkinder singen es zwischen 10 und 12 Uhr und der Schall dringt auf die Straße. Der Schutzmann bat uun zu befinden, ob das Lied geistlich genug ist, um die Vorübergehenden nickt in ihren heiligen Sonntagsgedanken zu stören. Vielleicht hat der Poet eine schalkhafte Anspielung auf den Tag gemacht, da der Großvater, der concrele Groß vater wohlgemerkt, die concrele Großmutter nahm. Einem puri tanischen Schutzmann wird das zu weltlich, wo nicht gar leicht fertig Vorkommen, er dringt in das Haus und verbietet den Leuten den Gesang. Haften dem Schutzmann aber selbst noch Erdenschlacken an, so summt er vielleicht die Weise mit, cS wird kein Aergerniß „constatirt" und Großmutter kann, wenn sie will, äa. cupo rufen. Der Schutzmann hat auch sonst noch in ästhetischen Fragen zu befinden. „In der Nähe von Kirchen" darf während des ganzen Sonntags keine Musik veranstaltet werden. Was da unter „Musik" zu verstehen ist, muß der vielseitige Behelmte allein beantworten. Er kann meinen, eS fielen nur WirthSkausmusiker unter die Vorschrift, er kann aber ebensogut einem Joachim, der auf seiner Geige ein Stück Beetboven durchspiclt, daS Handwerk für den ganzen Tag legen. Ob Jemand „in der Näbe von Kirchen" musicirt, hat er auch allein zu entscheiden, Venn die Verordnung präcisirt keine Entfernung. Ist der Schutzmann, wie wahrscheinlich, Physiker, so wird er die herrschende Windrichtung in Betracht ziehen und das eine Mal ans das Vorhandensein der verpönten „Nähe" erkennen, das andere Mal nicht. Die Sacke läßt sich scherzhaft behandeln, sie ist aber sehr ernst. Tenn den Polizeiorganen ist tatsächlich gestattet, in die Wohnungen der Bürger zu dring.n und diesen zu bedeute», was sie zu tbun und zu lassen baben. Selbstverständlich bleibt auch das Erwerbsleben nicht frei von belästigenden Eingriffen. „Schankställen, in denen überwiegend Branntwein verkauft wird, sind während des HauptgolteS- diensteS nach der Straße hin verschlossen zu halten." Mit anderen Worten: der Inhaber einer Schnapsbude, der zufällig keinen Nebeneingang hat, darf nicht schänken, seine Kunden dürfen aber zum Eoncurrenten daneben geben, denn dessen Local hat eine Hinterthür. Ob Jemand „überwiegend" Schnaps verkauft oder nicht, stellt natürlich auch der Schutzmann fest. Weiter, und dies befindet ausnahmsweise die Regierung selbst und nicht der Bebelmte, ist es unbcilig, einen theuren Todten der Erde zu übergeben: Leichenbegängnisse sink während der Hauptgones- dienste verboten, ein Gesetz, das im Winter die für Beerdigungen verfügbare Zeit auf wenige Stunden beschränkt und deSbalb in Großstädten die Traueracte auf den Friebböfen zusainmen- drängt, was natürlich der Würde und Weibe nickt zu Statten kommt. Und noch ein letztes von den vielen Beispielen preußischer Regierungsweisheit. Der Transport von Möbeln ist während deS ganzen Sonntags verboten. Bisher war eS bis lO UHr Morgens erlaubt, und viele Tausende von armen Leuten Huben kiest für die Uebersübrung ihrer paar Habseligkeiten vollkommen ausreichende Zeit zum Wechseln der Wohnung an dem arbeitsfreien Tage benutzt. Jetzt müssen Stunden des Erwerbes diesem Geschäft geopfert werden. Daß diese Dinge böses Blut macken, versteht sich von selbst. In keiner Classr der Bevölkerung traut man der Regierung de» thörichten Glauben zu, durch solche Verbote etwas zur Verinnerlichung des sonntäglichen Lebens beilragen zu können. Ueberall sucht man vielmehr hinter den Maßregeln nnr den Willen, die Herrschaft deS orthodox-reactionären Princips äußerlich zu vergegenwärtigen. Es soll wenigstens scheinen, als ob in Berlin und anderen großen preußischen Städten die Ideale des Herrn Stöcker verwirklicht wären. Die Folgen sind selbstverständlich nicht die gewünschten. Zum Beten bringt man durch daS Verbot gewisser Beschäftigungen und Erholungen keinen Menschen, sehr viele der Geärgerten stellen dagegen den bisher gewohnten Kirchenbesuch ein, wenn sie davon nicht geschäftliche Nacktheile befürchten müssen; denn auch das kommt vor. Daneben blüht natürlich das Angebertbum, Alles im Interesse der Religion. In den sieb ziger und achtziger Jahren war eS eine Gewohnheit der Socialdemokratie, an dem Worte von dem Reiche der Gottes furcht und der edlen Sitte, das Wilbelm I. bei Gründung deS deulschenReicheS gebraucht hatte,ihren Witz zu üben. Man konnte die Spötter verachten, denn man wußte, wie es der Herrscher, der mit einer Warnung vor Frömmelei und Heuckelei seine Regierung angetreten batte, seine Worte verstanden wisse» wollte. Tie Gottesfurcht, die beute die preußiscke Polizei anbesieblt und bei deren Ueberwackung sie, mag sie es wollen oder nickt, von Frömmlern und Denuncianten unterstützt wird, die Frömmigkeit giebl einen sehr dankbaren Stoff für social- demokraliscke Zungenübungen ab. Diese Erwägung ist es namentlich, welche die preußischen Mnckerei-Ordonnanzen zu einer deutschen Angelegenheit mackt. Eine andere betrifft die gesetzliche Sonnlagsriihe überhaupt, an der wir als einer wcrthvollcn socialen Errungenschaft fest- halten wollen, die aber durch Ausschreilungen nach der kirchlich- orthodoxen Seite bin discreditirl wird. Blätter wie die „Voss- Ztg.", die in solchen Dingen gute Fühlung mit dem Publicum haben, sind schon so weit, an de» Uebertreibnngen der preußischen Verwa ltung die Unhaltbarkeit des deutschen Gesetzes zu demonstriren, was angesichts der tiefgewurzelten und unseres Erachtens von einer gesunden Volksnatnr zeugenden Abneigung des Deutschen gegen englisck-amerika- niscke SonnkagS-„Heiligung" gar kein gering zu achtendes Sympkom ist. Deutsches Reich. ick. Leipzig, 8. Januar. Berliner Blätter melden über einstimmend, daß eine Einigung der streitenden Buch drucker voraussichtlich in nächster Zeit erfolgen werde. Die Opposition gegen den neuen deutschen Buchdrnckertarif — so beißt eS in der Miltheilung — sei in den letzten Wochen sehr zusammengeschmolzen. Von unparteiischer Seite werde nun mehr die Herstellung eines Einvernehmens auf der Grund lage versucht, daß die Opposition ibr von Herrn Gasch geleitetes Organ, die „Buckdruckerwachl", eingebe» lasse, wo gegen die in Folge ihrer Agitation ausgeschlossenen Mit glieder tzieder im Verbände Äufnabme finden sollen. — Wir können auf Grund eingezogener Erkundigungen hierzu mit- tbeilen, daß an denjenigen hiesigen Stellen, die über der artige Einigungsversuche unterrichtet sein müßten, absolut nichts von solchen bekannt ist. Leipzig, 8. Januar. In einer in der national-socialen „Zeit" erschienenen Neujabrsbetrachtung des Pfarrers Nau mann heißt eS unter deutlichem Hinweis auf Aeußcrnngen hoher Regierungsstellen zum Hamburger Streik u. A.: „Wäre es nickt am besten, bei solcher Lage die Idee eines natio nalen Socialismus überhaupt falle» zu lassen und einfach Socialisten zu sein, obne Kaisertreue und deutsche Reichsbegeisterung? An Nathscklägen in dieser Richtung fehlt es wahrhaftig nicht.". Pfarrer Nau mann weist die Ausführung dieses Gedankens als k!ne „Ver sündigung am deutschen Kaiserthum und an der socialistischen Bewegung des Weiteren zwar zurück, allein es bleibt dock bezeichnend, daß es in der Richtung einer Mauserung zu ein fachen Socialisten ohne Kaisertreue und deutsche Rcichr- begeisterung „wahrhaftig nicht an Rathschlägen fehlt". 0. k. Berlin, 8. Januar. Die Agitation für die Neichstagswahlen im Jahre 1898 hat die Social- demokratir schon seit längerer Zeit ausgenommen; die Eandidatenfrage ist fast überall schon erledigt. Im Groß-n und Ganzen dürften es dieselben Personen sein, auf die am 15. Juni 1893 die erschreckend große Zahl von circa >2/4 Millionen Stimmen sich vereinigte. Mehr als je will man jedoch im socialdemokratischen Lager die Doppelcandidaturen vermeiden; es werben also noch einige Dutzend Localgrößen anttanckcn; 1893 gab es immer noch rund 20 Wahlkreise, in denen socia.demokratische Eandidaluren nicht ausgestellt wurden, jetzt glauben die Führer alle 39? Wahlkreise mit Eandibaten besetzen zn können. Was den Ausfall der Wahlen cinbelrifst, so läßt fick selbstverständlich darüber noch keinerlei Vennuthung begründen. Tbatsachr ist aber, daß die Socialremokratie außeroidentlich hoffnungsvoll den konimenden Dingen entgegensieht. In erster Linie soll darauf Bedacht genommen werden, die Wablkreise, welche die Partei bereits besitzt (Bremen, Lübeck, Lennep, Mett mann) zu behaupten und außerdem eine bestimmte Anzahl »euer (darunter Kassel, Erfurt und Leipzig) zu erobern. Einige socialdeinokraiiscke Führer träumen bereits von sieben Tntzcnd Sitzen im künftigen Reichstage. In Berlin liegen die Aussichten für die bürgerlichen Parteien trostlos; der 4. und der 6. Wahlkreis sind selbst beim geschlossenen Zusammengehen der bürgerlichen Parteien nicht mehr zu erobern; viel besser liegen die Verhältnisse auch im 2. Wahlkreise nickt, wo der Socialdemokrat Fischer 29 470, sein Gegencandidat Dircbow 19 742 Stimmen aus sich vereinigte. Jetzt, nachdem in den neuen Straßen vor dem Halleschen Tkore viele Hunderte von Arbeiter familien Wohnung gesnnden baden, dürfen die Socialvemo- kralen sickerlich aus 36 000 Stimmen zählen. Um die gleiche Stiinmenzabl zu erreichen, dürfen die bürgerlichen Parteien sich nickt die geringste Zersplitterung erlauben. Im 3. und im 5. Wablkreise, vertreten durch die Abgeordneten Vogtherr und Schmidt, liegen die Verhältnisse für die bürgerlichen Parteien etwas besser; der 3. Wahlkreis, in dem der von den Antisemiten bekämpfte Munckel 9697 und Vogtherr l4 063 Stimmen erhielt, bat sich räumlich wenig ausgedehnt; im ü. Wahlkreis stunden l l 245 wcialdemokratijchen Stimmen 9273 bürgerliche gegenüber. Man sollte also mriurn, daß die bürgerlichen Parteien mit geeigneten Candidaten beide Wablkreise zurückerobern könnten. Aber leider ist vorauSzu- seben, daß die zersplitterten Gegner der Socialcemokratie sich nur sehr schwer darüber verständigen werden, welche Can- didate» „geeignet" seien. Im l. Wahlkreis siegte LangerbanS mit 7145 Stimmen über den Schneider Taeterow, der 5267 erhielt. Inzwischen ist die Zahl der „Genossen" in diesem Wahlkreis, obgleich er an Seelenzahl ahgenomnien, bedeutend gewachsen, und somit ist ein svcialbcinokratif'chcr Wahlsieg auch in diesem kleinen Wahlkreise, in dem das könig liche Schloß, die PalaiS, die Miuisterbotels u. s. w. liegen, keine Unmöglichkeit. Hoffentlich schieben die bürgerlichen Parteien die Lösung der Eancidatensrage nickt auf die tanze Bank. Daß bereits das halbe Hundert Eocialtcmokralen im Reichstage außerordentlich erschwerend auf den Fortgang aller Arbeiten wirkt, weiß und beklagt man überall und man kann sich unmöglich darüber täuschen, daß ein Anwacksen der socialdcmokralifchen Manbate bei der Zerrissenheit der bürger lichen Fractionen den Reichstag noch unfruchtbarer macken würde, als er sckon ist. Um so mehr sollten die bürgerlichen Wähler in allen Wahlkreisen, in denen die Socialdemokratie auch nur den geringsten Einfluß auf das Wahlresnltat hat, durch rechtzeitige Versuche, sich über die Candidatenfrage zu einigen, der drohenden Gefahr vorzubeugen trachten. FeitiHetsn. Unsere Kleidung. DaS Mort Rabener'S: „Kleider machen Leute" trifft viel fach zu. Kleider müssen oft Tugenden und Verdienste ersetzen und zu Ansehen vert,elfen; deswegen begegnet Nabcner wenig Personen mit mehr Ehrfurcht als dem Schneider. Verdienste, Verstand sieht er unter seinen Fingern hervorwachsen. Die Kleidung ist ein wichtiges Erkennungszeichen, sie läßt erkennen, welcher Nation der Mensch angehört, welcher Gegend, welchem Tbale er entstammt, wir brauchen nur an die Trachten der Zillertbaler, Pusterthaler u. a. zu erinnern. Kleider charakte- risiren ferner den Rang, den eine Person einnimnit, sie zeigen, wie tapfer, wie reick, wie vornehm Jemand ist. ES braucht uns daher nicht zu wundern, wenn man so viel von den Kleidern spricht. Schon das sechsjährige Mädchen beobachtet seine Mitschülerinnen bezüglich der Kleidung und zieht oft zum Leidwesen der Mutter Vergleiche. Wie jedes Geschlecht seine besondere Kleidung bat, so sollten die Kinder der Kleidung nach ein Geschlecht für sich, ein drittes Geschlecht, bilden und nicht schon mit Allem bedangen werden, was Erwachsene tragen. Uebermäßiger Aufputz bindert daS Kind an der natürlichen gesunden Bewegung, die Damenkleidung wird dem Mädchen gleichsam zur Zwangsjacke, in der es seinen Körper nicht zu recken und zu strecken vermag, ganz abgesehen davon, daß so vornebme Kleidung ein Zugpflaster ist, welches fortwährend die Eitelkeit reizt. Wenn wir die Bedürfnisse der Menschen nach Nahrung, Wohnung und Kleidung nebeneinander halte», so müssen wir entschieden behaupten, daß dem Bedürfnisse nach Kleidung am meisten Rechnung getragen wird, und wir stimmen dem Sinn deS Wortspiels zu: „die meisten Menschen wohnen unter ihren Verhältnissen, leben nach ihre» Verhältnisse» und kleiden sich über ihre Verbältuisse". Warum kleiden wir uns? Die paradiesische Un schuld der Kindheit kleidet sich am liebsten gar nicht. die Wohlanstäntigkeit kleidet sich ganz, die Unanständigkeit halb. Ein nackter Mensch gewährt einen unnatürliche» Anblick, wie ein gerupfter Vogel oder rasirter Hund auch. Wo die Menschengestalt himmlisch idcalisirt und verklärt unS ent- gegentritt, wie in den Engeln, erscheint sie bekleidet. Die Hauptbedeutung der Kleidung liegt freilich nach einer andern Richtung hin, sie liegt in dem Einfluß auf die Wärme ökonomie unseres Körper», eS ist die Kleidung ein wichtiger Regulator unserer Eigenwärme. Diese kommt nicht in den Körper hinein, ist auch nicht von allem Anfang darin enthalten, sondern wird im Körper erzeugt und zwar durch den Vorgang der Verbrennung. Die Wärme,die der Mensch in 24 Stunden producirt, ist nicht gering, sie beträgt nach Pettenkofer ungefähr soviel, daß 3000 Liter Wasser um t Grad EelsiuS erhöht werden könnten, oder 30 Liter um 100 Grad Celsius, also zum Siedepunct. Ein Tbeil dieser Wärme ist Betriebswärme für die LebenSthätigkeit des Körper-, au» einem andern Iheile der Wärme wird die beruflicke Thätigkeit bestritten, und weiter ist dafür zu sorgen, daß die Eigenwärme nicht unter 37,L Grad sinkt. Diese Aufgabe ist für den Köiwer keine leichte, sie wird gelöst mit Hilfe der Kleidung. Sollte für un- die Wärme abgabe nicht nachtbeilig, nicht zu groß werden, so müßten wir unS unbekleidet in einer Temperatur von 27 Grad auf- baltrn. Die Folge davon wäre, daß der Mensch nur in einem kleinen Tbeile de» Erdbälle» leben könnte, wir würden obne Kleidung höchsten« nur und da noch mit Schwierigkeit in der heißen Zone leben können. Nun ist aber der Mensch über die ganze Erde verbreitet und dringt sogar vor in die arktischen Gegenden; die« wird ihm möglich mit einer zweiten Haut, mit der Kleidung. Damit schafft er sich ein paffendes Klima, indem seine Wärme abgabe nicht zu groß wird. Außerdem ist dieses Klima transportabel, der Mensch nimmt eS mit auf seine Reisen. Die Wärme regulirung ist ein großes Kunststück, das unser Körper fertig bringt. Da» Blut de» Neger«, welcher in der heißen Zone unterm Aequalor lebt, ist nicht 0,1 Grad wärmer als da» de» Eskimo im höchsten Norden zur kalten Jahres zeit. Die Mitteltrmperaturen, unter denen Neger und Eskimo leben, unterscheiden sich um etwa 43 Grad Celsius. Wenn wir «in Kleid anzieben, umgeben wir unS gleichzeitig mit einem Mantel von Luft, der sich einmal zusainniensetzl ans der Lust zwischen tri, Kleidern und der Luft in den Kleicer»; die Zcugfajcr spielt hierbei eine untergeordnetere Rolle. E» ist mit unser» Kleidern wie mit den Doppelfenstern. Durch das Heizen wird die Luft im Zimmer warm, an den kalten Fenstern würde Zug rutsteheo. Um dies zu vermeiden, setzt man Doppelfenster ein. Da« Wärmende ist nicht die zweite GlaStasrl, sondern di« gefangen gehaltene Luft. Diese Luftschicht hat eine mittlere Temperatur zwischen der des Zimmers und der Außenlust, wir kommen deswegen gar nicht mit der äußeren Luft in Berührung. Aehnlich ist es mit der Kleidung. Bei großer Kälte würden wir ohne Kleidung erfrieren. Dadurch, daß wir Kleider an- legen, rückt uns die Kälte vom Leib, wir lassen die Kleider für unS frieren. Von dem Wärmeverluste der Kleidung baben wir keine Empfindung, weil bis in diese unsere Haut nerven sich nicht fortsetzen. Wir tragen in unfern Kleidern die Luft deS Südens mit uns umher. Die Tempe ratur in den Kleidern beträgt durchschnittlich 24—30 Grad Celsius. Dem Armen mit dünnen Kleidern, der außerdem wenig zu essen hat, also seinen Körper nur dürftig beize» kann, rückt in Wirklichkeit die Kalte auf den Leib. Kleider sind also nicht Apparate, welche die Luft abhalten sollen. Wir ertragen keine Kleidung, welche nicht eine beständige Venti lation unserer Körxeroberfläche zuläßt. Gummimäntel werden lästig, weil sie den Luftwechsel m den Unterkleidern be schränken. Sie sind gut, um uns vor Nässe von außen zu schützen, machen aber unsere Haut von innen naß, west sie die Verdunstung beeinträchtigen. Mehrere Kleiber über einander gezogen, wirken mehr als ein- von der gleiche» Schwere. Poröse Handschuhe und weite Stiesel halten wärmer als enganliegende. Lange Pelzbaare halten wärmer als kurze und dichte, deswegen ist der Winterpel» unserer HauSlhiere weniger dicht als lang, die Luftschicht ist stärker. Die Kleidung verliert an Werth durch Schmutz, Nässe, ab gestoßene Oberbantjellen, die Poren sind verstopft, außerdem ist ja auch Wasser ein guter Leiter der Wärme und will verdunsten. Nasse Kleiber auf dem Leibe zu trocknen, ist ungesund; damit di« Poren immer lufthaltig bleiben, müsse» wir unsere Kleider von Zeit zu Zeit für un- in» Bad sckickru. Ganz ohne Bedeutung ist jedoch die Zeugsaser nicht, sowohl Farbe als Struktur sind von Wichtigkeit. Schwarze Kleider halte» wärmer als belle, sie verschlucken mehr Wärme, unter eine», schwarzen Tuchläppchen schmilzt der Schnee eher als unter einem farbigen. Auch besitzen die verschiedenen Zeugfalern ein verschiedenes LeitungSoermögen. Man um wickelte einen Cytinder, der mit warmem Wasser gefüllt war, mit verschiedenen Geweben, und fand, daß eS verschieden lange dauerte, ebe das Wasser auf eine bestimmte Temperatur abgektthlt war. Ferner ist bei der G webesaser wichtig, wie sie sich der Feuchtigkeit gegenüber verdält, ob sie dieselbe langsam ausnimmt und langsam abgiedt, oder umgekehrt. Elasiicität, Hyzroskopie, AdhäsionSvcrhällnisse bedingen dies Verhalten. Die Flachsfaser ist stielrund, sie nimmt schnell Wasser auf und giebt eS schnell wieder ab. Daran- folgt' daß bei leinener Leibwäsche, wenn der Körper stark schwitzt, die Haut immer naß bleibt und die VerdunstungSkälte eine größere wirb. Die Wollfaser ist schuppig, dick, nimmt langsam die Feuchtigkeit auf und giebt sie langsam ab, daher wird die Wärmeabgabe keine so plötzliche und die Haut bleibt trocken. So schützen wollene Unterkleider vor Erkältung, sie trocknen die Hanlobersiäche und verlegen dadurch die Verdunstung von der Haut in die Kleidung. Außerdem wird die Ver dunstung verlangsamt. Es ist nicht zufällig, Latz die kalte Zone Pelze, die gemäßigte Schafwolle und die heiße Lein wand und Baumwolle hat. Mit der Frage nach dem Warum hängt auch die zweiie Frage „Wie kleiden wir un«?" zusammen. ES muß die Kleidung in erster Linie ihrem Zwecke ent sprechen. So verschließen wir den großen Aösiutzcanal der Luft nach oben durch ein Halstuch, an den Aermeln mit Müffcke», an den Beinen mit Strümpfen und Stiefeln, denn es ist sehr wichtig, baß die Luftschicht, welche un« umgiebt, stagnier und nicht so oft Weckselt, weil wir sonst die neue kalte Luft immer wieder zu erwärmen baben. Es ist bekannt, daß im Gebirge bei deftigem Schneegestöber, bei welckem fort- wabrend die Luft aus den Kleidern gejagt wird, der Mensch eher uinkommt als bei recht großer Kälte. Gleichzeitig müssen freilich die Kleider auch dem Schönheitsgefühl Rechnung tragen, und diesem opfert man oft in verkehrter Weise zu viel und sucht absichtlich die Welt zu täuschen. In allen Zeiten baben Frauen und Männer sich bemüht, ihre Mängel zu bedecken, Fehler, die entweder von Mutter Natur oder von der Unbarmherzigkeit des Alter- herrührten, zu verbergen. Perser und Babylonier färbten sich die Wimpern und Augen brauen, bemalten sich Gesicht und Lippen mit schönen Farben und 2. Buch der Könige 9, 30 heißt eS: „Dann kam Jesu nach Israel und Jsrbel, die eS gehört batte, schminkte sich da» Gesicht und schmückte den Kopf, stellte sich ans Fenster, um binau-zuseben." Wie mannigfaltig und reich einst die Kinder Israel» ihre Kleidung und ihren Schmuck zu gestalten wußten, erzählt u iS der Prophet JesaiaS am Anfänge seines Buches (Ies. 3, ,>-> u. ff.): „Zu der Zeit wird der Herr den Schmuck an Len tostlichen Schüben wegnebmen, und die Hefte, die Spangen, die Krttlei», die Armspangen, die Hauben, die Flitter«, die Gebraine, die Scknürlein, die Biesamäpfel, die Ohrcnipangen, die Ringe, die Haarbänder, die Feierkleider, die Mäntel, die Schleier, die Beutel, die Spiegel, die
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