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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-02
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Wir haben die letztere im heutigen Morgenblatte im Auszug mit- getbeilt und dabei nur die volksparteilichen Recrimationen wegen der Haltung zur Militairvorlage von 1893 unbeachtet gelassen, Borhaltungen übrigens, die die Absicht der Volkspartei, mit der Vereinigung „unver worren" zu bleiben, auf das Deutlichste bekunden. Wir lassen den Bescheid des volksparteilichen Führers folgen, nicht weil wir ihm den Charakter eines bcachtenswerthen partei- geschichtlichen Aktenstückes zuerkennen, sondern im Gegentheil, weil aus ihm noch klarer als aus der ersten von Herrn Richter ausgcgangenen Abfertigung hervorgeht, daß es sich ernstlich bei dem ganzen Streit nur um eine „Lumperei" handelt, nämlich um die größere oder kleinere Hälfte der 14 Mandate der frei sinnigen Vereinigung. Auch hinsichtlich dieser Hälfte besteht nur „bis jetzt noch die Absicht" der Unterstützung. Richter unterstreicht daSWort und droht ganz deutlich milder gänzlichen Preisgebung der Rickertianer, falls diese sich nicht „brav ausführen", wobei man vor allen Dingen an Marine- odcr Colonialfragen zu denken hat. Was über andere Wahlkreise außer den 14 gesagt wird, läuft ganz deutlich ans die Erklärung hinaus: „Wo für uns und für Euch bestimmt nichts zu holen ist, da wollen wir in GolteS Namen Zusammengehen." Daß es dabei — mit der „ergebensten Anheimstellung" an Herrn Nickert, sich unmittel bar an die Mannen deS Herrn Richter zu wenden — nicht an Hohn feblt, vervollständigt nur den Eindruck der Be deutungslosigkeit dieser ganzen „EinigungS"-Action. Das Schreiben Richter's hat folgenden Wortlaut: Berlin, 31. Januar 1897. An den geschästssi'chrenden Ausschuß des Wahlvercins der Liberalen (Freisinnige Bereinigung) zu Händen des Herrn Reichstags» adgrordneten Rickert. Sehr geehrte Herren! Ihrem am Schluß der gefälligen Anfrage vom 30. Januar ge äußerten Ersuchen um eine möglichst baldige Antwort bin ich in der Lage, Namens-des geschäft-führenden Ausschusses der Freisinnigen BolkSpartei sofort entsprechen zu können, da unser aus den parla- mentarischen Mitgliedern der Partei bestehender Centralausschuß bereits in einer ain 28. Januar stattgehabten Sitzung zu diesen und linderen Fragen Stettung genommen hat. In der Wahlliemrguiig ist stets unser oberster Grundsatz gewesen» die selbstständigen und freien Entschließungen unserer Wählerschaften in den einzelnen Wahlkreisen in Betreff der Person des Candidaten und der Stellung zu anderen Parteien als maß- gebend anzusehen. Wir haben es daher auch stets vermieden, dieser freien Entschließung der Wählerschaften durch bestimmte generelle Formeln oder Schablonen, oder durch allgemeine Abkommen mit anderen Parteien irgendwie zu präjudiciren. Demgemäß kann nach der Ansicht «nsereS CentralauSschusseS auch die Gesammtstrllung der Partei zu anderen Parteirichtungen nicht von oben herab decretirt oder dirigirt werden, sondern muß von unten herauf auS den freien Entschließungen der Wahlkreise sich ausbauen. WaS nun insbesondere die 14 Wahlreise betrifft, welche gegen» wärtig von Mitgliedern Ihrer Fraktion im Reichstag vertreten werden, so sind die in denselben obwaltenden Verhältnisse in unserm gewesen auf Grund der mündlichen Mittbeilungen von Abgeordneten aus den betreffenden Gegenden, der Erklärungen der Delegirten auf den jüngst stattgehabten Bezirksparteitagrn, der Erörterungen in Versammlungen und in der Presse der betreffenden Wahlkreise, sowie direkter Zuschriften aus denselben. Danach liegen in den erwähnten 14 Wahlkreisen die Verhältnisse durchaus verschieden. In einer größeren Anzahl dieser 14 Wahlkreise besteht bei unseren Parteigenossen bis jetzt noch die Absicht, bei den Reichstagswahlen im Jahre 1898 die bisherigen Abgeordneten der Freisinnigen Ver- einigung, falls dieselben wieder aufgestellt werden sollten, zu unter- stützen, sofern nicht bis zum Wahltermin in den politischen Wahlsragen oder im Verhalten der Freisinnigen Bereinigung uns gegenüber größere Gegensätze hervortreten. In anderen Wahlkreisen unter den obigen vierzehn aber liegen die Verhältnisse anders, wie Ihnen selbst ebenso bekannt ist wie uns. Es sind darunter zunächst altsortschrittlichc Wahlkreise, in denen 1893 die zeitigen Abgeordneten in Ihrer Fraktion als Anhänger der Militairvorlage nur von Conservativen und Nationalliberalen aufgestellt wurden, um die bisherige Ver» tretung des Wahlkreises durch einen Abgeordneten unserer Richtung auszuschiießen. Auch gegenwärtig gehören in diesen Wahlkreisen noch alle Freisinnigen mir vereinzelten Ausnahmen der Freisinnigen Bolkspartet an. Wiederum in anderen Wahlkreisen sind die Voraussetzungen der gemeinsamen Wahlen von 1893 seitdem hinfällig geworden dadurch, Laß die betreffenden Abgeordneten die damals vor den Wahlen ge- gebenen Versprechungen, der Annahme der Militairvorlage nur unter der Bedingung der gesetzlichen dauernden Festlegung der zweijährigen Dienstzeit, nicht innegehalten und dadurch sich die Wahlkreise entfremdet und eine Umgestaltung der Parteiverhältnisse in denselben herbeigeführt haben. Nach den aus den betreffenden Wahlkreisen uns vorliegenden bestimmten Erklärungen sind wir daher nach Ansicht des Ccntral- ausschusses nicht in der Lage, ohne die Beziehungen dieser Wähler» schasten auch unserer Partei gegenüber in Frage zu stellen, eine Einwirkung auf dieselben zu Gunsten der Aufstellung eines Candi» daten der Freisinnigen Vereinigung ausüben zu können. Wenn Sie aber gleichwohl glauben, auf unsere Parteigenossen daselbst in Ihrem Sinne einwirken zt» können, so stellen wer ergebenst anheim^ in diesen wenigen Wahlkreisen sich direct an die betreffenden Parteiorganisationen der Freisinnigen Dolkspartei zu wenden. Ich bedauere lebhaft, daß Sie alle Verhandlungen über andere, gegenwärtig nicht durch Freisinnige vertretene Wahlkreise von der Anerkennung eines FractionsbesiystandeS abhängig machen, die uns in dem geforderten Umfang unmöglich ist, wie Sie nach eigener Kenntnis der obwaltenden Verhältnisse bei näherer Prüfung selbst sich nicht verhehlen können. Denn andernfalls würde es nach Ansicht unseres Centralausschuffes nicht ausgeschlossen sein, unter Außerbetrachtlassung derjenigen Wahlkreise, hinsichtlich deren zur Zeit eine Einigung nicht möglich ist, über eine Cooperation in den dazu geeigneten LandeStheilen zu verhandeln, soweit uns dazu von unseren Parteigenossen in den betreffenden Gegenden im Verlauf der Wahlbewegung bei Annäherung des Wahltermin- »ine Er mächtigung gegeben werden sollte. Hochachtungsvoll Eugen Richter. Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, daß Herr Eugen Richter in einem an Herrn vr. Barth adressirten ZeitungS Artikel sich gegen „eine einzige, für alle Wahlkreise maßgebende Wahlparole" für 1898 — Handelsverträge! — erklärt; diese Wahlen, so bemerkt er, würden „durch eine Vielheit von Umständen" entschieden werden. Ferner ist zu berichten, daß Vertreter der süddeutschen VolkSpartri sich mit dem Verhalten der freisinnigen Volk-Partei in diesem Casus einverstanden erklärt haben. Graf Murawjcw hat nun seine Reisen nach Kopen hagen, Paris, Berlin und Kiel hinter sich und kann daran gehen, sich seinen gerade gegenwärtig nicht ganz leichten Geschäften zu widmen, bei denen er sicherlich die auf den Reisen gewonnenen Erfahrungen und persönlichen Eindrücke benutzen wird. Hatte man in Deutschland der Reise des Grasen von vornherein mit großer Seelenruhe gegenüber gestanden, so kann man nach dem Verlaufe der Reise sogar ein Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken. Wir müssen den „Times" Recht geben, wenn sie aus dem zwischen dem Grafen Murawjew und Herrn Hanotaux gewechselten Reden und be sonders aus dem zurückhaltenden Tone der Rede deS französischen Ministers den Schluß ziehen, daß das französisch-russische Bündniß in ein gewisses ruhiges Fahrwasser eingelaufen sei und daß kein Mitglied des Zweibundes mehr daran denke, um der Interessen deS Andern willen die eigenen Interessen aufzuopfern. Das leitende englische Blatt schließt seine recht zutreffenden Erörterungen mit dem Satze: „Der Besuch war ein Act der Höflichkeit gegen Frankreich, aber kein Act der Unhöslichkeit gegen irgend eine andere Macht." Anders urtheilt allerdings der „Figaro", der meint, daß der russische Minister nur eben nach Berlin komme, weil eS sich gar nicht anders machen lasse. Graf Murawjew werde den deutschen Kaiser, da dieser in Kiel sei, nicht einmal zu sehen bekommen. Bei dieser Bedeutungslosigkeit des Berliner Besuches sei also der Besuch in Paris das klarste Zeichen der unverbrüchlichen französisch-russischen Allianz. Der „Figaro" wird nun wohl zu seinem Leidwesen seine Meinung Kaden ändern müsse«; denn Graf Murawjew hat, um dem Kaiser seine Aufwartuog zu machen, die Reise nach Kiel nicht gescheut. Dadurch, sowie durch den Umstand, daß der Besuch in Deutschland erheblich länger gedauert hat und daß Graf Murawjew zu einer engeren persönlichen Fühlung mit den leitenden deutschen Staatsmännern beträchtlich mehr Gelegenheit gehabt hat, als man vor acht Tagen nach den ersten Mitteilungen über den zu erwartenden Besuch hatte annehmen können, ist der Besuch in Deutschland doch aus dem Rahmen eines unver meidlichen Höflichkeitsbesuches berausgetreten. Deutschland und Rußland haben eben so viele Beziehungen, besonders wirtschaftlicher Natur, zu einander, daß einem russischen Staatsmanne die Gelegenheit persönlicher Fühlung mit den Männern an der Spitze des deutschen Reiches nur erwünscht sein kann. Gerade die beiden Staatsmänner, mit denen der russische Minister in Berlin besonders in Beziehung trat, der Reichskanzler und der Freiherr v. Marschall, haben den Wunsch, mit Rußland in freundlichen Beziehungen zu leben, immer bethätigt. Graf Murawjew wird also den Eindruck mit fortgenommen haben, daß er der wohlwollenden Unter stützung der deutschen Politik so lange sicher ist, als seine eigene Politik auf den Bahnen des Friedens wandelt. In Frankreich ruft der Besuch Murawjew's in Kiel um so größere Verstimmung hervor, als Hanotaux im letzten Ministerrath ausdrücklich Hervorzehoben haben soll, Murawjew werde dem Kaiser Wilhelm nickt — nachreisen. Die gegenseitigen AnnäherungS-Bestrebungen zwischen Polen und Russen, welche in den letzten Jahr zehnten zu Tage getreten sind, dürften nicht in letzter Linie darauf zurückzusühren sein, daß die Lage der Dinge sich sehr u Ungunsten der Polen verändert bat. Vor dem deutsch- ranzöstschen Kriege rechneten die Polen auf die Freund schaft und sogar auf eine materielle Unterstützung des mächtigen Frankreich. Jetzt ist ja Frankreich gewiß auch mächtig, aber auf eine Hilfe desselben, oder selbst nur eine moralische Unterstützung können die Polen doch nickt mehr zählen. Ihre Hoffnungen gingen dann auf Oesterreich über, aber sie wurden auch hier bald wieder abgekühlt, indem die that- sächlicken Verhältnisse bewiesen, daß es kaum möglich sei, auf eine Wiederherstellung Polens mit Hilfe der habsburgischen Monarchie zu rechnen. Der Dreibund zeigte in der polnischen Frage nicht ganz die erwartete Solidarität, vielmehr trat in dieser Hinsicht zwischen Deutschland und Oesterreich eine solche Verschiedenheit zu Tage, daß sich die polnischen Politiker entschieden ravon überzeugen mußten, ihre Berech nung, von Oesterreich Hilfe zn erlangen, sei falsch. Die Polen kamen zu der Ueberzeugung, daß sie thatsächlich Niemand hätten, bei dem sie im Kampf mit ihren zwei „Hauplfeinden" — den Deutschen und den Moskalen — eine Stütze finden könnten. „Wir haben keine Freunde!" rufen die polnischen Publicisten betrübt aus. Sogar die Freundschaft der Polen mit den Magyaren, die in dem Haffe beider gegen die Russen ihre Nahrung fand, ist in der letzteren Zeit ganz erkaltet, Dank dem Hochmuth der Magyaren, dem Grenzstreit in der Koben Tatra Galizien gegenüber der Unterdrückung der slawischen Nationalitäten in Ungarn. Das Gefühl der Einsamkeit und völligen Hilflosigkeit fällt zusammen mit einem neuen Vordringen des Deulschthums in Posen. Da nun der Westen nichts Erfreuliches bietet, sucht die polnische Intelligenz ihre Mißstimmung gegen die Mos kalen zu überwinden und richtet ihre Augen nach dem Osten, und zwar gerade in einem Moment, wo die Macht Rußlands stark hervortritt. So mag sich in der polnischen Gesellschaft Fenilletsn 26! Die Rirdorss. Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verböte». Er wollte zugleich die Gelegenheit ergreifen, auf Axel s gutes und gerechtes Herz einzusprechen, ihn, nachdem er ihn anerkannt, sich durch diese Begegnung persönlich geneigt macken. Zu seiner großen Befremdung sah er, als er^sich dem Hause näherte, den Rixdsrfer Wagen vor dem Todtleben- schen Herrenhause halten, und war schon im Begriff, den zur Begrüßung an den Hut fassenden Kutscher Klas des Näheren zu befragen, als er den Diener aus dem Hause kommen und durch den Vorgarten schreiten sah. „Der Graf sei sehr krank! Der Oberinspektor Henningsen lasse es melden. Comtessc wolle gleich mit hinausfahren!" erklärte er, stramm sich aufricktend, auf James' Ansprache. Diese Nachricht regte JameS nicht wenig auf, aber um so mehr wollte er Jsabella sprechen. Er konnte sich ihr vielleicht anschließen, mit der Rixdorf'schen Halbchaise nach Flugsande gelangen. So eilte er rasch an das HauS, das unbequeme Gefühl, seiner Tante zu begegnen, unter drückend. Die Gräfin sei nicht Wohl und habe das Bett bisher nicht verlassen, meldete der Kammerdiener, als James den Flur betrat. Eben sei die Comtesso, die im Garten gewesen, zu ihr hinaufgegangen. „So sagen Sie der Gräfin gar nickt, daß ich hier war, melden Sie e- nur der Comtesse, wenn sie herabkvmmt", ent schied JameS erleichtert und drückte dem tiefdienernden Menschen ein Trinkgeld in die Hand. Hierauf öffnete er da- Wohnzimmer, ließ sich dort nieder und griff nach Lectüre. Nach Verlauf von zehn Minuten hörte er Jsabella die Treppe herabkvinmen, auch draußen sprechen, und im nächsten Augenblick trat sie in einem reizenden, hellgeblümten Seiden kleide, heute mehr denn je umflossen von Schönheit und allem Liebreiz, der Frauen zu umgeben vermag, ins Zimmer. Auch reichte sie ihm, die Vertraulichkeit, zu der eS sie drängte, zartsinnig unterdrückend, mit jener durch Wiedersehensfreude gehobenen freimüthigen Herzlichkeit die Hand, die ihrem jetzigen Verhältniß entsprach. Und Beide berichteten, und zuletzt warf JameS die Frage auf, ob sie nicht zusammen fahren könnten. „Mama wird eS sehr unpassend finden —" wandte Jsabella schelmisch eia. „Und die guten Eutiner werden sich auch die Hälse ganz wund recken, wenn sie uns zusammen kutschiren sehen", ergänzte sie. „Aber ich weiß etwa- Andere-, Ich werde noch etwa- mit der Abfahrt warten. Du aber —" Jsabella erröthete sanft bei dieser neu eingetretrnen Vertraulichkeitsform — „gehst vor die Stadt und dort steigst Du ein. Jst's Dir recht?" „Und ob —" bestätigte James überselig, dann schieden sie. Zwei Glückliche fuhren dahin. Unausgesprochene Liebe war ihr Begleiter, durch sie geriethen sie in jenen Zustand selischer Berauschung, der keinem gehobenen Zustand auf dieser Welt vergleichbar. Blicke und kleine Nebendinge, rücksichtsvolles Fragen nach der Bequemlichkeit deS Anderen, rasches Blicken nach der herabgeglittenen Decke, sanftes Be tonen der Worte und begeistertes Beipflichtcn, Horcken und Erzählen mit dem steten Hintergrund, dem Anderen zu gefallen, verstecktes Werben und Kosen, Betteln und Gewähren. Fragen und Antworten, Zweifel und Glauben. Und wiederum sprach auch Jsabella über ihre Mutter mit jener Offenheit, die man nur Personen gegenüber an wendet, mit denen man sich innerlich verwachsen füblt, sie berührte insbesondere deren Verbalten am gestrigen Abend. „Ich habe es ihr auch heute Morgen Vorbehalten. Wenn sie sich in Deine Situation hineinversetzte, würde es ihr klar werden, wie verletzend ihre Aeußerungen gewesen. Aber daran wirst Du Dich gewöhnen müssen, James. Ein Trost mag Dir sein, daß sowohl meine Mutter als Rudolf bei Niemandem eine Ausnahme machen. Sie gehören eben zu jenen Personen, die stets Unangenehmes sagen müssen; sie haben kein Gefühl dafür, wie sie die Menschen abstoßen, wie sie dadurch eine feinere Erziehung, die des Herzens, verleugnen. „Ich habe es auch nur so aufgefaßt!" schob JameS rück sichtsvoll rin. „Ich werde nicht verletzt, weil ich ihre Art schon kenne, und ich werde mich damit abzufinden wissen, weil ich nie vergessen werde, daß sie meine ältere Verwandte, daß sie — Deine Mutter ist." Jsabella lohnte diese Aeußerung durch einen hingebenden Blick, ja, sie streckte ihrem Vetter die Hand hin und sagte: „Ja, so bist Du, rücksichtsvoll und edelgesinnt, und des halb wird's Dir auch im Leben gelingen." Sie sprachen dann über Witt'S und über Axel und ge- rietben zuletzt auf Rudolf. Jsabella erklärte ihre Absicht, ihm, sobald sein Zustand es erlaubte, nochmal- ins Gewissen zu reden. Sie wollte mit allen Mitteln darauf hinwirkcn, einen Vergleich dennoch zu Stande zu bringen. Sie schloß mit den Worten: „Sag', JameS, zu welchen Concessionen wärest Du denn bereit? Bestehst Du auf Steinhorst? Würdest Du, um deS Friedens willen, nicht auch mit einem kleineren Besitz hier in der Nähe zufrieden sein? Geht Dein Ehrgeiz gerade auf Steinhorst?" „Ja!" erwiderte der junge Mann fest. „Alle-, WaS Du mir jüngst sagtest, hat sich in meinem Innern einaegraben. Ick fühle die Pflicht, einzugreifen, eine solche Aufgabe im höheren Sinne zu lösen; eS regt sich der Geist meines Großvaters in mir. der es als seine Lebensaufgabe betrachtete, das ihm vom Schicksal anverlraute Gut nicht nur weise zu ver walten, sondern zu verbessern uno zu vermehren, seinen Untergebenen rin Vater zu sein, Glück und Wohlstand in den ihm zugewiesenen Grenzen zu fördern. Nur eines würde mich veranlassen können, Verzicht zu leisten, wenn nämlich etwas Anderes, noch weit Herrlicheres mir dadurch entginge, wenn — wenn" Er stockte. „Wenn, wenn?" Jsabella sprach's sanft, die Worte dehnend und das emporgehobene Auge rasch wieder senkend: „Nun ja, wenn —" Er hielt abermals inne. Aber dann feurig, stürmisch, indem er ihr abgewandtes Auge suchte und nach ihrer Hand faßte: „Ack, Du weißtS ja, Jsabella — Liebe — Einzige —" Und er sah, wie'S über ihr Angesicht fluthete, wie trotz der Verwirrung ihr Auge flammte, wie sich ihre Brust hob und senkte. Dann aber schraken sie auf aus ihrem Rausch. Ein fremdes Gefährl kam vorüber. Auch tauchte Sckloß Stein borst bereits vor ihren Blicken auf. Tie breiten, weißen Mauern des Schlosses schimmerten unter dem Grün bcrvor. Sie einigten sich darüber, daß James zwar mit auf den Hof fahren, aber nachdem Jsabella abgestiegen, denselben Wagen gleich nach Flugsande weiter benutzen solle. Nach mittags wollten sie nach Eutin zurückkehren; zu diesem Zweck würde Jsabella um zwei Uhr mit einem andern Gefährt im Krug an der Landstraße ihren Vetter abholen. Während sie eben noch sprachen, bog das Gefährt des Eutiner Physicus, vom Schloß kommend, um die Chaussee- Ecke, und im nächsten ließ der Doctor, Jsabella erkennend, halten und sprang vom Wagen. Nach vorangegangener, durch Jsabella vermittelter Vor stellung, stattete letzterer Bericht über des Kranken Be finden ab. — Der Graf sei, erklärte er, momentan bei Besinnung, aber in einer höchst erregten Verfassung. Er verlange nack Fräulein Witt und wettere wie ein Rasender über deS Kutschers Ausbleiben. Er, der Physicus, habe versprechen müssen, sich um die Angelegenheit zu bekümmern und erachte deren Erscheinen geradezu als eine Mitbediogung für seine Wiedergenesung. Es wirkten aus den Kranken die seelischen Eindrücke, aber auch die Kopfwunde, die ihn schmerze und sein Gehirn ver wirre; überhaupt sei des Grasen Zustand im höchsten Grade besoranißerregend. Er habe Pieck aubefohlen, ihn nicht zu verlasen und namentlich zu verhindern, daß er das Belt verlasse. Er würde ganz irrsinnige, gefahrbringende Dinge thun önnen. Dieser Bericht flößte Jsabella die schwerste Besorgnis ein. Das Schlimmste konnte sich ereignen. Nach den gestrigen Vorfällen war Alles denkbar. Und JameS konnte sich ihr nicht auschließen, um sie zu beschützen. Nach Dem, wa» vorgefallen, war'- unmöglich, daß er da- Schloß betrat, gar Ruvols sich näherte. DaS Alles erklärte sie auch dem Doctor, bat um seinen Rath und schloß mit der Bitte, mit ihr umzukehren und Martha Witt'S Eintreffen abzuwarten. Während sie aber noch beriechen, sprengte ein reitender Bote in Carriöre um die Ecke. Sowie er den Doctor und die Herrschaften sah, riß er das Pferd zurück und meldete, daß er von Pieck und rem Oberinspector abgesand sei, um den Doctor zurückzuholen. Der Graf sei aus dem Bett, habe Pieck zur Thür hinausgeworfen, hinter sich das Zimmer verrammelt, und jetzt eben schösse er mit einer Jagdflinte durchs offene Fenster auf Alles, was auf dem Hofe erscheine. Er schreie hinaus, daß Alle sich gegen ihn verschworen hätten, er wolle sich rächen. Er sei völlig von Sinnen und ihm beizukommen unmöglich. Und kaum, nachdem diese Meldung erfolgt war, hörte man hinten auf dem Hofe einen furchtbaren Lärm und auch die Töne der Feuerglocke. Um Gottes Willen, waS war das. Im Galovp setzten sich Alle von der Chausse durch den Park in Bewegung. Und La bot sich ihnen denn ein unerwarteter, fürchter- sicher und trauriger Anblick! Steinhorst brannte. Aus den Fenstern links, rechts wälzten sich die Rauchsäulen heraus, und nun eben schoß eine mächtige Feuergarbe auch aus dem oberen Stock. Und ganz oben auf der Balcon-Brüstung des Thurmes stand Rudolf von Rixdorf, nur mit einem Nachthemd be kleidet, zeitweilig schreiend, tobend und drohend zu denen unten sich herabwend, und hißte — völlig Wahnsinniges treibend — die Rixdorfer Fahne auf. Im blutrotben Felde, mit dem Habicht in der Mitte, flatterte sie in die Luft heraus, bis sie durch einen dicken schwarzen, auch hier emporqualmen- den Rauch verdunkelt und auch die Gestalt des Wahnsinnigen dadurch den Blicken entzogen ward. Und nun ging's hinein in das Sckloß. Die Beherzten, James voran — um die Wertsachen aus Rudolfs Zimmer zu retten — aber namentlich auch, um nach ihm, dem Unglück lichen, zu sehen, ihn womöglich zwangsweise aus dem brennenden Schloß herauszuschaffen. Ader von hier nach oben zu kommen, war schon völlig unmöglich geworden. Ein Versuch, den James, lediglich von Pflicht und Menschenliebe getrieben, später vermittelst einer Leiter machte, mißlang gleichfalls. Rauch und Hitze drohten ihn schon am Eingang zu ersticken. Ueberbaupt schien Alles verloren. Wie rasend griffen die Flammen in die Eingeweide des stolzen Gebäudes. Wohin man sab, loderten Feuersäulen empor. Der durch die offenen Tbüren hervorgerufene Zug beförderte die Macht, Kraft und Gier deS zerstörenden Elements, und nur noch mehr Verwüstung ward durch die Wasser hervorgerufen, die aus den von den GutSiusaffen be dienten und von Henningsen geleiteten Spritzen auf daS brennende Gebäude gerichtet wurden. Und von Rudolf nickt« AlS nach furchtbaren Stunden der Aufregung immer noch der Herrscher von Steinborst nicht sichtbar ward, weder aus dem Hof noch im Garten, wohin man glaubte, daß er sich
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