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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970204011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
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Bezugr-Prei- i>» HeulptrrpedViou rcke, du i« Stadt« »d dü Narortru errichteten Au»« Lu«»,«halt: vierteli<chrlichX4.üO. zwetmaltzer täglicher Zustellung in» Lem» LüL Dmw die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich >.-«». Direete tügltchr Kreuzbandsendung i>» «Man»: «unatlich 7.S0. Bi»M«rgu-v»»gabe erscheint um '/»? Uhr. dt» «bend-Nu-gabe Wochentag» um b Uhr. Nr-artion und Lrpe-Mo«: J«hau«e»,affe 8. Die Lrpedition ist Wochentag» ««unterbrochen >e»ffn«t von früh S »1» Abend» 7 Uhr. Moraen-Ausgabe amyer und Tageblatt Hahn), " Filiale«: Vit» Klemm'» Cortt«. (Alfred H, UaiversitätSstraße 8 (Paulinum), Löst» Lösche, Aatharkiustr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Anzeiger. ÄAtsvkatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nalizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 62. Donnerstag den 4. Februar 1897. Frankreich und Elsaß-Lothringen. «,». Tor einiger Zeit haben wir in einem Artikel „Fran zösischer Schulbücher-ChauviniSmuS" auf die unfreundliche Stimmung hingewiesen, die in weitverbreiteten französischen Schulbüchern gegen Deutschland zum Ausdruck kommt. Wir batten diese Stimmung durch eine Reihe von Beispielen belegt, möchten aber jetzt noch einmal auf den Gegenstand zurückkommen. Beschränken wollen wir uns dabei auf solche Aeußeruugen, die sich auf Elsaß-Lothringen insbesondere beziehen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die gangbarsten chulatlanten. Eins dieser Bücher ist der von der „Librairie Laroufse" in Paris zebene „lüvre-^tlas cko Zäo- herauSgege xrkpkcke" von Bedel u. A. Auf den politischen Karten deS billigen und in Behandlung und Ausstattung vortrefflichen Büchleins ist Deutsch-Elsaß-Lothringen beharrlich mit beson derer Farbe bedacht. Im Texte sind bei der Zusammenstellung der französischen Departements die beiden zu Deutschland gehörigen Departements Ober- und Nnterrhein mit anf- geführt, von einem Trauerrand in folgender Weise eingefaßt: 1.6 Haut-Müll I.e Las-Ktüll. . Colmar . Strasbourg Der Schüler wird belehrt, daß man aus den Resten der früheren Departements La Meurthe und La Moselle solange, dis jenes französische Gebiet wieder an daö Stammland zurückkomme, das Departement Meurthe- ct°Moselle gebildet habe. Auch der im gleichen Berlage erschienene „lüvre-^tlas" von Eharles Lassailly (Cours mo^en et supsriour ck6 geograpbie) hat für Elsaß-Lothringen eine besondere Farbe auf der Walze, die selbst bei der Höhen karte von Frankreich nicht fehlen darf. Bei der Besprechung des deutschen Reiches ist das NeichS- lsnd ganz übergangen; am Ende derselben findet sich nur ein Hinweis „Elsaß-Lothringen siehe S. 23." Auf dieser Seite ist baS Re ich Stand Venn auch wirklich behandelt — unter Frankreich. Die in schwarze Linien gesetzten Worte „^.Isactz-L,orraill6^, in fetter Schrift gedruckt, ersparen uns weiteres Suchen und überzeugen uns zugleich, daß die Trauerrand-Idee Vedel'S oder seiner Mitarbeiter Anklang gefunden hat. Oder geht sie von Lassaily aus? Unverblümter und bestimmter nämlich als Bedel äußert sich Monsieur Laffailly über die elsaß-lothringische „Frage"; ist sein Atlas doch auch ein „cours viozeu et supörisur", während der uns vorliegende Bedel'sche als ,,cours 6Ismo»taire et xrewiöre auiistz cku cours mozou" bezeichnet ist. Laffailly weiß bestimmt: „DieAbtretung von Elsaß-Lothringen an Deutschland war ein zu gewaltsamer Act, als daß er endgiltig sein könnte. Früher oder später werden diese Provinzen wieder an Frankreich kommen, Grund genug, ihre geographische Behandlung an diejenige unseres Baterlandes anzuschließen. Deutschland bat uns nach dem unglücklichen Kriege von 1870/71 Elsaß- Lothringen entrissen (ai-rackS), daS seit zwei Jahrhunderten in unserem Besitz war und dessen Bewohner sich als Franzosen fühlen." A. Ga zier hebt in seinem sehr brauchbaren „Xouveau äletlouuaire MustE in übertreibender Weise hervor, franzö sische Sitten und Gesinnung seien im Reichslande so fest gewurzelt, daß alle Gerinanisirungsversuche bis jetzt daran scheiterten*); die Neubearbeiter der ..deograpbic" des Abtes Gaultier unterscheiden gelegentlich zwischen Deutschland und Elsaß-Lothringen. Ernesl Lavrsse säe l'^cackömic üau^aise) in seiner kleinen ..üistoire gsnörale" erklärt, daß die anderthalb Millionen „Franzosen" in' Elsaß-Lothringen keine Deutschen sein wollen, und meint noch in der 1896 erschienenen 9. Auflage, wie der Curivsikät halber erwähnt sei, die Deutschen wären nicht frei, weil sie dem König von Preußen und Herrn von Bismarck (1896! waö sagt die Akademie dazu?) gehorchen müßten. Er beklagt es, daß daS Reichs land ohne eine Volksabstimmung deutsch geworden sei, daß mau seinen Bewohnern nicht einmal das Recht der Selbst regierung wie den übrigen Staaten gelaffen habe, daß das Land durch preußische Beamte regiert und von preußischen Soldaten besetzt (occupö) sei. Während von Männern der Schule und auch der Wissenschaft die Revanche-Idee gepflegt und bei Gelegenheit gewissermaßen die elsaß-lothringische Frage ausgeroüt wird, scheint sie im Heere ein stereotypes Thema zu bilden. Als Gewährsmann führen wir R. Balle ry-Ravot an. Dieser hat ein von der ^cackSmic trautzaisc mit einem Preise ge kröntes ..skourval ck'uu voloutairo ck'uu au au lO« Ü6 liguo" geschrieben, das eine eindrucksvolle, verständige und wohl auch un- PaneiischeScbilderung des Easernenlebens giebt. Darin werden einmal Soldaten beim Loltospiek vorgesührt. Ein aller Soldat, der die Lottonummern auSruft, macht zu jeder seine Bemerkung. 3l ist ihm der Tag ohne Brod; er weiß näm lich zu berichten, daß es während der Gefangenschaft in Preußen 1870/71 monatlich nur dreißig Rationen gab, und daß man bei Monaten mit 31 Tagen am letzten hungern mußte. Die Zahl 89 aber bedeutet ihm die 89 Departements. IedeSmal, wenn die Zahl wiederkommt, ruft er: „Wir haben nur noch 86", und die übrige Mannschaft antwortet ikm daraus: „Wir werden aber wieder auf 89 kommen." — An der Wand der Stube hat ein Osficier die Karte von Frank reich entworfen und durch eine schwarze Linie die neue Grenze bezeichnet. Der erste und der letzte Blick der Soldaten fällt auf diesen Einschnitt in Frankreich. In der Compagnie sind zwei Lothringer und ein Elsässer. Zur Bewillkommnung singt ein aller Soldat den „Aaltro ck'öcols alsaoion" folgenden ZnbaltS: In einer Schule des Elsaß sitzen im sonnen- besckienenen Schulzimmer Knaben und Mädchen. Es ist Lesestunde. Alle Kinder sprechen leiser. Denn eben hat der alte Schulmeister gesagt: „Wir wollen unsere alteSprache reden. Liebe Kinder, leise, leise, denn die deutsche Patrouille geht vorbei. Elsässer Kinder dürfen nicht mehr französisch sprechen." Wie der Lehrer Frankreichs gedenkt, treten ihm die Tbränen in die Augen; die stillen, vaterlosen Kinder aber lernen die Hoffnung aus seinen Worten. „Am Abend", sagt er zu ihnen, „wenn ihr die Hände zum Gebet faltet, dann betet in der Sprache eurer Bäter, die auf unseren Wegen gefallen sind. Ihr Kinder, schwer habt ihr unter dem Kriege zu *) Bekanntlich sind gerade germanische Sitten und Anschauungen, besonders bei der Landbevölkerung, noch treu erhallen. D. Red. d. „Leipz. Tagebl." „id.n °°r»ch>>ch' »>>/.'«7« SMGZGL-L 9?ps,'ni'n wird von den Soldaten, die Mil ^uyen, bebiiliä Die Freiwilligen sind am Ende ihrer Dienst- Elsaß darstellt. Die Schmerzen, welche die Dame s 1870 ausrusteben gehabt bat, haben auf der Stirn ablrei^ Ein . großer Tbranen- tropfen rollt über ihre Wange, wahrend e>n zw-'ler vorläufig noch von den Wimpern zuruckgehalten "wb, aber zeven Augenblick seinem Vorgänger Nachfolgen kann. Dock, so liefe Trauer sich auck in den. Gefickt ausspr.cht, der Ausdruck des Stolzes ist daraus noch nicht ge,ckwunden, und um d n Mund spielt ein Zug von Unversöhnt,ckkeit »"d Trotz. es, der Elsaß, der wobt besiegt werden konnte, aber si» nicht unterworfen bat. Auf der Brust siebt man e.ne 3mm°rtellen- kette und ein Kreuz: Erinnerung und Hoffnung. D" Haupt- mann, der denkt, man wolle ihm Blumen sanken, wem zunächst bas Geschenk zurück. AlS er aber den Kop der Elsässerin auS Heu und Papier auftauchen siebt-...da treten ihm wei Tbränen (also für jede Tbrane der Elfaffer.n e.ne) in die Augen. Er drückt der Deputation seiner Freiwilligen ungestüm die Hände und bedankt sich mit den Worten, „ück verstehe Sie. Ueberbringen Sie Ihren Kameraden meinen Dank." . , Man gebt kaum fehl, wenn man derartige Beispiele als symptomatisch und typisch ansiebt: es zeigt sich in ihnen eine wirkliche, feste Grundanschauung, deren Träger schwerlich geneigt sein werben, ihrem Denken und Empfinden eine andere Richtung zu geben. Wenn dagegen einzelne mehr oder weniger hervorragende Schriftsteller, Politiker oder MilitairS sich im Deutschenbaß gefallen ober gefallen haben, so mag man immerhin annehmen, daß sie einer subjektiven Ueberzeugung Ausdruck verleihen, und daher weniger Gewicht darauf legen. Bester wird man freilich auch hier fahren, wenn man derartige persönliche Aeußeruugen als von einer allgemeinen Grundstimmung ausgegangen an sieht. Unzweifelhaft verleiht z. B. Alexis Bouvier in seinem Roman „Colette" einer solchen Ausdruck, wenn er von dem Helden seiner Geschichte, Marius, erzählt: „Er fühlte sich niedergeschlagen, als er durch diese« alte Stück von Frankreich reifte, daS von Fremden beherrscht ist, dieses Elsässer Land, für daS er gekämpft hatte." Deutsches Reich. -2- Leipzig, 2. Februar. Daß ultramontaner Fanatismus selbst WohlfabrtSeinrichtungen unter dem Gesichtswinkel römisch-katholischen Glaubens betrachtet, ist eine wiederholt Anzeigeu-Prei- He e gespaltene PetitzeUe ro Pkg. Reklame» »»tet dem RedacttowksttiH (4g» spalten) bO/H, vor de» Fmniltennachrkchien (6 gespülte») 40-H. Größer« Schriflea laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Atsserniatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur »ff; hze Morgen-Ausgabe, ohue Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^ 70.—. AunalMeschluk für Anzeigen: Abeud'Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Margeu.Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen stad stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. SI. Jahrgang. die .Germania" in ihrer Nr. 26 vom 2. d. Mts., in welcher sie fick aus Leipzig schreiben läßt: „Nicht weniger als 8000 Diennrnädcben wandern hier alljährlich ein, fetzt zu Lichtmeß zieht wieder eine größere Anzahl solcher nach Leipzig und deshalb wollen die Mitglieder der hiesigen Frauen- rereiniguna „Mädchenschutz" wieder Bahnhofsmission treiben. Die Damen, welche weiße Armbinde mit rosa Kreuz tragen, führen die Mädchen einem der „christlichen Sonntagövereine" oder auch direct den Herrschaften zu. Wie manckes katholische Mädchen mag da den evan gelischen Vereinen zugefübrt werden!" u. s. w. Die werk tätige Nächstenliebe, die den von reichstem Erfolge gekrönten Versuch niiternimml, ohne Ansehen der Person und des Glaubens fremde, unerfahrene oder leichtgläubige Mädchen nach Möglichkeit vor den Gefahren der Großstadt zu be wahren, wiegt darnach nicht so schwer wie der Umstand, daß auch katholische Mädchen in evangelischen Mädchen heimen eine gern gewährte und noch stets dankbar empfundene Aufnahme gefunden baden. Die Bethätigung des Wortes „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" mag der ultramon- kanen „Germania" allerdings fremd genug sein. * Leipzig, 3. Februar. Herr I. G. Findel schreibt uns: „Ihr gestriger Artikel aus Rom (Abendblatt) führt die sonderbare Entscheidung der vom Trienter Eonzreß zur Ent scheiduug der „Vaugkan-Frage" eingesetzten römischen Commission auf die vaiicanische Geringschätzung wissenschaft licher Beweise zurück. So wenig diese anzuzweiseln, dürste roch eine andere Lesart die wahrscheinlichere sein. Wenn die Commission auch die deutschen CentruoiSblätter nicht lesen konnte, so war sie dennoch über den Stand der Dinge tbeiks durch Abbö Baumgarlen u. A., tbeils durch die französische Presse („UniverS") genau unterrichtet, so genau, daß sie, wie die „Köln. Volksztg." meint, nur ein negatives Urtbeil fällen und die Miß für eine Romansigur (aus W. Scott) erklären konnte. Daß sie aus weichend entschied, wird höchst wahrscheinlich Folge einer Vereinbarung mit Leo Taxil sein, der nicht verfehlt haben wird, mit der Veröffentlichung seiner ver traulichen, die Klerisei btoßstellenden Zuschriften zu drohen, wenn seine Miß auS der Welt geschafft würde. Die von der / _ _ ... ^ zusetzen, sie mildert die Bloßstellung deS Papstes, der Cardinäk und Bischöfe und gestattet die Verwendung der „Enthüllungen" der Miß gegen die Freimaurer, eventuell auch deren spätere Heiligsprechung. Herr Taxil behält überdies sein schätzbare? Material zur Verfügung, welches ihm gestattet, auch fernerhin einen Druck auf die Kirche und ihre Vertreter auszullben und seinen Vortbeil zu wahren. Kurz, Herr Taxil ist ein Genie (vergleiche „Die katholische Klerisei auf der Leimruthe oder der Norhstand des Papsttbums")." K Berlin, 2. Februar. Die „Germania" hat vor mehr als zwei Wochen eine eingehende Betrachtung über den Fall des Probstcs SzadzinSki angekünbigt. Sie ist jedoch diese Betrachtung bisher schuldig geblieben, und heule erscheint in ihren Spalten ein nichtssagender Hetzartikel gegen die Polen- polirik der Regierung, in dem des Vorganges von Witaschütz FeuiUetoir. Aeker Ratten und ihre Könige. Nachdruck verboten. Niemand wird behaupten wollen, daß die Ratten schöne oder angenehme Tbiere seien. Im Gegentheil, Jeder wird gern einräumen, daß sie greuliche, widerliche Bestien sind und daß im Vergleich zu ihnen die Hausmäuse reizende Geschöpfchen genannt zu werden verdienen. Besonders ekelhaft wird die Ratte durch ihren langen, kahlen oder doch nur ganz kurz und spärlich behaarten Schwanz, der ihr hinten nach schleppt wie ein an ihr fest gesogener Rinaelwurni, und durch den abscheulichen, dicken Hängebauch. Nichts weniger als erquicklich sind auch die Umstände der Lebensweise deS frechen Schmarotzers, besonders seine unterirdischen AufenthaltSstellen in Canälen, Cloaken und Aborten. Und doch, — man könnte beinahe sagen, Mutter Natur weiß fast immer auf die eine oder andere Art einen Ausgleich zu schaffen und selbst den widerlichsten ihrer Kinder wenigstens ein Angebinde in die Wiege zu legen, daS im Stande ist, unsere Abscheu doch einiger maßen herabzuflimmen. Selbst die Kröte, kein Schooßkind der Schönheit im Uebrigen, das kann gern zugegeben werden, erfreut sich mindesten» einer farbenprächtigen Iris deS AugeS, was dem wohlwollenden Tbierfreunde genügt. ES ist eine leider sehr landlausige Anmaßung des Menschen, dieses kümmer lichen WicktleinS, das sich Herr der Schöpfung zu sein dünkt, daß die Natur in ihrem Thun und Lassen sich wesentlich nach seinen Interessen richte. LaS ich doch einmal in einem, noch dazu von so einer Art Fachmann, einem höheren Forstbeamten, verfaßten Schriftche», die Schmetterlinge seien erschaffen worden, um Feld und Wiesen zu beleben und des Menschen Auge zu er quicken. Wäre der Gedanke nicht so entsetzlich albern und wäre er etwa nur im Kopfe eines sentimentalen Dichter lings entsprungen, so könnte man in Versuchung kommen, ibn naiv-sinnig zu nennen. So aber — kurzsichtiger Thor! Bevor an die Gegenwart deS Menschen auf Erden zu denken war, haben Hunderte und Tausende wundervoller, jetzt längst verschwundener Thierarten gelebt, und die Schmetterlioae Neu-GuincaS waren nicht weniger herrlich und Prächtig al» jetzt, bevor eines Menschen Fuß die Rieseninsel betrat, und würden cS sein, auck wenn der keines Einzigen sie jemals betreten hätte und betreten würde! — Nichts ist lächerlicher al- den „anthropo-centrischen" Standpunkt dem Walten der Natur gegenüber einnehmen zu wollen. Dock — wo liegt nun im Aeußeren der Ratte da- ver» söhnende Moment? In den wirklich schönen Augen, durch die daS Köpfchen deS Na^erS ein kluges Ansehen gewinnt. Und eS sind auch kluge Thiere, die Ratten, sehr kluge sogar, eS giebt in der Tbat ganz erstaunliche Beispiele ihrer Klug heit, und noch viel erstaunlichere werden erzählt, hier und da sogar geglaubt. Die Tbiere lassen sich mit Leichtigkeit abrichten unv dressiren und werden sehr anhänglich an ihre Wohlthäter und Pfleger. Wer Theodor Storm'S Werke kennt, und das sollte jeder gebildete Deutsche, wird wohl unwillkürlich an vie vom Dichter so originell gezeichnete Gestalt deS balbverrückteu Stadtchirurgus denken muffen. Storm erwähnt bei dieser Gelegenheit deS eigenthüm- lichen süßlichen Geruchs der Ratten, der sich überall da bemerkbar macht, wo diese in größerer Anzahl verkehren. Alte Nager haben einen unangenehmen, widerlich faden Geruch, der bei den meisten Arten ein zwar sehr ähnlicher ist, aber doch bei jeder wieder etwas Besonderes hat. — Wir besitzen in Europa, ja fast auf ver ganzen von Menschen bewohnten Erde zwei Arten von Natten, die sehr gegen unseren Willen sich die Freiheit nehmen, unsere Wohnungen mit unS zu theilen und von unseren Vorrälhen mit zu zehren: die HauSratte und die Wanderratte. Beide dürften keine ursprünglich abendländische, sondern auS Osten eingewanderte Thiere sein. — von den letzteren weiß man es sogar sicher. Beide finden sich nur vorübergehend und mehr zufällig an anderen Orten als in menschlichen Wohnungen und mit ihnen zusammenhängenden Baulich keiten. Beide sind gesellig lebende Nachtthiere, wo sie sich indessen sicher fühlen, zeigen sie sich auch ohne alle Scheu zu jeder Tageszeit. Daher ist eS wahrscheinlich, daß ihre mehr nächilichen Gewohnheiten eine Anpassung an die Lebens- gebräuche des Menschen im negativen Sinne sind: die Thiere wissen sich, wenn Dunkelheit die Erde deckt und das geschäftige Treiben deS TageS zur Ruhe gekommen ist, ungestört und unbeobachtet. Beide Rattenarten fressen alles nur einigermaßen Genießbare aus dem Thier- und Pflanzen reiche und sind dadurch immer lästige, oft sogar schädliche Parasiten. Lästig werden sie häufib auch gerade durch ihre nächt lichen, geselligen Gewohnheiten, denn wo ihrer viele sind, können sie durch da» ununterbrochene Geräusch ihrer Fuß tritte und durch daS abscheuliche Gequieke, von dem ihre, trotz ihrer Geselligkeit sehr häufigen Beißereien untereinander begleitet zu sein Pflegen, jede Nachtruhe illusorisch machen. Wer da» noch uicht selbst erlebt hat, kann sich von der Tbäliakeit der frechen Poltergeister in dieser Hinsicht keinen Begriff machen. Andererseits kann aber ihre nächtliche Lebensweise im Verein mit ihrem nichtsverschmähenden Appetite wohl ein mal Veranlassung zu einer Feurr-brunst gegeben haben, wa- man fchon vor 100 fahren mutymatzle. «rv«, nämlich sebr den TalH, und da ist e» denn gar recht wob denkbar, daß gelegentlich einmal ein brennendes, sich au längere Zeit selber überlassenes Licht in einer Kammer ode ans einem Boden umgeworfen und verschleppt und dadurö umherliegende, leicht brennbare Stoffe in Flammen gesetzt ba> Noch auf andere Art können etwa die Ratten zu Brand stiftrrinnen werden. Göze berichtet, daß man in Papier wühlen deS Nachts Wachen habe aufstellen müssen, um di Ratten abzubalten, damit sie nickt daS Fett, womit di Zapfen der Walzen geschnürt waren, fräßen, und dadurci die Mühle in Brand geriethe. Schon seit Jahrhunderten wird erzäblt, daß die Ratte, in Gefäßen mit engen Zugängen, die Honig, Syrup und der aleichen enthalten, ihre Schwänze stecken, um sie dann, be feuchtet mit dem begehrten Stoffe, wieder heraus,uziehea un! abzulecken. Solche Geschichlchen machen den Eindruck arge Münchhauseniade, scheinen aber gleichwohl aus Wahrhei zu beruhen. Der erwähnte Goze, gegen Ende de vorigen Jahrhunderts erster HofviakonuS in Quedlinburs ein seiner Zeit berühmter und ein wirklich hochverdiente Naturforscher, jedenfalls aber ein Mann, an deffe: WahrbritSliebe auch nur einen Augenblick zu zweifeln kei: Mensch irgendwie berechtigte Ursache bat, berichtet Folgendes „Ich hatte einmal eine Drechselbank nahe a» einer Scheum Hatte ich TagS zuvor das OelglaS (mit dem Oel zum Ein schmieren de» Rades) rollgegoßen, so war e« den anver. Morgen ledig. Anfänglich tonnt ich mir eS uicht erklären Da ,ch aber auf dem Vorbrett Losung (Kotb) fand, so lauert ich des Abend- vor der Tbür. in welche ,ch ein Loch ge schnitten hatte. Es war in der Jahreszeit, da e- anfänq nach fünf Uhr dunkel, und das Oel dick zu werden. Kaur batte ich ein Viertelstunde gestanden, so kamen schon obe von der Decke ein Paar Ratzen herunter, sahen sich allen, kalben um, fetzten sich auf den Ständer, an welchen da GlaS hing, hingen die Schwänze bis auf den Boden in de, Oelschmal^ und zogen sie hernach durchs Maul." Der Innsbrucker Zoologe Dalla Torre bat beobachte» wie zwei Ratten in einem Keller Hühnereier gemeinsan stahlen, was sie einzeln nicht hätten fertig bringen können. Tie Dreistigkeit, mit der sie sich au andere Thiere wagen ist unglaublich. Jungen Tauben fressen sie die Kröpse an junge Kaninchen würgen sie in Masse ab und sehr kette, Schweinen nagen sie ,o brr That bei lebendigem Leibe Löck- f-b->> s.» ,ch°» Ai»«?, j» dn an hilflose Kranke gemacht, za bisweilen versucht, rüfüge? schlafenden Männern an den Füßen zu knabbe.n Da s, ebenso gewandt zu klettern, wie Holz und Lehmwäode r ^ schwer, LibenSmittel ch^n Nack slellungen zu entziehen. Zur Obstzeit gehen sie gern au den Wohnungen in die Gärten, klettern an Spaliern in die Höbe und auf Bäume und suchen sich mit ganz besonderer Vorliebe gerade daS beste und edelste Obst, namentlich Pfirsiche, Aprikosen und Weintrauben, aus. Kurz, nichts Ge nießbares ist iknen heilig. In bungerleideriscken Zeiten werden die Ratten zu wüsten Kannibalen. Die Stärkeren machen sich zunächst über die Schwächeren her, zerbeißen ihnen die Gurgel, fressen erst das Gehirn, darauf den übrigen Körper. Unter diesen Starken bemächtigen sich wieder die Stärkeren der Schwächeren, und so kann die Sache sortgeben, bis schließlich nur eine Ratte -- die allerstärkste, übrig bleibt. Man fängt wohl eine An zahl Ratten, bringt sie an einen sicheren Ort, z. B. in eine große unv tiefe Braupfanue, auS der sie nickt entwischen können, läßt sie hungern und sich gegenseitiaauffressen, bis nur eine am Leben ist. Man nennt das „einen Mausewolf macken". Diesen Mausewols läßt man laufen. Er begiebt sich sofort in seine alten Schlupfwinkel und überfällt, da er mittlerweile Geschmack an Rattenfleisch gefunden hak. Schwächere, seine früheren Kameraden, unter denen er nach und nach mächtig ausräumt, wobei er selbst immer mehr an Kraft und Stärke zunimmt. Schließlich wird er seinen Mitratten so gefährlich und so unheimlich, daß sie freiwillig daS Feld räumen. Seit alten Zeiten geht auch die Sage, daß sich die Ratten der alten, schwach und hilsloS geworbenen Genossinnen an nähmen, jie fütterten und pflegten. DaS ist ganz gewiß nicht richtig, wenn auch manche rührsame Belege tafür an geführt werden, vielmehr ist gerade das Gegeorbeil wahr und viel tiefer in der Rattennatur begründet. Zahlreiche ge sellig lebende Thiere, auch gewisse Horden nordamerikanischer Indianer, haben die Gewohnheit, ihre Gefährten, wenn sie alt, schwach und erwerbsunfähig geworden sind, als hem mende Hindernisse der Gesellsckaft einfach todt zu schlagen und unter Umständen aufzufreffen, wie e» z. B. Wolfe mit verwundeten Kameraden thun. — Die Hausratte (Aus rattus) oder schwarze Ratte ist die im Abendlanve seit längerer Zeit vorhandene Art, die aber das Altertbum auch noch nicht kannte und die wabr- jur der Völkerwanderungen, in deren Gefolge fick allerlei größere und kleinere Uebel einschlichen, mit ein- gewandert ist. Bon europäischen Häfen auS wurde sie schon >m 16. Jahrhundert in die überseeischen Colonien eingeführt. So zeigten sie sich in Südamerika zuerst 1544, nahmen, und besonder» auf den westindischen Inseln, außerordentlich über- baiid und erwiesen sich namentlich al» dem Zuckerrohr sehr schädliche Thiere, die z. B. auf Barbados jährlich durchschnittlich sur etwa 100 000 (nach jetzigem Geld«) Schaden thaten. Aus I»le de France hatten sie sich einmal so vermehrt, daß die Eolonisten sich fast grnothizt gesehen hätten, die Insel zu verlassen.
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