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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970220016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-20
- Monat1897-02
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B»z«g»^prei- 1> Her od« den m Dtad». tentrk mid d« Vororten errickrteo Aut- acwestellen abgeholt: oiertelMUch^l4chO, kt «veimaliger täglicher Luftllung ist da» ^l SchL D«ch die Pol bezogen für »ottschlaad und Oesterreich- oiertelja-rltch ^ S.—. Ltr«t» tüglich« Keuzbaadtenduag in« Anlland: monatli» -^l 7.ÜV. Dir Morgea-Ausgabr »rs-eiat um '/,7 Uhr. dir Adeiid-AuSgabe Woyentags um 5 Uhr. Ledaction un) Erpe-itiou: JohanwSgafie 8. Die Expedition ist W'chentags ununterbrochen geöffnet von frü) 8 bi- Abend- 7 Uhr- Filialen: ktt» KlemmTortim. «Alfred Hahn), Universiütsslcaße 3 «Paulinum), Lour« Lösche, Katdarineaft.'. 44, Part, und SömgSpiatz 7. Moraen-Ausgabe «MM und Tagclilali Anzeiger. Ämlsbtatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes «nd Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Z° W. Sonnabend den 20. Februar 1897. Elsaß-Lothringen vnd das Reich. (Nachdruck verboten.) 22 Die Aufmerksamkeit, die durch die Besprechung der polnischen Angelegenheiten im Reichstage sowohl wie im preußischen Abgeordnetenhaus« erregt wurde und alle Blicke auf die Zustände in der deutschen Ostmarkt lenkte, hat eS bewirkt, daß die bedrohlichen Anzeichen, die in der letzten Zeit in der Westmark zu Tage getreten sind, nicht die ver diente Beachtung gefunden haben, obwohl sie beweisen, daß dort daS Deutschthum ebenso wie im äußersten Osten auf der Wacht sein muß. EinTheil der elsassischen Presse fuhrt schon seit geraumer Zeit eine Sprache gegen die deutschen Behörden, die zu ernsten Bedenken Anlaß zieht. Es ist nicht unmöglich, daß die durch diese Presse geübte Verhetzung in einem Theile der elsassischen Studenten Straßburgs jene Stimmung erzeugt bat, die zu der niit Recht streng geahndeten Respectoerleyung gegen die obersten Universitätsbehörden geführt hat. Wenn gegenüber diesen Erscheinungen der Statthalter von Elsaß- Lothringen vor einiger Zeit in maßvoller aber enschiedener Weise dargelegt hat. daß die Regierung gegen derartige Ver hetzungen, die schlimmes Unheil über da« Land bringen könnte», würde Vorgehen müssen, falls sie nicht von selbst ein Ende fänden, so hat er damit jedem gerecht Denkenden aus der Seele ge sprochen. Trotzdem liegen zwei Kundgebungen gegen jene wirklich sehr besonnene Rede vor, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. 3m LandeSauSschusse zu Straßburg bat der Abg. Winterer wegen dieser Rede die Negierung interpellirt und seine Bedenken gegen die in in der Rede angedeutelen Maß nahmen ausgesprochen. WaS der Abg. Winterer in der durch seine Stellung gebotenen maßvollen Form gethan bat, oaS hat der Vorstand der elsaß-lothringischen Volks Part ei in brutalerer Form zum Ausdruck gebracht. Er hat in einer Er klärung sich nicht gescheut, von einer 25jährigen Bedrückung zu sprechen, die auf dem Lande laste. Er hat weiter erklärt. Laß dem Volke die Geduld zu reißen beginne, daß ein Schrei der Entrüstung durch das Land gehe und daß die Erbitterung deS Volkes auwachse. Diese geradezu rebellische Sprache rechtfertigt nicht nur die von dem Statthalter von Elsaß-Lothringen erlassene Warnung, sondern sie zeigt auch, wie unmöglich es ist, Elsaß-Lothringen gegenwärtig schon den anderen Gliedern deS Reiches gleichzustellen und auf die Möglichkeit be sonderer Maßnahmen zu verzichten. Man muß es wahrlich den deutschen Reichsbehörden lassen, daß sie geradezu ein Uebermaß von Rücksicht auf daS Reichsland genommen haben. Kaum ein anderer Staat würde einem neu erworbenen und sich recht ungeberdig zeigenden Gliede so rasch da« Wahl recht, das die Elsaß-Lothringer befähigte, in wichtigen Fragen deS Reiches ihre Meinung in die Waagschale zu legen, verliehen haben. Kaum ein anderer Staat hätte dem neuen Gliede eine so weitgehende Autonomie gegeben. Kaum ein anderer Staat würde dem Einzelnen gegenüber so viel Wohlwollen bewiesen und über mancherlei bedenkliche Thaten und Aeußerungen so nachsichtig hinweggesehen haben. Deutschland suchte eben die zum überwiegenden Theile deutsche Bevölkerung des Reichslandes auch der inneren An glieverung an daS Reich näher zu führen, und die elsassischen Behörden haben zu diesem Zwecke wohl manchmal eine übertriebene Milde, niemals aber eine übertriebene Strenge bewiesen: sie haben jedenfalls nie mit der Rücksichtslosigkeit zu germanisirra versucht, wie Frankreich zu romanifiren sich bestrebt hat. WaS war nun der Dank für so viel Entgegenkommen? Für die Gewährung deS Reichswahlrechts bestand der Dank darin, daß gerade in dem kritischen Jahre 1887 ausnahmslos Protestler in den Reichstag entsendet wurden. Bei den sehr kriegslustigen französischen Machthabern jener Zeit batte die durch diese Wahlen ausgedrückte Zustimmung zu den fran zösischen Revanchegelüsten gar leicht daS Faß zum Ueberlaufen dringen können, wenn nicht glücklicherweise der General Don- langer eine so jämmerliche, halllose und ziellose Persönlichkeit ohne Energie gewesen wäre. Essei weiter daran erinnert, daß ein Abgeordneter des deutschen Reichsiages Hetzreden in Frankreich gegen Deutschland hielt und daß ein Anderer es mit seiner Stellung für vereinbar fand, seinen inzwischen verstorbenen Sohn in die französische Armee eintrelen ;» lassen. Die politische Freiheit aber, die das Land so gut wie unbeschränkt genossen bat, bat dazu geführt, daß eine klerikal-protestlerische Partei, eine demokratisch-protestleriscbe Partei und eine socialistisch- protestlerische Partei daS große Wort im Lande führen. Mögen diese Parteien in inneren politischen und wirthschaft- lichen Fragen von einander geschieden sein, darin sind sie einig, daS deutsche Reich zu bekämpfen. Welcher Haß dem Reicbsgcdanken enlgegengebracht wird und wie gern man das Bestehen des Reiches, mindestens aber das Verbleiben von Elsaß-Lothringen beim Reiche zerstören möchte, gebt aus der offenen Aeußerung in der schon erwähnten Erklärung der elsässisch-lolhringischen Volkspartei hervor, man hoffe, „daß ein weiteres Anwachsen der Erbitterung unseres Volkes uns der Erreichung unserer Ziele nur näher bringt". Angesichts dieser Haltung eksässischer Blätter und elsässischer Parteien ist es geradezu ein Gebot der Selbsterhaltung, Laß die elsaß-lothringische Regierung sich von einer Nachgiebigkeit fernhält, die ihre Stellung nur erschüttern tonnte. Will das elsaß-lothringische Volk eine völlige Gleichstellung mit allen anderen Gliedern des deutschen Reiches — und diesen Wunsch wird man ihm gewiß nicht verübeln können —, so liegt es ganz in seiner Hand, die Erfüllung des Wunsches zu erreichen. ES sage sich von den Französlinzen los, die in landcs- verrätherischer Weise mit Frankreich kokettiren, eS wähle Abgeordnete in den Reichstag, die sich ehrlich als treue An hänger des Reiches bekennen und in gemeinsamer Arbeit für daS Wohl deS Reiche« Mitwirken, und eS halte sich von der Unterstützung der Parteien und Blätter fern, die das deutsche Reich syllematisch bekämpfen. Tann wird sehr rasch jede Beschränkung der Meinungsäußerung im Reichslande fort fallen und damit ein Zustand geschaffen werden, der dem deutschen Volke nicht minder wie der deutschen Regierung erwünscht ist. Deutsches Reich. Berlin, 19. Februar. Die Denkschrift über den Stand der deutschen Ansiedelungen in Westpreußen und Posen im Jahre 1890 ist dem Abgeordnetenhause nunmehr zugegangen. Sie ergiebt, daß die Ansiedelungs- commission seit Beginn ihres Bestehens bis zuin 1. April 1898 80,8 Mill. Mark verausgabt und 10,9 Mill. Mark eingenommen hat. Von den Ausgaben entfallen 50,1 Mill. Mark für 183 bis Ende 1890 angekaufte Liegenschaften im Umfang von 92 72-1 km. Davon waren 148 Güter, 85 Bauernwirthschasten. Freihändig getauft wurden 143, in der Subhastalion 4V. Im Jahre 1890 wurden 7 Güter im Um fang von 3519 tm erworben für den Preis von 2 282 010 davon waren 8 Güter in polnischen und 4 in deutschen Händen. Damit hat die Ansiedelungscommission bisher er- berg 2.83 Proc.. ... Post» . ' Z,^Kn bisher er- m>, FA-L mit einen, Areal von 30 922 km; aus 10 G» r» mebr in, Voriabr wurde der grotzwirlblckaftliche -0"nrc aufgelöst und die Besiedelung durckgefilk^ bisber 66 065 1m planmäßig besiedelt. Um 1 "pr werden 70 349 Im. fast ackl Zehntel d-l ^esa.nmterwerbunge. -ur Auslegung gelangen. Die Ge,a»i»,iz-l'l der bis zu o augesetzteu Ansiedler beträgt -975; davon waren 81 außerhalb Denis-blands zugezogen. 808 stammten a.,S "nd We.t^ Preußen, 1086 aus de», übrigen Deutschland, Der -kop naw wird die Ansiedelungsbevolkerunz aus rund w 000 ,u schätzen sein. DaS Interesse für die An,iedclungen ist ""Jahre 1890 im westlichen Deutschland sichll.ch war es vorwiegend nur in dL.i >>,edeirbemnchen Kle.ie,, Elcvc und NeeS, den westfälischen Kreilen Warburg, Hoxler, -R>»den, Nersord. Bielefeld und im FürsteiilbuiilLiPpe-Detmold vorhanden. Jeyl ist es auch gelungen. Gegenden mit gesunden bäuer lichen Verhältnissen, wie Hannover ""dS^w.g-Holiein zu interessiren. Leider i,l zum großen Theil Westdeut,chland noch unberübrt geblieben. Unbegründete Vorurtbe.Ie gegen die Eristenzbedingungen im Osten sind daran schuld, theils aber liegt es daran, daß die Ansiedelunyscommission immerhin auf Vermögen im Interesse des gedeihlichen Fortkommens der Ansiedler halten muß. Daher ist auch au eine ausgiebige Ver. Wendung wenig bemittelter Tagarbeiter aus Wesideut,chland, wie der Bericht an einer Stelle hervorhebt, nicht zu denken. Der westdeutsche Tagarbeiter zieht nur dann nach dem Osten, wenn er ei» Grundstück erwerben kann, von dem er, ohne Arbeitsverdienst aufsuchen zu müssen, leben kann. Und dazu ist ein Capitalvermögen von wenigstens 2—3000 .« nolbwendig. Immerhin eröffnet sich auf den Gütern der Ansiedelungsromniission für Bauernsöhne, welche Capital zur Verfügung haben und strebsau» sind, die günstigste Aussicht aus VorwartSkommen nud Ausdehnung ihrer ErwerbSfäluzteit. Besonders interessant ist in dieser Hinsicht das Capilel über dir Lage ver Ansiedler im Allgemeinen. Wenn Ansiedler nicht vorwärts gekommen sind, so hat eS bisher stets, wie der Bericht hervorhebt, daran gelegen, daß von HauS auS unzulängliche Mittel, Untüchtigteit im Be rns und ein unordentlicher Lebenswandel allein oder in Ver bindung mit einander den Vermögensverfall berbeiführten. Im verflossenen Jahre sind auf diese Weise drei An siedelungen in Verfall geratben. Und dies ist ein geringer Procentsatz, zumal da die Commission gegen alle Elemente, welche durch mangelhafte Wirthichast ungünstig aus die Umgebung einwirkten, mit Recht obne Rücksicht vorgebt. Im Uebrigen vermerkt der Bericht, daß nicht nur im ver flossenen Jahre trotz der sehr ungünstigen Witterungs- verhältnisse frühere Rückstände zum größten Tbeil zurück- gezahlt, sondern auch die laufenden Zahlungen pünktlich ein- gegangen sind. In die zweite Hand sind im verflossenen Jabr 39 Stellen übergegangen, zum Tbeil nicht ohne Gewinn für den Besitzer, wie sich ergab, als einigen Verkäufern das Geschäft leid geworden war unk sie daher den Versuch machten, den Präsidenten der AnsiedelungScommission zu bewegen, -as Geschäft durch Versagung der ihm gesetzmäßig zustehenden Ge nehmigung rückgängig zu machen. Zieht man die großen Rnzeigen'Pret- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unier dem RedacNonastrrch (4g— ipultea) iO^j, vor den Farmt,«nnachrichvn, (6gespalten! 40/H. «größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisserasatz nach höherem Taris. vxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Poslbesörderuag 60.—, mit Postbefbrderung 70.—. Annalimeschlrrß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Grunde sratzer. Anzeigen sind stets an die Er-eStttan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SI. Jahrgang. Schwierigkeiten in Erwägung, mit denen die Thätigkeit der AnsiedelungScommission zu kämpfen hat, so muß man nach diesem Berichte, der mit absoluter Objektivität erstattet ist. '»geben, daß ihre Thätigkeit unter der sichern Hand eine, giften Leitung erfolgreich sich entwickelt. * Bert»«, 19. Februar. Der ReichStagSabgeordnele Ahlwardt hat sich von einem Vertreter des „Deutschen General-Anzeigers" interviewen lassen. — Ueber seine Abreise nach Amerika AuSgang des JahreS 1895 äußerte er, daß ihn mißliche wirthschastliche Verhältnisse und die persönliche Anfeindung einiger antisemitischer Führer dazu bewogen hätten, dem ehrenvollen Anträge ('?), die Ver einigten Staaten agitatorisch zu bereisen, Folge zu geben. Es hätte Anfangs keineswegs in seiner Absicht gelegen, seinen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten so lang auSzudehnen. Nur die feste Ucberzeugung, daß er der guten Sache durch seine agitatorische Thätigkeit in Amerika in der denkbar besten Weise diene, hätte ilm zu dem schweren Entschlüsse zu bestimmen ver mochl, so lange dem deutschen Valerlande, so lange den lieben Seinen, so lange seiner Pflicht als Reichstags - Abgeordneter zu entsagen. (!^ Lediglich aus dem Gefühle heraus, der antsemilischen S>act>e in. Allgemeinen große Dienste zu keiften, habe er den überaus schweren Kampf in dem über alle Maßen verjuveleu Amerika ausgenommen und ihn unter den schwersten Entbehrungen, den gemeinsten Verfolgungen, den augenscheinlichsten Lebensgefahren durchgeführt. Die Grundmauern zu einen, festen Walle gegenüber jüdischem Schwindekgeiste und jüdischer Bosheit, seien durch seine Thätigkeit in den Vereinigten Staaten nunmehr'fest nnv unerschüterlich ausgerichtet. Ueber sein zukünftiges Wirten sprach sich Ahlwardt dahin aus, daß er vorerst wieder ganz in Deutschland bleiben, sich wieder mit vollen Kräften der antisemitischen Sache im Vaterlande und in Sonderheit seinen Pflichten als Reichstags-Abgeordneter widmen wolle. Sein Aufenthalt und sein Wirken in den Vereinigten Staaten, so schloß Ahlwardt die Unterredung, sei nicht nur bezüglich Amerikas, sondern bezüglich des aesammten antisemitischen Gedankens von der ungeheuersten Bedeutung und weitgehendsten Tragweite. (!) Kein wahrer und überzeugter Antisemit könne und dürfe sein, Abl- wardt'S, lediglich aus eingehendster Erwägung und innerster Ueberzeugung entsprungenes Vorhaben, dein Antisemitismus ein neues, außerordentlich fruchtbares Gebiet zu erschließen, mißbilligen. Er habe in den Vereinigten Staaten mancherlei Erfahrungen gesammelt, die er in Deutschland zu verwerlhen gedenke. Agitatorisch habe er sich vervollkommnet; er bringe ein hohes Maß von Kampsessreudigteit gegen den gemein samen Feind aller arischen Völker, das internationale Juden thuni. mit und er werde fortfabren, hier wie drüben in der unerschrockensten Weise gegen Juden und Jndengenoffen zu kämpfen znni Wohle des Vaterlandes und aller Culturnationen L. Berlin, 19. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser, welcher gestern^ die Abreise nach Jagdschloß Hubertusnock um etwa eine Stunde verschoben hatte, begad sich um 4 Uhr 30 Min. vom Stettiner Bahnhöfe nach Eberswalde und von hier zu Wagen nach Hubertusstock, wo er kurz vor o>^ Uhr Äbends in bestem Wohlsein eintraf. — Die Herzogin Adelheid zu Schleswig-Holstein, die Mutter der Kaiserin, ist zum Besuch hier eingetroffen. ^ Berlin, 19. Februar. (Telegramm.) Das Herren haus berirth beute den Antrag Frankenberg, die Staats rezierung zu ersuchen, dem im Reichstage eingebrachten Gesetz Entwurf, betr. den Verkjehr mit Butter, Käse und Fawttleton. Vas Marchendrama. Literarhistorische Studie von Hermann Pilz. Die Aufführung von Gerhart Hanptmann'« Märchen- drama „Die versunkene Glocke" an unserer Bühne giebt »„iS Veranlassung, einmal einen Blick aus die Entwickelung deS Marchendrama» und insbesondere de- deutschen Märchen dramas zu werfen. Die Sage ist so alt wie die Poesie. Der Drang, Begebenheiten zu erzählen, welche Uber die Wirklichkeit des Lebens binausgehen und wunderbare Kräfte oder übernatürliche Wesen Mitwirken taffen, regt sich schon in frühester Zeit bei allen Eulturvölkern. Ja, die Sage ist die eigentliche Volkspoesie. Eine wunderbare, eine unver standene oder falsch verstanden« Begebenbeit findet im Volke Verbreitung und wird während der Tradition in der Phan tasie de» ganzen Volk«s auf genau dieselbe Weis, zu Poesie uingestaltet, wie jeder andere Stoff in der Phantasie de« Einzelnen. Diese Sagendichtung hat in gewissen Cultur» adscvnittea nickt allein ganz« Völker, sondern ganze Völker» gruppen ergriffen, so daß aeben der Entstehung »iner großen Reih« von einzelnen Sagen auch ganze Epochen der Gefauchte sich sagenhaft umgrstaltet und, an die hervorragendsten Repräsen tanten dieser Epochen, wie z. B. an Alexander oder Karl den Großen anknüpfend, jene großen, immer weiter um sich greifenden Sagenkreise sich entwickelt haben, welche, wie Otsterley sagt, im Mittelalter nahezu da< gesammte Porsieleben der Kultur völker jener Zeit erfüllten. Jede Sage ist da« Product der Phantasiethätigkeit eine« Volke« oder eine« Bolk«stamme«. Je intensiver diese Phantasiethätigkeit aber wurde, desto mehr löste sie sich von historischen Ereignissen und Persönlichkeiten loS und schuf eigene, frei ersnndenr Begebenheiten, gebar sich selbst Helden, die in Wirklichkeit nicht existirt hatten. Zur Sage gesellte sich da« Märchen mit seinem traumartig freien Fluge. An die Sage glaubte da« Volk, wir an die alten Götter-Mythen, an da« Märchen nicht. Es glaubte an den Barbarossa im Kyffbäusrr, an den Rodensteiaer, der al« wilder Jäger die Geisterfahrt doM Nodenstein nach Schnellert« auSführt, aber eS glaubte nicht an da« Schlaraffen land, da« eS sich selbst erträumt hatte, e« glaubte nicht an den gestiefelten Kater und an Schneewittchen bei den sieben Zwergen. Wie Sage «nd Märchen im Liede, im epischen Ge dickt und in der poetischen Erzäblung ihre Herrschaft seit Alters her bewahrt haben, so sind sie auch im Drama, dessen sie sich viel später bemächtigt haben, Herrscher geblieben. Wir brauchen nur aus die griechische Dichtung im Zeit alter der Blütbe Griechenlands zurückzublicken, und wir finden daselbst das Märchen in den Komödien des AristophaneS. „Die Wolken", in denen die Sophisten verspottet wurden, „Die Vögel", die mit genialer Laune de» politischen Schwindcl- geist der Athener geißeln, „Die Frösche", welche ihre Spitze gegen Euripides kehrten und eine Scelenwägung der Dichter in der Unterwelt vor Augen führen, sind als Märchendramen anzuseben, in denen sich die Phantasie des Dichters frei er gehen konnte, in denen aber vor Allem der übermüthigsten Satire Tbür und Tbor geöffnet wurden. Wir werden sehen, wir auch später gerade die Satire auS schuldiger Rücksicht sich gern in ein Märchengewand auf der Bübne kleidet. Die geistlichen Spiele im Mittelalter waren zu einem großen Tbeil Märchendrainrn. Die sogenannten „Moralitäten", allegorisch - didaktische Dichtungen, prrsonificirten alle Tugenden, Laster, alle Eigenschaften der menschlichen Natur, alle Dinge de« Himmel« und der Erde, Sonne, Mond und Sterne, Länder und Meere. In Frankreich erlangte da« „Spiel vom heiligen Nikolau«" von Jean Godel großen Ruhm, desgleichen die allegorischen Spiele de« Pierre Gringoire, dem Victor Hugo in seinem Roman: „Der Glöckner von Notre Dame" ein Denkmal gesetzt hat. In Deutschland waren neben den geistlichen Spielen die Fast nachtsspiele Träger der Märchenpoesie im Mit^alter. dem Spiel von dem „Meßpsaffen" Tbeodorich Schrrnbeck: „Frau Jutta" spielen alle Arten von Teufeln mit und führen vor „Luciper" eine« „Lobetanz" auf. Auch in den englischen Moralitäten treten neben den wirklichen Personen de« Stücke« Tod und Teufel, Laster und Unrecht al- Pbantasiegestalten in Action. Mit dem Eintritt der Reformation schwindet daS Interesse an den alten Mysterien und e« wendet sich mehr und mehr satirischen Poffenspirlrn zu, in denen MLrchrn- grstaltrn ebenfalls ihre Roll« erhalten. Der aristophanisch, Uebermuth macht sich in dem Spielen der Humanisten breit. So in dem Spottdrama: „Der gehobelte Eck" von Willi bald Pirkheimer, in welchen» an Eck eine Wunderen» vollzogen wird, deren Einzelheiten wir ua« wiederzuaeben versagen müssen. Engel, Teufel und Hexen beleben auch dir »aiven Srirl» der Handwerker-Poesie, insbesondere ki« Fast. Feen und sprechende Nikodemus Frischlin die Todten „nd läßt die Oberwelt riSkiren, nacktSspiele deS HanS Sacks. Wir erinnern nur an: „Der Teufel mit dem allen Weib" und „Die ungleichen Kinder Eve". (1545. 1553.) Neben ihm bearbeitete der Meister sänger Sebastian Wild die Sagenstoffe von der schönen Magelone u. s. w. Jörg Wikram aus Colmar dramatisirte die Sage vom getreuen Eckart und Anderes mehr. Im Lause der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts tritt das VvlkSthüniliche, daS bisher diese Spiele charaktcrisirte, niebr und mehr in den Hintergrund. Die „Schulkomvdie" dominirt. Aber auch die Schulkomödie, die in katholischen Ländern be sonder» durch die Jesuiten gefördert wurde, kann de» Wunder baren, Märchenhaften nicht entrathcn. Satan »nd sein Post bote Happa, Hexen und Zauberer, ^ Tbiere behalten darin ihre Rollen, erweckt in seinem „Julius reälvivus" Cäsar und Cicero eine Reise durch wo die Fortschritte der Cultur sie blenden. Diese Geister beschwörungen wiederholen sich auch in zahlreichen anderen Komodren, hatten jedoch in der damaligen Zeit nicht» eigentlich Märchenhafte», da man an ibre Erscheinungen glaubte Der hervorragendste Dramatiker im 16. Jahrhundert, der über eme bewegliche Phantasie verfügte und die verschiedenartigsten Stoffe beherrscht^ war Jakob Aprer in Nürnberg (gestorben 1605), der daS Märchen von der schönen Mclu,ine für die Bühne umgestaltete und in seinen Dramen, z. B. „Don der schönen Sidea" die griechischen Sagen verwertbete und VenuS und Cupido Mitwirken ließ. Ayrer sowohl als JnliuS von Brauntcdweig lehnten sich aber bereits an den großen Britten an. dessen Ruhm englische Komödianten in Deutschland ver- kündeten. In, „SonimernachtStraum", im „Sturm" batte Shake- svrar« dem Marchendrama höhere Bedeutung verschafft. Ein 3°n.so", schuf einen „Oberon, König pbantastitches Spiel: „Neue- auS dem Mond, zahlreicher anderer derartiger Märchengebilte da- maliger Zeit nicht zn gedenken. In der romanischen Literatur entwickelte sich das Märchen- vrama nickt minder fruchtbringend. Lope de Vega holte sich au« der Sage und Legende Stoffe, und Tirso da Molina bracytr Ton Juan und den steinernen Gast auf die Bretter Lalderon dichtete für Hoffeste allegorische und mythologische Spiel«, von denen „Echo und Narciß", „Ueber allen Fauber ... .LS" Im Sause dieser Entwickelung, dir da« Märchendrama genommen hat, haben wir nun neben demjenigen, welches die satirische Geißel schwingt und im Märchen den Tummel platz zu allerband politischen, religiösen, socialen und litera rischen Fehden sucht, auch daS Märchendrama kennen gelernt, welches, wie gerade die zuletzt erwähnten Calderonsche» Stücke, ohne Nebenzweck durch seine Poesie selbst wirken will. Shakespeares „Sommernachtstraum" wurde in seine, Clownscene von Andreas GryphiuS im „Peter Squen^" nachgeahint. An überirdischen, allegorischen Wesen fehlt es auch in den übrigen Dramen von GryphiuS nicht. In de, „ErmordetenMajestät oder Carolu« StuarduS" tritt die Racke auf und die Sirenen geben Cborgesänge zum Besten. Al die Zeit wurde nüchterner, skeptischer. Der fromme Glaube wich. Die Geisterwelt erschien verschlossen. So büßte auch tv Marchendrama seine Wirkung ein. Dir trübe Zeit des Dreiß jährigen Kriege- hörte Wehklagen und Trostlieder von d,:, Harfen der Poeten. Wie hätten sie ihren Geist sollen in d..- bunte Märchenwelt versenken, da ihre Augen im Leben a i Kamps und Streit, Noth und Sorge, Oual und Elend, Tbo, heit und Stumpfsinn gebannt waren! I« Beginn de< 18. Jahrhundert« aber, al« Gottsched aus dem deutschen Parnaß eine Art Diktatur ausiibtr, da fehlte r« den deutschen Poeten gänzlich an der Unbefangenheit und auch an der leuchtende» Phantasie, dem sonnigen Humor, obne den der Märchendichte, seines Amtes nicht walten kann. In Frankreich dagegen spielte die classische Sage noch ihreRoUc im Bilbnenspirl weiter, und selbst MoliSre citirtr den Göttervate, Zeus im „Aniphitryon" und machte „Psyche" zur Heldin eineo prächtige» Einacter«. Dann trat Cbarle« Perrault in Paris, der erbitterte Gegner des pedantischen Boileau. mit seine» Kontos cke ma mör« I'Oyv auf und erzählte den Franzose» die Märchen vom „Dornröschen", „Rothkäppchtn", „Blau bart", den, „gestiefelten Kater", „Aschenbrödel'', dem „kleine» Däumlina". „Riquet mit dem Schopf" ,c. Da« Publicum war entzückt, und die kleinen Tbeater dramatifirten Perrauli, er mochte wollen oder nicht. Ebenso erging e« den „Feer, Märchen" der Gräfin Marie Katherine d'Aulnoy, deren leichie, anmuthige Dichtungen in Entzücken versetzten. Im Zeitaklc, de« Sonnenkönnia« sab man in solchen Märchen ein« will kommen« Veranlassung zur Prachtentsaltung auf der Bilh»,, und die Märchendramatiker konnten aus Beifall rechnen Sv fand da« Märchendrama „Der König vom Schlaraffenland" von Legranb (1673—1728) vtifall«stürm», und auch „Di. verständigen Tviirr" von Autreau gefielen.
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