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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970224025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897022402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897022402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-24
- Monat1897-02
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Marsch all über Deutschlands Hal tung in der kretischen Frage sich ein günstiges Zeug- niß politischer Einsicht ausgestellt hat, ein Zeugniß, an dein selbst die Socialdemokratie durch ihr Schweigen sich einen An- theil erworben, macht sich leider ein Theil der Presse durch nörgelndes Besprechen der Stellungnahme sowohl des Reichs tags wie der Reichsregierung in den Augen der so oft ver höhnten Volksvertretung lächerlich. Am komischsten geberden sich diejenigen Blätter, denen die vorgestrige Debatte nicht lang, inhaltsreich und bewegt genug gewesen, die Haltung der Regierung aber zu vorschnell und vordringlich ist. Das Ideal dieser Sorte von Blättern ist also, daß die deutsche Reichsregierung in ihres Nichts durch bohrendem Gefühle in der Brandecke des Erdtheils brennen läßt, was brennen will, dem Ausbruche eines in seiner Tragweite unberechenbaren Krieges mit verschränkten Armen zusieht und dafür im Reichstage im Verein mit den Vertretern des Volkes große Reken hält, welche den kläg lichen Mangel an Thaten verbergen sollen. Kaum minder komisch ist die Nörgelei eines Berliner Blattes, das sich über die Zaghaftigkeit deS Reichstags, der Regierung in den vorwitzig zur Einmischung in die kretische Angelegenheit erhobenen Arm zu fallen, ärgert und dann die Frage aufwirft, „ob nicht ein energischeres früheres Eingreifen der ReichS- rrgierung, um Griechenland zur E--ft''kInng seiner Verbindlich keiten anzuhalten, den heutigen kriegerischen Eifer in Athen gedämpft haben würde." Am Bcklagenswerthesten ist es, daß auch diesen öden Nörgeleien sich vorzugsweise solche Blätter betheiligen, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf den Fürsten Bismarck sich berufen und den Anschein er wecken, als ob sie die berufenen Wahrer der Bismarck'schen Traditionen wären. So citiren sie auch jetzt eine ganze Fülle von Stellen aus Reden Bismarck'S, in denen vor unberech tigter Einmischung in die Angelegenheiten fremder Nationen gewarnt wird, um daran die hochweise Warnung für den jetzigen Reichskanzler und den jetzigen StaatSsecretair des Auswärtigen zu knüpfen, doch die Bescheidenheit des großen Schmiedes der deutschen Kaiserkrone sich anzueignen und sich nicht die Finger an dem kretischen Feuer zu verbrennen. Ja, wie er sich räuspert und wie er spuckt, daS bat diese „BiSmarck- presse" dem Gewaltigen glücklich abgeguckt. Aber auch nichts Anderes. Es ist geradezu eine Herabwürdigung der Größe Bismarck'S, wenn man ihm unterstellt, er würde den jetzigen Mittwoch den 24. Februar 1897. 81. Jahrgang. Vorgängen im Orient mit verschränkten Armen zuzesehen und die Gefahr eines allgemeinen europäischen Kriegs brandes durch thatenloses Zuwarten riesengroß gemacht haben. Wo immer die Wolken einer solchen Gefahr am Horizonte sich aufthürmten, hat er das ganze Gewicht seines Einflusses eingesetzt, um den Ausdruck des Gewitters zu ver hüten. Und je mehr er bewies, daß seine Politik eine voll ständig uneigennützige war, um so gewichtiger siel sein Wort im Rathe der Mächte in die Waagsckale. Nicht nur auf dem Congresse in Berlin hat er als „ehrlicher Makler" seine ganze Riesenkraft, die ganze Fülle seiner politischen Einsicht, die ganze Summe seiner diplomatischen Künste eingesetzt, um das kostbare Gut des Friedens zu wahren, sondern bei allen Anlässen, die zu einer Störung dieses Friedens hätten führen können, war er ebenso ehrlicher wie energischer Berather und Vermittler. Wer dieses sein unermüdliches Wirken für fried liche Begleichung internationaler Wirren aufmerksam ver folgt hat, kann keinen Augenblick bezweifeln, daß er sofort beim Beginne jener Wirren, die jetzt die Welt bewegen, den Versuch unternommen haben würde, mit den uns befreundeten Mächten ein Mittel zur Erstickung des glimmenden Brandes und zur Herbeiführung von geordneten Zuständen am Entstehungsorte zu finden. Und nichts Anderes als das, was er gethan haben würde, haben die jetzigen Leiter der deutschen Politik gethan. Selbstlos in ihren Absichten, treue Freunde unserer Verbündeten und des befreundeten Rußland, haben sie lediglich Mittel zur Er haltung deS Friedens gesucht und vorgeschlagen. Die Zweck mäßigkeit dieser Mittel haben allmählich alle Mächte außer den Friedensstörern anerkannt. Letzteres wäre vielleicht, ja wahrscheinlich schon krüber geschehen, wenn jene Vorschläge von dem Träger des welthistorischen Namens Bismarck auS- gegangen wären. Aber sollen seine Nachfolger, weil sie eben nur seine Nachfolger sind, auf daS verzichten, was er mit größerer Aussicht auf Erfolg gethan haben würde und als stärkster Friedensbort hätte thun müssen? Solle Deutschland, weil es keinen Bismarck mehr an der Spitze der Regierung haben kann, auch für immer darauf verzichten, ehrliche und erfolgreiche Makler des Friedens an dieser Spitze zu haben? DaS deutsche Volk wäre nicht Werth, die große Nation zu sein, die sie durch ihren Bismarck geworden, wenn cs nun kieinmülhig und verzagt alle Kriegswolken wachsen und sich entladen sehen wollte; es wäre nicht Werth, einen Bismarck gehabt zu haben, und nicht Werth, ihn endlich durch Männer ersetzt zu sehen, die nach den trüben Zeiten Caprivi'scher „Be scheidenheit" in die Bismarck'schen Bahnen energischer Geltend machung des deutschen NamenS im Interesse des Weltfriedens einlenken. Zum Glück hat der Reichstag bewiesen, daß in ihm mehr BiSmarck'sche Tradition steckt, als er selbst bekennen mag. DaS blöde und beschämende Nörgeln eines Theiles der Presse wird das Ausland nicht darüber täuschen, daß der weitaus überwiegende Theil des deutschen Volke- fest hinter der NcickSregierung steht, wenn sie ihr Ansehen und ihre Einsicht zur Wahrung des bedrohten Weltfriedens mit derselben Selbstlosigkeit und Energie einsetzt, wie einst im Jahre 1878. Fürst Bismarck, zu dessen Ehre am Schluffe des Berliner Con- gresses Graf Andrassy unter dem Beifall aller Betheiligten die Worte sprach: „Im Augenblicke, wo unsere Anstrengungen soeben zu einem allgemeinen Einverständniß gefübrt haben, wurde es uns unmöglich sein, dem hervorragenden Staatsmanne, welcher unsere Arbeiten ge- leitet hat, unsere Anerkennung nicht auszusprechcn. Er hat unab änderlich im Auge gchabt, Len Frieden zu sichern und zu be- festigen... Er hat alle seine hingebenden Anstrengungen darauf gerichtet, die Meinungsverschiedenheiten zu versöhnen und so rasch als möglich der Unsicherheit ein Ziel zu setzen, welche so schwer auf Europa lastete. Dank der Weisheit, der unermüdlichen Thatkraft. mit welcher unser Vorsitzender unsere Arbeiten geleitet, hat er in hohem Grade beigetragen zu dem raschen Gelingen des Friedens- Werkes. Las wir gemeinsam unternommen haben. Ich bin daher sicher, der einmüthigen Zustimmung dieser hohen Versammlung zu begegnen, wenn ich Ihnen Vorschläge, Seiner Durchlaucht dem Fürsten Bismarck unseren wärmsten Tank darzubringen". Politische Tagesschau. * Leipzig. 24. Februar. Zur Cbarakterisirung des „deutschen" UltramontantS- mns ist vor einiger Zeit an dieser Stelle auf Beiträge zum Miß Vaugban-Sckwindel, die der Verfasser der kirchen politischen Briefe, „Spectator", in der „Allgem. Ztg." ge liefert hat, aufmerksam gemacht worden. Aus diesem Grunde muß hier auch davon Notiz genommen werden, daß die „Germania" Spectator Einiges „erwidert". Sie hat sich dazu gerade drei Wochen Zeit genommen, ohne daß ihr aber in diesem langwierigen spatium cksliberanäi etwas Stichhaltiges eingefallen wäre. Spectator hat in Erinnerung gebracht, daß der Jesuit Gruber und nach ihm die „Köln. Volksztg." und die „Germania" — also die jetzigen Streiter wider Miß Vaughan und den interessanten Teufel Bitru — das deutsche Publicum mit dem Bucke Taxil's in der ausgesprochenen Hoffnung bekannt gemacht haben, „es möge zu Nutz und Frommen des deutschen Volkes weite Verbreitung finden". Diese Thatsache wagt das Berliner Centrumsblatt mit keiner Silbe zu bestreiten. Es wird also zugegeben, worauf es haupt sächlich ankommt, daß nämlich der deutsche Ültramontanismus sich von der Verbreitung des Vaugban-Blödsinns nicht aus geschlossen und an der damit betriebenen Volksverdummung ebenso schuldig ist, wie die romanischen Jesuiten. Wenn Pater Gruber und die beiden genannten Zeitungen heute verdammen, was sie früher zu glauben sich den Anschein gegeben und jedenfalls dem religiösen Vorstellungskreise der deutschen Katboliken zugänglich gemacht haben, so werden sie eben dabei von taktischen Erwägungen geleitet. Das hat auch Spectator behauptet, der der Meinung ist, es sei im ultramontanen Lager erkannt worden, daß man bei dem Festhalten an dem Vaughan-Unfug aus gebildete Katholiken bei den nächsten Reichstagswahlen nicht rechnen dürfe. Die „Germania" kann auch nicht widerlegen, daß der Jesuitenpater Gruber vom „lecken Schiff" des Teufels Bitru auf die „Flotte" des gesunden Menschen verstandes erst dann überbesetzt ist, als die Jesuiten eingesehen hatten, daß sie dem deutschen Magen Unverdauliches geboten hatten. Es ist richtig, daß Herr Gruber nicht erst nach dem Trienter Anti-Frcimaurer-Congreß, sondern vor demselben dem Bitru aus einem Paulus ein SauluS geworden ist. Es geschah vor jenem Congreß, aber lange vor dem Congreß war eö auch, als sich deutsche Entrüstung über den Unsug zu erkennen gegeben hatte. Gruber und die „Köln. VolkSztg." haben unter dem Drucke großer Entrüstung gehandelt, nicht aber etwa sie hervorgerusen. So wenig wie in der Vaughan-Sache gelingtder„Germania" die Weißwaschung der Jesuiten in derAn- gelegenbeit der Hetze gegen den Dreibund, richtiger gegen das deutsche Reich, dessen Zerstörung durch die bisherigen Bundesgenossen in dem Jesuilenvrgan „Civiltä Cattolica" gepredigt worden ist. DaS Centrumsblatt sagt, die „CiviltL" sei „in keiner Weise officielles, den ganzen (!) Jesuitenorden repräsentirendes oder auch nur vom Jesuitengeneral inspi- rirtev Centralorgan der Jesuiten." Also, der Jesuitenorden ist gespalten und in dem von Jesuiten geschriebenen und redigirten — dieser Umstand wird nicht in Abrede gestellt — Blatte dürfen Dinge gesagt werden, die dem Jesuiten- general nicht genehm sind! Da glauben wir doch noch eher an die von Bitru prophezeite Inkarnation der Großmutter des Antichrist, als an diese Neuigkeiten der „Germania". Da das Centrum aber gestern den Antrag auf Aufhebung des Jesuitengesetzes wieder im Reichstage eingebracht hat, so wird sich ja Gelegenheit finden, diese Tinge parlamentarisch zu prüfen, vorausgesetzt, daß ver Antrag vor Sessionsschluß noch zur Berathung gelangt. Wir glauben nicht, daß das Centrum, obwohl eS einer Mehrheit sicher ist, diesen Wunsch hege. Die neueste Zeit hat zur Beurtheilung seiner Affiliirten ein Material beigebracht, daS um so unbequemer ist, als es zumeist von Katholiken herrührt. Eine inS Materielle steigende Jesuitendebatte würde den — Redemptoristen mehr Unangenehmes, als den Jesuiten Erfreuliches ans Licht be fördern. Der Antrag ist vermuthtich nur aus Rücksicht auf die Wähler eingebracht worden. Von verschiedenen Seiten wird bestätigt, daß die Mächte in der kretischen Sache den Commandanten ihrer Schiffe weitere Instructionen im Sinne eines energischen Vor gehens gegen Griechenland zugestellt haben. Jetzt meldet auch der „Hamb. Corr." aus Athen, die Gesandten der Großmächte verlangten die Zurückziehung der griechischen Truppen auS Kreta inner halb 24 Stunven. Bekanntlich hatte die „Post" eine gleichlautende Nachricht gebracht. Die Logik der Thatsachen drängt ja auch auf diesen weiteren Schritt unaufhaltsam hin. Beugt sich König Georg dem ver einten Willen Europas nicht, so wäre die weitere logische Consequenz eben doch die Blockade der griechischen Häfen, in erster Linie des Piräus, die thatsächlich in den Verhandlungen der Cabinette wieder in den Vordergrund getreten ist. Einen Anlauf, um aus anderem Wege den Zweck dieser Blockade, theilweise wenigstens, zu erreichen, muß man darin erblicken, daß englische Schiffe die Insel Cerigo noch umschlossen ballen und, wie uns heute gemeldet wird, an der Nordwest küste Kretas Torpedoboote kreuzen, die jede Ausschiffung von FsniHetoi,. Lin Frauenherz. Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bernfeld. Nachdruck verdvtkn. IV. War eS nun, weil die Recherchen durch die Delikatesse und Zurückhaltung Major Willmor's zu sehr eingeengt wurden, oder weil die Dynamitmänner ihre Maßregeln zu gut ge troffen hatten, um entdeckt zu werden, — genug, Miß Pansy's Prophezeiung von dem Ausgang der Untersuchung erwies sich als zutreffend, und Mr. CateS' Bemühungen blieben ohne Erfolg. ES gelang ihm nicht, Bestätigungsgründe für den Verdacht zu finden, den er insgeheim begte, und ohne sie ge funden zu haben, wagte er nickt, überhaupt mit diesem Ver dacht bervorzutretrn. Seine Ansicht war, daß kein gewöhn licher Verbrecher daS Werkzeug gewesen, daS die Höllen maschine im Hause placirt, sondern eine Person aus den höheren Gesellschaftskreisen, denen Major Willmor angehörte, aus dem Kreise der näheren Bekanntschaft de« Majors selbst, und Niemand wußte bester als der wohlerfahrene, durch manchen harten Strauß im Leben gegangene Mr. CateS, welche Schwierigkeiten es darbot, gegen irgend eine Person höheren Ranges, hervorragenden Reichthums oder allgemein gütigen Ansehens, zumal unter der Herrschaft der aristokra tischen englischen Institutionen und Anschauungen, mit einem Verdacht vorzugehen und selbst auch nur die Erlaubniß zu den erforderlichen Maßnahmen zu erhalten. Er war indeß entschlossen, seine Nachforschungen, da er sich noch keineswegs für besiegt erklären wollte, nicht aufzugeben, sondern sie in aller Stille auf eigene Hand fortzusetzen. Major Willmor seinerseits, vem Schicksal seine: Tochter und deren Pflege weit mehr zugewanvt, als irgend einem andern Dinge, war schließlich froh, die Sache mit ihren aufregenden vergeblichen Bemühungen ruhen zu sehen und sein HauS wieder in Frieden für sich zu haben. In erster Reihe ein sehr ruhiger, besonnener, leiden schaftlichen Erregungen abgeneigter Charakter, war er selbst der stürmischen Heftigkeit, die jener schwere Schlag bei ihm hervorgerusen, nur anfänglich unterlegen und eine schmerz liche, aber fassungSvolle, besonnene Resignation war an ihre Stell« getreten. Sein inniges Bemühen, die Leiden seiner Tochter, so weit eS in seiner Macht latz, zu lindern, ihr Schicksal für jetzt und für später erträglicher, freundlicher zu gestalten, drängte allmählich jeden andern Wunsch, auch den der Rache gegen die Verbrecher und ihrer Bestrafung, vie ihm ja für sein armes Kind doch keine Hilfe, keine Erleichterung mehr gewähren konnte, in den Hintergrund. Er dachte eifrig über die Gestaltung deS Geschickes seiner Tochter nach und begann mit Wehmuth zu erkennen, daß er ihr jetzt nicht mehr Das ganz werde sein können, dessen sie in ihrer Lage bedürfte, und er schrak doch bang vor dem Gedanken zurück, ihr Wohl anderen Händen als den seinen anvertrauen zu sollen. Sie würde so großer Liebe und Sorgfalt bedürfen, um sie ihr Unglück weniger empfinden und es mit Ergebung tragen zu lassen — wer würde so zärtlich und sorgsam über sie wachen, wie eS ihr Vater that? Der schmerzlichen Erwägung trat, indem die Tage und allmählich einige Wochen dahinflossen, eine beunruhigende neue hinzu. Wie nun, wenn Derjenige, der, wie er sich sagte, seiner Tochter Herz gewonnen, jetzt darauf verzichtete, es zu begehren? Der unglückliche Vater wagte nicht, den Gedanken an eine solche Wendung der Dinge auSzudenken. Margaret war, nachdem die Schmerzen des körperlichen Leidens und die erste Zeit der Seelenangst vorüber, in ein stilles Dahinbrüten versunken, in welchem der Anblick der schönen jungen Dulderin um deswillen nicht weniger er schütternd war, weil sie nie klagte, noch eine Erwähnung Lessen that, waS sie verloren. Ihr Vater und ihre Tante Miß Blessington lösten sich darin ab, bei ihr zu sitzen und mit ihr zu plaudern oder ihr vorzulesen. Allein oft genug war eS ersichtlich, daß daS junge Mädchen sie kaum hörte und ihre Gedanken weit hinweg schweiften. Der älteren Dame rannen häufig die Thränen aus den Augen bei dem theilnahmlosen trüben Verhalten ihrer armen fungen Zu- börerin und dem schmerzlichen Zug um ihren still geschloffenen Mund, wie selbst der Major, der charakterfeste, besonnene Mann, nur mühsam einen neuen lauten Ausbruch seines Schmerze» zu unterdrücken vermochte, wenn er sie so vor sich sitzen sab und daS, wa» sie heute war, mit dem verglich, was sie noch vor Kurzem, vor noch nicht ganz einem Monat gewesen war. Den Major bedrückte mehr als nur daS Wehmüthige ihre» Anblickes. Ihn bedrückte die geheime bange Frage: War ihrVerhalten nur die natürliche Folge ihrer Empfindungen über das Unglück, das sie getroffen, oder trug sie in ihrem Herzen verborgen noch eine andere Trauer? Die Lösung dieser Frage war e«, über die Major Willmor unablässig angstvoll nachdachte und die von Tag zu Tag mehr und mehr seine Befürchtungen vergrößerte. Am Nachmittag des Tages der Explosion war sein Neffe Tom Blessington bei ihm erschienen und batte um die Er laubniß gebeten, daß er sich bemühen dürfte, das Herz seiner Cousine Margaret zu gewinnen. Major Willmor, den dieses Gesuch nicht überraschte, da er es längst vorauSgeseben, ertheilte wohlwollend seine Zustimmung wie denn die Ver bindung der beiden jungen Leute in seinen eigenen Wünschen lag und er auch an Margaret'S Neigung für ihren Vetter nicht glaubte zweifeln zu dürfen. Der Verkehr Beider mit einander an dem Gesellschaftsabend desselben Tages schien dieser Annahme auch Bestätigung zu geben. Tom hatte dem Major noch im Gesellschaftszimmer selbst die Versicherung dessen ausgesprochen und von ihm nunmehr die Erlaubniß erhalten, Margaret direct um ihr Jawort anzugeben; er war zu ihr zurückzukehren im Begriff gewesen, um dieses Vorhaben auszuführen, da trat, wie schon gesagt, diese ver- hängnißvolle Explosion dazwischen und hatte ihm das Wort abgeschnitten, noch ehe er es ausgesprochen. Er hatte es aber auch seitdem nicht ausgesprochen. Nahezu ein Monat war seit jenem Abend verflossen, seit vierzehn Tagen hatte Margaret das Krankenbett verlassen und Tom war noch nicht gekommen, jenes Wort an sie zu richten. Konnte eS möglich sein, daß Margaret'S Unglück Tom zu anderer Ansicht bestimmt haben sollte und er die Absicht hege, sich zurückzuziehen? Ein so zärtlicher Vater Major Willmor auch war, besaß er doch Stolz, und er würde eher zu Grunde gegangen sein, als auch nur mit einem Blick zu versuchen, Tom bei seinem Wort zu halten, wenn dieser daS geringste Zögern zeigte, sein Versprechen zu erfüllen. Nach einer oder der andern Seite hin mußte sich übrigens die Sache bald entscheiden. Tom Blessington und sein Freund Stephen Grev waren im Begriff, zu dem Rennen nach England zu gehen, und deren Beginn war fast heran- aekommen; in wenigen Tagen muhte die Abreise der beiden Freunde erfolgen — es war unmöglich, daß Tom ohne irgend eine Erklärung fortging. DaS Letztere hatte sich inzwischen wie der Major, so auch sein Neffe gesagt, und dieser war zu dem Schluß gekommen, daß in der Sache irgend ein Schritt,' wie unangenehm er auch sein möge, getban werden müsse. Tom hatte hin und her über di- Sache nackgedacht. Er hatte seine Cousine wunderhübsch gefunden, sie bewundert, sie in seiner Weise sogar in sein Herz geschloffen. Aber bei all' diesen Regungen hatte stets auch der Umstand mitgesprochen, daß ein reicher Schwiegervater und eine reizende junge Frau, mit der man in der Gesellschaft glänzen könne, durchaus nicht zu ver achtende Hilfskräfte für einen Mann seien, der bei nur be scheidenem eigenen Vermögen und großem Verlangen nach glänzendem Reussiren auf den Kampf um den Erfolg an gewiesen sei. DaS Alles war bei der Partie mit der hübschen Margaret und bei ihrem Vater in bester Ordnung gewesen, aber jetzt war die Sachlage doch leider anders geworden. Margaret'« Vater war freilich noch so reich wie zuvor; der pecuniäre Schaden bei der Explosion war verhaltniß- mäßig gering und durch Versicherungen zum größten Tbeit gedeckt, ganz recht, aber — eine blinde Frau! DaS war ja viel mehr eine Last als eine Hilfe! Nein, eS war auö Rück sicht auf Margaret selbst, wie auS Rücksicht auf sein eigenes Schicksal geboten, daß er den Plan fallen ließ, und wenn unglücklicher Weise der Onkel seiner Tochter wirklich bereits von der Sache und von Tom'S Unterredung mit ihm gesagt und Margaret dem Vater etwa ihre Liebe zu ihm, Tom, be standen haben sollte, — ja du lieber Himmel, daS wäre schlimm, aber WaS hälfe es? Sie müßten dann eben sehen, mit den Dingen, die nicht zu ändern wären, zu rechnen und so gut als möglich mit der Sache fertig zu werden Man konnte sich doch am Ende nicht um einer Heirath willen un glücklich machen oder von ihm verlangen, daß er eS thue! Die beiden Freunde pflegten ihre Besuche im Hause Willmor stets gemeinsam zu machen und täglich ein oder zwei Mal dort vorzusprechen, um sich nach Margaret'S Be finden zu erkundigen; eines Vormittags jedoch, als Stephen Grey sich anschickte, Tom zu begleiten, lehnte dieser ver legen ab. „Wenn es Ihnen recht ist, Grey, lasten Sie mich beute allein hingehen", sagte er. „Ich habe etwas mit meinem Onkel zu erledigen und möchte gern vor unserer Abreise ein Viertelstündchen ungestört mit ihm unter vier Augen plaudern." Sein Freund gab bereitwilligst seine Zustimmung, aber das freundliche Lächeln, mit dem er Tom Adieu bot, erschien eia wenig gezwungen. Und dieses Lächeln schwand rasch, und seine Miene wurde ernst und düster, als er, nachdem Blessington gegangen, allein an einem Fenster deS Hotels stand, in dem Grey bei seiner Anwesenheit in Dublin wie Toni logirte. „Er ist ihrer nicht würdig!" murmelte er. „Und wer
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