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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970302018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897030201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897030201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-02
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Rrclame» unter dem Rehactionsstrich (4ao- spalten) bO^z, vor den Funiilieanuchrichtea <8 gespalten) 40 »L- Gröbere Schriften laut unserem Prei»- verzrichuiß. Tabellarischer »nd Ziffernsatz uach höhere» Laris. ExtraVeilagea (gesalzt), »,r mit d« Morgen »Ausgabe, ohne Postbesürdernng 60.—, mit Postbesörderung ^4 70.—. Ännahmeschluß siir Anzeige«: Abend-Ausgabr: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 110. Dienstag den 2. März 1897. 91. Jahrgang. Neue Briefe Kaiser Wilhelm'- -es Ersten. Eine der werthvollsten Gaben für die deutsche Nation zur Feier des hundertsten Geburtstage» unsere» verewigten Kaiser- ist die Festschrift, die Prof. W. Oncken in Gießen unter dem Titel „Unser Heldenkaiser" geschrieben bat und die vom Eomitö für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniß. kirche zu Berlin zum Besten des BaufondS im Verlag von Schall L Grund (Berlin) herausgegeben wird. Vor Anderen war Oncken, der Verfasser des überaus lehrreichen Werke- „DaS Zeitalter deS Kaiser- Wilhelm", berufen, die Geschichte Wilhelm'S I. volkSthümlich zu erzähle«. Was aber der Arbeit ihren besonderen Werth girbt, daS sind die Briefe, die der Kaiser an die Kaiserin während des Krieges und unmittelbar vor dem ÄuSbruch des Kampfes richtete, Briefe, die hier fast unverkürzt zum ersten Male auf Anordnung de« regierenden Kaisers veröffentlicht werden. Zumal die beiden Schreiben vom 13. Juli 1870, unmittelbar nach der Brüsquirung des Königs durch den Botschafter Benedetti abgefaßt, sind von der höchsten Bedeutung. Sir liegen im Facsimilrdruck vor und lauten: Ems, 13./7. 70. Herzlichen Dank, daß du de» heutigen, sonst so lieben Jahrestages so freundlich gedacht! Die Ems« Damen sind rnchantirt von ihrer Ausnahme und ihrem Aufenthalt bei dir zuriickgekehrt und eingerückt im Schloß. Ich sprach sie nur kurz auf der Abendpromenade, da ein heftiger Regen unS ou-rinand«jagte. Das große Ereigniß L« TageSsrage ist da» alleinige Gespräch, seit- dem an diesem Morgen daS Köln« Extrablatt die erste Kunde des Zurücktritts des Throncandidaten bracht«. Ich sendete dasselbe sofort auch Benedetti, der mir sagen ließ, daß er die Nachricht bereits gestern Abend auS Part» «halten hätte, worau» folgt, daß man es in Pari» früher wußte al» ich. Er kam auf die Promenade und statt ihn «atiskait zu finden, verlangte er von mir, daß ich ü Wut zumal« «kläre, daß ich ui« wieder meine Zustimmung geben würde, wenn etwa diese Condidatur wieder auslebte, was ich natürlich sehr entschieden zurückwies, um so mehr, da ich noch -ar kein« Detail» djr«t erhalten hätte, und al» et immer dringender und fast impertinent wurde, sagte ich zuletzt, msttous qus votrs Lwpereur lui-mßms diese Condidatur aufnähme, jo würde ich ja mit meinem geforderten Versprechen ihm entgegen treten müssen! Kurzum, er schien instruirt zu sein, diese Forderung mir abzupressen, di« er sogleich nach Paris melven wollte, um mich zu irgend einer ossiciellen Kundgebung zu veranlassen, die ich bei der ganzen Sache bisher zu vermeiden hatte, aus der be kannten Stellung, die (ich) zu derselben seit 6 Monaten rtnzunehmen verpflichtet bin: d. h. als Gouvernement habe ich nichts mit der Sache zu thun. Ich lege hier die Briefe bei, die ich soeben erhielt. — Bitte dich, sie mir noch heute zurückzusenden, da sie mir immer nöthig sind zur Hand zu haben; auch mein Brief an Leopold vom 21. Juni liegt in Copie bei. Des Fürsten Raisonnement über künftige Krieg-sragrn ist sehr richtig. Die Post wartet. ',.3 Uhr. Dein W. Der zweite Brief lautet: Ems, 13./7. 70. Dir Benedettische Prätention von heut« früh ist nicht allein ge blieben; Weither berichtet soeben seine erste Unterredung mit Gra- mont-Ollivi«, in der sie, ipslrziwa verka, gesagt haben: DieHvhen- zollern-Eandidoten-Beilegung sei überhaupt Nebensache, di« lg«, heimlichung der Unterhandlungen sei eine Verletzung de» Kaisers und Frankreich», also di« Hauptsache; diese müsse gutgemacht merden, und die» sei durch ein Schreiben meinerseits an den Kaiser K. zu erreichen, ia welchem ich auSiprächr, daß ich nicht die Absicht gehabt, den Kaiser und Frankreich zu beleidigen; dies Schreiben könne publique werden und in der Kammer als Ber- theidigong Preußen» paradirenl Hot mau je «in» solch» Insolenz gesehen? Ich soll also al» reniger Sünder auftreten in dieser Sach«, die ich gar nicht angeregt, geführt und geleitet habe, sondern Prim, und de» läßt man ganz aus dem Spiel»! Leider hat Weither nicht sofort nach solcher Znmuthung da» Zimmer verlassen und seine Jnterlocuteure an den Minister Bismarck verwiesen. Ja, sie sind so weit gegangen, zu sagen, sie würde» Benedetti mit d« Sache beauftragen! Der wollte heute Abend abreisen; nachdem ich durch Anton hatte sagen lassen, daß ich eine zweite Unter redung in der bereits heute früh definitiv abgrlehnten Sache nicht ertheilea könne, zu d« er per Telegramm nochmals angewiesen worden war, hat er sich unerwartet rasch gefugt, was berechtigt, anzunehmen» daß er di« neue Forderung bereit» «halten hat!! Leider muß aus diesen unbegreiflichen xrooSckS» geschlossen werden, daß sie un» coüto qvi conto herausfordern werden und daß der Kaiser lni vo» seinen unerfahrenen taiseurs über flügelt ist. Somit wird dir Lage ia wenig Stunden wieder sehr ernst. Eben kommt ein Telegramm von Stuttgart, in welchem Varnbüler sagt, di« beleidigenden Zumuthungen Frankreichs von heute seien so ««letzend für Württemberg, daß er den französischen Gesandten beauftragt habe, sofort nach Paris zu schreiben, daß man sich dergleichen verbitte. Worauf das gehet, wissen wir ober hier noch nicht. Uebrigens haben Vray und Varnbüler dem französischen Gesandten schon in den letzten Tagen gesagt, daß, wenn Preußen angegriffen würde, ganz Deutschland wie «in Mann aufstehen werde. Das ist sehr brav — wenn es geschähe! Morgen komme ich zum Dia«. Dein W. Der erste Brief, den der König nach der Abreise von Berlin an die Königin richtete, lautet: Maynz, 2./S. 70. Die schwere Abschiedsstunde liegt nun hinter uns und wenn sie durch die Jubelfahrt, dir ich 36 Stunden lang machte, wie ver klungen erscheinen könnte, so liegt sie doch gleich schwer mir im Herzen. Denn die Zukunft ist unsicher und «st nach schweren Kämpfen wird sich GottrS Wille kund thun. Darum ist jeder Jubelruf mir wie ein Schrei der Mahnung, was Alles erwartet wirb, so daß mein Innere» diesen Jubel nicht theiltl Und dennoch müssen wir Gott danken, daß die Meinung so ist, wir ich sie in diesen 3ß Stunden gewahrte! Ja, eS war ein Triumvbzug, der in den großen Städten unermeßlich war, namentlich in Köln! Freilich aurde die Reise mit ihr« Langsamkeit dadurch recht fatigoant und auf regend; doch habe ich mich komplett «holt von den letzten Tagen und Stunden in Berlin, da e» Loch stet» längere Intervallen der Reisen gab und die Hitze nicht zu groß war. In Coblenz waren trotz der späten Nachtstunde eine Menge der bekannten Damen er» schiene», wa» mich tief gerührt hat, und die Erinnerung der lieben ruhigen Zeit contrastirend wirkte. In Düsseldorf war die Fürstin Antoinette auf dem Perron, und wir nahmen den Thee ä S (Karl und Fritz Mecklenburg) in einem Cabinet allein. Sie waren beide sehr «griffen beim Wiedersehen und sehr ernst, wie natürlich! Ich sagte darum auch an Antoinette, sie müßten diese Wendung der Angelegenheit auch al» eine von d« Vorsehung gewollte Schickung betrachten, wo wir Menschen nur die Werkzeuge sind, die Gott sich zur Erreichung seine» Willen» ouSsucht. In Köln waren die Damen Oppenheim, Joest, Mevissen, Bräuning anwesend. Um '/F Uhr waren wir hi«, von Louis (Großherzog von Hessen) an d« Eisenbahn empfangen, die am Garte» des Palais, das er mir eingeräumt Hot, hielt, also sehr bequem. Im hier bereit» gehaltenen Krirgsrath ist coostatirt worden, daß der Feind immer ruhig an d« Saar steht «nd nichts unternimmt. E» scheint aber, daß « seit zwei Tagen seine Eomplettinmgrn «halten hat und sich mehr südlich von Saar brücken concentrirt. Heut« ist die Hitze hi« drückend, die Ver pflegung wird sehr schwierig, weil jetzt Alle» au» unserm Osten hrrbeigeschafft wrrden muß. Eben kommen zwei Landwehr- Bataillone auS Meschede und Attendorn, die excellent aussahen. Holstein ist mit allen Hauptsachen fertig, abar wie auch in Coblenz, sind die Hauptzierden der Promenade noch nicht angegriffen, selbst die Bauten nicht, ab« Alle» ist vorbereitet, in drei Tagen realisirt zu wrrden. Nun leb« wohll Möge deine edle Thätigkelt gute Früchte tragen. Urberall ist die Sohlthätigkrit t« bestra Gang. Fürst Plrß reist mit un». Dein treuester Freund W. Unterweg» bekam ich noch «in Telegramm von Bernstorff (Bot» schaster in London), dem die tzneen von BermittlungS-Vorschlägen sprach, die wir, wenn wir sie sormulirt gesehen, vielleicht hätten ge» währen können, aber durch die französische Kriegserklärung ist alles mit einemmale überflüssig geworden. Sollte man es für möglich halten, daß als einer der Gründe der Kriegserklärung ousgeführt wird, daß ich Benedetti nicht habe empfangen wollen, während ich ihn drei Mal empfangen habe und nur das vierte Mal refusirte, weil er mir sagen ließ, er müsse mir nochmals den bereits bestimmt abgeschlagenen Antrag wiederholen, und sah ich iho doch noch -um Abschied, als ich nach Coblenz fuhr! Man muß wahrlich die Kriegstust bis über die Ohren haben, wenn man solche Gründe zu einem Kriege anführen kann!!! So ist also, zu dem Urbrigen, auch noch diese persönliche Beleidigung hier hinzugctreten! Von den sonstigen Briefen sei nach einem AuSzuge der „Köln. Ztg." Folgendes mitgetheiit: Wie rührend klingt oie Klage nach Befahrung der Metzer Schlachtfelder: „Bei solchen Anblicken mußte man an die denken, die solche Schrecknisse verursachten, da hätte man Granioin, OUivier und noch höher stehende hinführen müssen, um ihr Gewissen zu rühren! Gott sei gelobt, daß daü meinige ruhig dabei sein konnte, wenngleich es wohl dazu angethan war, ich selbst zu prüfen, was man doch selbst wohl verschuldete? Ach, das sind so furchtbar ernste Augenblicke, die man mit erkämpft haben muß, um zu verstehen! Und nun der Ge danke, daß eS ebenso auSsehen müßte auf den Feldern, wo der Kampf am 18. wüthete! Und wo so entsetzlich viele der besten Bekannten gefallen sind oder verstümmelt!" Und weiter heißt es am 24.August: „Ja wohl, mit einer solchen Armee kann man auch nur solche Erfolge erkämpfen, aber sie leidet auch so, daß mir ordentlich bangt vor einem neuen Zu sammenstoß, kenn der Feind schlägt sich mit gleicher Bravour! Und noch ist dessen Mulh nicht gebrochen." Bezeichnend ist auch au- demselben Briefe der nachfolgende Zwischensatz: „Daß die „Queen" immer verlangt, die Deutschen Zer rungen sollten ihre Polemik gegen England fallen lasien, kann doch ihnen nicht zugemutbet werden, wenn flagrantes Unrecht von dort au» geschieht. Aber diese Polemik hat doch wohl dazu deigetragen, um die englische Neutralität endlich etwas völkerrechtlicher zu handhaben." Am 7. Sep tember nennt der König in Reims gegenüber Velleitäten zur FriedenSvermittelung, die auf Integrität Frankreichs gerichtet feien, klar und fest seine FrievenSbedingungen. Er schreibt der Königin mit der Bitte, der Großfürstin Helene von Ruß land diesen Standpunct zur Rücksprache mit dem Zaren klar zulegen, Folgendes: „Wie die» möglich ist, begreift mau nicht! Selbst au» Peters burg kommen solche Aadeutungeu, weil Landabzweigung (Elsaß und deutsch Lothringen) ein neuer pomw« cks äiscorä« jeta würde, al» wenn da» link« Rheinufer dies nicht auf schon seit SS Jahren gewesen sei, so daß um Ruhe zu haben, wir logischer» maßen jenen das linke Rhetnufer abtrrten müßten. Im Gegen- theil, um Deutschland von Frankreichs steten Gelüsten auf Einfälle in Deutschland endlich sicher zu stellen, muß jene Länder abtretung verlangt werden, Elsaß vor Allem. DteS ist auch die allgemeine Stimm» in ganz Deutschland und wolle» sich die Fürsten dies« Stimmung entgegen stemmen, so riskirrn sie ihre Throne; denn die Opf«, die ganz Deutschland an Menschen und Geld oun bringt, verlange» einen Frieden, der dauernd sei und da» ist nur möglich, wenn da» Land genommen wird, wa» deutsch war, und ist e» gewiß vermessen, von solchen Dingen heute schon zu sprechen, wo der Krieg noch in vollem Gange ist; wenn aber andere bereits davon sprechen, daß das und da» nicht sein sollte, so haben wir ein Recht zu sagen, wa» wir nicht zugeben würden, wenn r» erst so weit ist." Am 13. October schreibt der König au» Bersaillrs unter Erwähnung einer amerikanischen Anerkennung über den Werth unserer auS der ganzen sittlichen Bildung unsere» Volke- hervoraehenden Militairinstitutionen: „DaS ist da» Richtigste und Wahrste, was je darüber geschrieben ist und was ich so oft Dir selbst als das Charakteristische unserer Institutionen darstellte, und weshalb man nickt dankbar genug meinem Va>er und Bruder sein kann, einen solchen unausgesetzten Werth auf die ausgebreitete Schulbildung gelegt zu haben, denn daS bat nun in einem halben Jahrhundert die schönsten Früchte getragen." Unmittelbar nach der Kaiserp rocla - mal ion in Versailles schildert er der Kaiserin eingehend die Feier, indem er mit folgenden Worten beginnt: „Eben kehre ich vom Schlosse nach vollbrachtem Kaiseract zurück! Ich kann Dir nicht sagen, in welcher morosen Emotion ich in diesen letzten Tagen war, theils wegen der hohen Verantwortung, dir ich nun zu übernehmen habe, theil» und vor Allem üb« den Schmerz, den preußischen Titel verdrängt zu sehen! Ja einer Conferenz gestern mit Fritz, Bismarck und Schleinitz war ich zuletzt so moros, daß ich drauf und dran war, zurück»utreteu und Fritz Alles zu übertragen. Erst nachdem ich in inbrünstigem Gebet« mich an Gott gewandt habe, habe ich Fassung «nd Kraft ge- Wonnen! Er wolle geben, daß so viele Hoffnungen und Er wartungen durch mich in Erfüllung gehen mögen, al» gewünscht würden, an meinem redlichen Willen soll es nicht fehlen!" Und noch einmal heißt es auS Versailles vom 27. Februar l87l: „Wie hat Gott uns gesegnet in diesen sieben Monaten. Kaum glaubt man alles, was erreicht ist, obgleich man e» selbst «lebte und wie wird einst die Geschichte diesen Zeitabschnitt dar» tellenl Wenn Bordeaux die Ratification aurspricht, jo ist das ruhmvolle Werk auf eine Art beendet, wo Gottes Hand mehr wie sichtlich ist, und immer muß ich eS wiederholen, wie wir Gott preisen nnd ihm danken müssen, daß er un» auserwählte und würdig fand, seine Werkzeuge zur Lösung seine» Willens zu sein! Wenn man die Leistungen des Heere» im Einzelnen versolgt» ö muß man sagen, daß Jeder in demselben von oben bi» unten in sei»« Stellung von ein« Gesinnung und einem Geiste beseelt war, der allein solche Thaten von Heldenmulh und Ausdauer ausführe» konnte, und das ist wiederum Gottes Werk. Wenn unser Feind auch wacker gefuchten hat, so fehlt ihm dieser Geist, der zum Siege führt, der ihm versagt ward, well er unterliege« sollte. Nur ia dieser Auffassung ist unser Ruhm und unser« Ehr« mit Demuth zu «tragen. Gott sei gepriesen für seine Gnade! Wilhelm." Auch noch in diesen Tagen erregten die Engländer sein Mißfallen. Unter dem 14. Februar schreibt er: „Ich habe die Rede der Queen gelesen und bin sehr unan genehm frappirt gewesen über die zweimaligen herzlichen Stellen für Frankreich, während da» Weltereigniß in Deutschland mit der einfachen Bemerkung erwähnt wird, daß sie ihren Glückwunsch aus» gesprochen habe und von den Siegen kein Wort gesagt hat. Ich gestehe, daß ich doch von ihr «wartet hätte, daß sie «» bei ihrem Minister durchsetze» würde, von ihren eigene», sofort au-gesprocheneii tdeilnehmeuden Gefühlen für Deutschlands Lhaten, Opfer und immensen Erfolg ein Wort zu sagen." Nach der Rückkehr nach Berlin hatte am 21. April der KriegSrath sich für die Zurückziehung von zwei Armeecorps auS Frankreich ausgesprochen. Der Kaiser aber erklärte sich in einer ausführlichen Erwiderung an da» Staatsminislerium außer Stande, für eine solche Maßregel die Verantwortung zu übernehmen, legte seine Gründe eingebend dar und leitete sie mit dem denkwürdigen Satze ein: „Niemand im Staate ist wohl mehr al- ich berufen, das Wohl aller Eiaffen der Bevölkerung uud den Wohlstand de» ganzen Lande» im Auge zu haben." — Seine Sinnsprüche hat er am 24. April 1878, „im dritten Jahre de» neu erstandenen Deutschlands", in einer Tafel zusammrnaefaßt, die der Fest schrift gleichfalls im Faksimiledruck beigefugl sind. Sie lauten: „Erst wagen, dann wagen!" „8uum cutque!" „Höre beide Parteien!" „Gott mit uns!" Welche» Interesse Kaiser Wilhelm II. Oncken's Festschrift, die unter der Leitung de» Professor» Röse, de- Directors der chalkographischen Abtheiiung der ReichSdruckerei, reich und geschmackvoll auSgeschmückt worden ist, enlgegengebrachl bat, da- beweisen auch zwei Tafeln am Anfang und am Schluffe des Werkes. Aus dem Titelblatt befindet sich ein Faksimile folgenden Wahrspruche«: „Meine Kräfte gehören Feuilleton. Das Lostümsest im Kaiserschlosse zu Berlin. Loa Paul Lindenberg. Nachdruck Strahlend erhellt waren am Sonnabend Abend die langen yesterreihen de» machtvollen Hohenzollernschloffe» an der Spree; Wagen auf Wagen rollten dem schon von fernher sichtbaren Ziele z«, und dichte Menschenmassrn wohnten unter den Linden und im Lustgarten der Anfahrt bei, um hinter den Scheiben der Equipagen die» und jene» Costüm, die eine oder andere Gestalt zu erspähen und so einen wenn auch noch so flüchtigen Eindruck vom historischen Eostümsest, dessen Vorbereitungen schon seit Wochen nicht nur unsere Hof- und ersten Gesellschaftskreise, sondern auch die breitere Oeffentlichkrit angelegentlich beschäftigt hatte, zu erhalten. Man weiß, daß für sämmtliche Tbeilnehmer, deren Zahl siH auf 4S0 belief, da» Hofcostüm de» Jahr« 1797 vorgtschneben war und daß die vielseitigsten Anstrengungen gemacht worden waren, um >a den verschiedenartigen Trachten die geschichtliche Treue möglichst festzuhalten. Glänzend und fesselnd, von seltenem Farbenreiz uud einer das Auge fast verwirrenden Mannigfaltigkeit war da» Bild, welche« schon bald uach der achten Abendstunde der Weiße Saal, der den räumlichen Mittelpunkt de» Feste- bildete, darbot: von den stolzen weißen Marmorwänken de» schönen Raume» und seinen dichten Büschen südlicher Blattpflanzen hoben sich färben» und lebensfreudig die einzelnen Gruppen der Eiogrladenen ab, die meist in fröhlichem Gespräch zusammenstanden, nachdem sich zunächst manche heitere Brr- und Erkennungsscrne ab gespielt. Die Eostume der jungen, mit Tanzerwartungen er schienenen Damen waren meist einfach gehalten, überwiegend weiße Kleider au» Batist oder Mull, glatt herabfallend und ohne Schleppe, mit kleinerem Ausschnitt, kurzer Taille und mit bunten Schärvra und Schleifen verziert, Blumen oder Frderbüschrl im gelockten Haar, da» auch vielfach mit Bändern durchflochteu war. Die übrigen Damen hatten schon mehr Pracht in ihren Toiletten entfalten können- hier herrschte durch da« vielfach gewählte Ober- und Unterkleid eine größere Verschiedenheit in den Karben und in der Machart vor, als Stoffe dienten Atla», Seide und Brocat und an kostbaren Stickereien und Schmucksachen fehlte r< nicht; die Haare wurden meist lockig getragen mit Federstutzen, lange, hell farbige Handschuhe bedeckten Hände und Arme, die auSge- schnitten«,, Schube waren au< bunter Seide. Unter den Herren, die sämmtlich weiß, Perrücken trugen, überwog die Uniform. Malerisch am wirksamsten waren dir Ziethen-Husaren mit rothrm Waffenrock, über di« recht« Schulter da« goldbrsternte Pantherfrll gehängt, di« riesigen Pelzmützen mit goldenen Quasten verschnürt; schmuck und flott sahen auch dir blauen Husaren au« mit silbervrrschnürtrr Attila, fremdartig die BoSniaken mit ihren langen schwarzeu und rotbrn kaftan- artigen Röcken, mit silbernen Brusttreffen besetzt. In weißen Waffearöcken mit thrilweise schwarzen Einsätzen und goldenen Litzen waren di« Kürassier«, gleichfalls in weißen Uniformen mit blauen Aufschlägen dir Gendarme erschienen, zahlreich vertreten waren die Officiere vom ersten Bataillon Garde mit dunkelblauem Waffenrock, rotbrn Auf schlägen und Gilberlitzen, dazu weiße Beinkleider und E-carpin». Unter den Eiviltrachtrn herrschten dir Hofcostüme vor und zwar hatten die Vertreter der hohen Hofchargen jene Costüme angelegt, die vor hundert Jahren getragen wurden und meist au< Sammet gefertigt waren. Kurz vor neun Uhr verkündet« ein Zeichen auS den Neben- räumeu daS Naben de- Hose». DaS Surren und Summen ver stummte, die Mitte deS Saales blieb frei, die Damen der höchsten Aristokratie stellten sich rechts vom Thronbaldachin auf, unter welch letzterem die beiden Thronsrflel standen, von vier Leibpaaen io goldbordirten rotbrn Röcken stankirt. Unter dem Vortritt des Oberbosmarschall» Grafen Euirn- burg, der ein prächtige» schwarze» Dammetcostüm trug, und der Oberceremonienmeister erschien die Kaiserin, gefolgt von den fürstlichen Damen und Herren. Dir bohr Frau hatte ein Gewand angelegt, dessen langschleppigc» Obrrkleid au» goldgelber Seide bestand, während da- Unter kleid auS feinstem weißen, indischen Stoff gefertigt war, besäet mit grüngoldigen Käfersiüaeln und unten mit gestickten matt- grünen Blumenranken versehen: die Aermel waren kurz und wenig gebauscht, durch da« schöne lockige Haar war ein rotb- seidener gestickter Shaw! gewunden, aus einer rosa Rosette erhob sich «ine Hobe weiße Feder, um den Hals — da« Obcrgewand mit kurzem Jäckchen war herzförmig aus geschnitten — wand sich «in funkelnder Brillantschmuck, die langen Handschuhe waren hellgelb, rin rrsedasardrnrr OrSps ff« cdjllv-Shawl hing über dem rechten Arm. Während di« Kaiserin die zunächst dem Throne siebenden Damen freundlich einzeln begrüßte, erscholl von fernber Trommel- und Pfrisrntlana, und stampfenden Schritte« marsch,rte m den Saal die Dchloßgarde-Eompagnie in ihren Fr,edericianischrn Uniformen mit den hohen silbernen Grenadier- mützen und den schweren Gewehren, voran zwei Trommler, bann zwei L>fsiciere mit Tponlon-, in der Mitte der Truppe die weißseidene Fahne mit dem schwarzen preußischen Adler; hinter her kam die Leibgarde der Kaiserin mit Weißen Kollern, dunkel rothe» Aufschlägen und silbernen Litzen, die Pallasche gezogen. Link» vom ersten Glied« der Schloßgardisten marschrrte der Kaiser in der Obersten-Uniform vom ersten Bataillon Garde: dunkelblauer Waffenrock mit rothen Ausschlägen und goldenen Tressen, weiße Beinkleider und gleiche Gamaschen, weiße Weste mit Spitzenjabot», frderbesetzter Dreimaster, über der Uniform da» Orangrband vom Schwarzen Adlerordeu mit Stern, an der linken Seite der Degen, in der rechten Hand den Officiers-BambuSstock mit goldenem Knopfe haltend, die kurz« Weiße Prrrücke war seitlich aufaerollt, der kleine Zopf schwarz umwunden mit schwarzer Schleife. Ai» dir strammen Gestalten der Gardisten quer den Saal durchschritten hatten, gab der Kaiser, dem die alte Militair- tracht vorzüglich stand, mit kerniger Stimme die EommandoS ab: „Halt!" „Erste- Bataillon richt' Euch!" „Gebt Ach tung!" „Präsentirt da- Gewehr!" Und unter Trommel klang wurden die Griffe mit altpreußischer Wucht auSgeführt. Der Kaiser, der bisher am linken Flügel gestanden, trat vor dir Front und verbeugte sich, den Dreimaster abnehmend, vor seiner Gemahlin, die vor dem linken Tbronseffel stand, dann, unter den rauschenden Klängen de» PräsenlirmarscheS, schritt sie an seiner Seite die Front der Gardisten und hier nach die ihrer Leibgarde ab, die« ein berückend malerische« Bild von unvergeßlichem Eindruck. Der Kaiser führte seine Ge mahlin zum Thron zurück, verbeugte sich vor ihr und comman- dirte darauf von Neuem: „DaS Gewehr auf Schulter!" „Tretet ab!" „Töte link» schwenkt!" „Bataillon marsch!" und unter den elektrisirenden Weisen de» Hohrnfriedberaer Marsche« verließen die Truppen den Saal, der Kaffer wiederum links an der Spitze, um gleich darauf zurück-
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