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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970303022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897030302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897030302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-03
- Monat1897-03
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DaS ist die Auffassung, die der Historiker aus dem Studium der Geschichte gewinnt, und das ist die Ausfassung, die das Urtbeil des schlichten, nichtgelehrtcn Pa trioten unbewußt beeinflußt. Diese der Ansicht Kaiser Wilhelm's II. entgegengesetzte Auffassung — der Kaiser sagte bekanntlich am 26. Februar d. I., sein verewigter Großvater habe „so manchen braven, tüchtigen Natkgeber gehabt, der die Ebre batte, seine Gedanken auösübren zu dürfen, alle aber seien Werkzeuge seines erhabenen Wollen» gewesen" — ist in ungeahnter Weise durch bisher nicht veröffentlichte Briefe Kaiser Wilhelm's I. an den Fürsten Bis marck bekräftigt worden. Jene Briefe sind enthalten in der ersten Abtheilung des IV. Bandes des „Bismarck-Jahr buches"*), deren Aushängebogen uns vorliegen. Nickt ohne tiefe Rührung liest man, wie sehr der ver ewigte Kaiser um Bismarck's Gesundheit besorgt war, wie herzlichen Antbeil er am Geburtstage des Fürsten be kundete, wie sinnige Geschenke er für ihn auswäblte; aber am ergreisendsten und erhebendsten zugleich ist die rückbaltlose Dankbarkeit, die der Herrscher seinem Minister, frei von jeder neidischen Anwandlung, entgegen brachte, die rückhaltlose Anerkennung der Initiative Bismarck's und das rückhaltlose Vertrauen auf seine Tbal- kraft. Wir müssen es uns versagen, die vorliegenden sieb zehn Briefe vollständig abzudrucken, und können im Nach stehenden nur das Wichtigste wiedergeben. Bon der Mainau schreibt der Kaiser am 20. VII. 79 u. A.: „ . . Vor Allem aber muß ich Ihnen nun noch nachträglich Glück wünschen zu dem Siege, den Sie im Reichstage erfochten haben! Zu den vielen Siegen im Aeußeren tritt nun zu Lenen imJnnern überhaupt noch die ser auf dem Finanz Gebieth. Sie unternahmen es, in ein Wespen-Nest zu stechen, wobei ich Ihnen au- Ueberzeugung beitrat, wenn auch mit Bangigkeit, ob der erste Wurf gelingen würde. Ein ähnlicher Um schwung der öffentlichen Meinung ist wohl selten in so kurzer Zeit errungen worden, und man siehet, Sie trafen, nach ungeheurer Arbeit und Anstrengung den Nagel auf den Kopf, und wenn der selbe auch Etwas beim Einschläge» brökelte, so ist doch die Majo rität von 160 Stimmen ein Triumph, der Ihnen manche schwere Stunde der Vorarbeit und des Kampfes versüßen wird. Das Vaterland wird Sie dafür seegnen — wenn auch nicht die Opposition! Ihr dankbarer König Wilhelm." *) Herausgegeben von Horst Kohl. Verlag der G. I. Göscheu- scheu Verlagsbandlung in Leipzig. 4 Ablheilungen ä 2 e Die am 10. d. M. im Buchhandel erscheinende 1. Ablheilung enthält: 17 Briefe Kaiser Wilhelm's I. an Fürst Bismarck; 3 Briefe Bis marck's an den Prinzen von Preußen; 35 Briese Bismarck's an König und Kaiser Wilhelm I.; 35 Briefe Albrechr's von Roon an Bismarck; eine Nachlese zu den Briefen Bismarck's an Albrecht von Roon; einen Brief des Kronprinzen Friedrich Wilhelm an Gras Bismarck. Aus Berlin, 1. IV. 1881 schreibt er: „Meiner Gewohnheit gemäß jl.: entgegen) Ihnen am heutigen Tage meine Glückwünsche persönlich zu überbringen, bin ich heute genöthigt, dies schriftlich hiermit zu thun. Sie können denken, daß meine Wünsche immer nur darauf gerichtet sind, daß die Vorsehung Ihnen Gesundheit und mit dieser Krast und fernere Ausdauer in Ihrem so schönen wie beschwerlichen Berufe verleihen möge, damit Sie mir und dem Vaterlande erhalten bleiben zur Aus- und Durchführung noch so vieler und großer Pläne. dieJhr Oeuius Ihrer schöpferischen Kraft eingiebt. Das walte Gott! . . ." Am 10. V. 82 schreibt der Kaiser aus Berlin: „Für Ihre lieben Wünsche bei der Geburt eines Urenkels sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Dies so glückliche Familien- Ereigniß ist aber auch geschichtlich von hoher Wichtigkeit. Denn wenn die Vorsehung dem kleinen Ankömmling Leben und Gedeihen schenkt, so ist seine Zukunft eine bestimmte, und somit wären meine drei Nochfolger in der Krone lebend vor mir! Ein mächtiger Gedanke! — Weniger erfreulich sind Ihre Mitthcilnngen über Ihren Gesund- beits Zustand, die ich aufrichtig bedaure in jeder Hinsicht. Denn Ihre Anwesenheit wäre so wichtig in den nächsten sehr ernsten Vor gängen im Reichstag. Wenngleich in der öffentlichen Meinung sich ein bedeutender Umschwung in der Monopolfrage zugetragen hat, so stehet dieselbe doch noch sehr prscaire, und nur Sie könnten sie vielleicht retten oder wenigstens sür das nächste Jahr weiter sich Vorarbeiten lassen. . Am 30. X. 82 sendet ibm der Kaiser folgende hoch wichtige Zeilen: „. . Ich kann nur in Ihren Beifall einstimmen, über die bessere politische IcwpciLtur, die sich im Lande bei den Wahlen gezeigt Kat, und theile ich ganz Ihre Ansicht, daß die Erlaffe vom letzte» November und Januar*) — allein Ihr Werk großer Vor aussicht — diesen Umschwung in denkenden politischen Männern endlich herbeigeführt haben. . ." Am 1. IV. 1883 schreibt der Kaiser: „Was mangelnde Gesundheit sagt, habe ich in den letzten Wochen — recht schwer empfunden, wo ich nur durch Mittels-Personen mit Ihnen, aber Gottlob immer im Einverständniß, verhandeln mußte. Und so muß ich also auch heute zur Feder greisen, statt persönlich vor Ihnen zu erscheinen. Da Ostern so nahe noch liegt, sende ich Ihnen als Andenken an dies heilige Fest und an den heutigen Tag ein unausweichliches Ey, das den Adler trägt, den Sie neu geschaffen haben! Möge sein Flug in den nächsten Tagen ein glücklicher sein I Ihr treu ergebener dankbarer Wilhelm." Aus Baden-Baden schreibt der Kaiser am 4. X. 83: „Ihren so lieben Brief, in welchem Sie mir leider, wenn auch nicht unerwartet, Ihr Ausbleiben von der Festlichkeit der Enthüllung des Denkmals auf dem Nieder-Wald anzeigten, konnte mich nur schmerzlich berühren, noch mehr aber ist dies der Fall nach dem Gelingen dieser Feier. Dieselbe ist eine der gelungensten, die ich je erlebt, durch Anordnung, Durchführung, lirnnckiosität des Denkmals an sich, der unerwarteten Aufklärung *) 17. November 1881 und 4. Januar 1882. des Wetters und vor Allem durch die Gefühle, die namentlich diejenigen durchdrangen, die thäiigen Antbeil an den Kämpfen und Erfolgen nahmen, denen das Gebilde geweidet ist! Zn diesen ge hörten nun hauptsächlich Sie als Herbeiführer dieser mächtigen Ereignisse und Leiter derselben zum «rranllioscn Frieden Ihnen hierfür öffentlich von Neuem meinen Dank und meine Anerkennung auszusprechen, wäre meinem Herzen ein dankbares Bedürfniß gewesen! Es sollte nicht sein, aber gedacht ist Ihrer vielfach geworden! . Obne den Fürsten Bismarck kein Kaiser Wilhelm, aber auch obne Wilbelm I. kein Fürst Bismarck: Das bat, rück haltlos und dankbar wie der Herrscher, der Minister eben falls in seinen jetzt piiblicirten Briefen an Wilbelm I. aus gesprochen. Am 3. XU. 1878 schreibt der Fürst: „Zn meiner tiefen Bctrübniß bin ich nicht im Stande Ew. Majestät meine ehrfurchtsvolle Begrüßung übermorgen gemein sam mit meinen College» darbringen zu können. Ich vermag nur schriftlich Ein. Majestät den herzlichsten Wunsch zu Füßen zu legen, daß Gottes Segen in der wieder übernommenen Regierung Ew. Majestät Trost und Genugthuung gewähren möge sür die Ver brechen und den Undank der Menschen, welche Ew. Majestät im Herzen ebenso schwer als äußerlich haben verwunden müssen. Der plötzliche Uebergang aus der Gasteiner Cur in die Arbeiten des Reichstags scheint meine Herstellung gehindert zu haben, so daß ich heut noch nicht wieder so wohl bin, wie ich im September war. Wenn aber Ew. Majestät die Gnade haben wollen, mir noch 4 bis 6 Wochen arbeitsreie Einsamkeit und Waldlust zu gestatten, so darf ich hoffen, daß es mir mit Gottes Hilfe gelingen werde, mich im Januar sür die Arbeiten zur Vorbereitung des Reichstags mit irischen Kräften zu Allerhöchstdero Verfügung stellen zu können. Die Neichstagsverhandlungen werden in diesem Jahre wegen der Nothwendigkeit tief eingreifender finanzieller und wirthschastlichcr Reformen beionders schwierig und voraussichtlich von harten Kämpfen der Parteien unter einander und gegen Ew. Majestät Regierung begleitet sein. An einem schließlichen günstigen Erfolge, auf dem finanziellen wie auf dem wirthschaftlichen Gebiete, zweifle ich aber nicht, wenn e- gelingt, die Einigkeit de» Staats- Ministerium- in sich und mit den wichtigeren Bundes regierungen zu erhalten und der Regierung diejenige Festigkeit und Entschlossenheit zu bewahren, welche Ew. Majestät Führung uns in allen schwierige» Lagen gewährt hat und der wir, nächslGott, so großeErfolge verdanken. v. Bismarck. Und am 26. IX. 1887 schreibt er: „Ew. Majestät danke ich in Ehrfurcht für das huldreiche Hand schreiben zum 23. c. und für das gnädige Geschenk der Abbildung des Palais, in welchem ich so viele Jahre hindurch die Ehre gehabt habe, Vortrag zu halten und die Allerhöchsten Befehle entgegenzu- nehmen. Eine besondere Weihe erhielt der Tag für mich durch die Begrüßung, mit welcher Ihre König!. Hoheiten die Prinzen Wilhelm und Heinrich mich in Ew. Majestät Austrage beehrten. Auch ohne diese neuen Gnadenbeweise war das Gefühl, mit welchem ich den 25. Jahrestag meiner Ernennung zum Minister begrüßte, das Gefühl des herzlichsten und ehrfurchtsvollsten Dankes gegen Ew. Majestät. Minister ernennt jeder Landesherr, aber es ist in neuerer Zeit kaum vorgekommen, daß ein Monarch einen Minister-Präsidenten 25 Jahre hindurch in bewegten Zeiten, wo nicht alles gelingt, gegen alle Feindschaften und Intrigen hält und deckt. Ich habe in dieser Zeit manchen früheren Freund zum Gegner werden sehn, Ew. Majestät Gnade und Vertrauen sind sür mich aber unwandel bar gleich geblieben. In dem Gedanken daran liegt sür mich reicher Lohn für jede Arbeit und Trost in Krankheit und Einsam- krit . . Die Früchte dieses Treubunds zwischen Kaiser und Kanzler kennt die Welt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. März. Die Aussichten auf die Erhöhung Ser Beamteugrhältcr sind sowohl im Reichstage wie im preußischen Land tage ziemlich trübe. Da indessen die Reichstagscommission zur Beibringung weiteren Materials die Beratbnng binaus geschoben bat, so stehen die Verbältnisse in Preußen im Vordergründe, weil die zweite Beratbung der Commission über die Besoldungserhöhunzen soeben beginnt. Im preu ßischen Landtage ist die Möglichkeit eines Compromiffes größer als im Reichstage, weil für eine Verständigung zwei Majoritäten gebildet werden können, entweder eine conscrvalio - nationaUiberale oder eine conservativ - klerikale. Die Bildung einer Majorität der letzteren Art ist aller dings nach den sebr energischen Auslassungen der „Germania" höchst unwahrscheinlich. Ta« Blatt hebt auch hervor, daß die für den Entwurf freundliche Haltung des Herrn v. Huene in der Commission nicht inS Gewicht falle, da Herr v Huene mit seinem Standpunkte nicht nur unter den ultramontanrn Commissiousmilgtiedern, sondern überhaupt in der CenlrumSfraction völlig allein dastehe. Es wäre nun sehr zu wünschen, daß die conservativ-nationalliberale Majorität unter Zugrundelegung eines Compromisses sich für den Gesetzentwurf entzünden ließe. Will die Regierung in der Frage de« Höchstgehaltes der Richter nicht nachgeben, so könnte sie doch wenigstens den Wunsch der National liberalen, es möge unter allen Umständen vermieden werden, daß ein in eine höhere Rangstufe aufrückcnder Richter zunächst im Gehalte verkürzt wird, erfüllen. Aber auch in der Frage de« Höchstgehaltes drr Richter müßte eine Ver ständigung sich finden taffen, da die Gründe der Regierung gegen die Gleichstellung mit den BerwattungSbeamteu zum größeren Tbeile wenig stichhaltig sind. Wenn z. B. die „Berliner Politischen Nachrichten" in einem officiösen Artikel darauf Hinweisen, daß in den meisten deurscken Staaten das Höchst gehalt der Richter ein geringeres sei als in Preußen, so können diese Zahlen allein noch nicht als ausschlaggebend betrachtet werden, denn es kommt darauf an, ob nickt etwa in anderen Staaten der Nacktheit eines geringeren Höchst gehaltes durch Vortheile ausgeglichen wird. So dauert z. B. in Bayern und in Hamburg der Vorbereitungsdienst derReferen- dare nur drei Iabre, während er in Preußen vier Jahre dauert. Es ist weiter sebr fraglich, ob die mißliche Lage de- unbesol deten Assessorats in den anderen Staaten m demselben Umfange besteht, wie in Preußen; ferner, ob nicht das Aafrücken in höhere Stellungen anderwärts ein rascheres ist. Aus der andern Seite freilich geben die Anhänger der Gleichstellung der Richter mit den Verwaltungsbeamten im Geballe zu weit, wenn sie meinen, daß die niedrigere Bemessung des Höchst rhaltes dem Ansehen des RichterstandeS schaden würde. Das Ansehen des Richters beruht daraus, daß er über die Geschicke des Einzelnen eine Macht bat, wie Niemand sonst im Staate. Er entscheidet über Vermögen, Ebre, Feiiilletsir ioi Ein Fraueiiherz- Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bern selb. Nachdruck Verbote». Margaret hemmte stutzend ihren Schritt, betroffen von der unvermutheten Anwesenheit Jemandes in ihrem Wege und noch weil mehr von dem Klange der Stimme, welche sie sofort als diejenige jenes geheimnißvollen Besuchers an ihrem Hochzeitstage wieder erkannte. Ebenso drängte sich ihr in demselben Augenblick die Ueberzeugung wieder auf, daß sie diese Stimme und diese Aussprache in ihrer Mischung von städtischem Schliff und breiter irischer Landaussprache auch schon anderweitig gehört, allein wiederum vermochte sie nicht anzugeben, wo, obwohl sie lebhafter als je fühlte, daß, wenn sie nur ibre Augen gehabt und einen Blick auf den Sprecher hätte werfen können, die Vereinigung seines Aeußeren mit dem, was ihr Ohr ihr sagte, sie unverzüglich zum Ziel ge führt haben würde. „Ist Hallows nicht hier? Ich wünsche ihn zu sprechen", sagte sie. „Der alte Hallows ist gestern Abend ausgewogen, Ma'am. Er wobnt im Dorf. Ich bin jetzt hier Parkwächter, zu Euer Gnaden Befehl." Margaret fühlte sich lebhaft versucht, ihn einer Reibe von Fragen zu unterwerfen, um herauszubekommen, wodurch er die Stelle des alten Hallows erhalten und wo sie, Margaret, ihm früher schon begegnet sei; allein abermals widerstand sie der Versuchung. Sie wollte sich von Nicht« in den Angelegenheiten ihres Gatteu Kcnntuiß verschaffen, wovon er sie nicht selbst unterrichtete. „Sie sind Irländer?" fragte sie nur, einem Antrieb der Neugierde und einer kleinen weiblichen Inkonsequenz nach gebend, deren sie fick nicht ganz bewußt war. „Geborener Irländer, ja Ma'am — aber lange fort ge wesen, viel umhergekomincu! Ich war drüben in England und in Schottland, und daun auch ein paar Jahre — hm, o, ich bin überall in der ganzen Welt gewesen I" Margaret lächelte zu der echt inscheu Prahlsucht dcS Mannes, der versicherte, „überall in der ganzen Welt" ge wesen zu sein, weil er in de» Königreichen seines weiteren Vaterlandes, England, Irland und Schottland, umher gekommen. Hätte sie das seltsame Zwinkern seines Auges und seine halb verlegene Miene sehen können, mit der er sich plötzlich unterbrach, als er im Begriff war, von den anderen Platzen zu sprechen, an denen er noch gewesen, so würde sie vielleicht anders geurlheilt und sich beunruhigt gefühlt haben. Wie eS jetzt war, erschien ihr die Sache nur als der charakteristische Bombast des echten Irländers. „Sie werden es hier sehr einsam finden nach Ihren großen Reisen", sagte sie. „Greystone Abtei ist ein stiller Platz." „Eh. mir nicht zu still, Ma'am!" lautete die ruhige Antwort, und indem sich Margaret, leicht grüßend, zum Geben wendete, um ihren Weg nach dem Schloß zurück zutasten, war cs ihr, als vernehme ihr scharfes Ohr ein leises, unterdrücktes Lachen des Manne«, daS sie sofort wieder mit einer gewissen unbestimmten Besorgniß erfüllte. Sie war sich nicht bewußt, irgend etwa« gesagt zu haben, was die Heiterkeit des Mannes erwecken konnte — welchen Sinn legte er ihren Worten unter, daß diese so sein Vergnügen erregten — oder hatte er gelacht, weil er, was bei Leuten seine- Schlages am leichtesten Heiterkeit hervorzurufen pflegt, sich bewußt war, einen Andern — in diesem Falle also sie — in täppischer Weise genarrt zu haben? Wer oder was konnte dieser Mann sein, der, eS ließ sich kaum bezweifeln, irgend eine besondere Macht auf ihren Galten ausübte und bestimmt schien, zu ihrer Beider Leben in engerer Beziehung zu stehen? ES leuchtete ihr jetzt klar ein, daß nicht öallowS' Alter oder Ungeeignetheit seine Ent fernung von seinem langjährigen Posten bewirkt hatte, sondern die Nothwendigkeit, ihn Platz machen zu lasten sür jenen fremden Anderen, dessen Verlangen nicht unberücksichtigt bleiben durste; und au« dem Umstande, wie hoch Skcpben den treuen alten Diener stets geschätzt, ließ sich ermessen, daß es kein unbedeutendes oder anderweitig zu beseitigendes Motiv gewesen sein konnte, da« ibn vermocht batte, zu der völligen Enthebung von seinem Posten und seiner Ent fernung auS dem Häuschen, in dem er alt und grau ge worden, zu schreiten. In dem Moment, wo sie sich dem Schloß so weit ge nähert, daß sie von dort aus auf den gewundenen Pfaden de« Parks gesehen werden konnte, kam Stephen, der am Fenster auf ihre Rückkehr gewartet, auS dem Hause auf i:e zu. „Man sagte mir, daß Du promeniren gegangen seiest, ich wußte jedoch nicht, nach welcher Richtung hin, ich würde Dir sonst entgegengegangen sein", begrüßte er sie. „Ich war nach dem Parktborhäusckien", entgegnete sie in einem, wie sie befangen selbst füblte, kühlen Tone. Grey war offenbar ähnlich berührt, denn er antwortete nicht, noch richtete er eine Frage bezüglich ihres Besuches an sie. Sie nahmen gemeinsam daS Frübstück ein und während der ganzen Zeit war Margaret, so sehr sie sich bemühte, wie sonst zu sprechen und zu handeln, befangen und zerstreut. Gleich nach dem Mahl zog sie sich auf ibr Zimmer zurück und wenige Minuten später kam auch ibr Gatte dahin. Margaret hörte ihn eintreten und erkannte aus seinem Schritt, daß er es war, aber sie beschäftigte sich eifrig mit ihrer Häkelarbeit — einer Kunst, die sie sich neuerdings an- geeignek, just um die Gedanken vom Unbeil dcS Müßig ganges fernzubalten, wie sie erklärt batte. Stephen, mit dem einen Arm auf daS Gesims des Kamins gestützt, blickte einige Minuten in nachdenklichem Schweigen auf sie hin. „Nun, Margaret, so sprich zu mir, was giebt eS?" be gann er dann plötzlich in einem Ton stillen, resiguirten Schmerze«, der das junge Weib mehr rührte, als sie gerade jetzt geneigt war, sich zuzugesteben; aber sie war eben noch zu verstimmt, um ihre gewöhnliche milde, sanfte Art und Weise schon ganz wieder gewinnen zu können. „Ich weiß es nicht — wie sollte ich wissen, waS es giebt!" krack es erregt aus ibr hervor. „Ich bin blind, ich kann nichts sehen. O, wie schrecklich, schrecklich iß es, blind zu sein!" „Es schmerzt mich tief, tief, zu hören, daß mein Weib es zum ersten Mal empfindet!" Er sagte es nur im Ton schmerzlicher, klagender Tbeil- nähme. Es gab keine Nüance, keinen Anflug de« Vorwurfs in dem tiefen, bebenden Klang seiner Stimme; doch Margaret, von seinen Worte», von diesem Ton seiner Stimme besiegt, sprang auf und warf sich, weinend und reuevoll, von heißer, inniger Liebe beseelt, in seine Arme — sie wußte in diesem Augenblick nur noch von seiner Zärtlichkeit, seiner Güte und Theilnahme, seiner Liebe und Fürsorge für sie. „Verzieh, o vergieb mir, Stephen!" schluchzte sie. „Ich bin nicht herzlos und undankbar, wie Du glauben mußt — ich bin e« nicht, bei meiner Liebe zu Dir, ich bin eS nicht, vergieb mir!" „Zwischen Dir und mir, Geliebte, kann nie von Vergeben die Rede sein, nur von Liede! Wahrhafte Liebe ist mit Kränkung unvereinbar und bedarf deshalb der Vergebung nicht." „Du bist so großherzig, so gut!" ,M)enn ich es bin, so verdanke ich es Dir — Du hast mich dazu gemacht. Und nun erzähle mir, was war es, das Dich verstimmte?" Sein gelassener, plötzlicher Uebergang zu den realen Dingen wirkte wie ein Berubigungsmittel auf Margaret'« Nerven. Sie trocknete ibre Augen und lächelte. „Ich schäme mich, eS Dir zu sagen", gestand sie, von Neuem die Arme um ihn schlingend. „Ich war binaus nach dem Parkthorhäuschen und fand, daß der alte Hallows fort sei." „Ich sagte Dir gestern Abend, daß ich ibn fortgeschickt," erinnerte er ruhig. „Ja; doch dachte ich nicht, daß eS schon jetzt, so unmittel bar geschehen. Und ich sah — oder viclmebr hörte den neuen Parkwächter dort." „Nun, und?" „Es ist der Mann, Stepben, der an unserem Hochzeits tage bier war, als wir auf Greystone Abtei anlangten." „Ich leugne es nicht, Margot." „Es ist also derselbe. WaS bedeutet das? Es ängstigt mich. Davon abgesehen, bin ich auch gewiß, daß mir jeine Stimme bekannt ist, daß ich ibm schon früher irgendwo be gegnet sein muß, und daß ich, wenn ich ihn nur sehen könnte — ach, es ist so traurig, blind zu sein! — ihn sicher wierer- erkenlieii würde." „Wenn es nur das ist, Margaret — ich werde ibn Dir getreulich beschreiben." „Glaube nicht, daß eS blos leere Neugierde von mir ist, Stephen", suchte sie sich zu vertheidigen. „ES ist — ick habe —" Er legte ihr sanft die Hand auf den Mund, um ibn zu verschließen. „Denkst Du, daß ich mein geliebtes Weib nicht kenne und ihr nicht vertraue?" fragte er in einem Ton. in dem sich Zärtlichkeit und tiefer Ernst vereinten. „Als ick Dein Gatte wurde, habe ich Dir gelobt, für Dich sehen zu wollen. Ich werde mein Wort hatten und nie sollen meine Augen Dick täuschen!" Margaret sah mit einem Gefühl der Ehrfurcht zu ibm auf, daS so heilig, süß wie seltsam beklemmend war. Sie wünschte, sie batte da- Thema nie zur Sprache gebracht, Leun der Gedanke begann sie zu ängstigen, daß sie ibn damit quäle, und der Entschluß, deu er gefaßt, ihm schwerer an- koniliien möge, als sie ahne. „Sage mir nicht« darüber, Stephen, bitte, sage mir
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