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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970318012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-18
- Monat1897-03
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U». !). leavpler BezugSPrei- ft, der Hauptexpeditton oder den km Ttadt» bezirk »nd den Bororten errichteten Aus gabestellen abgehoIt: vierteljährlich 4.bO, bet zweimaliger täglicher Anstellung in» Hau» ^l 5.K0. Durch die Post behogen für Leutsthlnnd und Oesterreich: vierteljährlich ./« S.—. Dirtcte tägliche Kreugbandsendnng in» Ausland: monatlich ^ ?.bO. Li» Sttorgen-AnSgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Adend-AuSgabe Wochentag» uM 5 Uhr. Redaktion und Expedition: JohanneSgafie 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von frllh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm » Sortim. (Alfred Hahn>» Universitätsstraße 3 (Paulinum), Lant» Lösche, Aatdarinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königliche» Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 0 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reclamen unter dem Rrdartionsstrich (4gs- spalten) 50^, vor den Familiennachrichteil (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.-, mit Postbesvrderung »l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpedttt»» zu richten. Druck und Berlag von E. Polz ta Leipzig. Donnerstag den 18. März 1897. S1. Jahrgang. Ueber die Krankenpflege ln der Völkerschlacht bei Leipzig. Von H. Frölich. Nachdruck verboten. Der KriegstyphuS, seit den ältesten Zeiten eine Geißel der Kriegsheerc, war es, der sich auch zu den Trümmern des Rußland verlassenden Napoleon'schrn Heeres gesellte und vom Ende des wahres 1812 an das ganze Land zwischen Weichsel, Niemen und Warthe in ein einziar» großes Lazareth ver wandelte. Auch Sachsen suchte er heim und verursachte hier unter den mühsam sich fortschleppenden Soldaten, sowie in der (Zivilbevölkerung eine entsetzliche Sterblichkeit. In Leipzig faßte die Seuche im Januar 1813 Fuß und nöthigte — weiterhin im Vereine mit den Opfern der Schlachten, zunächst mit denjenigen der Schlacht bei Großgörschen oder Lützen am 2. Mai 1813 — zu außer gewöhnlichen Maßregeln. Schon am 24. Januar 18t3 war ein Hilssverein von freiwilligen Aerzten gebildet worden, die die zerstreut ankommenden Soldaten untersuchten und die verdächtigen in die Krankenhäuser, als deren Leiter der StadtphysikuS vr. ClaruS *) bestellt war, verwiesen. Als die Schlacht bei Lützen am 2. Mai 1813 geschlagen war, erscholl der Wehrruf von 20 000 Verwundeten, der in Leipzig nicht ungehört verhallte. Am 5. Mai eilte, nachdem die Franzosen den 4. Mai Leipzig wieder besetzt hatten, eine Anzahl Leipziger Aerzte mit ansehnlichen Lebensmitteln auf das Feld des noch immer würgenden Todes, und in Leipzig selbst wurde in den weiten Räumen des PeterSschießgrabens**) in mustergiltiger Weise eine Heilstätte errichtet. Der un aufhörliche Zuzug von Verwundeten und Kranken zwang zur Vermehrung der Kranken-Unterkünfte, und so gab eS am 11. Juni 1813 bereits 14 öffentliche und private Gebäude, die zu Militairlazarethen hergerichtet worden waren, und an demselben Tage kamen noch 3 Schankhäuser und Vas MagazinhauS hinzu. Weiterhin forderte der Kriegötyphus unerbittlich neue Opfer, und dies besonders im Iacobsbospitale, wo die in den Militairspitälern erkrankten Aerzte, Wärter und Wäscherinnen und deren Angehörige zeitweise die Mehrzahl der Kranken bildeten. Gleichwohl bot Leipzig nach den Schlachten bei Großbreren am 23. August und bei Dennewitz oder Jüter bog! am 6. September 1813 Tausenden versprengter, halb verhungerter und gänzlich hilfloser Franzosen Zuflucht. Am 4. September 18l3 wurden 700 Verwundete in die Pauliner Kirche gebracht; am 24. September wurde die Thomaskirche, und am 14. October wurden die Matlhäikirche (damals Neu kirche genannt) und noch acht Privathäuser für die Militair- krankcn in Beschlag genommen, so daß von den Kirchen nur die Nicolaikirche dem Gottesdienste verfüzlich blieb. Während Leipzig, das damals etwa 34 000 Seelen zählte, sonst in einer Woche 40 bis 50 Menschen sterben sah, starben vom 3. bis 10. September 18l3 nicht weniger als 86, vom 11. bis 17. September 193, in der folgenden Woche 354, bann 502, in der ersten Octoberwoche 640, und endlich von da bis zum 16. October 718. Das anhaltend nasse Wetter, die steten Biwaks und der Mangel an Nahrung jagten täglich Hunderte in die Krankenhäuser, und diese zu leeren, wetteiferten hier Ruhr und Kriegstyphus (Nervenfieber) mit einander. AuS diesen Thatsachen ist es ersichtlich, daß Leipzig, noch -he das weltgeschichtliche Trauerspiel der Völker, die Schlacht bei Leipzig, vom 16. bis 19. October sich abspielte, mit Kranken und Verwundeten überfüllt war. Infolgedessen singen die wichtigsten Lebensbedürfnisse an zu mangeln. Die Verpflegung der durch die bäufigen nahe der Stadt erfolgenden Vorposlengefechte sich täglich mehrenden Verwundeten war nur mit der äußersten Anstrengung durchzuführen. Die sämmtlichen Dörfer, die sonst die Stadt versorgten, *) vr. I. C. A. ClaruS war geboren 1774, seit 1803 außer- -»rdentlicher Professor für Anatomie und Chirurgie an der Univer sität Leipzig und von 1820 bis 1818 ordentlicher Professor der -nedicinischen Klinik- er starb erblindet 1854. — Fr. **) Auch vom October 1806 an hatte General Mus den Peters- schießgraben und obendrein Schimmel'- Gut, klaee üo repos und rudere Privatbesitzungen ohne Weiteres zu mititairischen Lazarethen verwenden lassen. — Fr. waren bald von den Franzosen, bald von Verbündeten be setzt, und alle Mehl- und Brod-Dorräthe wurden von den Truppen mit Beschlag belegt. In der Stadt gab eS vaher Tage, an denen über 500 Familien ohne Brod waren. Schon am ersten Schlachttage, dem 16. October, mußte sich nach diesen vorausgegangenen Heimsuchungen Leipzigs das Loos der Verwundeten überaus traurig gestalten. Aster berichtet hierüber in seinem Werke „Die Gefechte und Schlachten bei Leipzig im October 1813", I. Theil, S. 561: Wie blutig der Tag gewesen war, zeigte die zu allen Thoren einströmende Maffe von Verwundeten, die sich mit unter auf die herrzerreißendste Weise fortschlepplen, tbeils hinkend, theils geführt oder getragen in die Stadt gebracht wurden. An einen Verband ihrer Wunden, welchen viele, so gut sie gekonnt und soweit sie die Hilfsmittel dazu besessen, sich selbst angelegt hatten, oder an sonstige Fürsorge für diese Unglücklichen war nicht gedacht worden. Alle suchten daher ein Spital oder anderes Unterkommen. Da es aber bei der immer zunehmenden Menge von Blessirten bald zu ihrer Unter bringung an Raum mangelte, auch für keine Transportmittel der Schwerverwundelen gesorgt war, fand man noch nach 5 Tagen unverbundene und fast verhungerte Soldaten auf dem Schlachtfelds. Um nun außer den vielen schon ein gerichteten Lazarethen die große Zahl der Kranken möglichst bald unter Dach zu bringen, wurde schleunigst nock, ein Kornmagazin geräumt, wohin aber an den Thoren von Leipzig so viele gewiesen wurden, daß es sehr schnell gefüllt war, und die später Ankommenden keine Aufnahme mehr darin finden konnten. Gelangten daher die Ueberzähligen an dieses Magazin, so wurden sie von den französischen Chirurgen kurz abgewiesen, und diese Unglücklichen sahen sich daher genöthigt, entweder neben ihren schon dort liegenden Leidensgefährten auf nassem Pflaster, ohne Stroh, ohne Decke, ohne Verband, selbst ohne einen Tropfen Wasser, um den die Mehrzahl flehentlich bat, unter freiem Himmel zu campiren, oder, wenn es ihre Kräfte noch gestatteten, wimmernd oder ihrem Schicksal fluchend, eine anderweile Aufnahme zu suchen, wobei sie froh waren, wenn sie einen Bissen Brod oder einige rohe Kartoffeln er hielten, von denen sie selbst die Schalen, die sie auf einem Dünger- oder Koth-Haufen entdeckten, gierig verschluckten. Biele starben in der Nacht vor Hunger, Schmerz und Kälte. Diese waren die gu.alichsten, da sie keiner menschlichen Hilfe mehr bedurften. Mit jedem weiteren Schlachttage verschlimmerte sich das Schicksal der Verwundeten und zugleich dasjenige der Stadt Leipzig. Seitens der Franzosen wurde, so berichtet der Bibliothekar Ebert in seiner Darstellung der Völkerschlacht Uber die Ereignisse des 17. October 1813, auf dem Rath bause gedroht, daß, wenn nicht schleunigst Locale für die Kranken ausgemittelt würden, ganze Straßen von ihren bürgerlichen Bewohnern geräumt und zu MilitairhoSpitLlern eingerichtet werden sollten. In Leipzig mehrten sich an dieiem Tage die Trauerscenen stündlich. Nicht genug, daß die Noth hinsichtlich der Lebensbedürfnisse immer höher stieg, die Maffe der Verwundeten vergrößerte sich auch mit jeder Viertelstunde. Alle bisherigen Lazarethe und dazu genommenen Räume, z. B. das bisherige Magazin, die neue Kirche, die Kornböden, der Wollboden und die Säle der Funkenburg und der „blauen Mütze", langten noch immer nicht zu. Während die Schwerverwunderen hilflos auf der Straße lagen, drängten sich die Leichtblessirten in Menge in die Häuser, wo die aushängenden Zeichen die Wohnung eines Chirurgen verkündeten. Und selbst auf diese Art konnte ihrem Elend bei Weitem nicht abgebolfen werden. Der Andrang war zu groß und überstieg die Zahl der Helfer unendlich. In die Buben, die noch von der Messe her standen, schleppten sich viele dieser Unglücklichen und fanden hier, schmachtend und von Len schrecklichsten Schmerzen gequält, den einzigen Retter, den Tod. Auch der weichherzigste Beobachter wurde durch die so oft wiederkehrenden Trauerscenen endlich abgehärtet. Wenige Schritte, und man stieß auf einen blutigen Leichnam; etwas weiter, und man traf auf einen Unglücklichen, der unter der überwiegenden Oual seiner Schmerzen immer wieder zusammensank und kraftlos auf die harten Steine niederstürzte. Hier bat ein Leichtverwundeter flehentlich, mit Thränen im Auge, um ein Stückchen Brot, dort verzehrte ein anderer mit hastiger Gier die unbrauchbaren Abgänge und Ueberbleibsel von Speise, die er auf Kehrichthaufen fand, oder nagte mit seiner letzten Kraft an Knochen, die selbst das VieH verschmäht hatte." Als daS französische Heer am Abend des 18. October aus Leipzig nach den Vorstädten abzog, traf wieder die Ver wundeten ein unsäglich schweres Loos. Aster berichtet Hier iber im II. Theile der obengenannten Schrift: „Sie lagen in den Gaffen läng« der Hausränder oder unter den Wetter dächern der Gewölbe und riefen unaufhörlich nach Wasser, um ihren Durst zu stillen. Wer ihnen dieses nicht reichen konnte, gab ihnen Aepfel oder Birnen, womit sich viele der Vorübergehenden die Taschen gefüllt hatten. Der wilde Zug rauschte über sie hin, wobei viele mit ihren Wunden von jenen jämmerlich zertreten wurden, deren Herz nur noch an Rettung LcS eigenen Lebens dachte." Das Maß der Leiden der Schlachtenopser wurde aber übervoll, als am 18. October ein Leipziger Militairlazareth abbrannte. Drei Flügel des Gutes Pfaffendorf, in denen onst Vieh stand und die zu einem Militairlazareth eingerichtet worden waren, geriethen durch, wie man glaubte, falsch ge richtete französische Feldstücke in Brand. Da Niemand sein Haus zu verlassen wagte, mußten die Kranken und Ver wundeten selbst auf ihre Rettung bedacht sein, fanden aber 'tatt dieser größtentbeilS ihren Tod in den Flammen und in der Pleiße, in die sie bei der ungeheueren Verwirrung stürzten oder geworfen wurden. Noch am Abend des 20. October oll daS Wimmern halbverkohlter Sterbender hier gehört worden sein. Am 19. October, als Napoleon Leipzig verließ, und die folgenden Tage, lagen zahlreiche Verwundete ungelabt und unverbunden noch auf der Wahlstatt. Pertz schreibt hierüber in seiner Lebensbeschreibung des Freiherrn von Stein: „Selig, die im Augenblicke edelster, höchster Pflichterfüllung den bitter süßen Tod fürs Vaterland starben, die im Vollgefühl sittlicher und Leibeskraft auf freierkämpfter Muttererde zur ewigen Ruhe sanken, aber beweinenswerth war das Loos der vielen Tausende, die noch lebensfähig, aus schweren Wunden blutend, auf der meilenweiten Wahlstatt umherlagen, mit Tobten, Sterbenden, Freunden und Feinden vermengt nach Hilfe und Rettung jammernd und keine fanden. Tausende erlagen den Ovalen de" Wunden, dem Hunger und Durst bei Taste, dem Froste der kalten Octobernächte, ehe es gelang, sie in eilig geschaffene Spitäler zu bringen. Und weit entfernt, gerettet zu fein, waren sie hier für namenlose Leiden aufgesparl." Ja, an Rettern fehlte es außen und innen. Die Spitäler, mehr als 30, waren nicht im Stande, die Kranken, die nach dem Abzüge Napoleon'S überall in der Stadt wankend umher krochen, aufzunehmen. Der bestellte Lazareth-Aussckmß ver langte am 22. October 40 Assistenten und 800 Kranken wärter vergebens. Gern begnügte man sich mit Zahnärzten, Studenten der Medicin und chirurgie-beflissenen Barbieren; der letzteren versickerte man sich sogar zwangsweise. So wurden die Barbier-Cbirurgen Winkelmann, Scherzer, Heyer, Heinzmann, Kneiper, Götte, Franz, Häring und Zimmermanii genöthigt, sowohl in Person in den Spitälern zu arbeiten, als auck ihre Gesellen und Lehrlinge dazu herzugeben. In ihrem Erwerbe erlitten sie freilich hierdurch empfindlichen Verlust auch für die nachfolgende Zeit, da viele Männer aus Furcht, durch die in den Spitälern arbeitenden Barbiere mit dem Typhus angesteckt zu werden, es versuchten und lernten, sich selbst zu barbieren. Ueber die Ursachen deS heillosen Wirrwarrs in der Kranken pflege und über weitere Maßnahmen, der Vergrößerung dieser Regellosigkeit zu begegnen, verbreiteten sich die in den „Er innerungen aus den Kriegsjahren" niedergelegten Mii- theilungen eines Augenzeugen, deS Vr. Groß. Dieser weist vornehmlich darauf hin, daß die vor der Schlacht eingerichteten Spitäler in den Vorstädten zum großen Tbeil geplündert und verwüstet waren, daß der Kaiser von Rußland strengen Be fehl ertheilt hatte, keinen Russen in ein Spital zu legen, in dem früher Franzosen gewesen waren, daß die Anordnungen der verschiedenen Heere sich widersprachen, und daß alle Militairärzte der verbündeten Truppen dem Heere folgten, und die ganze Besorgung der Spitäler den Aerzten und Wundärzten der Stadt überlassen blieb, die außer von drei schwedischen und fünf französischen Wundärzten nur von Barbiergehilfcn unterstützt wurden. Dem ungeachtet wurden nach vr. Groß schon (?) am 19. October Nachmittags die ersten Maßregeln unter Mitwirkung des russischen General intendanten ergriffen, und am 20. October waren die belegten Spitäler mit Chirurgen versehen. Am 29. October erließ der Stadtrath zu Leipzig eine Aufforderung an die Bürger zur Unterstützung der Hospitäler besonders mit Strohsäcken, Strohkissen, Betttüchern, Hemden, Decken, alter Leinwand, Bettstellen, Leuchtern und Töpfergeschirr. Auch von außen her bekundete sich Theilnahme an Leipzigs Schicksal. ES soll unvergessen bleiben, daß am 25. October von Ronneburg, Waldenburg, SeyferSdorf und der Regierung zu Gera reichliche Mengen von Lebensmitteln für arme Leip ziger Bürger gesandt wurden. Aber wie weit reichten diese und andere Liebesgaben für so Viele! Bestanden doch nach der Schlacht nicht weniger als 8 russische, 1 österreichisches, 4 preußische, 1 schwedisches und 9 französische Spitäler — nicht zu gedenken der einzelnen in Anstalten rc. zu Kranken stuben hergerichtetcn Räume. Gewiß haben, was die Ursachen der unzulänglichen Hilfe jener Schreckenstage anlangt, die ebenerwähnten Ausführungen des vr. Groß ihre Berechtigung; allein sie reichen doch zur Erklärung deS namenlosen, jeder Beschreibung spottenden Elends bei Weitem nicht aus. Jeder Versuch auck, die wahren Ursachen zu ergründen, ist meines Erachtens bisher mißglückt, und auch der plastische Bericht, den ein berühmter Augen zeuge am 26. October 1813 an den Freiherr» von Stein gerichtet hat, ist, insofern er bittere Vorwürfe gegen die nach seiner Behauptung theilnahmlose Bevölkerung Leipzigs richtet, verfehlt. Dieser Augenzeuge ist kein geringerer als der preußische Professor Reil. Reil, 1759 geboren und zu Halle am 22. November 1813 vom Kriegstyphns, den er als oberster Leiter der preußischen Kriegslazarethe links der Elbe bekämpfte, selbst hinweggeraffk, war zweifellos ein genialer Arzt. Aus mehreren sanitären Gebieten zugleich zeigte er sein ausgezeichnetes organisatorisches Talent. Er war es, um nur an ein Beispiel zu erinnern, der, als er 1810 von Halle nach Berlin zur Uebernahme des Lehrstuhls der klinischen Medicin übersiedelte, alsbald die der damaligen Zeit fremde Zrrenpflege in Colonien anstrebte und dem Staaisrath von Schuckinann vorschlug, nu Berliner Schlöffe Monbijou eine ländliche Irrenanstalt herzurichten, v. Schuckinann berichtete 1812 spöttisch hierüber: „Professor Reil hat vorgeschlagen, die Irren Viehzucht und Ackerbau betreiben zu lassen und Grotten, magische Tempel, auch eigene Schauspiele und Komödien für die Verrückte» zu errichten. Es bedarf wohl keiner Gründe, welche mich gehindert haben, eine solche Forderung in Antrag zu bringen." So sank, wie eö noch heule nicht selten vorkommt, der weitsehende Plan eines erleuchteten Kopses in das finstere Grab der mächtigeren Bürcaukratie, um erst »ach Jahrzehnten mühsam wieder ans Licht gezogen zu werben! Lxowplu. ckocent! Doch kehren wir zurück zu Reil s Erlebnissen im October 1813. Am 22. October kam Reil in Halle an und fand dieses mit mehr als 7000 Kranken überladen, und noch strömten immer neue vom Schlachtfelde bei Leipzig zu. „Aus dem Wege nach Leipzig", schreibt Reil, „begegnete mir ein ununterbrochener Zug von Verwundete», die wie die Kälber aus Schubkarren, ohne Strohpolsler zusammengeschicktet lagen, und einzeln ihre zerschossenen Glieder, die nicht Raum genug auf ! diesem engen Fuhrwerke hatten, neben sich sortsckleppten. Noch an diesem Tage, also 4 Tage nach der denkwürdigen Völker schlacht, wurden Menschen vom Schlachtfeld« eingebracht, deren unverwüstliches Leben nicht durch Verwundungen, noch durch "Nachtfröste und Hunger zerstörbar gewesen war. In Leipzig fand ich ungesähr 20 000 verwundete und kranke Krieger von allen Nationen. Die zügelloseste Phantasie ist nicht im Stande, sich ein Bild des Jammers in so grellen Farben auszumalcn, als ich es bier in Wirklichkeit vor mir fand. Das Panorama würde selbst der kräftigste Mensch ' nicht anzlischauen vermögen; daher gebe ich Ihnen nur einzelne Züge dieses schauderhaften Gemäldes, vo» welchem ich selbst Augenzeuge war, und die ich daber verbürgen kann. Man hat unsere Verwundeten an Orte niedergetegt, die ich der Kaufmäniiin nicht für ihr krankes Möppel anbieten möchte. Sie liegen entweder in dumpfen Spelunken, in Feuilleton. Amerikanische Eisenbahnräuber. Bon Philipp Berges. Nachdruck verboten. .... Eine sommerliche Mondnacht in der Prairie. Vom glühend trockenen Westwind erregt, wogen die manneshohen Gräser in langen graciösen Wellen, wie die Fläche des Meeres. Unhörbaren Fluges schießen die Fledermäuse durch die Luft, vom Boden steigt das unmäßige Lärmen der Cicaden empor. Kein menschlicher Laut stört daS Atbmen der Natur, nirgends in der Runde verkündet Lichtschein die Wobnungen von Menschen. Und doch gehört dieser Theil der Prairie nicht eigentlich zur Wildniß, man ist hier gleichsam noch nicht auf hoher See. Der schimmernde, etwas erhöhte Bahndamm, der sich weit hinten aus halber Dämmerung hervorschiebt und auf der anderen Seite im Dunkel der Nacht verschwindet, bedeutet freilich nichts, umspannen ja die eisernen Reifen die ganze Welt. Aber in einer Entfernungvon kaum 3 Meilen liegt Waco — und drei englische Meilen sind in einem Staate wie Texas, daS sechsmal so groß ist wie Preußen, nur «in kleiner Sprung. Jetzt ist e» NacktS 1 Uhr. Eine plötzliche Veränderung schießt, wie Blitzesleuchten, über die Steppe. Aber sie trifft nur da» Ohr. Die Cicaden haben aus einmal ihren Gesang eingestellt. Es wird unheimlich still. Wa» bedeutet das? Hat von fernher, dem menschlichen Ohre noch nicht vernehmbar, ein Geräusch die Luft, den Erd boden erschüttert?! .... So ist es. Nach kaum fün Srcunden wird deutlich das Geräusch herangaloppirender Pferde vernehmbar und au» der Richtung von Waco erscheinen vier Reiter, die hart am Bahndamm blitzschnell absitzen. Einer der Ankömmlinge springt auf den Bahndamm, zündet eine rothe Laterne an und beginnt sie hin und her zu schwingen, während aus der Ferne das dumpfe Brausen des heran- fliegendeu Expreßzuges von St. Louis durch die Nacht tönt. Den Führer deS Zuges erfaßt bleiche Angst. Er streckt den Kopf auS dem Fenster seiner Maschine und sieht deutlich daS hin und her pendelnde rothe Licht- fünkchrn. ES kann keine Täuschung sein. Man giebt daS Warnsignal, daS zugleich die dringende Aufforderung um Halten ist. Ein Unglück muß geschehen sein, viel eicht ein Erdrutsch — eine böswillige Verbarricadirung der Schienen. — Doch hier hilft kein Zaudern. Der Maschinist läßt die Carpenterbremse arbeiten, giebt Contre- dampf, daß die Locomotive, wie ein störrisches Pferd »u springen anfängt, und, eS gelingt ihm, den Zug wenige Meter von der Warnlaterne »um Halten zu bringen. Und was sich nun vollzieht, geht blitzschnell von Statten. Zwei maSkirte Männer springen aus die Maschine und zwingen Maschinist und Heizer mit vorgehaltenen Revolvern sich aufs Gesicht zu werfen. Nun ist hier nur noch ein Mann zur Bewachung nöthig. Die übrigen Drei eilen zum Waggon der Expreßcompagnie, der eben geöffnet wird, weil der Be amte glaubt, man befinde sich bereit« in Waco. Er erblickt die Räuber und springt zurück, zwei Mann folgen. Bon Seiten des Beamten fällt ein Schuß — zwei Schüsse ant worten ihm und der Beamte fällt kampfunfähig zu Boden. Nun sind ihm im Nu die Schlüffe! zum Schranke entrissen, dieser wird seines Hauptinhaltes der Wertbpackete beraubt und die Arbeit ist gethan. Ehe einer der schlummernden Passagiere erwacht, ja, ehe Zugführer und Bremser erscheinen können, die übrigen» durch den draußen harrenden Banditen in Schach gehalten wurden, springen die Räuber zu Boden, werfen sich auf ihre Pferde und verfchwinden im Dunkel der Nacht. — Das Brausen deS — nun einige Tausend Dollars weniger Werth gewordenen — Expreßzuges erstirbt in der Ferne. Die Cicaden beginnen ihren lärmenden Gesang auf's Neue. Auf die wogende Prairie sinkt wieder der Frieden der ewig jungfräulichen Natur herao. Klingt dieses ganze Vorkommniß, der Ueberfall eines Eisenbahnzuges in nächster Nähe einer großen Station, nicht wie daS Phantasiegespinnst eines sensationslüsteren Romans, etwa einer Räubergeschichte oder Criminalnovelle aus dem „wilden Westen?" Nun, die Schilderung ist nichts weniger als ein Phantasiegespinnst, sie beruht Wort für Wort auf Wahrheit, denn dieser Ueberfall mit allen seinen Einzelheiten hat erst im verflossenen Sommer staltgefunden. Die Räuber erbeuteten 17 000 Dollars in Gold, Silber, Banknoten »nv Diamanten. Passagiere wurden nicht belästigt. Die meisten erhielten erst durch die Zeitungen Kunde von dem Ueberfall. Von den geraubten Gegenständen und den Räubern hat man Nichts wieder gesehen. Den Schaden trägt die Expreß- aesellschaft, welche die geraubten Werthe zu befördern batte. Und damit verschwindet dieser Raubfall von der Bildfläche — er ragte auch nur wegen der neuen Art, den Zug zum Halten zu bringen, auS den zahlreichen ähnlichen Vorkomm nissen hervor. In den Vereinigten Staaten ist die Räuberromantik noch nicht auSgestorben. Immer noch treibt sich in den Wäldern der ritterliche Wegelagerer umher, der seine Opfer nicht ganz auSzieht, sondern ihnen einen Zehrpsennig mit auf den Weg giebt; immer noch werden in den südlichen Staate» Pferde diebe „gelyncht", d. h. an den nächsten Ast gehängt; die wilden Linterwäldler, die so ein kleine« Dutzend Knoten in ihrem Revolver, d. b. Menschenleben auf dem Gewissen haben, sind noch nicht selten geworden, und der gefürchtete Posträuber, der die Ueberlandkutschen anhielt und eine solche Landplage geworden war, daß man ihm Tribut zahlte, hat sich in den modernen Eisenbahnräuber verwandelt. Die ExpreßgeseU- schäften jener Zeit wußten sich nicht anders zu helfen, als daß sie diejenigen Posträuber, die am gefährlichsten waren, zu ihren Beamten machten, zu gut bezahlten sogenannten ,^c>g,cl-s«6llt8" (Wege-Agenten), und nun waren es diese, die entschlossensten Räuber selber, welche ihre College» in Schach hielten. Der gefürchtete „Jim Blaubart" der sechziger Jahre (Texas) und der berüchtigte Slade (Mississippi) der 26 Menschen umgebracht hatte, waren in ihren letzten Lebensjabren — beide wurden ihres wilde» Wandels wegen gelyncht — Expreßbeamte der geschilderten Art. Dieses System, gefährliche Charaktere unschädlich zu machen, bewährte sich übrigens so gut, daß selbst die Regierung es adoptirte und häufig die furchtbarsten menschlichen Raubthiere in Sheriffs die Gejagten in Jäger verwandelte. Den modernen Eijenbahnräuberu gegenüber aber läßt sich aus technischen Gründen dies System nicht anwenden. Die fortschreitende allgemeine Gesittung allein kann hier Hilfe schaffe». Wie ernst übrigens die Eisenbahnräubereien der Gegen wart aufzufassen sind, zeigte u. A. schon eine Notiz, die kürzlich durch die deutsche Presse lief. Sie lautete: „Nach einer ii» Repräjentantenhause einqebcachten Bill soll Todesstrafe oder Zuchthausstrafe auf die Dauer vo» mindestens zehn Jahren über olle Personen verhängt werden, welche Bahn züge zu berauben oder gar zu zerstören versuche». Ter Abgeordnete Hubbard, welcher diese BiU einbrachte, gab folgende Nachrichten über Bahnräubereien in den Bereinigten Staate». In den letzten sechs Jahren wurden 183 Bahnzüge von Räubern angehatten und dabei 73 Personen getödtet und 58 verwundet. Im Jahre 1896 sind 23 solcher Ueberiulle vorgekommen, bei denen 32 Reisende und Zugbeamte getödtet und viele verwundet wurden." Eine Statistik der Eisenbahnübersälle existirt nun aller dings nicht; den Angaben de- Eongreßmitgliede» Hubbard
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