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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970320017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897032001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897032001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-20
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Größer» Gchristm laut unserem Prel». verzeichuiß. Tabellarischer »nd Ztffernsatz »ach höherem TeLtf. vxtra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»AuSaab», ohne Postbefvrderung ^ SO.—, mit Postbesörderung 70.--. Annahmefchluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge «-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bel den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die -xpeditisa j» richte». »ruck und Verlag von S. Pol, i» Leipzig. ^ !43. Sonnabend den 20. März 1897. 91. Jahrgang. Ein ^riedensfefi. Zur Dorftier dr» Erntenarfeste». SS In jener kriegerischen Zrlt, in drr der korsische Er oberer seinen Weltr«ich«traum erfüllen wollt«, geboren, mußte Prinz Wilhelm von Preußen seine jungt Seele mit Bildern von Krieg, Niederlage, Flucht und dann wieder von Kampf und Sieg erfüllen. Und at« er. dem Greisenalter nahe, zur Herrschaft kam, da mutzte rr wiederum von Kampf zu Kamps ziehen, um da» Anskbtn seine» Staate» zu festigen und di« Einheit de» deutschen Reiche» zu begründen. Ein gütige« Geschick aber bewahrte den Helden davor, nur ein großer Krieaefürst gtwesru zu sein. Dir Gnade der Bor- sehung waltete über ihm und grstattttt ihm, noch 1? Fahrt hindurch der Welt zu beweisen, daß jene« Wort, Deutschland werde den Werken de» Frirdkn» dienen, da« er bei der Er öffnung de» ersten vrutschen R«ich«tage» gesprochen hatte, nicht eine Phrase, sonder» vir Richtschnur seine» Leben» war. Und so kam eS, daß der greise Held, als er von hinnen schied, in den Augen der Welt al« das leuchtendeBeispiel einesFriedens- fürste» dastand. Darum empfindet die ganze Welt die Feier, mit der Deutschland den 100. Geburtslag seines großen Herrschers begeht, als ein Friedens fest. Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa denkt in diesen Tagen mit Dank daran, daß der edle Fürst die Völker Europa« vor der Kiiegsfurie bewahrt hat. Als daS junge deutsche Reich in dem großen Jahr« ukigeahntk Kräfte gezeigt hatte, Riesenkräfte, Viren eS sich selbst nicht bewußt gewesen war, da fürchtete man wohl in Europa, daß eS mit dieser Kraft Mißbrauch treiben könnte und suchen würde, an Macht und Besitz sich auSzudehnen. Nichts davon trat ein, dielmehr war der greise Friedensfürst in Verbindung mit seinem großen Staatsmann, bemüht, nicht nur Deutschland, sondern, so weit e« in ihren Kräften stand, Europa den Frieden zu bewahren. Und den Geist friedlicher Gesinnung hat der Heldrnkaiser übertragen au seinen erhabenen Sohn und feine» warmherzigen Enkel. Wenn je in dem jungen Herrscher, der 1888 den Thron be« stieg, knegerischr und ehrgeizige Neigungen geschlummert hätten, so würde» sie unterdrückt worden sein, wenn er sich da« Btlv bell von ihm so überau» verehrten Großvater», de» milden und weisen FriebenSfürsten, vor Augen stellte. So ist auch er in den friedlichen Bahnen seines großen Ahnen geblieben und wird, dessen kann die Welt sicher sein, für alle Zukunft darin verharren. Der Friedensdrruf de» deutschen Kaiserhauses ist zur Tradition geworden, und jene« Wort Napoleons, „da» Kaiserreich ist der Friede", eine Lüge im Munde de» Bonapartt, ist unter dem Schutze de» Hohrnzollernaare» zu einer Wahrheit, zu einem Segen für die Völker Europai geworden. Darum gedenken bei diesem Frieden-feste die Völker besten mit Dank, der diese Tradition geschaffen bat. Ein Frieden-fest ist r» aber auch für die deutschen Fürsten. Bei einem so complicirten Organismus, wie e» ein Bundesstaat stet- sein muß, können kleine Reibungen nicht immer vermieden werden. Einer muß an der Spitz« de» SraatSwesen» stehen und er mutz der Erste unter den Gleichen sein; da» ist eine Nolhwendigkeit, aber dies« Noth- wenbigkrit wird, wie ander« Nothwenvigkeiten auch, nicht immer gern empfunden. Zu diesem Feste nun kommen die Herrscher der drei nächst Preußen größten deutschen Staaten, und «» kommen di« Fürsten der meisten anderen BundeS- taaten. Eie kommen zu dem Feste, da« Dem gilt, der zum ersten Mal« der Erste unter den Gleichen war, und sie eigen damit der Welt, daß der Gedanke der Einheit und Einigkeit Deutscblands mächtig in ihnen ist und Laß sie Frieden halten unter einander und unter ihren Völkern. Und t» ist ein Friedensfist auch für daS deutsch« Volk. Wer überhaupt an dem deutschen Vatrrlanve festhält, nimmt mit Freuden Antheil an dem Fest«. Frohen FesteSgruß rauschen >i» Patrioten miteinander au» und fragen nicht» vb der Andere der oder jener Partei angehöre. So zeigen auch sie der Welt, daß sie Wohl sonst mit einander streiten und hadern mögen, daß aber der große nationale Gedanke sie fest Zu sammenhalt. Ein Gottesfrieden also ist »S, den da» schöne Fest mit sich bringt. Möge dieser Frieden in unserem Volke recht lange anhalten; möge der tiefe Eindruck, den da» Fest auf das anzr deutsch« Volk Macht, dahin wirken, daß man auch bei °>ader und Streit nie vergesst, daß hoch über allem Irennrndea ein feste» gemeinsames Band besteht, welches die hoben und heiligen Güter und Erinnerungen de» deutschen Volte» umschlingt! Deutsche- Reich. * Dresden, 18. März. Da» „Großenhainer Tageblatt" berichtet: Eine wichtige Sitzung hielt am gestrigen l 7. März, Vormittag» 11 Uhr im Restaurant Bloß, Marirnstraßr, der geschäftsführende Vorstand de» sächsischen InnungSverbande» grmrinsam mit der Commission zur Förderung de» Genossenschaftswesen». Di« Sitzung fand unter Vorsitz und Leitung de» Herrn Jnnungsver- vandßvorsiyenden A. SchrLer statt und beschloß nach kurzer, abfällig kritisirenber Aussprache über den neuesten beim Reich-tage ttngegangenen Han dwerkerorganisations- Entwurf die Inangriffnahme der Agitation für Er richtung von Handwerker» und Jnnung-banken (ein getragene Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht, Roh stoff-Einkaufsgenossenschaften). Um da» Nöthige in die Wege zu leiten, wurde eine Commission gewählt, der als Mitglied drr Vertreter Großenhains in der hiesigen Gewerbekammer angehörl. Den Grundstock an Capital bilden die seiner Zeit vom sächsischen Landtage zum Besten dcS Handwerk» be willigten Gelber im Belrage von einer Million Mark. — Bei dieser Gelegenheit sei auf eine Auslassung des „Dresdner Journal»" zum neuen HanbwerkerorganisationSentwurf aufmerksam gemacht. Das amtliche Blatt schreibt: ,.In der Press« ist bereit» bei dem Bekanntwerden der wesend licksten Krundlagen, a>«f denen der jetzige drm Reich-tage vStgelegte Gesetzentwurf beruht, theit» triumphitenb, thetlS beklagend Prophezeit wordrn, baß derselbe dir Zustimmung des Reichstags nicht finden werde, weil »t der Rechten zu wenig, der Linken zu viel darzubielen schein». Andererseits sind aber auch neuerdings von der «rsteten Seite Stimmen lour geworden, die sich dafür aussprechen, bah man den Ent wurf wohlwollend prüfen soll, wenn «r auch nicht alle Wünsche der Partei und der Vertreter des Handwerk» erfülle. Unsere» Erachtens hält sich der Entwurf kn drr That ebenso fern von extremen Maß. nahmen, al» er berechtigten Wünschen de» Handwerk», soweit solch« zur Zeit wenigstens ausführbar erscheinen, Rechnung zu tragen versucht. Die Wahrheit und Zweckmäßigkeit, eine besonnene, gesunde Regelung dieser Verhältnisse, dürft, auch hier in der Mitte liegen, die der Entwurf Unbestritten einbehält." Bekanntlich verlautete, daß die sächsische Regierung die jenige gewesen sei, welche im Bundesraih am nachdrücklichsten für den preußischen Entwurf einer Zwangsorganisation de» Handwerks eingeiretrn sei. ZI Berlin, IS. März. Noch immer wird in einigen Blättern an drr Anschauung ftstgehalten, al» ob in maß gebenden Kreisen di« Absicht bestände, dir ReichStagS- tagung vor Ostern zu schließen. Die Anschauung ist alsch. Die Negierungskreise rechnen mit Bestimmtheit darauf, daß der Reichstag die ibm bereits vorgelegten und etwa noch in nächster Zeit im Bundesralbe fertiggestilltrn Vorlagen zur Erledigung bringt. Es wäre sonst auch zar nicht erklärlich, weshalb der Bundesrath sich in letzter Zeit und gegenwärtig so große Mühe mit drr Fertigstellung der einzelnen Entwürfe gegeben bat und giebt. Zwei große Vorlagen harren im Reichstage noch der ersten Lesungen, daS JnvalidenversicherungSgesetz und die Novelle zur Gewerbeordnung, welche die HandwerkSo>-ganisation behandelt. Selbst wenn nur diese neben der Erledigung de» Handelsgesetzbuches in zweiter nnd dritter Lesung noch im Reichstage vorgenommen würden, würde die Zeit bis zu den Osterferien dazu nicht auSreicken. Es darf nämlich nickt vergessen werden, daß der Reichstag selbst bereits anerkannt hat, er werde den ReichShauSbalt» - Etat diesmal bi» zum 1. April nicht fertigstellen können, also noch in den April hinein mit Eiatsarbetten beschäftigt sein. Nun würde aber vor Ostern die Session spätesten» am 10. April schließen muffen. E» blieb« als» Nicht einmal die genügende Zeit zur Erledigung der unbedingt nothwendigen Arbeiten. Man wird doch nicht annehmen, baß die Re gierung auf die Durckberathung de» Handelsgesetzbuch- Verzichten werde. Sie kann da» schon gar nicht, weil so Concursordnung, zur Beratdung gestellt werden muffen, da bekanntlich da» Bürgerliche Gesetzbuch nur nach Fertigstellung der letzteren in Kraft treten kann. Außerdem aber gedenkt der Bunde-rath noch in der laufenden Tagung einige weitere Vorlagen an den Reichstag zu bringen. Wir erinnern nur, von Größerem abgesehen, an den Entwurf über die Classen- eintheilung der Orte und den SerdiStarif, der für diese Tagung vom BundeSratbSkische auS in Aussicht gestellt ist. Mit einer Schließung der Tagung vor Ostern ist nach alle dem nickt zu rechnen. X. Berlin, 18. März. Zwischen der konservativen Partei und den Ultramontanen bat sich in dieser Session «ine tiefe Kluft nicht nur in politischen Fr^en — in solchen Fragen hat ja schon immer vielfach «m Gegensatz zwischen den beiden Parteien bestanden, man denk« nur an Heeres verstärkungen, da» Socialistingesetz, die polnische Frage —, sondern auch in w irthschaftspoll tischen Fragen auf- aetban. In der Handwerkerfrag« hat da» Sentrum den Conservativen bekanntlich Stimmenfang vorgeworfen, al» sie im Reichstage »ine Interpellation wegen der Handwerker- vrganisativn-vorlage eintrüchten. Jetzt hegen wieder die Conservativen die Besorgnis, daß das Erntrum dem von der Regierung eingebrackten Entwürfe auch bann zustimmen werbt, wenn die Regierung nicht auf eine wesentliche Verschärfung desselben sich einläßt. E» ist wohl möglich, daß Centrum und Eonservative, früher in Hand- werkrrsragen immer eines Sinne», sich diesmal in getrennten Lagern finden werden. Ebenso votirten Cen trum und Eonservative verschieden über ven Antrag Kar dorff auf Abänderung der Bäckeretverordnung. Während die Conservativen kiesen Antrag mit eingebracht hatten, schwächten ihn die Mitglieder des Centrums durch die Ein bringung einer molivirten TageSorbnung ab. Bei der Ab stimmung über diese motivirte Tagesordnung standen dann Centrum und Eonservative einander geschloffen gegenüber. In einer Frag« von noch größerer praktischer Bedeutung, nämlich bei der CommissionSberathung des Margartne- an trag es, haben sich Centrum und Eonservative ebenfalls von einander getrennt. Wie in der ersten Lesung der Com mission, so haben auch in der zweiten Lesung die Crntrums- abgeordneten es durchzusetzen gewußt, daß nicht nur in Städten unter 5000 Einwohnern, sondern Überall der Handverkauf von Butter und Margarine in rin und denselben Räumen soll stattfinden können. Bekanntlich hatten die beiden Parteien sich vorher darüber geeinigt, daß nur in Orten unter 5000 Einwohnern drr Verkauf beider Nahrungsmittel in denselben Räumen sollte stattsinden dürfen. Wahrend nun in der Commission der Antrag eine» konservativen Abgeordneten den Entwurf dadurch hatte verschärfen wollen, daß auch die Ver günstigung für die Orte unter 5000 Einwohner aufgehoben werden sollte, hat also das Centrum in vollem Gegensätze dazu den Entwurf so abgeschwächt, daß rr für den Bund der Landwirtde und also auch für die gesammte konservative Partei keinen Reiz mehr bat. To Ist also auf ven ver schiedensten Gebieten der frühere enge Zusammenhang zwischen den Conservativen und dem Centrum tn wirthschaftspvlitischen Fragen stark gelockert worden. * Berlin, IS. März. Drr „Reichsanzliger" bat, wie gemeldet, „da« Gerücht bestätigt", wonach der Kaiser beabsichtigt habe, zum Andenken an den 100. Geburtßtag Kaiser Wilhelm's I. eine Erinnerungsmedaille für die Armee und die Festtheilnehmer zu stiften, aber diese Absicht wegrn Mangels an verfügbaren Mitteln aufgegeben hätte; nur wenn au» eigener Initiative von drr LandeSvertretung die Bewilligung der entsprechenden Geldmittel in die Wege geleitet werde, könnte diesem Gedanken näher getreten werden. Dazu bemerkt dir „Freisinnige Ztg.": ,,Wa» bezweckt eine solche Verlautbarung im „Relch-cmzeiger"? Sou dieselbe eine Appellation von der Regierung über die Köpfe der Minister an die Volksvertretung darstellen, oder was sonst? Wer ist überhaupt der Urheber Vieles Artikel«? Wenn Nach Ansicht der Regierung für solche Zwecke keine Fonds vorhanden sind, so besitzt doch auch der Reichstag keine Wünschelruthr, solche Fond» hervorzuzaubern. Wir bemerken übrigen«, dag alle alten Krteger schon 18?l eine ErinnerungSmedatllr ausdrn eroberten Geschützen erhalten haben. Bei der neuen Medaille scheint man aber nach Obigem nicht bloß an die alten Krieger und an dir gegen- wärtigea activea Soldaten, sondern auch an alle „Festthril- nehmer" an drr Hundertjahrfeier gedacht tzu haben. Deren Zahl ist allerdings schwer festzustellen. Im Reichstag selbst hat von Feuilleton. Vas Wort Gas rin- sein Erfinder. AachvnM »«rietni. E» hat seit je schnurrige Käuze gegeben, und e» wird ihrer immer geben. Zwei von ihnen waren die beiden Hel montS, Vater Und Soda, von denen seiner Zeit der Verfasser der „Geschickte der menschlichen Narrheit" (Adelung) sagte: „War der Vater ein Phantast, so war der Sohn ein völliger Narr." Wir baden e» hur blo» mit dem Later, dem Phantasten, zu thua. Letzthin war von ibm und dem von ihm erfundenen Worte „Ga»" in diesen Blättern kurz die Rede; der Mann und die Sache sind e» aber Werth, daß man etwas länger bei ihnen Halt macht. Jan Baptist« van Helmont wurde 157? in Brüssel geboren. Er war sehr vornehmer Abkunft und schrieb sich, und zwar mit Fug und Recht: Herr in Merode, Royrnborch, Oorschot, Pellme- rc. Seine Erziehung war, infolge der damaligen unruhigen Zeiten, kein« besonder» regelmäßige, um so weuiger, al» er schon in seinem dritten Lebensjahre seinen Vater verlor. Dieser unverschuldete Nacktbeil bat dem Manne zeitleben» angehangen und erklärt da» Unruhige, Flatterhafte in seinem ganzen Thun und Wirken, sowie die Thatsache, daß rr eS trotz aller seiner hohen GeisteSgaben auf keinem Gebiete menschlichen Wissen« und Könnens wirklich weit, ja nur über da» Mittelmäßige binauSgebracht bat Dabei verstand rr das Flunkern und das Aufbauschrn seiner srbr fragwürdigen Verdienste meisterlich und batte die Kunst prächtig weg, von sich reden zu machen, — in Summa: rr hat weit mehr vom Charlatan al» vom Manne der Wissenschaft an sich. Er hatte sich gegen den Willen seiner Mutter und seiner übrigen Angehörigen dem Studium der Medicin gewidmet, denn e» waren adel-stolze Leute, und danial» war eS noch nicht Sitte, daß Edelieute oder gar Fürsten sich mit der Heilkunde «r okLoio befaßten. Er selbst fand an seinem Berufe keine reckte Freude, und eS dauerte nicht lange, so war ihm jede Wissenschaft und alle Gelehrsamkeit ein Eke und ein Greuel. Diese Erscheinung trifft man öfter bei flatterhaften, unsteten und ungeduldigen Naturen, die da nickt wie da» Bolkswort so richtig bemerkt, „hart Holz bohren wollen", Lenen eS mit dem Berühmtwerdrn nicht rasch genug gebt, und die dann die Ursache ihrer wirklichen oder ver meintlichen Mißerfolge überall suchen, nur nickt da, wo sie wirklich zu finden war«, nämlich — in sich selbst. Es sollt« van Helmont durchau» an eigener Haut er fahren, wie Recht Mephistopheles hat, wrna er sagt: Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, Le» Menschen allerhöchst« Kraft, Laß nur tn Blend- und Zauberwerken Dich durch den LÜaengelst brfiörkrn, Tan« Hab' ich Dich schon unbedingt. Mit seinem unruhigen Umhertasten, mit seinem unbe- riediglt« Suchen nach Erkennlniß verstrickte sich Helmont :alv, wie «» für jene Zeit so nab« lag, in transscrndentalen MystieiSmu», der auf der einen Seite ein« theosopbische, aus der andern aber jene Färbung annabm, wie si, dem Gold- koch und Adepten wohl zum Antlitz steht. „Ja diesem Tumulte seiner Einbildungskräfte und seiner Begierden ge« rietd er", bemerkt Adelung über den unglücklichen Mann, „aus mpstische und tbeosophische Schriften, und da er hier das innere Licht al» die sicherste und leichteste Quelle der höchsten Weisheit empfohlen fand, so fing seine Einbildungskraft gleich Feuer, er erwartete die Befriedigung seine» ungeduldigen Ehrgeizes blo« von diesem und verachtete und verschmähte, owi« alle Schwärmer dieser Art (z. B. auch der goethische austl), alle menschliche Gelehrsamkeit al» Täuschung uni «trug." Au« dieser Anschauungsweise heraus war e» nur folge richtig, daß van Helmont keinen akademischen Grad er warb; denn, sagt rr an einer Stelle seiner Werke, rr wolle nicht, daß die Profeflore» den Narren mit ihm spielen und ihn zum Meister aller sieben Künste machen sollten, da er noch nicht ein Schüler einer einzigen sei. Er glaubte nun in nächtlichen Träumen mehr und sicherer Erleuchtung zu finden als durch da» Studium und da» Grübeln der Ver nunft. „ES ist erstaunlich", sagt der wunderliche Mann gleich am Anfänge seiner sämmtlichen Werke (Opera onwia, Lvon 1855 fol.), wa» für herrlich« Aufschlüsse mir der gleichen Gesichter (nämlich im Traume) gegeben haben, be sonder» weun ick vorher reichlich gegessen hatte (I). Zwar waren die Aufschlüsse in der Regel noch räthselyaft und verworren; allein mittel» de» Gebete» verstand ich e», sie mir völlig klar zu machen." So tauschte sich van Helmont über alle Schwierigkeiten eicht hinweg, er entledigte sich aller seiner Habe, (vrrtbeilte ie unter seine Geschwister, beschloß, der Medicin Valet zu agrn, in die weile Welt zu geben und niemals wieder in seine Heimath zurückzukehren. Im Jahre 1LSS machie er sich zu seinen Irrfahrten auf. kam aber doch nach 10 Jahren nach den Niederlanden zurück, nabm eia adelige-, wohl habendes Frauenzimmer zum Weibe und ließ sich — er war mittlerweile au» praktischen Gründen zur Medicin rurückzekebrt — zunächst in Bilvorden al»Arzt nieder. Au seinen Reisen war er mit einem fahrenden Adepten und Laboranten bekannt geworden, von dem er einige Kunstgriffe drr damaligen Chemie erlernt hatte, und er glaubte nun daß dl« durch Träume und durch Gebete erhaltenen Begriffe >urch nicht- mehr geläutert und auf keine bessere Weis« ver wendbar gemacht werven könnten, al» durch das Feuer. Demzufolge wandte «r sich mit drm größten Eifer drm Kochen, Ladoriren, Schmelzen und Destilliren zu. Er nannte sch selbst Ppjloropbum por lgnom, den durch da» Feuer Weisen. In Bilvorden hat er eifrig laborirt und nach dem Stein drr Weisen, der in seinem Jargon „Drift" (da» ist rin niederländische» Wort und bedeutet Trieb, oder richtiger Eifer) heißt, gesucht. Drift bestand auS reiner „Äunafrra- erde", war also vie Urmaterir, konnte, wrmt man ihn nämlich erst einmal hatte, alle Metalle in Gold verwandeln und alle Krankheiten heilen. Vorläufig, da unser van Helmont de» lapiäis pdilo- svpüoruw noch nicht habhaft hatte werden können, heilte rr wie andere Aerzte seiner Zeit auch mit zum Tdeil recht wunderlichen Medikamenten. Gegen die Pest z. B. gab er Pillen auS gedörrten und pulverisirten Kröten, aber diese leckere Medicin war nicht» wenigrr al» unfehlbar wirkend, wenigsten» starben ihm zwei seiner fünf eigenen Kinder ge rade an der Pest. In einer Abhandlung, die er Tumulu» pssti» „Grab hügel der Pest" nennt, nimmt er den Mund gewaltig voll und sagt, er babe jährlich mindestens 20 000 Kranke curirt, also täglich etwa 55. Man sollte annehmen, er müsse, wenn sich unter dieser Schaar nur 10 Proc. Reiche befanden, bei seinem Ableben, da» am Svlvestrrtag 1644 erfolgie, Schätze hintrrlaffen haben, zumal da seiner an und für sich schon reichen Frau verschiedene, bedeutende Erbschaften zufielen. Aber er machte e», wie so viel«, wrnn nicht alle, Goldköche und Adepten: sein Trrffor war die Feueresse und sein Geld ging in Rauch auf. Da» wunderliche philosophische Svstem van Helmont'S läuft auf Theosopbie, und zwar aus eine Art christlichen Pantbeismus bmauS Danach ist di« Natur als GanzeS und sind alle in ihr vorhandenen Körper, organische sowohl wie unorganische, beseelt, und zwar durch den Archen», der die Grundursache aller Vorgänge und Veränderungen ist. Er ist ebenso wie der Stoff von Gott au» Nicht» geschaffen, kann daher kein Tbeil Gottes sein, wenngleich Gott daS Grundwesen aller Dinge ist. 2m Menschen haust neben dem ArcheuS noch eine besoodere Seele, die Gottes Ebenbild ist. Diese Seele hat ihren Sitz nicht im Herzen, denn da- ist zu unruhig, auch nicht im Gehirn, denn da» ist mit der Ausnahme der sinnlichen Einvrückeviel ru beschäftigt und hat außerdem den andernKörprr- theilrn geaenüber eine viel zu decentrale Lage. Auch ist r» die Wohnstätte de» Gedächtnisse», hat also genug für sich zu thun. Die Seele sitzt aber in dem Eingänge zum Magen, im Magenmund, wo sie da» eigentliche Denken verrichtet, d. h. da» durch da- Gehirn Uebermittelte verarbeitet. Ist aber die menschliche Seel« da» Eben auch Alle» nur um Gottes willen de chauen. Um da» aber richtig zu können, ist für den Men chen die größte Äelbst- znuna, Einkehr in sich selbst und streng durchgeführte, che Beschaulichkeit nothwendig. Hieraus entspringen die wahren Erleuchtungen und Offenbarungen. Auf solche unklare Vorstellungen baut van Helmont sein ganze» medicinischr» System auf. E» würde un« zu weit führen und wäre schließlich nicht einmal der Mühe Werth, näher darauf rinzugehen. In der physiologischen Anschauung, um sie einmal so zu nennen, de» Phantasten spielen nun noch zwei Begriffe eine hervorragende Rolle: der (nicht da») Ga» und der Blas. Erster» ist ein Hauch oder Spiritus, der sich nicht verdichten und Niederschlagen laßt. Der Ga» ist verschiedenartig, z. B. trocken, fett, rauchäbnlich, windig u. s. w. Eine besondere Art ist der wilde GaS, den man nicht festlegen, noch mit einem Körper verbinden kann, wie z. B. die Blähungen im menschlichen Leibe. Der Bla» ist die Doppelbewegung der Gestirne, ihre Bewegung um andere und ihre Drehung um sich selbst. Ter Mensch, al» Mikrokosmus, die kleine Welt, uud damit als Ebenbild der großen Welt, de» Makrokosmos, hat seinen eigenen BlaS, der, so lange sein Inhaber gesund ist, dem Bla» der Gestirne freiwillig folgt. Bei einem kranken Menschen kann er diesem aber vorauSgehen, und daraus entspringt die Gabe zu weissagen und in die Zukunft zu sehen. War der ArcheuS irgendwie erregt, in Zorn oder Schrecken gesetzt, so entstehen Krankheiten, deren jede aus einer iäea ssnünalis und der Materie des ArcheuS selbst ihren Ursprung nimmt, — daher giebt eS so viele Arten von Krankheiten, als e» Arten solcher Ideen giebt. Will man aber eine Krankheit heilen, so kann man das nur, indem man den wild gewordenen Archen- zu besänftigen sucht, was aber nicht durch einfache, auS der Thier- und Pflanzenwelt unmittelbar hergestellte Arzeneien, sondern nur durch zusammen gesetzte und auf „chemischem" Wege gewonnene gelingt, van Helmont gab vor, im Besitze einer Universalmedicin zu sein, de» Alkabest, deren Zubereitung er aber nicht bekannt gab, mit der Begründung, mau dürfe feine Perlen nicht vor die Säue werfen. Sehr im Gegensätze zu den meisten gleich zeitigen Aerzten verwirft er das Purgiren und Aderlässen, aber auch jegliches Einhalten von Diät. Dieser wunderliche Heilige fand zu seiner Zeit und weit über dieselbe hinaus bei Aerzten und Nichtärzten viele Bewunderer und Nachbeter, — und was ist von allen seinen Herrlichkeiten und Träumereien übrig geblieben: da» Wort Ga», und das nicht einmal in der richtigen Form! Sie trauwt «Lori» wrmäil
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