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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970401020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-01
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Borgestern Herr Hitze, Hestern, Namenö der eonservativen Fraktion wohlgemerkt, Herr Jacobskötter, einer wie der andere acceptirte die fakultativen Zwangsinnungen der BundeSrathsvorlage, die eben, nachdem die Initia tive zur JnnungSbegründung den Handwerkern zugewiesen ist, keine Zwarigsinnnng ist. Der klerikale „Westfälische Merkur" sagt, die Conservativen würden wohl „mit sliegenven Fahnen in das Lager des Entwurfs übergehen", und die „Kreuzztg." bestreitet das für ihre Partei und läßt in Bezug auf das Centrum eine „Retourkutsche" fahren. Dabei gleichen sich die Redewendungen der beiden Fractionsredner wie ein Ei dem andern — Heine, den die „Krzztg." neuer dings besorgnißerrezend häufig citirt, würde gesagt haben, wie ein faules Ei dem andern. Jeder will den Hand werkern einreden, das Gebotene sei im Grunde, im Keime ungefähr, beiläufig und wie die schönen Umstandswörter alle lauten, das. was man den „Zünftlern" versprochen habe. Daß die CenlrumSblätter noch vor wenigen Wochen das entgegengesetzte Urtheil gefällt und daß es noch nicht einmal so lange her ist, daß das amtliche Organ der Conser- vativen die Borlage „confus" genannt — es ist vergessen. Ob es die auf die Zwangsinnung und den Befähigungs nachweis förmlich gehetzten Handwerker auch vergessen werden? Die antisemitische Presse ist emsig bemüht, den Zünftlern das Gedäcktniß zu schärfen. Sie erinnert daran» daß Centrum und Cvnservative seit lJahren regelmäßig ihre Anträge aus Zwangsinnung und Besähigungsnachweis gestellt, und findet, daß die beiden Parteien mit ihrer jetzigen Stellungnahme „ihre ganze Ver gangenheit über den Haufen werfen". Das ist buchstäblich richtig. Die Handwerker, die neun Zehntel, vie" nichts von Innung und Befähigungsnachweis wissen wollen, können mit der Borlage im Ganzen zufrieden sein, wenn sie von dem nationalen Bedenken der ungleichen Regelung absehe», welche- Letztere man denHandwerkern jedenfalls weniger verargen könnte, als z. B. der preußischen Regierung. Für das Lehrlingswesen, mil den Handwerkskammern bringt der Entwurf ohne Zweifel Fortschritte, die gestern namentlich auch der nationalltberale Abgeordnete Bass ermann begrüßt hat, jedoch nicht ohne Bedenken auch gegen die nicht obligatorische Zwangs- innnng zu äußern. In jenen und in anderen Puncten sind auch verbessernde Aenderungen möglich, nicht aber in der Richtung der Wünsche der ZwangSinnnngSfreunde. Hier haben die Regierungen — Centrum und Conservative wissen das sehr Wohl — ihr letztes Wort gesprochen. Da diese Parteien dennoch die Vorlage acceptirt haben, so sind die „Zünftler" in der Thal „verrathen und verkauft". Zu ihrem Beste» verrathen — nach unserer Ueberzeugung —, aber doch verrathen von Denen, die sich durch den Besitz einer andern Ueberzeugung ein halbes Menschenalter unv noch bis vorKurzem dem Handwerk als „Prima"-ParlamentS-Candidaten empfohlen gehalten haben. Das einzige Mitglied der beiden Parteien, von dem die „Zünftler" ungefähr wissen konnten, wie sie mit ihm daran seien, ist der bayerische Abg. Frhr. v. Hertling. Dieser hat sich vor etwa drei Jahren in der bayerischen Donnerstag den 1. April 1897. S1. Jahrgang. ersten Kammer gegen Zwangsinnung und Befähigungsnach weis erklärt und die Handwerker geradezu gewarnt, sich von den überlebten Einrichtungen etwas zu versprechen. Von den Uebrigen wissen sie es erst jetzt. Es sind allerdings Bemühungen im Gange, es den Handwerkern nicht zum Be wußtsein gelangen zu lassen. Die ständige Deputation des Berliner Innungs-Ausschusses hat dieser Tage gegenüber der von unS mehrfach erwähnten Veröffentlichung des Herrn Jacobskötter eine Erklärung beschlossen, daß die Anschauungen dieses Herrn keineswegs derffenigen des organisirten deutschen Handwerks entsprächen. Die Herren Beutel, Faster und andere Führer der Handwerlerbewegung versagten aber diesem Beschlüsse ihre Zustimmung, weil es sich nur um „Zeitungs nachrichten" handele. Die Veröffentlichung des Herrn Jacobs kötter war von ihm unterzeichnet. Vielleicht wird der steno graphische Bericht seiner gestrigen Reichstagsrede auch für nicht authentisch erklärt. Der Bericht der mit der Berathung der Margarine- Vorlage betrauten Commission ist nunmehr im Reichstage vertheilt worden; da an genügend vorbereitetem Arbeils- material kein Ueberfluß ist, so steht einer baldigen Erledigung der zweiten und dritten Lesung dieser Vorlage nichts im Wege. Das Margarinegesetz wird Annahme finden ohne Färbeverbot und ohne getrennte Verkaufsräume, lediglich mit den Bestimmungen, wonach die Fabrikation bei der Herstellung der Margarine gesundheitspolizeilich über wacht und der Margarine selbst ein unschädliches latentes, jederzeit leicht nachweisbares Erkennungsmittel beigefügt wird. Dasselbe hat mit der aus dem Ausland im- portirten Margarine zu geschehen, ehe sie in Verkehr gebracht wird. Die Mehrheit für das Gesetz ist nur dadurch zu Stande gekommen, daß vaS Centrum sich zu der besseren Einsicht bekehrt hat und von den oben erwähnten, undurch führbaren Forderungen zurückgetreten ist, obwohl sein gleich zeitig mit dem der Agrarier eingebrachter Antrag dieselben enthielt. ES geschieht daher nicht, um Recriminationen zu erheben, wenn wir darauf Hinweisen, daß die CentrumS- organe jetzt genöthigt sind, sich in spaltenlangen Artikeln gegen die von agrarischer Seite deswegen erhobenen Vorwürfe mit denselben Argumenten zu wehren, die sie seiner Zeit bei den Nationalliberalen nicht Helten lassen wollten. So müssen sie es jetzt al« eine „schmähliche Ver dächtigung" zurückweisen, daß die Stellungnahme zu dem agrarischen Margarinegesetz dasselbe bedeute, wie eine Stellung nahme für oder gegen die Landwirthschaft. So müssen sie jetzt selbst eingehend begründen, daß die Annahme der For derung getrennter Verkaufsräume eine Schädigung des Buttervertriebes berbeiführen, daß sie den Händler zwingen würde, die Butter fahren zu lasse», und baß schließlich nicht die Margarine-, sondern nur die Butterverkäufer der lästigen Controle unterstellt werden würde». Die Regierung selbst bat freilich die Trennung der Verkaufsräume für Orte über 5000 Einwohner „als nicht mehr so bedenklich", wie die im verflossenen Jahre verlangte allgemeine Trennung behandelt. Es ist daher nicht zu verwundern, daß das Centrum sich heftige agrarische Angriffe wegen seines „Umfalles" gefallen lassen muß. Wie bekannt, ist daS latente ärbemittel in bas Gesetz selbst nicht ausgenommen, ierüber äußert sich der Bericht besonders eingehend, er Grund liegt darin, daß man von der Wissen schaft in einer Zeit, wo „jeder Tag neue Mittel bringt", ein besseres Mittel als das vorläufig durch Bundesrathsbeschluß festzusetzeiide „Dimethylamidoazobenzol" in naher Zukunft er w-r..,, BM-- ist Auf elf Seiten werden seine L.cht^ Vergleich zu anderen u»d für sich ^g^g^^^rbstidet sich Mittel vor genau Man; g Jahren «Mv a Schwefelsäure LU als basischer Körper mtt Salzsäure und Sch ^brauchten N"K7in?Lgrüne spielt, s° Een Farben der Margarine zugesetzt werden um de angenehmen Ton zu beseitigen. G- undh-.tSschadUch Or nicht; durch eingehende Versuche, u. «.Fütterung LL ist /EHZ dem Weichkäse, das muß sich noch "g°b-n. D>eVer,uq darüber sind noch nicht abgeschlossen. Unsicher avervte die Prüfung, solange noch Butterfarben m Gebrauch sind, di- j-n°» F°-bst°ff L" ?°MM! daher den Butterproducenlen, sich an »Arwan°.'arMt0si halten der sich auf Salzsäure nicht roth sarbt. Sonst ist das Mittel probat, denn um es auS 15 Irz Margarine zu entfernen, brauchte man 59 kg Salzsaure, und dan" blieb die Margarine ungenießbar. Mit Hilfe Mittel» s es möglich, in Mischungen sogar 10 Proc. Margarine noch festzustellen. Damit würde, in Anbetracht der hohen Strafen, der Mischbutterschwindel unrentabel. Das amtliche Blatt der französische« ^olonie DahomeY bringt die folgende (schon kurz telegraphisch erwähnte) Mit- thatsächliche Besitzergreifung von „Haut« Da Homer," durch eine Reihe französischer Stationen, die wir vor einigen Tagen ankündtgten. wirddurch verschiedene Entchtdungen des Gouverneurs von Dahomey Ballot bestätigt. Eapitatn Band ist zum französischen Residenten in Burma und Marinelieutenant Bretonnet zum Residenten am Mittel-Niger ernannt Ebenso sind „Residenten" in verschiedenen Stationen wie Bafilo, rkirtirt, Bonay. KandyJtou. s. w. ernannt, Puncten, die unS von den Deutschen oder Engländern zugestanden sind. Die Verantwortung für diese Ernennungen, schreibt die „Post", wird der Gouverneur zu tragen haben. Gurma, Bafilo und Kirikri stehen unter deutschem Schutze. Wenn der französische Minister der Colonien die Handlungs weise Ballot'« billigt, so dürfte er sich über ihre Tragweite noch nicht ganz klar sein. Ob die französische Dip'-""-'»,? der Aufgabe, die Zustimmung der anderen Mächte zu wird gerecht werden können, erscheint sehr Haft. Die französischen Colonialschwärmer dürften viel mehr noch viel Wasser in ihren Wein schütten müssen. Uebrigens kommt man auch in Frankreich mehr und mehr zu der Ueberzeugung. daß betreffs Gurmas Verträge mit anderen Mächten zu respectiren sind. Sogar die „Politigue Coloniale" kommt von ikren früheren Ausführungen zurück und druckt heute die von uns wiedergegebenen Bemerkungen der „Post" über die Gurmafrage ab, ohne den Versuch zu machen, sie zu wiederlegen. Die von dem englischen Colonialminister Chamber lain am Sonnabend über Transvaal gehaltene Rede, welche das denkbar Mögliche an Brutalität und Ueberhebung leistet und in ihrem Schlußsätze geradezu mit einem Ultimatum und mit der kriegerischen Lösung der südafrikanischen Frage im Sinne der Vorherrschaft Englands droht, hat in England nicht den großen Eindruck gemacht, den man erwarten konnte. Trotz aller aekeuckelten Aimersickt svrickt iick eine Reike Blättern bedenklich über daS Vorgehen Cbamberlain's auS. „Ein Krieg mit Transvaal", sagt die „St. James Gazette", „würde etwas höchst BedauernSwerthes sein. Nicht, daß er so große militairische Schwierigkeiten böte, sondern wegen der Gefühle, die er in Südafrika erregen würde. Das englische Volk würde die Nachricht mit Be friedigung aufnehmen, daß die Regierung, selbst wenn eine Gewaltpolitik ihre volle Berechtigung hätte, nur mit dem äußersten Widerwillen dazu schritte, erst nachdem sie alle möglichen diplomatischen und politischen Hilfsmittel erschöpft hätte und ihr keine andere Alternative übrig bliebe. Die Nation würde nur dann einen Krieg billigen, wenn Präsident Krüger ihn unS aufdrängt. Es darf keinem Argwohn unter liegen, daß die Regierung einen Streit mit ihm vom Zaune brechen will." Auch die liberale „West min st er Gazette" erklärt die Rede Chamberlain'S für tactlos. Er hätte ihr nicht die Form eines Reichsultimatums geben sollen. Das Blatt meint außerdem, daß, soviel es von der Sache verstehe, die Londoner Convention kein Hiuderniß für Transvaal und den Oranjefreistaat sei, Verträge mit einander abruschließen. Die „Daily News" protestiren dagegen, daß bei gesellschaftlichen Anlässen, wo Männer beider Parteien sich einträchtig zusammensinden, solche Reden von verantwortlichen Ministern gehalten werden, wie sie Chamberlain am letzten Sonnabend vortrug: „Cbamberlain verliert keine Gelegenheit, mag sie festlicher ober geschäftlicher Natur sein, die Kohlen anzufachen und den Präsidenten Krüger berauSzufordern." Und selbst daS Organ Lord Salisbury'S fühlt sich veranlaßt, Herrn Chamberlain zurecht zuweisen. Der „Standard" sagt nämlich: „Wenn die Beeren schließlich unseren Rathschlägen ein taubes Ohr leiben und auf Forderungen bestehen, die wir ihnen ihrer Meinung nach nicht abschlagen können, so müssen sie die Folgen tragen. Es würde falsche Gutherzigkeit sein, sie über diesen Punct im Unklaren zu lassen. Die Wahrheit sollte ihnen aber in aller Höflichkeit mitgetheilt werden und mit aller Achtung für Gefühle, die ihre Wurzel in der menschlichen Natur- Haben. ES sollte ihretwegen «Tact und Urtheil" erschöpft werden, ehe wir zu weiteren Maßnahmen schreiten". Das Organ Lord Salisbury'S spricht also dem College» seines Auftraggeber- Tact und Urtheil ab. Damit ist es gewiß im Rechte. Ein- schönes Zrugniß legt dieser Umstand von der Einigkeit im gegenwärtigen englischen Ministerium nicht ad, wohl aber zeigt er, daß man in England die Niederlagen am Majubahügel und bei Krügersdorp nicht vergessen hat. Des halb hält man eS auch für verkehrt, mit dem Säbel zu rasseln, zumal da eS der „diplomatischen und politischen Hilfsmittel" noch genug giebt, um auf „friedlichen Umwegen" in Trans vaal daS Heft in die Hand zu bekommen. Kommt es zur Blockade der griechischen Häsen? Diese Frage ist noch nicht beantwortet. Die Blockade- von Volo ist vorläufig ausgegeben, nachdem England (man weiß nicht recht, warum) sich geweigert hatte, daran theilzunehmen und infolge dessen auch einige andere Mächte die Lust daran verloren hatten. Dagegen wurde auf den Vorschlag der Admirale, die also, was wir gleich bezweifelten, die Blockade griechischer Häfen nickt Widerrathen haben können, beschlossen, den Golf von Athen (auch Bucht von Aegina genannt) zu sperren und zwar in der Weise, daß jedes von dort auslausende Schiff in den Golf zurück- gefübrt werden soll. Mehrere Mächte, nach einer Version alle, stimmten zu, mit Ausnahme wieder von England, dessen Ant wort noch aussteht, was mit der Abwesenheit Salisbury'S von London erklärt wird. Englands Einwilligung scheint heute Ferrrllrtoi« Sneewittchen. 1) Roman von A. I. Mordtmann. Nachdruck verboten. 1. Capitel. Eine frische Brise wühlt den Ocean auf, daß seine Wellen sich in langen grünlichen Wogenreihen mit Weißen Kämmen — die sildermähnigen Rosse Neptuns — erheben und in fröhlicher Jagd donnernd, schäumend, im Hellen Sonnenlickte glitzernd und funkelnd dahinjagen. Drei Tage bat eS lustig gestürmt, und bei der gewaltigen Musik der Elemente hat die tosende Stimme deS Donners nicht gefehlt. Aber dann hat der McereSgott, deS wüsten Lärmens über drüssig, die Wolken zerstreut, die unbändigen Söhne de- AeoluS in ibre Höhle gejagt und nur den tönenden frischen Nordwest draußen gelassen, auf daß keine langweilige Meeres stille eintrete. Die wild durcheinander laufende See hat sich gelegt. Einmüthig verfolgen alle Thäler und Berge des Meere- dieselbe Richtung; sie haben einen weiten Weg vor sich, bis sie von den eisigen und nebelgefesselten Küsten Neufundlands an daS glühende, sonnenhelle Gestade Marokkos gelangen, wo sie, in milchweißem Gischt brandend, zerschellen werden. Lustig rollen sie dahin, froh, daß sie keinem Hinderniß be gegnen, daS der Jagd vorzeitig ein Ende mackt . . . Doch da taucht am Horizont ein weißer Punct auf — ist eS eine sonnenbeglänzte Klippe oder ein Segel? — es ist keine Klipppe — eS bewegt sich, eS wird großer, die Sturmvögel nnd Möven, die kaum die Füße netzend zwischen den Wellen reiben hin und her schießen, scheinen es kreischend zu ver kündigen nnd die befreundeten Gewässer aufzufordern, daß sie da« Fahrzeug überrennen und versenken, um für der Vöge! gefräßigen Schnabel frische Beute zu schaffen. Und den Fluthen scheint daS ein lustige- Spiel; sie stürmen vorwärts, und eine Welle nach der andern stößt triumphirend an den scheinbar so schwachen Bau, aber keiner gelingt eS, ihn zu vernichten, anmuthig gleitet da» schlanke Fahrzeug auf die von links heranrollenden Wellen berge hinauf und in die Thäler hinunter, nur selten mit dem Bugspriet so tief eintauckend» daß die See sich darüber bricht und schäumenden Gischt über das Deck ergießt. Die „Antje Gesine" ist ein neue« Schiff und hat in den Registern des Lloyd die erste Versicherungsclasse; sie ist stark und steuert leicht; es schadet ihr nichts, wenn ab und zu beim Durchschneiden der beranprallenden Wellen das ganze Fahrzeug in allen Planken zittert. Neben dem Manne am Ruder steht der Capitain und beobachtet behaglich lächelnd, welche Fahrt da- prächtige Schiff macht. Die Mannschaft steht und schlendert müssig auf dem Verdeck herum, aber sie ist vollzählig oben, weil die scharfe Brise Achtsamkeit und bei etwa notbwrndig werdenden Segelmanöver» Schnelligkeit erfordert. Capitain Lorenzcn ist ein strenger und unnachsichtiger Capitain, und die Mannschaft fürchtet ihn; aber sie bat auch Vertrauen zu ihm, weil sie weiß, daß er Tod und Teufel nicht scheut; er würde, wenn eS sein müßte, in den Rachen der Hölle hineinsegeln, bei welchem verzweifelten Unternehmen seine Leute sich keinen Augenblick besinnen würden, ihm zu folgen. Die Mittagsstunde rückt heran. Capitain und Steuer mann holen ihre Sextanten, um die Sonnenhöhe zu be obachten. Der Mann am Steuer schlägt acht Glasen an, und mit wiegendem Schritt kommt der alte fuchsbärtige Zimmermann, um ihn abzulösen. DaS Log wird auSgeworfen, um die Schnelligkeit sestzustellen, und dann wollen die beiden Officiere sich in die Cajüte begeben, um den Standpunct der „Antje Gesine" zu berechnen und auf der Karte abzustecken, als der Schiffsjunge, der den Ausguck wahrzunehmen hat, auSruft: „Boot ahoil" Ein Boot in dieser stürmischen See! Alles eilt nach vorn, und richtig! — dort treibt es, ein Spiel der Wellen, ein Kutter, wie ihn größere Schiffe als Rettungsboot mit sich zu führen pflegen. Den Seeleuten ist auf den ersten Blick der Zusammenhang klar; in dem orkan artigen Sturm der letzten Tage ist daS Schiff, zu dem daS Boot gehört, leck geworden, und die Mannschaft bat sich in dem Boot von dem Wrack zu entfernen gesucht. Sie sollte aber die Rettung nicht finde»; denn daS Boot ist gekentert und schwimmt, den Kiel zu oberst, daher; dir Insassen müssen sammt und sonder- ertrunken sein. Die Brise — der Landbewohner würde sie «inen Sturm nennen — ist zu stark, als daß ein Aufkreuzen gegen sie möglich wäre. Capitain Lorenzen würde eS seinen Rhedern gegenüber nicht verantworten können, wenn kr die kostbare Zeit mit dem Suchen nach den etwa noch lebenden Schiff brüchigen vertrödeln wollte: es ist ohnehin keine Aussicht vor handen, deren zu finden. DaS Boot treibt im Luv der „Antje cseiine voroei uno i^r oaeo in lyrem scictma^er verzwwunoen Der Capitain befiehlt, den gegenwärtigen Curs nicht zu ' -r- ändern, aber scharfen Ausguck zu halten. Der Standort deS Schiffes wird berechnet, und Lorenzer constatirt, daß sie in einer Woche im Canal sein können dann ist der Weg nach Hause nicht mehr weit. Das Esser schmeckt beiden Seeleuten trefflich, obgleich sie bei dem starker Seegange viele künstliche Manöver veranstalten müssen, un sich die Erbsensuppe nicht über die Kleider zu gießen. Als Beide wieder an Deck kommen, haben Wind unt Wetter noch ein wenig abgeflaut. Lorenzen will sich eben nachdem er eine kurze Umschau gehalten, zu einem Mittags schläfchen zurückzieben, als der Bootsmann ihn ebrerbietig au zwei Mastspitzen aufmerksam macht, die einige Striche nacl links voraus bemerkbar sind. Die erfahrenen Seemänner verstehen sich wieder ohn viele Worte: die Masten da vorn zeigen keine Segel, wai bei diesem prächtigen Winde Wunder nehmen muß. Etwa, auf jenem Schiffe ist nicht iu Ordnung, und eS könnte gan gut das Wrack sein, zu dem daS vorhin gesichtete Boot ge dort, schnell hat Lorenzen diese Erwägung angestellt; e laßt um einen Strich gegen den Wind anluven, die Sege noch etwas schräger stellen und fährt nun so, daß er, s, weit es ohne Gefahr für das eigene Schiff geschehe, kann, den CurS LeS unbekannten Fahrzeuges in dessen Nab kreuzen muß. Mehr und mehr steigen die Masten des Fremden, eine kleinen Schooner«, auS den Wellen auf; seine Segel si„I alle eingezogen, und kopfschüttelnd betrachtet die Mannschaf der „Antje Gesine" das sonderbare Fahrzeug — sonderba, weil eS viel zu klein ist, um ein so großes Rettungsbooi wie das vorher gesehene, besessen zu haben. Indem mai naher kommt und den Rumpf durch die Fernröhre gan deutlich beobachten kann, sieht man, daß der Schooner steuer loS dahintreibt und furchtbar schlingert. Obgleich er keiner!« Havarie erlitten zu haben scheint, muß er doch von Mensche verlassen fern. - ist verstrichen, und langsam treibt da einsame Wrack vor dem Bug der „Antje Gesine" in dere Wind hat mehr und mehr nachgelaffe, worden des OceanS sind niedrer g< Rnvk wen» eS nothwendig ist, ein Boot a ^ Schooner« senden, der nach dem am Heck sichtba s-in schem? ^"'1" spanischer NaNonalität z lein scheint. Noch überlegt der Capitain, was er lhun so. als ein ganz merkwürdiges und unerwartetes Ereigniß allen über das Bollwerk der „Antje Gesine" hinüber Blickenden einen lauten Ruf des Staunens und Schreckens entreißt nnd im nächsten Augenblick, ohne daß der Capitain einen Befehl ertheilt hat, alle Hände an daS Boot treibt, um es ins Wasser zu lassen. Ein kleines Mädchen in weißem Kleide steht drüben am Heck, klatscht in die Hände und winkt mit einem Taschentuch. In unglaublich kurzer Zeit schwimmt das Boot auf dem Wasser, der Steuermann und vier Matrosen springen hinein und rudern, während auf der „Antje Gesine" die Segel back gelegt werden, nach dem Schooner hin. Ohne Unfall er reichen sie das Fahrzeug, klettern gewandt an der Außen seite hinauf und werden von der Kleinen mit lautem Jubel ruf begrüßt. Es ist ein wunderliebliches Kind mit tiefblauen, violett schimmernden Augen und schwarzem Haar, das im Sonnenlichte blaue Reflexe wirft. Sie spricht nur wenige deutsche Worte, spanisch ge läufiger; aber das verstehen die Matrosen nicht, nnd sie bekommen nur soviel heraus, daß das einsame Kind Juanita heißt. Ehe man das Schiff wieder verläßt, untersucht der Bootsmann den Raum, und der Steuermann bcgiebt sich in die Cajüte, um z» seben, ob dort etwa noch Menschen sind. Aber die kleine Juanita ist wirklich die einzige Insassin deS Schiffes. Auf dem Boden liegt ein Brief, wie in der Eile weggeworfen oder verloren. Der Steuermann hebt ihn auf und steckt ibn zu sich, nachdem er mit dem Ausdruck höchsten Staunens die Adresse gelesen hat. Daun siebt er sich weiter um ... Er macht ein ganz merkwürdiges Gesicht, als er wieder an Deck kommt, und flüstert leise mit bei» Bootsmann, der mittlerweile seine Untersuchung beendigt und sestgestcllt bat, daß der Schooner vollkommen dicht und seetüchtig ist und nur wenige Zoll Wasser im Raume bat. Einer der Matrosen trägt Juanita sorgsam in daS Boot, und sie fahren an Bord.ihres eigenen Schiffes zurück. Auck der Capitain äußert unverholen sein Erstaunen beim Anblick der Adresse des Briefes, den er an sich nimmt. WaS Steuer mann und Bootsmann erzähle», giebt Veranlassung zu einer kurzen Besprechung zwischen den Officieren und Matrosen der Bark. Der Schooner hat anscheinend eine überaus werth volle Ladung von Seide und Stückgütern an Bort, woran ein tüchtiger Bergelohn verdient werden kann. Die „Antje Gesine" ist überzählig bemannt, da sie im letzten Hasen, drn
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