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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970429018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-29
- Monat1897-04
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuna 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännalsmetchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz ln Kefpzfg. ^ 215. Donnerstag den 29. April 1897. Oie Berliner Frühjahrsversammlungen zur Fürsorge für Wanderer und Arbeitslose. ik. „Nom«, sveet Iwme!" „Heimatb, süße Heimath", so beginnt ein Lieblingslied der Engländer. „Das schlimmste von Allem ist heimathsloS zu sein", sagte der griechische Dichter Euripides — und doch entbehren viele Tausende die Heimath, so in Deutschland wie in anderen Ländern. Wanderbettelei und Pagabundenthum sind zur Landplage geworden, die selbst durch strenge Gesetze nicht be seitigt werden kann. Die Bekämpfung dieses Nebels hat in Deutschland eine freiwillige Organisation, die evangelische innere Mission, übernommen. Alljährlich treten in Berlin ihre Vertreter sowie andere Interessenten zu drei großen Hauptversammlungen zusammen. Es gilt, in christlicher Nächstenliebe neue Gelegenheiten, den Heimathslosen eine ihnen im körperlichen und sittlichen Sinne dienende Unter lauft zu verschaffen, zu besprechen und das Geschaffene weiter auszubanen. In diesem Jahre wurden die Tage vom 10. bis 18. März dazu gewählt. Am ersten Tage versammelte sich der „Deutsche Herbergsverein" unter Vorsitz des Pastors von Bodelschwingh. Den Geschäftsbericht erstattete Pastor Mörchen-Bieleseld. Danach giebt es zur Zeit mehr als 500 „Herbergen zur Heimath" im evangelischen Deutschland, die täglich ca. 18 000 Personen aufnehmen können, ein großer Fortschritt seit dem Jahre 1854, wo Professor PerlheS in Bonn eine „Reform herberge" als Musterstätle errichtete. Gegen das Vorjahr fand ein Zuwachs von 26 neuen Herbergen mit 2000 Betten jlall. Die>e Herbergen sind begründet, um den besseren Ele menten unter den Wanderern zu dienen. Leiber sinkt nach der Versicherung der Herbergsväter auch in diesen Kreisen der Ton fortwährend, waS aus ernste Schäden des gesammten Volks lebens bindeutet. Insgesainmt nächtigten im Berichtsjahre l89tz in diesen „Herbergen zur Heimath" dreiundeinhalb Millionen Reisende. Indessen ist es doch eine bezeichnende Thatsache für die Stellungnahme der deutschen Wander bevölkerung zu diesen im christlichen Sinne geleiteten Her bergen, baß die Benutzung derselben durch Selbstzahler stieg. Diesem Berichte folgten Referate über die Mäßig- keitSsache und das Sparen. Branntwein wird in den „Herbergen zur Heimath" nicht verschänkt. Man verhandelt aber sogar schon über die Frage, wie mau den Bier- verbrauch dnrck Güte und Billigkeit der Ersatzgenänle möglichst vermindern könne. Ferner war das Verhalten gegenüber Trunkenen, die Ausnahme fordern, Gegen stand der Berathung. Der Geschäftsführer des „Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke", ör. Bode- Hildcsheim, empfahl, i» den Herbergen DiScussions- aden de über die Mäßigkeitssache einzurichten und in ihnen Mäßigkeitsschriften auszulegen, ferner, die Bevorzugung der leichten Biere und Einführung alkoholfreier Gelränke. Das Beste freilich sei Obst und Milch. In den Verhandlungen lauckte der Gedanke aus, bei den Verwaltungsbehörden zu wirken, daß in Zukunft die Erlaubniß zum Betriebe eines Fremdenverkehrs an die Ausschließung von Brannt wein geknüpft werde. Pastor Kruse-Lin,lors lheilte mit, daß die Zahl der Trunkenen in einer Kölner Herberge fast ganz verschwunden sei, als man durch Einführung einer sofort beim Eintritt zu lösenden Schlafmarkc die sogenannten Nacht bummler anSschloß. Es wurde sodann eine Commission gewählt, um einem Plane von Ostermeyer-Bieleseld, Spar einrichtungen in allen Herbergen betreffend, näher zu treten. Am 17. März tagte der „Gesammtverband Deut scher Verpslegungsstationen", wobei die Vertreter der verschiedenen Provinzen in den üblichen Fünfminuten berichten über die Vorgänge im vergangenen Jahre referirten. Erfreulich war es, daß nach den Berichten der Verkehr in allen Verpslegungsstationen des deutschen Reiches im ver gangenen Jahre geringer war als sonst, weil es weniger Ar beitslose gab. Alle Stationen wurden durch freiwillige Beihilfen erhalten. Aber die wachsenden Kosten erfordern dringend eine gesetzliche Regelung. In der Verhandlung legte v. Mafsow- Potsdam den Entwurf eines Reichsgesetzes vor. v.Booel- schwingb wünschte dagegen, daß man in einer kurzen Ein gabe, sei eö an das Reich ober an Preußen, lediglich die Grundzüge der gewünschten Neuordnung darlege. Ab geordneter von Pappenheim bedauerte es, daß es im No- vember 1895 im preußischen Landtage der Sache sehr ge schadet habe, daß es Stationen gab, die nickt genügend geordnet und eher schädlich als nützlich gewesen wären. Abgeordneter Seyffardt hielt den Weg der t a n d e 6 gesetzlichen Regelung für den aussichtsvollsten. In dieser Beziehung wurde der Vorstand des Gesammtvorstandcs ersucht, noch einmal in dieser Sache die einzelnen Bundesregierungen anzugeben, v. Bodel- schwingb wies auf die Notbwendigkeit hin, für die Zeiten gewerblichen Niederganges »icbr Arbeitercolonien oder freie Beschästigungsanstalten zu beschaffen, als zur Zeit bestehen. Der Finanzminister scheine willig zu sein, dafür 500 000 ^ zur Verfügung zu stellen. Aus den Berichten sei noch er wähnt, datz der westfälische Landtag die Einrichtung einer Moorcuttur, ähnlich wie sie iu Schleswig-Holstein besteht, in Aussicht genommen hat. Die planmäßige Ordnung des Arbeitsnachweises wurde sehr nachdrücklich von der Versammlung gewünscht, dazu Besserungen der Wander ordnung und der Legitimation bei den Arbeitsstätten. Beklagt wurde es, daß in Deutschland, wo zuerst der Ge danke der Wandererarbeitsstätlen verwirklicht worden ist, heule noch vergeblich auf ihre staatliche Durchführung ge wartet wird, während Ober- und Niederöslerreich, Schweiz und Vorarlberg und nun auch Tirol, die sie erst von uns gelernt haben, sie bereits besitzen oder doch in Aussicht haben. Am 18. März fand die jährliche Sitzung des Central vorstandes deutscher Arbeitercolonien statt. Der VorstandSberichl bildete ein ganzes Buch. Hauplgegenstand der Beralhungen war, daß nach Lage der gegenwärtigen Gesetzgebung die Pfleglinge des Landarmenverbandes, sobald sie alt, krank, gebrechlich und keineswegs mehr wander fähig sind, nur dann in die Landarmenanflalten gebracht werden können, wenn sie selbst wollen. Sie aber ziehen oft da- Betteln vor. Ebenso drängen sie sich oft an die Arbeitercolonien heran und fordern Ausnahme, obwohl diese nur dem Arbeitsfähigen dienen sollen. Man beschloß in Bezug darauf auf Anregung des Pastors Hochbauer, Leute in die Arbeitercolonien nicht auszunehmen, die selbstwitlig auS den Landarmenanstalten weggehe», und auf Anregung des Pastors Cremer, Alte und Gebrechliche, die sich in den Arbeiter colonien melden, den Armenverbänden zuzuführen. Es folgte .«raus rii.r lange Debatte Icker die zum wiederholten MZe von Pastor v. Bodelschwingh angeregte Revision der Grund sätze für die Wiederaufnahme in die Colonie. Empfohlen wurde genaue Prüfung und sorgsam individualisicende Be handlung. Die 28 deutschen Arbeitercolonien sind — mit Ausnahmen von dreien — ländliche Colonicn, sie bewirth- schaften zur Zeit 3794 Hektar, von denen 1800 Ackerland und 700 Forst, 500 Wiesen und 500 Oedland sind, und haben einen Biehstand von llOO Rindern, 650 Schafen und Ziegen, 1300 Schweinen und rund 160 Pferden. Sie be herbergen und beschäftigen zur Zeit täglich 3—4000 Menschen mit einem Aufwande von durchschnittlich etwa 80 ^ pro Kopf und Tag, eine gewaltige Leistung, wie überhaupt die gesammte Wandersürsorge ein schönes Werk von deutscher gemeinnütziger Behandlung darstellt. Deutsches Reich. LZ Berlin, 28. April. Der in Erwägung gezogene Plan der Nationaliiberaien und des Bundes der Land wirt he in Hannover, zu einer Verständigung über die nächsten Reichstagswahlen zu gelangen, giebt den Extremen von rechts und links noch immer zu allerhand guten Nath- schtägen und Drohungen Anlaß. Da eS sich nur um die — nock dazu in weiter Ferne stehenden — Angelegenheiten einer einzigen Provinz handelt, hätten wir durchaus keinen Grund, uns mit den freundlichen Ergießungen der Gegner zu be fassen, wenn nicht zwei Momente von allgemeinem Interesse m der Erörterung hervorträten. Die „Krcuz.-Ztg." sucht die hannoverischen Verhandlungen durch Erregung von Miß- ,r-u-n und Empf-dlung un--I-°b-n- A°,°-run,^ ^ sich in Hannover um die Bekämpfung von Lei) nichts we.ter handelt, so oerra-b ,e.n Tr--ben daß es d-r antipreußischen, aber conservattven Parte, vor den ^twn liberalen den Vorzug giebt. DaS ist nun bei der „ - rleituna" nichts Neues. Man darf aber bezweifeln, datz s sich in diesem Falle in Uebereinstimmung mit der conservattven Par lei u- g n Preußen befinde. Es kann ,a. 1--n, daß auch dies- an den Welfen als einer Adelspartei mehr G - fallen findet als an dem nationalen Liberalismus; aber w e die Dinge in Hannover liegen, ist eS recht gut mog.ck , 8 conservative Bosheiten gegen die Nationatliberalen ,ich ke Wegs als Liebesoienste für die Welsen, .sondern als solch sur die vom Freisinn unterstützte Soc.aldemokrat.e heraus- stellen. Ein Bedürfniß nach «-rmehrung. der sooa ^ demokratischen Mandate setzen w,r aber b's aus i tereS bei den preußischen Conservatwen n.cht vora - Die von links besorgen die Geschäfte der Lelseu und Socia deniokraten, indem sie Verwirrung m nattonatl leralel Reiben zu bringen suchen. E.n hannoverisches Anl,,e,i>tt^ blatt bat gesagt: „Agrarisch und antisemitisch ,mV Begr ff - die sich zum Theil decken." Daraus nun großer Lärm m der Berliner Freisinnspresse. „Die Mitglieder des Bundes der Landwirtbe in Hannover sind natürlich agrarisch, ,tt gleich antisemitisch, die Nationalliberalen wollen mit ihnen paclire», folglich sind die Nationalliberalen Gesinnungs genosse» der' Bindewald, Zskraut und Lieberniann von Ln-nb.-»" So i°„,rn „Bol,. Z,g'", und Geschwister. Wir sehen daraus, daß die Charakterisirung einer Partei oder einer Vereinigung durch Dritte bisher noch nicht zur amtlichen Inventarisirung benutzt worden ist. Es ist notorisch, daß die hannoverischen Bundesmitglieder, die sa zumeist nationalliberal sind, von den Antisemiten nichts wissen wollen. Wäre dem aber anders, so hätten die freisinnigen Blatter durchweg kein Reckt, zu schreiben: „Die nationaltibera e Partei steht am Scheidewege; geht auch nur die Provinziat- leitung in Hannover ein Kartell mit dem Bund der Land- wirthe ein, so werden diejenigen Nationatliberalen wissen, was sie zu thun haben, die bisher noch die Gleichberechtigung aller Bürger ohne Rücksicht auf Confession oder Abstammung als eins der unveräußerlichen Grundrechte der deutschen Nation angesehen haben." Gut gebrüllt. Aber was solllen „diejenigen" Nationatliberalen thun, wenn nationaliiberat ur? antisemitisch in Hannover wirklich identisch wären ? Die Freisinnigen meinen natürlich, sie sollten sich in den Sckiooß ihrer Partei aufnebmen taffen. DaS verbietet sich aber gerade durch die Wertbschätzung jenes „Grundrechts". Denn was den hannoverischen Nationalliberalen jetzt fälschlich als Absicht untergeschoben wird, das haben die Freisinnigen und Demokraten gethan. Zn Baden und Hessen haben sich wieder holt Freisinnige mit Antisemiten verbunden und zwar nicht zur Wahl von Canvidalen, bei denen man, um sie zu Antisemiten zu stempeln, die Formel „agrarisch gleich antisemitisch" er finden mußte, sondern von erklärten Nur- Antisemiten. Freisinnige Volkspartei und Freisinnige Bereinigung haben einander dabei nichts vorzuwersen, der Relchstagswahlkreis Waldeck ist von einem Nationatliberalen an einen Antisemiten gefallen infolge der Unterstützung, die der principielle Gegner der Gleichberechtigung der Juden dem Herrn Or. Schücking, einem Parteigenossen und Schwager des Herrn Heinrich Rickert, zu verdanken hatte. Der Freisinn bat also schon „am Scheideweg" gestanden und hat nickt den Dornenpfad der Respectirung der „Grundrechte", sondern den eingeschlazen, der zu den Zelten der Iskraut, Bindewald und Liebermann führt. Wenn also, was nickt der Fall ist, Nationalliberale um der bürgerlichen Gleich berechtigung der Juden willen zu wandern Ursache hätten, so dürsten sie sich am allerwenigsten auf freisinnigen Lager plätzen niederlassen. * Bkrlin, 28. April. Die Preßfehde, die wegen Lieb- knecht's „Feuilletonspätzchen" über die Arbeiterverhältniffe in Holland zwischen dem „Borwärts" und der „Leipziger Bolkszeitung" entbrannt ist, dauert fort. Sachlich be deutungslos ist sie insofern nicht ohne Reiz, als die streitenden 91. Jahrgang. Parteien es an gegenseitiger Charakteristik nicht fehlen lassen. Man höre den „Vorwärts": Die „Leipziger Bolkszeitung" erwidert aus unsere letzte Notiz gegen den Genossen Schvenlank: „Uns war von Lirbkneckt'e- Abweseuheit nichts bekannt. Von wem stammt denn aber die letzte Notiz im „Vorwärts", wonach Liebknecht auf den Vliegen'schen Artikel, der fick direct gegen Liebknecht richtete, soweir nötkig, m der holländischen Presse antworte» werde? Im Uebrigen trifft auf jeven Fall unsere Kritik zu, da sich Liebknecht jeder sachlichen Aus- eiiiaiiderjetzung entzogen hat. Milden Redacteuren des „Vor- wärts" aber zu discutiren, ist überflüssig." Auf die Frage zu antworten, die in dem zweiten Satze dieser Erwiderung enthalten ist, das erübrigt sich, weil die Frage ganz und gar der journalistischen Sitte widerspricht. Wenn sich Liebknecht bisher nur auf eine humorvolle Auseinandersetzung mit Schvenlank einließ und sich, um ernsthaft zu discutiren, an den holländischen Genossen Vliegen wendet und die Frage, um die eS sich dreht, vor Len Holländern selbst zur Entscheidung bringt, so ist das einfach die gebührende Antwort aus die Art, wie Schvenlank die Sacke behandelt hat. Was die gegen die Redacteure des „Borwärts" gerichtete Bemerkung betrifft, so würde sie uns einigermaßen amüsircn, wenn sie nicht zugleich ein specifisches Symptom dafür wäre, Laß die Selbstüberjchätzung des leitenden RedacteurS der „LeipzigerBoltszeitung" bedauerlicherweise noch im Zunehme,> begriffen ist." Hierauf entgegnet d:e „Leipz. VolkSztg.": „Die Nedactton des Vorwärts müht sich vergeblich, unsere Beurtheilnng ihres Verhaltens Lurch allerlei läppische Redens arten abzuschwächen und Len Sachverhalt zu verdrehen. Die Kainpsesweije des „Vorwärts", der seinen Lesern die Thaljachen, um die es sich handelt, krampshaft vorentbäll und über Schoenlank's streng sachlichen Artikel: Ein holländisches Stillleben mit einen, matten Späßchen hinwegvolttgirt, ist unter jeder Kritik". „Mich dünkt, in diesen Reden ist viel Grund" — sagt jemand in Shakespeare'- „Julius Caesar". * Berlin, 28. April. „Ein undiplomatischer Neu- jahrsentpfang" betitelte sich ein mir „Tat-Twam" Unter zeichneter Artikel in Nr. l l8 der Wochenschrift „Die Kritik". Nack Ansicht der Anklagebehörde enthält der Artikel Majestät« beleivigungeu, und so hatten sich gestern der Herausgeber der „Kritik", vr. Richard Wrede, und der Verfasser des Artikels, Privatgetehrter Kurt Ensner aus Marburg, wegen Majestätsbeleivigung vor der 9. Strafkammer dcs Land gerichls I zu verantworten. Staatsanwalt Iw. Eger cnlärle auf Befragen des Vorsitzenden LandgericktSraths Boisin, daß er kein Interesse an dem Ausschluß der Oeffenltichkeit während der Verhandlung habe, die Rechtsanwälte 11>. Stranz und Henke beantragten, die Oeffentlichkeit nicht auszuschtieße», der Gerichtshof entschied sich aber im entgegengesetzten Sinne, weit er aus der öffentlichen Verhandlung eine Gejäbrung der öffentlichen Ordnung befürchtete. Der unter Anklage gesiellie Artikel beginnt mit folgender Einleitung: „Ais der Director des Wolff'schen Telegrapenbureaus die Manujcripte revidirte, die über die Neujahrsempsänge der Diplomatie berichteten — der „Satz" bleibt der Erjparniß halber von Jahr zu Jahr stehen — fand er unter ihnen eins, das sein Erstaune,, und Entsetzen erregte. Alsobald ließ er sich den Hofberichlerstattec de Grahl kommen und herrschte ihn an, ob er sich etwa wieder verhört bade. Herr de Graht sah sich das Ding an, erstaunte und entjctzle sich wie jein Chef, betheuerte aber jeine Unschuld; er setie jetzt zum ersten Male das unheimliche Schriftstück. Der Director stürzte darauf zum Telephon, lieh sich mit dem Auswärtigen Amt verbinden und fragte an, ob die Neujahrsbotjchasl authentisch jei und ob sie, wenn sie es wäre, der Oeffentlichkeit überantwortet werden solle. Was das Auswärtige Amt erwidert hat, ist nicht bekannt geworden. Thatsache ist, Laß jener Bericht nicht veröffent licht wurde. Dagegen fischte ihn rin Angestellter des Bureaus aus dem Papierkorb auf." In dem Artikel hält ein Herrscher eine Rede an die „edlen und weisen Herren", in welcher er die hervorragendsten Ereignisse des letzten Jahres streift und die Bilanz daraus zieht, die ziemlich kläglich aussällt. Die Anklage behauptet, daß mit der Figur dieses Herrschers unser Kaiser gemeint sei, dessen Ansehen durch einige Stellen dcs Artikels herab gesetzt werde. Der Angeklagte Eysner dagegen bestritt, den deutschen Kaiser gemeint zu haben. Der von ihm vor- geführte Redner auf dem Thron sei eine Idealfigur, das romantische Land, in welches er zu Neujahr einen Ritt gemacht, sei nicht das Berlin und Potsdam der Gegenwart, Von der türkischen Armee. Von C. Frhrn. v. der Goltz. Wenn man türkische Truppen nur flüchtig kennen lernt, wird man sie schwerlich richtig beurthrilen. Je nach dem Stand- puncte des Beobachters müssen die Meinungen naturgemäß aus- emandergehen. Wer in Stambul der Selamlikceremonie bei wohnt und die wohlgekleideten Bataillone und gut berittenen Schwadronen bei dem Großherrn vorüberzirhen sieht, ist günstig überrascht. Wer irgendwo in der Provinz ein Wacht- commando in zerlumpten, kaum noch kenntlichen Uniformen mit rostigen Gewehren und mangelhafter Ausrüstung an trifft, der wird glauben, die türkische Armee unter alle europäischen stellen zu müssen. Wir sind gewöhnt, den inneren Werth einer Truppe nach ihrem Aussehen und Auftreten zu brunheilen, und wir haben in Bezug auf unsere eigenen Verhältnisse damit meisten- theilS Recht. Ganz anders im Orient! Die systematische zielbewußte Erziehung der Mannschaft durch ihre Vorgesetzten ist dort ein unbekanntes Ding. Die äußere Erscheinung erlaubt daher auch gar keine Rückschlüsse. Man erfährt durch das vorthril» hafte Aussehen einer Truppe nur, daß sie irgend einen höheren Vorgesetzten besitzt, der sich dafür interrssirt, oder daß sie sonst irgendwie begünstigt wird. E» würde sehr gewagt sein, ohne Weitere- vorauSzusetzrn, daß sie auch besonders tüchtig sein müsse. Ein redlicher und geschickter Bali hat vielleicht gerade in der einen Provinz der Militairverwaltung die ihr bestimmten Geldmittel regelmäßig zufließen lassen; in der anderen leidet dies« Noth, und der Unterschied in de, äußeren Erscheinung rührt daher, nicht von der Sorgsamkeit oder Vernachlässigung im Commando selbst. Die stattlichen Garden in Konstantinopel, welche, den Iildizkiosk umlagernd, ihren Großherrn zu schützen haben, verdienen für jede ernste kriegerische Lage jedenfalls weniger Vertrauen als die ärmlich auSsehenden Bataillone, die man außerhalb der Hauptstadt trifft. Etwas vom Geiste der Jntrigue, der durch die Hallen deS Palastes schreitet, bat sich auch bei ihnen ringefunden j die Autorität der Officiere ist gering, die Mannschaft verwohnt und eigenwillig. Die minder Begünstigten in der Provinz haben dagegen oft in einem barten und entsagungsvollen Dasein festen Halt und Zusammenschluß gewonnen. Auch wenn man sich geraume Zeit in das Wesen der türkischen Armee eingelebt hat, wird man immer noch Wand lungen im Urtheile durchzumachen haben. Al- ich 1883 nach Konstantinopel kam, war ich zunächst erfreut, so viel Gutes zu finden. Die große Militairschule zumal, der anfangs meine Thätigkeit ausschließlich gehörte, machte in vieler Hinsicht einen sehr vortheithaften Eindruck. Doch schon in der Hauptstadt begegneten mir schroffe Gegensätze. Die Truppen, welche nicht in der Nähe deS Palai« kasernirt waren und mit diesen nicht in Berührung kamen, zeigten vielfach daS Bild arger Verwahrlosung. Wie ich sodann nock inne wurde, daß von der Truppe, außer dem kleinen inneren Dienst, dem elementaren, mechanisch betriebenen Exerciren nichts Ernsthaftes, namentlich nichts für ihre Kriegsausbildung gethan wurde, daß sie weder schoß noch Felddienst übte, noch in größeren Verbänden manövrirte, da war ich nahe daran, alle Hoffnung sinken zu lassen. Ich sah mit dem preußischen Auge nur unvollkommene CadreS für »ine Armee, aber keine Armee selbst. Wie, so dachte ich, soll e< möglich werden, im Falle eines plötzlich auSbrechenden Krieges das Heer auf den Kriegsfuß überzuführen und an daß Reserven (lektiat) und Landwehr (Reckik) dem Aus, zur Fabne gar nicht folgen würden. Dann kamen r bulgarischen Wirren von 1885 und 1886, von denen das Re fast vollkommen überrascht wurde. Nachdem die ersten Schws kungen vorüber und die Entschlüsse zur Aufstellung einerArmee , faßt waren, erstand diese gleichsam aus dem Boden. In ei, Zeit, welche man in Anbetracht der allgemeinen Verhält»! als nicht allzu lange bezeichnen kann, wurden auf der Balls Halbinsel 22 Felvdivisionen mit einer Gesammtstärke v etwa 300 000 Mann versammelt. Sie waren freilich ni sehr reichlich ausgestattel, aber doch mit allem Nötbigcn mit Munition sogar verschwenderisch — versehen. Ich ha damals Gelegenheit, bei den Anordnungen mitzuarbeiten u die große Gewandtheit LeS Kriegsministeriums und al höheren Militairbehördcn zu bewundern, mit welcher sie s in den unglaublich schwierigen Verhältnissen zurechtfand und Berge von Hindernissen überwältigten. Das Gai trug mehr den Charakter einer Rüstung an sich als den eir Mobilmachung, aber man muß gestehen, daß die Aufgabe gut gelost wurde, als es den Umständen nach möglich w Im Vergleich zu früheren Zeiten waren mehrfach Fortschri sichtbar so ,n der Herstellung regelmäßiger großer Verbän Numerisch war daS Aufgebot zahlreicher als bei Beginn t Kriege« von 1877/78. Wie ick nun ferner nach langem Warten und Dräno Ml Jahre 1894 die Genehmigung erhielt, mit einer Abtheilff GeneralstabSosficiere auf einige Zeit an die griechische Gre, zu gehen, und dort Gelegenheit hatte, die Truppen im Grei diensle Zu bedachten, gewann ich großes Vertrauen zu ih inneren Tüchtigkeit im Kriege. Der Dienst, den sie tbat war schwer und gefahrvoll. In einsamen Blockhäusern b Na», -°s d„ Hu, g,g,n B-ud.u w.) gelegentlich versucht batten, in türkisches Gebiet einzudringe». Ost — nicht nur im Winter, sondern noch spät in den Frühling hinein — wurden sie durch Schnee und Un Wetter von jeder Verbindung abgeschnitten. Selbst die Ve, pstegung machte dann die äußersten Schwierigkeiten, und nur unter den schlimmsten Entbehrungen vermochten t.e braven Burschen auf ihren Posten auszubarren. Immer willig, alles Ungemach als etwas Unabänderliches, vom Ge schick Verhängtes, ansebend, tbaten sie ihre Pflicht. Alle Officiere waren des Lobes ihrer Leute voll, und leicht sühlie man bei Beiden das gegenseitige Vertrauen heraus. Dabe> ging der Dienst still und geräuschlos seinen Weg, obne viel Aufwand von lauten CommandoS, von Rufen und Schelten. Mit der größten Freude erinnere ich mich der dort verlebten Tage und würde gern die Gegenwart mit diesen Wetter harten tüchtigen Truppen in ihren rauben Bergen tbeilen. Von der außerordentlichen Marschfäbigkeit der türkischen Infanterie konnte ich mich bald darnach auf dem Rückmärsche von Ianina durch den südlichen Pindus deutlich überzeuge», ffch hatte^eine meines Wissens bis dahin von keinem euro päischen Forscher betretene Richtung über den Mischgel Dagb nördlich um den See von Ianina herum durch die von Walachen bevölkerte Gebirgslandschaft von Zagora („Jen seits der Berge") gewählt. Sie sübrte durch ein herrlich wildes Gebiet. In dem Städtchen Tschrpelova, wo ich das erste Nachtquartier nahm, traf ich eine kleine Infanterie- abtbeilung von 60 Mann an, die dort zur Räuberverfolgiing ausgestellt war. Diese Bestimmung bat ihrem Führer, einem sechs Schub hohen schlanken unv sehr martialisch dreinschauenden Albanesen mit Hauptmannsrang, den merl- würdigen Titel takili memuru (der VrrsolgungSbeamte) ein getragen. Mit seiner kleinen fliegenden Colonne wachte er über die Sicherheit deS LändchrnS. da« noch wenig Jahre zuvor der Schauplatz wüster Greuelthaten griechischer Räuber»
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