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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970506027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897050602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897050602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-06
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Reclam en unter dem Redactionsftrich (4aa» spalten) 50^4, vor den Familiennachrichte» (8 gespalten) 40^4- Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz ' nach höherem Tarif. kkptra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderurgl 60.—, mit Postbefördernng 70.—. Ännuhmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 22S. Donnerstag den 6. Mai 1897. SI. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, ti. Mai. Da« dunkle Zntrigantentreiben, das sich gegen den Fürsten Hohenlohe richtet, hatte gerade seinen Höbepuuct erreicht, als erfahrene Beurtheiler der politischen Situation in Berlin aus untrüglichen Anzeichen entnahmen, das; eine KanzlerkrisiS nicht bestehe und wegen der zur Zeit im Vordergründe der Erörterung stehenden Angelegenheiten nicht ausbrechen werde. Was trotzdem jene dunklen Biedermänner ermuthigen konnte, gerade in einem solchen Augenblicke die Nachricht in die .Welt zu setzen, Fürst Hohenlohe habe, weil das preußische Bereinsgesetz „cndgiltig" zurückgezogen sei, seinen Abschied genommen, ist noch nicht aufgeklärt. Jedenfall ist kaum jemals eine sensationelle Meldung so rasch durch Thatsacben dementirt worden, wie diese. Schon um die gestrige Mittagsstunde wußte man in unterrichteten Berliner Kreisen ganz bestimmt, daß ein Anlaß zuni Rücktritte für den Kanzler nicht vorgelegen habe; die Behauptung, daß er ihn erbeten hätte, hatte in diesen Kreisen überhaupt nur ironisches Lächeln hervorgerufc». DaS Vereinsgesetz — das wußte man ferner — wird dem preußischen Landtage noch in der laufenden Session zu geh en und zwar in einer Gestalt, die seiner Annahme die Wege ebnet. „Ob, wie cs fast den Anschein hat, einfach als Aufhebung des bekannten K 8, oder mit einigen anderen uns sehr wünschenSwerth dünkendenÄenLernngen, stehe dahin" — so schreibt die „Kreuzztg." in einer Abwcbr ter Krisentreibereien, aus der hervorzugchen scheint, daß die Eonservativcn es nicht für patriotisch halten, durch Opposition gegen ein ihren Wünschen nicht ganz entsprechendes Gesetz dem Fürsten Hohenlohe Schwierigkeiten zu bereiten. Was die Militairstrafproeeßordnnng anlangt, so bleibt cS trotz aller Heiterkeit, die Herr Or. v. Boctticher vorgestern im Reichstag erregte, richtig, daß der Reichskanzler es nicht in der Gewalt hat und deshalb auch nicht versprochen haben kann, den BuudeSrath zur Beschlußfassung über diese Materie bis zu einem bestimmten Termine zu zwingen. Die Wider stände, die sich dort zeigen, sind bekanntlich so delicatcr Natur, daß sie dem preußischen Ministerpräsidenten nicht einmal das Drängen auf Beschleunigung angemessen erscheinen lassen können. ES liegt mithin kein Grund vor, für die Dauer ver gegenwärtigen Parlamentssession einen Wechsel in der Ne gierung vorauSzusehen. Angekündigt wird ein solcher jedoch immer wieder werden, und zwar nicht allein deshalb, weil unsere innerpolitischen Verhältnisse der Entstehung von Krisen Vorschub leisten, sondern noch mehr deshalb, weil die Verbreitung pikanter Gerüchte ein nicht unlucratives Geschäft ist und weil es in der Thal Politiker giebt, die den Fürsten Hobenlohe gestürzt sehen möchten. Die politischen Gewässer würden nach einem solchen Ereigniß ohne Zweifel noch trüber und damit zum Fischfang gewisser Patrioten geeigneter werden. Deshalb drängen sich diese an sensations lüsterne und thatendurstige Journalisten heran und flüstern ihnen mit der Miene tiefster Sachkunde Gerüchte zu, deren Verbreitung an gewisser Stelle Mißtrauen erzeugen soll. Daß mit den offenen und versteckten Angriffen gegen die Staatssecretaire v. Boctticher und v. Marschall vor Allem der Reichskanzler getroffen werden soll, ist schon lange kein Geheimniß mehr. Dieser „böse Sinn" hat sich in der falschen Meldung von dem Rücktritt des erste» Beamten als einer vollzogenen Thatsache nun auch offen verrathcn. WaS die „Tägliche Rundschau" anbetrisst, so drängt allerdings ihr Charakter die „National-Zeitung" dazu, unserer scheu gestern ausgesprochenen Ansicht beizupflichtcn. Laß jenes Blatt lediglich das Opfer einer Mystifikation geworden fei. Zur Beurtheilung der falschen Nachricht an einer andern Stelle genügt es, daran zu erinnern, daß von der Umgebung der selben die frivole Lüge von der vereitelten Zaren reife nach Friedrichsruh auSgegaugeu ist. Das Gewitter, LaS ein Berliner Blatt vor wenigen Tagen über den Häuptern der „KathedersociaUsten" sich zu- samlnenzicben sah, hat sich nicht gebildet, dagegen ist in der vorgestrigen Sitzung des preußischen Abgeordneten hauses über die Gegner der freien Volkswirthschafts- lehre ein Regenschauer niedergegangeu, der vielleicht für einige Zeit abkühlcnd wirkt. Was der CultuSministcr vr. Bosse über die Nationalökonomen an den deutschen Hochschulen sagte, war nicht neu, aber es war gediegen und bildete schon dadurch eine strenge Censur für die neuerdings in der Presse und an anderen Stellen in Schwang ge kommenen Lehreranfeindungen, die sich ohne Ausnahme durch Kenntnißlosigkeit und zumeist auch noch durch Mangel an Vornehmheit der Sprache ausgezeichnet haben. Es wird nach den Erklärungen Or. Bosse's auch künftighin nicht dahin kommen, daß Docenten, die nicht in Allem und Jedem mit gewissen sehr rührigen, aber gar nicht berufenen Herren iibereinstimincu, gemaßregelt werden oder einen „Straf professor" neben sich auftauchen sehen müssen. Solche Straf professoren wären übrigens, wenigstens so lange Las Postulat Lcr Wissenschaftlichkeit an die akademischen Lehrer gestellt wird, in Deutschland gar nicht ausfindig zu machen. Es giebt, wie im Abgeordnetenhause zu treffend dargethan wurde, keinen gelehrten National ökonomen, der sich vom Kathedersocialismus, um das Wort beizubehaltcn, frei gehalten hätte, cs sei denn, man griffe auf Herrn vr. Ludwig Bamberger zurück, was wohl selbst für Herrn Stumm zn weit znruckzrcifen hieße. Kathedersocialistisch ist autimanchesterlich, und Herr v. Stumm hat die Eingriffe des Staates in Las Wirthschaftsleben bei der Arbeiterversicherungsgesetzgebung gutgeheißen und ist keineswegs ein Gegner der Schutzpolitik. Er glaubt jedoch im Besitz des einzigen zulässigen Maßstabes zur Bemessung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitern zn sein und empfindet jede abweichende Meinung in diesem Puncte als eine Verletzung seiner von ihm sehr hoch gewerthcteu Autorität. Es steckt ohne Zweifel sehr viel persönliches Terrorisirungs- bcdiirfniß in der Fehde gegen eine Anzahl von Professoren, die unter fick in ihren Anschauungen über Capital und Arbeit sehr weit differiren, aber alle mit einander das Unglück haben, die Ansichten des um Herrn v. Stumm geschaarlen aus erlesenen, aber, wir wiederholen, sehr kleinen Kreises nicht zu theilen. Gewiß wird ein vom Katheder vorgetrageneü Princip nicht immer oder nicht überall die Probe der Praxis bestehen, und Herr Bosse wäre zu beglückwünschen, wenn er seine Absicht, Männer, die durch die socialpolitische Praxis gegangen sind, als auch sonst geeignete Lehrkräfte zu ge winnen, zur Durchführung zu bringen vermöchte. Aber die Unduldsamkeit wird auch dann nicht zusriedengestellt werden können. Man bedenke nur, wie sehr verschieden Mitglieder des RcichSversicherungsauttS, Gewerbeinspec- toren und vor allen Dingen Arbeitgeber über die Durch führbarkeit und Nützlichkeit bestimmter socialpolitischer Neuerungen denken. Ein unfehlbares Papstthum läßt sich eben auch auf diesem Gebiete nicht begründen. Wenn die Nachricht sich bewahrheitet, daß ein Besuch des französischen Präsidenten in Petersburg unterbleiben würde, so ist daraus ein Schluß auf das Vcrhältniß zwischen Rußland und Frankreich überhaupt zu ziehen. Die beiden von dem russischen Kaiser besuchten Herrscher der Dreibund mächte — in Italien hat Zar Nicolaus bekanntlich keinen Besuch abgestattet — erwidern den Besuch in diesem Fahre, die höchste Spitze des angeblich mit Rußland verbündeten französischen Staates bleibt fort. Wie ist dies zu erklären? Man kann zweierlei Gründe anuehmen: einen, wenn man so sagen darf, acuten, und einen chronischen Grund. Der acute Grund würde in der Entfremdung zwischen Rußland und Frankreich in der orientalischen Frage zu suchen sein. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, daß das Bündniß in dieser Frage schlecht Stich gehalten hat und daß Rußland eine viel wirksamere Unterstützung der von ihm gewünschten Politik bei den beiden centralcuropäischen Kaisermächten, als bei Frankreich gefunden hat. Der chronische Grund liegt in der Etiquettenfrage, in Mißbclligkeitcn repräsentativer Natur. Schon im letzten Winter wiesen französische Blätter wiederholt darauf hin, daß diese Angelegenheit große Schwierigkeiten bereite. Ist dies der Fall, so würde im nächsten Jahre dieselbe Schwierigkeit vorliegen, wie in diesem, und es wäre überhaupt nicht abzusebcn, wann Präsi dent Faure den Zaren besuchen könnte. Diese Etiquetten frage hat aber eine über die Bedeutung eines Besuches hiuauS- geheudc tiefere Bedeutung. Sie zeigt, daß zwischen dem autokratisch regierten Rußland und dem republikanischen Frankreich eine'Kluft bestehl, die sich auch durch freundschaft liche Versicherungen nicht aus der Weit schaffen läßt. Wenn ein Verkehr aus dem Standpunct der Gleichberechtigung zwischen dem Herrscher Rußlands und der Spitze Frank reichs nicht stattfinden kann, so w'rd dadurch zugleich da« Verhältniß Rußlands zu Frankreich symbolisirt. Falls die Franzosen noch einen Rest von Selbstgefühl haben, so können sic nicht darüber hinweggehcn, daß der von ihnen zum Reprä sentanten des französischen Volkes gewählte Mann nicht als gleichberechtigt anerkannt wird. Unter diesen Umständen wird eS natürlich auch nichts aus dem zweiten Besuch, den NicolauS II. der Seinestadt in Aussicht gestellt hatte. Mel dungen, daß dieser Besuch nahe bevorstehe, haben scharfe ofsiciöse Dementis erfahren, deren Schroffheit sich nur daraus erklärt, baß man in Petersburg von dem Umschlag der Strömung gegen Rußland sehr genau unterrichtet ist. Von großem Interesse ist eine Erklärung, welche der portugiesische Ministerpräsident Luciano da Carlo dem Mitarbeiter eines holländischen Blattes bezüglich der Tela- goa-Boi abgegeben hat; eS heißt darin: „Ich erkläre, daß Portugal, auch wenn cS sich in der verzweifeltsten Lage befinden würde, sich nie und nimmer entschließen würde, eine so wichtige Colonie wie Loureneo MarqueS zu verkaufen oder zu veräußern. Keine Regierung, welcher Parteirichtung sie auch angehörcn mag, könnte so etwas wagen, denn sie würde unter dem Sturm der öffent lichen Entrüstung zusammenbrechen, während daS »»vermeid- liche Ende einer so unpolitischen That eine Revolution sein würde. England und Frankreich wissen die- recht gut, und ich bin deshalb auch überzeugt, daß diese Gerüchte nicht vom englischen Cabinet auSgehen, sondern ihren llrsprungdem Treiben der Charteret» Company und ihres Chefs mit seinen Helfer« Helfern verdanken, die nun einmal von einem vereinigten Süd afrika träumen und diesen Traum durch alle Mittel zu verwirk lichen suchen. So hat sich jetzt auch herauSgestellt, daß der letzte Aufstand in Gazaland, der glücklicherweise nicht weiter um sich griff, das Werk englischer Agenten ist, aber diesen wäre Loch anzurathen, der niemals fehlenden Büchsen der Boeren und des tiefeingewurzelten Nationalstolzes des portugiesischen Volkes eingedenk zu sein. Die portugiesische Regierung wünscht denn auch, daß der Verbreitung solcher Gerüchte ein für alle Male das Hand werk gelegt werden möchte, da sie der fort- währeuden Berichtigungen überdrüssig ist, und sie erklärt deshalb hiermit mit aller Entschiedenheit und öffentlich, daß sie sich nie und nimmer und unter keinen Umständen dazu hergeben wird, Lourenc'v MarqueS zu verkaufen oder zu ver pachten oder in Nießbrauch abzutreten oder eS unter sonst einem Titel zu veräußern oder eS mit Hypotheken zu belasten, und daß der gemessene Befehl gegeben worden ist, daß fick in den Gewässern der Delagoa-Bai stets eine genügende ScbifsSmacht besindet, die jede Gewalttätigkeit, von welcher Seite sie auch kommen möge, mit Gewalt verhindern wird." — Diese sehr offenherzigen Aeußerungen sind fast zu scharf, als daß sie der Präsident der portugiesischen Regierung, die mit England wegen der Delagoa-Bai neuerlich in Unter handlung steht, gethau haben könnte. Oder sollten diese Ver handlungen wieder einmal gescheitert sein? Tann wäre, was wir gleich vermutheteu, die Entsendung einer englischen Flotte nach der Bai ein Pressiousmittel gewesen, um Portugal nach giebig zu stimmen. Genutzt Hal es anscheinend nichts. Auf dem thessalischen Kriegsschauplatz ist in den nächste» Tagen abermals eine Entscheidung zu erwarten, da die beiden Heere jsich vor Pharsala kampfbereit gegenüber stehen. Die Griechen haben eS doch vorgezogen, noch einmal daS Glück der Waffen in einer großen Schlacht zu versuchen, und wolle» sich nicht lediglich ans die Vertheidigung des OthrySgebirgeS zu beschränken. ES haben bereits Zusammen stöße bei Pharsala stattgefunden, und ebenso ist erneut bei Velestino gekämpft worden. Wir geben die betreffenden Nachrichten ans griechischer Quelle an anderer Stelle wieder. Sic melden, daß an beiden Puncten die Türken zurück geschlagen seien. Dies wird noch durch folgende Londoner Depesche bestätigt: * London, 6. Mai. (Telegramm.) Den „Daily News" wird aus Velestino von gestern gemeldet: Ungefähr 10000Manu türkische Infanterie und Cavallerie griff nm 11 Uhr Bor- mittags die Stellungen deS Obersten Smolenski an, wurden aber nach fünfstündigem harten Kampfe zurückgeschlagen Gleichzeitig griff eine Truppen-Abtheilung, welche die Haupt macht Edhem Paschas z» sein scheint, die griechischen Vor posten bei Pharsala an. Um 2 Uhr Nachmittags rückte» die Türken vor, und ein heftiger Kamps entwickelte sich, in welchem die Türken erfolgreich zurückgeschlagen wurden. Kronprinz Constantin commandirte die griechische Infanterie bei dem An- griffe der türkischen Jnfanterie-Colonnen. Prinz Nicolaus com- mandirtc eine Batterie aus dem rechten Flügel und griff 2 türkische Fettilleton. Sneewittchen. 29j Roman von N. I. Mordtmann. Nachdruck verboten. „Nun erzähle weiter", bat er, als die kleine Erecution abgeschlossen war. „Onkel Gerard ist eigentlich durch Herrn Friedrichen darauf gekommen, daß das Geld gar nicht mir, sondern einer Familie Dessoudre gehören könnte. Denke Dir nur, Herr Friedrichsen hat in Toulouse einen Herrn ausfindig gemacht, der an Bord der „Dona Loisa" gewesen ist. Dem kann das Geld gehört haben." „Möglichkeit ist nicht Gewißheit." „ES soll aber sehr wahrscheinlich sein, daß er der Eigen- thümer ist. Onkel Gerard konnte mir nicht mehr sagen, aber er wollte nur Deine Rückkehr abwarten, um der Sache auf den Grund zu gehen." „In Toulouse soll der Mann leben?" „Ja, in Toulouse. Weißt Du noch, wie Du einmal so böse warst, weil ich sagte, Toulouse liege an der Rhone? Da machtest Du ein ganz entsetzlich ernstes Gesicht und sagtest: erstens beißt cs nicht die, sondern der Rhone, und zweitens liegt Toulouse an der Garonne und nicht am Rhone." „DaS weißt Du noch?" „O, da« weiß ich noch sehr gut. Ich war immer so betrübt, wenn Du so ernst und dabei zugleich so spöttisch warst." „Mein herziger Liebling. Du sollst über mich niemals wieder betrübt sein!" Abermals eine kleine Episode, nach deren befriedigender Erledigung Zarnow fortfubr. „Morgen gehe ich zu Gerard, und dann reise ich «ach Toulouse, um mir Gewißheit zu verschaffen." „Und wenn eS sich so verhält, wie Onkel Gerard mir erzählte?" „Dann bekommen die rechtmäßigen Eigenthiimer ihr Geld wieder und eS giebt kein Hinderniß mehr für Fräulein Juanita Miteüa, sich ihrem alten bärbeißigen Lehrer an trauen zu lassen." „Doch noch eins. Weißt Du, ich habe einen sehr gewissen haften Vormund, einen gewissen Doctvr Zarnow — Du kennst ihn vielleicht? — Der wird nie zugeben, daß die arme Juanita einen Mann bekommt, der sie nicht nehmen wollte als sie reich und er arm war. Wie denkst Du darüber ?" „Ich staune, wie ein so reizendes Mädchen solche Thorheit schwatzen kann!" „DaS ist keine Thorheit, sondern mein voller Ernst." „Es ist Unsinn. Sieh, damals . . ." „O geh — Tu wirst eine langweilige Rede halten und mir etwas beweisen, was ich doch nicht glaube. Da weiß ich einen besseren Ausweg: wir Frauen sind doch immer klüger als Ihr Männer." „Laß ihn hören, Deinen Ausweg." „Ich glaube, mein gewissenhafter Vormund würde sich zufrieden geben, wenn ich ihm ein Versprechen des Herrn vr. Zarnow vorweisen könnte, daß er die arme Juanita nicht schnöde verlassen wird, wenn daS Geld ihr doch gehört." Zarnow schloß die Geliebte in seine Arme und küßte sie mit heißer Innigkeit auf Mund und Augen. „Kann ich denn noch ohne Dich leben, Juanita?" flüsterte er. „Ob arm oder reich, Du bist und bleibst mein!" 19. Capitel. Von Gerard, Mauvillon und Hartmann wurde Zarnow mit gewohnter Herzlichkeit begrüßt; auch Friedrichsen ward aus dem Comptoir hereingerusen, um seinen Jugendfreund willkommen zu heißen. Als sie Alle beisammen saßen, und das in solchen Fällen übliche GlaS Wein geleert wurde, nahm Zarnow mit einer gewissen Feierlichkeit daS Wort zu der Ankündigung: „Ich glaube, alle hier Versammelten, und nicht am wenigsten mein alter treuer Schulfreund Friedrichsen, werden mit Vergnügen hören, daß ich mich entschlossen habe, nicht allein nach Brasilien zurückzukehren, sondern mir eine Frau mitzunehmen." Weiter kam Zarnow nicht, denn sie sprangen alle aus und schüttelten ihm ungestüm die Hände, während Gerard rief: „Wahrhaftig, Zarnow, daS ist von allen gescheidten Streichen, die di, klügsten Männer aller Zeiten gemacht haben, der gescheidteste. lind ich hoffe nur, daß Ihre AuS- erwählte einigermaßen Ihrer würdig ist . . . Wer ist eS? Doch um Gotte« willen keine Italienerin?" Alle wandten sich mit ängstlicher Neugier Zarnow zu. Friedrichsen hielt seine Hand am längsten fest, und für Zar now hatte die Bercdtsamkeit seines wortlosen Glückwunsches etwas unbeschreiblich Rührendes; von seinem Herzen war eine Last weggenommen, und er konnte seinem Jugendfreunde wieder frei cn's Auge sehen. Zarnow verneinte Gerard s letzte Frage sehr energisch. „Nern, niemals!" sagte er. „Aber cS hat mit meiner Braut noch so einen Haken. Sie hängt von verschiedenen Leuten ab, deren Zustimmung mir noch nicht so ganz ge wiß ist." „O zum Kukuk, Zarnow!" rief Gerard. „Da sollte doch ein drei und dreißiafaches Millionen Donnerwetter drein schlagen, wenn die Nein sagten!" „Nicht so kaut, Herr Gerard", bat Zarnow lächelnd. „Die junge Dame hat Vormünder — einer hat zugesagt, die beiden Andern aber — sie hat nämlich drei . . ." „Juanita!" erscholl eS wie aus einem Munde, und da Zarnow nickte, entstand ein Jubel unter den sonst so gesetzten Männern, als wären sie, wie Gerard später sagte, eine Heerde Schuljungen gewesen. Jetzt aber ließ ihn seine sonstige kernige Bercdtsamkeit im Stich, er umarmte Zarnow stürmisch und konnte weiter nicht« sagen als: „Gott segne Sie! DaS haben Sie gut gemacht!" Dann aber eilte er spornstreichs in« Comptoir, rief die beiden Lehrlinge und gab ihnen Aufträge zur Beschaffung so unbeschreiblicher Mengen aller möglichen Weine und Delicatessen, daß man damit eine ganze Stadt hätte speisen und tränken können. Erst Friedrichsen, der ihm lachend gefolgt war, brachte diese Bestellungen durch besonnene Inter pretation auf rin Maß zurück, daß daraus ein opulentes Frühstück für daS gesammte Personal wurde. Nach ihrer Rückkehr in Gerard « Privatzimmer entwickelte sich ein fröhliches und hoffnungsvolles Gespräch überZaruow'S Zukunft, wobei nur die Notbwendigkeit seines Scheiden« au« Hamburg einen Tropfen Wermuth in den Freudenbecher mischte. Für die Denkart der Wackern Männer, die da bei einander saßen, war e« sicher bezeichnend, daß erst nach längerer Zeit und ganz beiläufig Gerard fragte: „Sie wissen wohl schon, lieber Zarnow, daß die Sache mit Juanita'« Vermögen zweifelhaft geworden ist? Wie ich Ihre himmelschreiende Thorheit und Unvernunft kenne, ist gerade da« für Sie ein Grund zum Zugreifen gewesen." „Freilich, da« ist e«. Die Wahrheit ru sagen, habe ich aber Juanita da« Versprechen geben müssen, sie zu meiner Frau zu machen, auch wenn eS sich Herausstellen sollte, daß da« Geld ihr doch gehört." „Na, also ist doch noch einige Hoffnung vorhanden, daß, Sie vielleicht, wenn Sie einmal tausend Jahre alt sein werden, so viel Klugheit besitzen wie ein drei Wochen alte« Baby." „Wie ist e« denn mit dem Gelde? Juanita konnte mir darüber keine großen Aufschlüsse geben." „DaS glaube ich. Ich konnte ihr doch nicht die wunder volle Nachricht mittbeilen, daß ein ganz miserables Subject ihr Vater ist? Der kann allen Gaunern und Erzhalunkeu der Welt noch ein paar Point« vorgeben! Lassen Sie sick daS von Friedrichsen erzählen — der hat da Geschichten herauSgewnrmt, als wenn er der abgefeimteste Detective wäre." Friedrichsen berichtete kur; und bündig über DaS, WaS er in Toulouse und in dem spanischen Kloster erfahren hatte, und Gerard fügte dem hinzu: „Ich habe seitdem nichts mehr von Williams gehört und weiß nur, daß er noch am Leben sein muß, weil meine Toulouser Geschäftsfreunde ihm regelmäßig die Kleinigkeit auSzahlcn, die ich ihm ausgesetzt habe. Aber Sie begreifen wohl, daß ich froh bin, wenn er ruhig drüben sitzt, und daß ich meinerseits au die dumme Ge schickte nicht rühre» mag. Als Sie damals mit dem Gelde für Juanita berkanicn, waren mir die Einzelheiten der Ver hältnisse drüben schon wieder aus dem Kopfe gekommen, was mir davon noch gegenwärtig war, lief daraus hinaus, daß der Vater unserer Juanita, der Frantzvi« Dessoudre, Eigcn- tbiimer deS Geldes sei, daS als» von Rechtswegen seiner Tochter zukomme. Ich überlegte mir die Sache ein paar Tage, endlich gab ich Friedrichsen den Auftrag, nach Toulose zu schreiben und die Leute um weitere Auskunft über die früheren Verhältnisse eben diese« Dessoudre anzugrhen; wir hätten dann eaS Vermögen in seinem Namen weiter ver walten können. Dabei kam ich denn einem ganz absonder lichen Streich unseres leichtsinnigen Herrn Friedrichsen auf die Spur." „Die Sache ist die", erläuterte Friedrichsen, „daß ich mit Fräulein Josephine, die also eine Halbschwester unserer Juanita ist, in Briefwechsel stehe und über die Verhältnisse in Toulouse fortdauernd unterrichtet bin. Herr Williams ist andauernd krank und meisicntheilS bettlägerig. Wieder holt wollte er schon die Reise nach Hamburg antreten, aber jedrSmal hat ibn die Aufregung so arg mitgenommen, daß er schlimme Rückfälle bekam. Nun will er warten, bis er ganz wieder zu Kräften gekommen sein wird, was aber, wie Josephine schreibt, wohl niemals eintreten dürfte. Au«
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