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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970515027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-15
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Reclamen unter dem RedactlonSstrlch (4gv» spalten) öO^j. vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. tzlrußere Schriften laut unserem Pwis- perzeichniß. Tabellarischer und ZiffernsaH nach höherem Tarif. (sxtra-Beilagen lgefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunzi Ä>—mit Postbesörderung 70.—, —— Znnuhmeschluß für Änzelgen: Abeud-Au-gab«: Vormittags 10 Uhr. -Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sei den Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an dl« Erpedttisn zu richte«. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. 246. Sonnabend dm 15. Mai 1897. Sl. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Mai. Wir theilten kürzlich eine Zuschrift mit, die auS den mit FriedrichSruh in Füklung gebliebenen Kreisen stammte und in der es als Pflicht der NeichSregierung bezeichnet wurde, in die durch das Fallenlassei, des Socialisten- gesetzeS verlassenen Bahnen des alten Curses durch ein neues Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Be strebungen der Umsturzpartei zurückzulenken. Wir fügten dieser Zuschrift die Bemerkung hinzu, wenn man wirklich, wie verlaute, au maßgebender Stelle den damals gemachten Fehler als solchen erkenne und ihn wieder gut zu machen beabsichtige, so werde es sich zweifellos Herausstellen, daß der Weg zur Rückkehr ungangbar geworden sei, da es sowohl an den rechten Männern zur Durchführung eines solchen Planes, wie auch an der parlamentarischen Unterstützung fehlen werde. Diese unsere Ansicht hat sich nur allzurasch als die richtige herausgestellt. An den jetzigen Reichstag wagten sich bei seiner ganz wesentlich auf die Schuld des ersten Nachfolgers des Fürsten Bismarck zurück zuführenden Zusammensetzung die maßgebenden Kreise mit einer neuen Borlage gegen die Umsturzbcwcgung nicht heran, und daß der künftige Reichstag günstiger für einen solchen Zweck zusammengesetzt sein werde, glauben sie selber nicht. Ta versuchen sie ihr Glück beim preußi schen Landtage mit einer Novelle zum Vereins gesetze, die aber in Folge der noch auf ganz andere Ziele ge richteten Wünsche der Verfasser eine Gestalt angenommen hat, für die selbst in dem so konservativ gearteten Abgeordneten hause auf Annahme nicht zu rechnen ist und die nur zu geeignet ist, im ganzen Reiche eine oppositionelle Strömung zu er zeugen oder vielmehr die schon vorhandene zu verstärken. Denn alles Drehen und Deuten Hilst nicht über die That- sache hinweg, daß der dem preußischen Landtage zu gegangene Gesetzentwurs einen durch und durch re ac tio nairen Geist athmet und daß er, wenn er Gesetz würde, die Betheitigung des Volkes an dem politischen Leben geradezu anfheben müßte, weil er jede politische Regung der Willkür und dem Unverstände der untergeordneten Pvlizeiorgane preisgäbe. Selbstverständlich findet er daher gerade in dem Organe, das auf Anregung des Fürsten Bismarck immer wieder auf ein Spccialgesetz des Reiches gegen die Socialdemokratie gedrungen hat, in den „Hamb. Nachr", eine entschiedene Verurtheilung. Tas Blatt schreibt u. A.: „Es ist gar kein Bedürfniß nach neuen gesetzlichen Bestim mungen gegen andere als socialdemokratische Vereine, Ver- sammlungen u. dergl. vorhanden. Was an polnischen, dänischen oder sonstigen slaatsgesährlichen Bestrebungen vorhanden ist, kann durch die bestehende Gesetzgebung genügend niedergehalten und ungefährlich gemacht werden. Das ist allein der socialdemo kratischen Propaganda gegenüber nicht der Fall. Sie allein wäre also herauszugreifen und zu treffen gewesen. Das geschieht aber in der preußischen Vcreinsnovelle nicht. Man spricht im Allgemeinen von Versammlungen und Vereinen, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen, oder die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit Les Staates oder den öffentlichen Frieden gefährden. Solche Vereine und Versammlungen sollen von den Polizeibehörden aufgelöst oder geschlossen werden können. Auf diese Weise werden aber, ohne daß Lazu eine Nothwendigkeit vorliegt, alle Vereine, Versammlungen betroffen, von denen die Polizei an nimmt, daß sie, ohne socialistischer Natur zu sein, den staatlichen Frieden gefährden. Diese Anheimgabe an das LiScretionaire Ermessen derPolizei richtet sich gegen alle Parteien, die gelegentlich eine Oppositiousstellung ein- nehmen und der Polizei als Gefährder der Sicherheit des Staates oder des öffentlichen Friedens erscheinen könnten. Gegenüber Lieser einen Thatsache fallen alle anderen Bestimmungen der Novelle politisch kaum ins Gewicht. Tas Verbot der Betheiligung der Minderjährigen an den Versammlungen und Vereinen will wenig besagen. Wir unterschätzen den Werth nicht, den es hat, den jungen Nachwuchs der Arbeiterwelt von der Socialdemokratie fern zu halten; ob dieser Effect aber durch jene Bestimmung er reicht wird, ist uns mit Rücksicht aus die Bearbeitung, der diese Elemente in Familie, Fabrik oder Werkstatt unterliegen, zweifelhaft. Tie Bestimmung, Laß Verbindungen von Vereinen untereinander künftig nur mit der Maßgabe zulässig sein sollen, daß politische Vereine nicht ohne Erlaubnis) Les Ministers des Innern mit außer deutschen Vereinen in Verbindung treten dürfen, halten wir ihrem Effect nach für ebenso werthlos. Sie wird umgangen werden, wie das bisherige generelle Verbot." Dieses auf den Vater Les Socialistengesetzes znrückzuführende Urtheil trifft die Väter der Novelle schwerer als jedes andere und wird auch in seiner Wirkung von größerer Bedeu tung sein. Am wenigsten glauben wir, daß es spurlos an den Freiconservativen vorübergehen werde, die sich sagen müßten, daß ein so zweischneidiges Gesetz unter Umständen auch ihnen sehr gefährlich werden könnte. Gegen den jetzigen freiconservativen Handwerkspolitiker Gamp ist der konser vative Herr Jacobskötter ein liberaler Mann, und Herr von Kardorfs hat den conservativen Herrn von Ploetz in mancher Hinsicht längst überholt. Und Lieser Tbeil der freiconservativen Politik wäre unmöglich „ohne das Versammlungs- und Vereinswesen, das eifrig und umfassend unter Leitung geschickter Agitatoren dazu benutzt wird, die staatliche und sociale Ordnung anzugreifcn, das die Autorität des Staates schädigt und das Rechtsgefühl des Volkes verwirrt" und da» nach diesen der „Begründ'.'"^" entnommenen Kennzeichen durch die staatlichen Aufsichtsorgane mit Hilfe der durch die Novelle an die Hand gegebenen Maß regeln bekämpft werden müßte. Wir bezweifeln, daß die Freiconservativen sich zwischen ihre beiden Stühle setzen werden. Gewißheit wird schon die nächste Woche bringen, da die Novelle bereits am Montag im Abgeordnetenhause zur ersten Berathung kommt. Am Dienstag wird im Reichstage der Antrag zur Verhandlung kommen, welcher dem am 17. Juni v. I. an genommenen Anträge Basserinann entspricht, die Verbindung politischer Vereine miteinander von Reichs wegen für zu lässig zu erklären. Damals war auf die Einfügung eines entsprechenden Satzes in das bürgerliche Gesetzbuch, die beantragt war, verzichtet worden, weil die Regierung die be kannte Zusage gegeben hatte. In Bezug aus diese schreibt die „Freis. Ztg.": Als der Reichstag im November wieder zusammentrat, brachte Abg. Richter in seiner Etatsrede am 30. November die Angelegen heit sogleich zur Sprache. Er äußerte seine Verwunderung darüber, daß, anstatt schlankweg das Verbot der Verbindung politischer Vereine aufzuhebe», in der Thronrede zur Eröffnung des preußischen Landtags angekündigt sei, es fänden im Schooße der Regierung Erwägungen statt über vorzuschlagende Aenderungen des Vereins- gcsetzcs. Aus der Erklärung des Fürsten Hohenlohe vom 27. Juni sei der Anspruch für den Reichstag erwachsen, daß schlankweg eine Novelle im Landtag vorgelegt wird, die nur Las Verbot aufhebt. Hier erfolgte nach dem stenographischen Bericht ein „Zuruf des Ministers v. Boetticher". Der Zuruf ist, wie dies bei den stenographischen Berichten des Reichstags üblich ist, im stenographischen Bericht nicht wiedergegeben, aber aus Len darauf folgenden Aeußerungen des Abg. Richter ergiebt sich, daß Staatsjecretair von Boetticher damals der Ansicht war, die Novelle im Landtag werde sich daraus beschränken, nur das Verbot aufzuheben; denn Abg. Richter bemerkte aus diesen Zurus: „Ja, wenn Sie das nur beabsichtigen, verehrter Herr Minister, dann hätten Sie die Novelle längst ein bringen sollen." Ob der Antrag zur Annahme gelangt, ist deshalb fraglich, weil er nur eine Wiederholung bedeuten würde. Er bat jedenfalls auch nur den Zweck eines Versuches, den Reichs kanzler sowohl, wie Herrn v. Boetticher über die Vor geschichte der preußischen Novelle zum Vcreinsacsctze zum Reden zu bringen und die Vertreter der übrigen Regierungen zu einer Auslassung über den Antrag und mithin auch indirect über das preußische Vorgehen zn veranlassen. Es ist^ jedoch sehr unwahrscheinlich, daß irgend eine nichtprcußische Stimme am Bundesrathstische zu einer Erklärung sich provociren läßt. Gegen die böhmisch-mährische Lprachenberordnung haben, wie wir schon kurz mittheillen, die Professoren der Prager deutschen Universität einen scharfen Protest mit dem Ersuchen an die beiden Häuser des Neichsrathes veröffentlicht, aus baldige Aufhebung der Sprachenverordnungen mit allein Nachdruck hinzuarbeiten. Wir heben aus cem von treu deutscher Gesinnung getragenen und von ernster Sorge um die Zukunft deS Deulschthums in Oesterreich er füllten Protest folgende Stellen heraus: „Die deutschen Jünglinge, welche sich den Studien gewidmet baben, um später als Juristen, Mediciner oder Tech niker in den Staatsdienst zu treten, sehen ihre Hoff nungen aus die Zukunft vernichtet, wenn sie kein Sprachentalent besitzen, oder in Folge der Verhältnisse, unter denen sie aufwuchsen, die tschechische Sprache nicht be herrschen lernten, oder wenn rhr Innerstes sich dagegen sträubt, sich eine Sprache aufzwingcn zu lassen, in welcher und durch welche ihr Volk seit mehr als 30 Jahren auf das Erbittertste befehdet wird und in dieser Fehde nach und nach aus einer Stellung um die andere verdrängt wurde. So werden die Aemter im deutschen Sprachgebiete Böhmens allmählich ganz von den Angehörigen einer anderen Nation besetzt werden, und damit der ver trauensvolle Verkehr zwischen der Bevölkerung und den Be hörden unmöglich gemacht werden, der eine der wesent lichsten Grundlagen einer guten Verwaltung ist. Und dies Alles soll geschehen, nicht etwa um Schwierig keiten abzuhelfen, welche in der Verwaltung der Rechtspflege in Folge des bisherigen Zustandes zu Tage getreten wären, sondern um einer nationalen Partei zu einem politischen Erfolg zu verhelfen, deren maßlose Agitation, den deutsch-tschechischen Ausgleich vom Jahre 1890 untergraben und am Sitz der deutschen Universität des Landes einen Vernichtungskrieg gegen die deutsche Sprache entfacht hat, der sich bis auf die in Stein gegrabenen Widmungsurkunden auf Monu menten erstreckt hat, die aus früheren Zeiten stammen. Selbst der von Deutschen in Böhmen durch langjährigen ehrenvollen Militairdienst wohlerworbene Anspruch auf Civilversorgung soll künftighin, im Widerspruch mit dem Gesetze vom 19. April 1872, nur gnadenweise Berücksichtigung finden, wenn der Bewerber sich nicht mit der Kenntniß der tschechischen Sprache auszuweisen vermag, und die nicht nach Böhmen zuständigen Unterosficiereerscheinen in diesem Falle von der Eivilvcrsorgung in Böhmen ganz und gar ausgeschlossen.,.. Wir unterzeichneten Professoren der Prager deutschen Universität, welche den nationalen Frieden, dessen sie sich nun an dieser Universität nach 20jährigem schweren Kampfe er freuen, dem kräftigen Eintreten des deutschen Volkes in Böhmen für ihre Siechte verdanken, wir fühlen uns moralisch verpflichtet, feierlich zu erklären, daß wir treu zu unserem Volke stehen und den Schlag, welcher gegen dasselbe geführt wurde, ebenso empfinden, wie jeder Andere aus demselben, der seinem Volke die Treue hält. Wir empfinden diesln Schlag aber auch als einen gegen unsere Universität geführten Streich, denn leicht sind zu ermessen die ver- hängnißvollcn Folgen der angeführten Verordnungen für unsere Universität. Außer Stande, an ihr jene Qualisication zu erlangen, die zur Anstellung „bei den Behörden" in Böhmen gefordert wird, werden diejenigen, welche eine derartige Anstellung anstreben, und die geforderten Sprach kenntnisse, die zn überliefern nicht die Universität berufen ist, nicht besitzen, wider ihren Willen und trotz der Liebe zu ihrer Hennath nnd zur deutschen Universität ihr engeres Vaterland verlassen, und in and er en Ländern der Monarchie ihr Fort kommen suchen. Diejenigen aber, denen die Mittel dazu fehlen, werden anderen Bernsen sich zuwenden. Aber auch als Advocaten, wegen der neuen Form des gerichtlichen Verfahrens, als Notare wegen ihrer öffentlichen Stellung, werden diejenigen, welche die scheinbar nur für „»»gestellte Beamte" geforderte sprachliche Qualisication nicht besitzen, kau», ihr Fortkommen in Böhmen finden. So erscheint die Zukunft einer deutschen rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät in Prag in Frage gestellt. Für die Anstellung der Doctoren der Heilkunde an staatlichen und öffentlichen An stalten, als Bczirksärzte auch in rein deutschen Gegenden wird nicht ihre wissenschaftliche, sondern ihre sprachliche Qualisication entscheidend sein. Und bald wird die gleiche Anforderung wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung im Staate auch an die Seelsorger gestellt werden. So ercheint die Axt geradezu an die Wurzel der deutschen Universität in Prag gelegt. Die älteste deutsche Universität, die höchst«, edetsle und kostbarst« Bildungs anstalt des deutschen Volkes in Böhmen soll der Verkümme rung preisgegeben werden. Verödet aber die deutsche Universität, so müssen nach und nach die deutschen Gymnasien ihr Schicksal theilen. So droht dein deutschen Bildungswesen, dem Stolze der Deutschen in Böhmen, dem deutschen Geistesleben in Böhmen und damit iu Oesterreich schwere Beeinträchtigung und Verkümmerung." Bezüglich der Expatriirung der spanischen An archisten, welche auch von conservativen Abgeordneten scharf getadelt wird, hat die spanische Negierung nunmehr folgen den Beschluß gefaßt: Den 01 Anarchisten, welche sich zur Zeit noch in dem Gefängiß des Forts Montjuich bei Barce lona befinden, wird eine achttägige Frist gestellt, innerhalb deren sie oder ihre Angehörigen zu erklären haben, ob sie aus eigenen Mitteln irgend ein überseeisches Land als ihre« künsligen Wohnsitz aufsuchen wollen und können. In diesem Falle werden sie unter polizeilicher Bedeckung an Pord des betreffenden Schiffes gebracht werden. Andernfalls werden sie vorläufig nach Rio Oro befördert, wo sie auf Kosten der spanischen Regierung so lange erhalten werden, bis sich die Gelegenheit zu ihrer Ueberfübrung nach einer estasiatischen Insel gruppe bieten wird. Die spanischen Arbeiter-Comites sammeln daher Geld, um die Uebersahrt der Expatriirten Zwei Frauen. 4) Roman von F. Marion-Crawford. Nachdruck vkrtotrn. „Du Weißt recht gut, weshalb ich zürne. Das ist nur eine Entschuldigung. Offenbar zweifeltest Du an mir. Es ist das erste Mal. Du hast versucht, Deinen Standpunct zu vertbeidigen, und cS ist Dir nicht gelungen. Alles, waS Du mir sagen kannst, ist, daß ich anders bin wie andere Frauen, mit denen Du gesprochen hast. Ich weiß daS so gut wie Du, obwohl ich sie niemals gesehen habe. Es ist möglich, daß der Unterschied von meiner Erziehung oder von meinem Mangel an Er iehung herzuleiten ist. Wenn Du Dich in diesem Falle schämen solltest, mich zur Frau gewählt zu Haben, weil ick weniger weiß als die Mädchen, mit welchen Du m den Städten und an anderen Orten verkehrtest, so — so heirathe eine von ihnen. Die Erwählte wird so fühlen, wie Du eS erwartest, und Du wirst zu frieden sein." „Hilda!" rief er bestürzt. „Vielleicht", fuhr sie fort, „habe ich noch nicht Alles gesagt, was Du in mir aufgewühlt hast. Der Unterschied rührt wohl auch davon her, daß ich mich nicht auf dieselben Manieren verstehe wie die Leute in der Stadt, daß ich nicht immer lache, wenn sie lachen, nicht immer weine, wenn sie weinen, und nickt immer handle, wie sie handeln würden. Nach Dem, was ick von ihnen gelesen habe, denke ich mir, daß sie durchaus nicht schlicht und geradsinnig iu ihren Meinungen nnd Abneigungen, noch in ihrem Sprechen, noch in ihrem Tbun und Lassen sind. Ich mache meine Kleiber selbst, und ich habe gehört, daß sie für ein einziges Kleidungsstück oft so viel anSgeben, wie meine Mutter und ich das ganze Jahr für unsere gesammten Bedürfnisse ver wenden. Es wird auch wohl so sein, denn Deine Mutter kleidet sich wie die Damen in der Stadt, und ihre Sachen müssen sehr viel kosten. Ich glaube, ich würde mich un behaglich in solchem Putz fühlen, aber wenn wir verheirathet sein werden, werde ich mich so kleiden, wie es Dir ange nehm ist. — Dann lernen die anderen Mädchen ja auch alle Arten von Kunststücken. Sie können Clavier spielen, sie zeichnen und malen und sprechen mehrere Sprachen, während ick nur das bischen Französisch kann, das ich von meiner Mutter erlernte. Sie verstehen alle diese kleinen Dinge, die Dich, wie ich vermuthe, unterhalten, und von denen ich nicht eines verstehe. Vielleicht verändern diese Fertigkeiten oder Kunststücke sie derart, daß sie mebr fühlen als ich, aber ich glaube eS nickt. Wenn ich die Gelegenheit hätte, alles Das zu lernen, würbe ich es thun, um Dir zu gefallen. Dich mehr zn lieben, würde ich dadurch nicht lernen. Vielleicht — vielleicht ist es das, WaS Du ver missest, wischtest Du, daß ich mehr sagte, meine Gefühle mehr zur Schau trüge. Ist es am Ende wirklich nur daS, Greif?" Während sie auszählte, worin sie sich die Anderen über legen glaubte, hatte ihre Stimmung sich aufgeheitert. Ihre strahlenden Augen ruhten mit einem Blick der Neugier auf Greif, als wollte sie ergründen, ob sie das Rechte getroffen hätte, wie es ihr in der Thal durch einen reinen Zufall gelungen war. „Es kann nicht sein, daß — ich kann nicht ein solcher Narr sein", rief Greif mit all' dem Aerger eines Menschen, der sich in seiner Selbstsucht durchschaut siebt. „Ich würde deshalb nickt schlimmer voa Dir denken", lächelte Hilda. „Ich war thöricht, eö nicht vorder zu er- rathen. Wie solltest Du auch wissen, daß ich Dich liebe, bloS weil ich Dir gut-n Morgen sage und Dich küsse, und guten Abend, und Dich wieder küsse und mit Dir über das Wetter und die schönen Bänder Deiner Mutter spreche. Du darfst ganz gewiß etwas mehr verlangen. Und doch füble ich, daß, wenn Du eine Andere heirathest, ich sehr unglücklich sein und vielleicht sterben würde. Weshalb auch nicht? Mein Leben würde ja dann dock keinen Zweck mehr haben. Es müßte Mittel und Wege geben, Dir zu beweise», wie sehr ich Dich liebe, aber ich habe vergebens nachgedacht, was ich für Dich thun könnte. Es ist so wenig, so sehr wenig, denn Du hast Alle-. Nur, Greif, darfst Du nicht daran zweifeln, daß ich Dich liebe, weil ich nicht den rechten Weg finde, eS Dir ru zeigen." „Vergieb mir, Hilda", unterbrach er sie gerührt, „ich zweifelte niemals." „O, dock, doch", antwortete sie mit großem Nachdruck und in einem Ton, der Greif zeigte, wie tief seine Worte sie verwundet hatten. „Es ist natürlich, daß es geschah. Und ist cs nicht hcsser, daß ich es weiß? Es nützt nichts, solche Dinge zu verbergen. Ich würde sie heraus gefühlt haben, wenn Du sie mir nicht gesagt hättest." ES lag nicht in Hilda's Natur, leicht Thränen zu ver gießen, denn sie war in ihrem Leben so wenigen Gemütbs- erschütterungen ausgesetzt gewesen, daß sie nie die Gewohn heit angenommen hatte, z» weinen, aber in dem Ausdruck ihres Geficktes und ihrer Stimme war etwas, daS Greif tiefer ergriff, als es das heftigste Schluchzen zu thun ver mocht hätte. „Ich bedauere sehr, das gesagt und Dich gekränkt zu haben", entgegnete Greif reuevoll. Er nahm ihre nieder hängende Hand in die seinige, in der Hoffnung, den Frieden so schnell wiederherstellen zu können, wie er ihn gebrochen hatte, aber sie erwiderte den Druck seiner Finger nickt. „So bin ich", antwortete sie nachdenklich. „Zuerst zürnte ick Dir, jetzt thue ich es nicht mehr, aber ich kau» eS nicht vergesse», weil es in der einen oder der anderen Weise meine Schuld sein muß. Dir vergeben? Da ist nicht» zu ver geben, mein Lieber. Weshalb sollte man nicht aussprechen, was man auf dem Herzen hat? Es wäre eine Art von Lüge, wenn man es nicht thäte. Ich würde es Dir ungesäumt sagen, wenn ich dächte, Tn liebst mich nicht." Greif lächelte. „Ah, Hilda! Seit wir bier sitzen, sagtest Du mir, ich könnte mich ändern. Erinnerst Du Dich? War das, WaS ich sagte, so viel schlimmer?" „Gewiß, viel schlimmer." Greif, der keine passende Antwort auf ihre Bemerkung fand, drückte ihr stumm die Hand und diesmal wurde sein Druck erwidert. „Mußt Du wieder nach Schwarzburg zurückkchrcu?^ fragte Hilda nach einer Pause. „Ja, aber es ist daS letzte Mal. Es wird Dir auch nicht lange werden, «S giebt ja noch so viel zu tbun." „Nein, es wird mir nicht lange werde»", erwiderte sie, an Alles das denkend, was sie und ihre Mutter noch vor der Hochzeit zu thun hatte». „Vor Weihnachten bin ich wieder hier, und nach Neujahr werden wir heirathen, und dann werden wir überlegen, wa« wir thun wollen." „Wir werden in Wildenberg wohnen, wie Du sagtest." „Ja, aber zuvor werden wir auf einige Zeit svrtaehru." „Fort? Weshalb?" „Wir werden nach Italien gehen, wenn Tu willst, oder anderSwo hin." „Aber weshalb müssen wir fortgehen? Glaubst Du, daß wir hier nicht so glücklich sein Werve« wie anderwärts? O, ich könnte außerhalb unseres geliebten Waldes nickt leben." „Aber, Hilda, Du hast noch niemals eine Stadt oder irgend etwas von der Welt gesehen. Möchtest Pu nicht etwas von Dem kennen lernen, was jenseits der Bäume liegt?" „Ja, gelegentlich möchte ich daS Alles sehen, aber zunächst wüusckte ich, daß unser armes altes Wildenberg Zeuge un seres Glückes wäre. Ich glaube, die grauen Thürnie würden an dem Tage beinahe zu lachen scheinen, und anch die hohen Kiefern, die schon meines Urgroßvaters Hochzeit sahen, Greif! Ich würde verziehen, eine Zeit lang in dem ehrwürdigen Schlosse zu bleiben. Du bist schon so viel gereist, daß Du mir an den langen Winterabenden am Kaminfeuer von Italien erzählen kannst, und ich werde mich an Deinen Schilderungen ebenso freuen, als wäre ich dort gewesen. Mir wird es ge nügen, Dich immer und überall bei mix zu haben." „Ich danke Dir, Geliebte", erwiderte Greif zärtlich und an diesem Nachmittag erwähnte er der Hochzeitsreise nicht wieder. Die Schatten begannen läuger zu werden, und ei» kühler Wind in das Thal nicderznschwebcn, als Hilda und Grcif ihren Sitz am Fuße des Hungerthurms verließen uud lang sam den Weg hinuntergingeu, der aus dem Walde hinaus führte. Jedes unangenehme Gefühl, das durch Greifs un glückliche Worte erweckt wordeu, war verschwunden, »bex die Erörterung hatte im Herze« Hilda's einen tiefen Eindruck zurückgelassen. Sie empfand die Nothwendigkeit, fortan Mittel zu finden, von Greif verstauben zu werden. Sie sehnte sich, ww viele vor ihr getkan, »ach ciuer Gelegenheit hcldcnmiitbiger Hingebung und Opferfreudigkeit, die ihm in einem riuzrgeu AugenbHck dre gauze Uuermeßlrchkeit ihrer Treue uud ihrer Liebe zeigte«. 4. Capitel. Während Hilda und Greif miteinander plauderten, hatten sich Greifenstein, feine Frau uud die Barouin in einer schattigen Laube des Gartens zusammrngefuuten, dickt neben der niedrigen Brustwehr, vou der aus man in den Abgrund hinunterbtickcu konnte auf den rausckeudev Strom uud die dnutlcn Schwalben, die durch de» Sonnenschein schossen, oder die gelben Schmetterlinge, di« »athloS van einem Ruheplatz zum andern flatterten. Frau von Greisenstein leimte in einem Strohsessel mit ihrem Sonnenschirm, ihrem Fächer und ihrem Schooß-
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