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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970526011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-26
- Monat1897-05
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Größere Schriften laut unserem Prri> vrrzeichniß. Tabellarischer und gtffernfatz uach höherem Tarif. Extra-vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. M. Mittwoch den 26. Mai 1897. 91. Jahrgang. Eine gute Wirkung der Vereinsnovelle. Im Allgemeinen hat die Novelle zum preußischen BereinSgesetze wahrlich keine erfreuenden Wirkungen gehabt, denn sie hat die ohnehin im Volke bestehenden Miß stimmungen vertieft. Und doch hat sie in einem Sinne eine recht nützliche Wirkung gehabt, indem sie auf mancherlei Mißstände aufmerksam gemacht hat. In diesem Sinne ist ein Artikel der „Post" vom 25. d. M. zu begrüßen, der weithin Beachtung finden wird und deshalb einer ein gehenden Besprechung Werth ist. In diesem mit der Ueberschrift „Verstimmungen" versehenen Artikel untersucht daS freiconservative Blatt, da« bekanntlich bisher am allcreifrigsten die Vereinsnovelle vertreten hat, die Gründe, welche die Nationalliberalen zu einer so entschiedenen Ablehnung der Novelle bestimmt haben. Die „Post" glaubt sich zu der Annahme berechtigt, daß neben den Gründen sach licher Art auch solche der persönlichen Verstimmung über die gegenwärtigen Zustände im Inneren mitzuwirken haben und daß diese Verstimmung berechtigt sei. Als bedauerliche Mißgriffe in der inneren Verwaltung stellt die „Post" zweierlei fest. Erstens die mangelhafte Energie bei der Verhinderung der Begünstigung ein zelner Parteien durch politische Beamte und zweitens die einseitige Auswahl dieser Beamten. Was wir von vornherein hervorgehoben hatten, daß nämlich die Behand lung der Rickert'schen Beschwerden gegen das Verhalten des LandrathS v. Puttkamer gegenüber dem Verein „Nordost" durch den Minister deS Inneren ein erheblicher taktischer Fehler war, wird nun auch von der „Post" eingeräumt. Die „Post" erkennt an, daß die Art des Ministers des Inneren zu Mißdeutungen Anlaß geben konnte und daß eS gut gewesen wäre, wenn man festgesteUl hätte, daß ein Mißbrauch der Amtsgewalt zu polktischenParteizwecken rücksichtslos unterdrückt werden würde. Würde diese Zusage gemacht werden und würde man das sichere Zutrauen haben, daß sie auch genau befolgt werden würden, dann würde auch gern der Regierung eine größere gesetzliche Freiheit bei der Unterdrückung wahrhaft staatS- acfäbrlicker Umtriebe gewährt werden. Dann aber müßte freilich die Regierung zeigen, daß sie Ernst machen will, und das Erste, was sie dann zu thun hätte, wäre wohl, daß sie Beamte, die, wie die „Post" sich selbst ausdrückt. Mißbrauch mit ihrer Amtsgewalt treiben, entfernte. Denn mancherlei andere Fehler mag man einem Beamten verzeihen, aber ein Mißbrauch der amtlichen Stellung ist unverzeihlich. Die „Post" erkennt dann weiter die Berechtigung deS Vorwurfes an, daß bei der Auswahl der Verwaltungs beamten gewisse Schichten der Bevölkerung ungebührlich bevorzugt würden. Sie meint, daß durch Begünstigung des Adels, der reichen Familien und des Corpsstudententhumö der Nachwuchs der Beamten der Verwaltung exclusiver geworden sei, als eS sich mit den allgemeinen Inter essen vertrage. Sie erblickt darin einen schweren Mißstand und wünscht, baß ihm abgeholfen werde. Das Blatt erkennt ganz richtig an, daß die hervorragende Leistungsfähigkeit des preußischen Beamtenthums früherer Zeit darauf beruht habe, daß man bei der Anstellung die Tüchtigkeit allein habe maßgebend sein lassen. DaS ist richtig. Nie hätte der preußische Staat seine große historische Mission erfüllen können, wenn er sich nicht auf ein geradezu bewunderns- wertheS Beamtenthum hätte stützen können. Aber wie wenig man in maßgebenden Kreisen diese historische Thatsache richtig gewürdigt hat, geht doch Wohl am klarsten daraus hervor, daß noch vor einem Jahre die Grundsätze, die leider bei der Anstellung im Verwaltungsdienste maßgeblich geworden sind, sogar noch auf den Justizdienst, wo sie noch bedenklichere Wirkungen Hervorrufen müßten, ausgedehnt werden sollten. Gerade denselben Parteien, die heute die BereinSnovelle be kämpfen, war eS zu verdanken, daß das Princip der Bevor zugung der jungen Männer aus „guten Familien" sich in den Iustizdienst nicht einschleichen konnte. Damals aber trat die „Post" für dieses Princip ein. Es wird voraussichtlich die Presse lebhaft beschäftigen, daß nunmehr auS dem SauluS ein Paulus geworden ist. Man wird sich vielleicht fragen, ob die „Post" schon daS Sterbeglöcklein deS Herrn v. d. Recke schlagen hört, oder ob sie wirklich erkennt, zu welchen bedenklichen Erscheinungen die von ihr hervorgehobenen beiden Mißstände bereits geführt haben. Einerlei: der Werth des Artikels ist ein großer, denn nun darf man wieder der Hoffnung sich hiugeben, daß in den leitenden Kreisen diejenigen Anschauungen obsiegen werden, die mit den Auffassungen eines modernen, selbst bewußten Volkes in Einklang zu bringen sind. Wird in einer maßvollen und besonnenen Weise in Preußen regiert, wird das Gerechtigkeitsgefühl, daS Gott sei Dank im preußischen Volke kräftig rege ist, nicht durch Mißstände, wie die von der „Post" mit Reckt gerügten, verletzt, dann werden, dessen sollte sich auch die höckfte Stelle im Staate überzeugt haben, die socialistischen Gefahren für die Monarchie von dem gesunden Körper des preußischen Volkes allmählich über wunden werden. Sollte der Artikel der „Post" nur die berühmte eine Schwalbe, die bekanntlich keinen Sommer macht, sein, oder sollte er nur etwa in der Hoffnung ge schrieben sein, die Nationalliberalen vertrauensvoll zu machen — für so thöricht möchten wir allerdings daS Blatt nicht halten, daß eS annäbme, eine politische Partei würde sich durch die unverbindlichen Aeußerungen einer Zeitung capti- viren lassen —, so wäre es gewiß um jedes Wort schade, daS darüber geschrieben würde. Ja, noch mehr als daS, der Artikel würde geradezu schädigend gewirkt haben, denn daß er von den radikalen Parteien gründlich ausgebeutet werden wird, daran kann ja kein Zweifel obwalten. Sollte aber der Artikel einen Wendepunkt zu der Rückkehr zu der alt preußischen Tradition des „suum cuigue" darstellen, so würde die Einbringung der Vereinsnovelle von jedem guten Patrioten nicht nur in Preußen, sondern in Deutschland als ein Segen betrachtet werden, weil sie zu ernsthaftem Nach denken über die Gründe der mißlichen inneren Lage und zur Anbahnung der Beseitigung arger Mißstände an geregt hat. Deutsches Reich. I-. Leipzig, 25. Mai. Wie wir bereits berichteten, begann heute der Landesverrathsproceß gegen den Schacht meister Fahrin und den früheren HilfsgerichtSdiener Albrecht, Beide aus Thorn, vor dem vereinigten 2. und 3. Strafsenate des Reichsgerichts. Wie erinnerlich, wurden die Angeklagten im Juli v. I. unter dem Verdachte, Beihilfe zu landesverrätberischen Handlungen geleistet zu haben, verhaftet. Die Vertheidigung der Angeklagten lag in den Händen der RechtSanwalte vr. Krantz und vr. Deiß. Erschienen waren zwei militairische Sachverständige und elf Zeugen (Major von Höfel, Schachtmeister Templin, dessen Ehefrau, besten Brüder Gastwirtb Otto Templin und Hermann Templin, Eriminalsckutzmann Hofmann, Artilleriedepotfeldwebel Riepert, Sergeant Richter, Buchdrucker Küster, Kaufmann Krajewski und Frau Schulz, Letztere aus dem Zuchtbause Fordon vor geführt). Die Verhandlung dauerte bis Nachmittag 4 Uhr. Morgen findet die Berathung deö UrtheilS statt. L2 Berlin, 25. Mai. Sachsen und Bayern scheinen entschlossen, sich mit der Einführung von Platzkarten für die V-Züge Preußen anzuschließen. Nach einer Zuschrift der „Frankfurter Ztg." glaubt man, in Bayern wenigstens, nicht daran, daß künftig für die ganze Strecke München-Berlin die Platzgebühr von 2 -6 erhoben werden wird, sondern vermuthet, daß für jede Territorialstrccke, nämlich für die bayerische, die sächsische und die preußische, dieser Betrag gefordert werden soll in. Ganzen also K -6 Die Redaktion des Frankfurter Blattes bemerkt ihrerseits, der Gedanke einer einzelstaatlichen Platzgebühr sei schon in Rücksicht auf die Grenzstationen „ganz un geheuerlich" und fügt hinzu, es wäre „doch nicht- als Hohn, wollte man das dringende Verlangen des Volkes nach Verkehrsverbesserung und Tarifermäßigung in dieser Ge stalt befriedigen". Dem Widerspruch gegen eine „einzelstaat staatliche Platzgebühr" muß man ohne Besinnen beitreten, wenn darunter eine Gebühr verstanden wird, die — um bei dem Beispiel München-Berlin zu bleiben — dreimal zu je einem Drittel erhoben werden soll. DaS wäre eine Verdoppelung der unnützen Menschenquälerei, welche die preußischen Platzkarten anfänglich so außerordentlich unpopulär gemacht hatte. Selbst wenn man nicht chläft, liest oder speist, ist eS lästig, wenn man an den respectiven Landesgrenzen durch einen Beamten an die im Ucbrigen ganz wohlthätige Vaterländerei erinnert wird. Schläft man aber — nun, die blauen Manichäer, die den vom Süden über Leipzig gen Berlin schlum mernden Reisenden behufs Erlegung von zwei Mart wecken, die er bei dem Besteigen deS ZuaeS gern bezahlt hätte, sie haben so viel Aerger über die „Vormacht" erregt, daß die Platzkartenfrage eine Weile die Betrachtung unter politischem Gesichtspunkt herauszufordern schien. Also der Schmerz des Bezahlenmüssens darf dem V-Zügler nur ein mal zugefugt werden, am Orte des Antrittes der Reise. Ueber den zulässigen Grad der Bitterkeit der pecuniären Kränkung ist aber Wohl eine von der der „Franks. Ztg." ab weichende Ansicht berechtigt. Das Blatt ist selbst „nicht so optimistisch, zu glauben, daß in Bayern und Sachsen wie bisher keine Gebühr erhoben und diese ungeschmälert der preußischen Bahn belassen wird." Es spricht aber doch in diesem Zusammenhänge von dem dringenden Verlangen des Volkes nach Verkehrsverbesserung. Nun, daS „Volk" iu dem Sinne, wie das demokratische Blatt den Begriff aufzufassen und ihn den Mächtigen, sowie — unter Begehung einer nicht ganz harmlosen „Falschmeldung" — den „Reichen" entgegea- zusetzen pflegt, dies Volk hat an der Verwohlfeilung der Platzkarten kein Interesse. Im Gegentheil, da in Deutsch land die Eisenbahnen staatliche Anstalten sind, darf eS ver langen, daß die außerordentliche Mehrleistung, die der Staat dem Publicum der V-Züge im Vergleiche zu den übrigen Reisenden bietet, entsprechend bezahlt werde. In Preußen geschieht daS auch. Der Minister Thielen hat vor einiger Zeit in der Budgetcommission deS Abgeordnetenhauses mitgetheilt, daß die V-Züge^ zum best- rentirencen Theile des Personenverkehrs in der StaatSbahn- verwaltuna gehören. Würde aber künftig von der ganzen Strecke München-Berlin die bisherige Platzkartengebühr von 2 erhoben, so etwa, daß sich Preußen, Sachsen und Bayern in die 2 „6 theilten, so würden alle drei Staaten keine nennenSwerthe Einnahme erzielen. ES brauchen ja nicht gerade 6 -4 zu sein, aber wenn man bedenkt, daß ein Nundreise-Billet für die kürzeste Strecke von Berlin nach München 63 -6 kostet, so wird man einen Aufschlag von mehr als dem Doppelten von 2 -6 für V-Züge nicht drückeckd finden. Er würde leicht und nicht nur das, auch gern gezahlt werden. Denn der größte Vorzug der Harmonika- Züge, wegen dessen sie auch ins Leben gerufen worden sind, besteht darin, daß sie den weite Strecken Zurücklegeoden den durch den mehr localen Verkehr verursachten Zudrang fern halten. Dieser Zweck aber fordert nun eine Gebühr von einem gewissen den Naheverkehr abschreckenden Charakter. Fsrrillstsn. » L ä v. Auf einem neuen prächtigen Hause am Dovenfleetb in Hamburg weht stolz eine Flagge, die die Buchstaben H k 0. zeigt, und auch 'M Atlantischen Occan kreuzen Tag um Tag stolze Schiffe, die dieselbe stolze Flagge führen. Und nun sind eS fünfzig Jahre, daß diese Flagge von Hamburg auö durch einen Segler nach New Kork getragen wurde. Damals bat wohl Niemand gcabnt, zu welcher Größe einst die kleine Flottille von zwei Seglern anwachsen würde, und es sich Niemand träumen lassen, daß die beiden bescheidenen Segler den Anfang und Grundstein bilden sollten zur größten Rhederei der Welt. Und sie ist eS in diesem Jahre geworden, Deuschland kann stolz sein auf die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt - Aktien - Gesellschaft. Während schon mehrere englische Dainpfcrlinien mit bedeutendem Acticn- capital die Welttheile verbanden, war den deutschen Handels- und SchisffahrtSkreisen das Verständniß für die Wichtigkeit solcher gemeinsamen Unternehmungen noch nicht aus gegangen; denn als im Jahre 1847 Weitblickende Männer in Hamburg den Plan einer regelmäßigen Schiffs verbindung mit den Vereinigten Staaten ausgearbeitet halten und ibn den Capitalisten mit dem Ersuchen vorlegten, sich an der Sache zu betheiligen, war eS außerordentlich schwer, den zur Anschaffung schneller Segelschiffe nötbigen, verhältnißmäßig kleinen Betrag zusammenzubringen, obwohl die Aussichten für eine gute Verzinsung des Capital- durchaus günstige waren. Denn damals war die Auswanderung aus Deutschland nach den Vereinigten Staaten sebr lebhaft; nicht nur kleine Leute, die ihr Glück versuchen wollten, gingen über daS Wasser, sondern vor Allen auch Diejenigen, denen eS beiden politischen Verhältnissen nicht mehr gefiel und die in dem „freien" Amerika eine neue Heimatb suchten. Es lag auf der Hand, daß die Be förderung der deutschen Auswanderer durch deutsche Schiffe auch beiden Theilen Vortheil bot; hierzu gesellte sich aber noch die in Deutschland immer mehr ansbliihende Industrie, die sich in Amerika ein Absatzfeld erobern wollte und für die eine deutsche Schifffahrtslinie ein Bedürfniß war. Erst nach Monaten gelang es, die 60 Actien zu je 5000 -6 Banco, d. h. zusammen 450 000 .6 unterzubringen, worauf am 27. Mai 1847 die Constituirung der Gesellschaft erfolgte. Wie schon bemerkt, ließ die Gesellschaft zuerst zwei Segler bauen und taufte sie „Deutschland" und „Nordamerika." Am 15. October 1848 trat die „Deutschland" ihre erste Reise nach New Hort an. Später kamen noch vier Schiffe hinzu, so daß die Flotte der Gesellschaft 1853 sechs gute Segler zählte. Gegen die Einstellung von Dampfern verhielt sich die Gesellschaft zuvörderst ablehnend, und es schien diese Haltung nach dem Resultate der erste» ein gestellten Dampfer gerechtfertigt; denn öftere Unfälle beschnitten die Rentabilität. Schließlich blieb aber der Erfolg nickt aus. Die wirthschaftliche Tbätigkeit Deutschlands hob fick, aber Eoncurrrnzunternehmungen machten der Packetfahrtgesell- schaft da- 8«ben nicht angenehm. Allein die Elemente kamen ihr zur Hilfe, und die concurrirende Adlerlinie verschwand von der Bildfläche. DaS Actiencapital, daS 1857 auf 3 000 000 -6, 1872 auf 10 500 000 und 1874 auf 16 500 000 -6 gestiegen war, mußte wieder um 6 Millionen erhöbt und außerdem eine Vorrechts anleihe von 8 Millionen ausgenommen werden, so daß Ende 1875 das Actiencapital 22 500 000 -6 und die Prioritäts chulden 15 120 000 -6 betrugen. Die Einnahmen, besonders auf der 1870 neu eingerichteten Westindischen Linie, waren chlecbt, mehrere ältere Dampfer mußten mit Verlust verkauft werden, „Germania" und „Goethe" strandeten an der brasilianischen Küste: von allen Seiten stürmte Mißgeschick auf die Gesellschaft ein. In Folge dessen beschloß eine außerordentliche Generalversammlung im October 1877 die Neducirung deS Aktienkapitals von 22'/r auf 15 Millionen Mark, um so dem Unternehmen die erforder liche Stabilität wieder zu schaffen. Wie richtig die Maß regel gewesen war, zeigte sich schon 1878, als nach einer ganzen Reihe gewinnloser Jahre die Actionaire wieder eine Dividende von 7 Procent erhalten konnten. Auch die folgenden Jahre waren günstig, denn sie brachten bei starken Abschreibungen 6^/, und 10 Procent Dividende. Zehn Jahre nach Gründung der Hamburger Packetfabrt entstand der Norddeutsche Lloyd in Bremen. Er machte von Anfang an der Hamburger Gesellschaft eine scharfe Con- currenz, die besonders in den Scknellsckiffen, von denen die unglückliche „Elbe" 1881 viel von sich reden machte, ihren Ausdruck fand. So sah sich die Hamburger Gesellschaft in die zweite Linie zurückgedrängt, und erst 1886 mit Eintritt Ballin'S in das Directorium begann eine neue glückliche Entwickelung der Gesellschaft. Unterdessen war im Schiffsbaue, insbesondere bei der Kriegsmarine, daS Doppelschraubensystem durchgeführt werden, daS bei gesteigerter Schnelligkeit größere Sicherheit für Reisende und Güter bot. Die Möglichkeit der Längstbeilung deS Schiffes in zwei gleiche Hälften durch einen wasserdichten Schott bei vielen Querschotten und di« Unabhängigkeit der beiden Maschinen von einander, sodaß selbst beim Bruch der einen die zweite daS Schiff immer noch rasch und sicher weiter sortbewegen kann, schaffen eine so wesentlich höhere Garantie für ungefährliche Seereisen, daß die Verthcuerung der Herstellung und Handhabung der Schiffe dagegen auf die Dauer nicht in Betracht kommen kann. Es ist das große Verdienst der an der Spitze der Packetfahrt stehenden Männer, daß sie diesen neuen Typus trotz aller anfänglichen Bedenken da gegen und trotz der größeren Herstellungskosten der Schiffe in die deutsche Handelsmarine eingeführt haben. Die „Auguste Victoria", daS prächtige vielbeschriebene Schiff, war die erste Vertreterin des neuen Typus, sie war zugleich ein Zeichen des Fortschritte- der deutschen Industrie, denn sie war aus einer deutschen Werft, auf der deS Stettiner „Vulkan", ge baut worden. Es war eine patriotische That, der deutschen Werft den Bau des Schiffes zu übergeben, denn bis dahin war noch nie «in annähernd so große« und mit so gewaltigen Maschinen zur Eilsahrt über den Ocean ausgerüstetes Schis in Deutschland hergestellt worden. DaS Zutrauen zur Leistungsfähigkeit deö deutschen Schiffbaues wurde glänzend gerechtsertiat. Die Ablieferung der „Auguste Victoria^ bildete einen Markstein in der Geschichte der deutschen Werften, sie verlieh ihnen die woblbegründete Zuversicht, daß sie auch auf diesem Gebiete mit dem AuSlande erfolgreich den Wettkampf aufnehmen können. Im Mai 1889 trat die „Auguste Victoria" ihre erste Reise nach New Nork an, wo sie mit beispiellosem Jubel empfangen und von Reisenden, die sie für die Fahrt nach Europa be nutzen wollten, fast gestürmt wurde. Einen Monat später wurde die „Columbia" als Schwesterschiff der „Auguste Vic toria" in Dienst gestellt, und 1890 folgten „Normannia" und „Fürst Bismarck". Mit einem Schlage stand die „Packet fabrt" wieder in erster Linie für die Beförderung von Cajüts- passagieren. An TurchschnittSgesckwindigkeit der Reisen sind ihre Schnelldampfer nur von der später gebauten, mit noch viel stärkeren Maschinen versehenen und sehr bedeutend theurer arbeitenden „Lucania" der Cunard-Linie um einige Stunden übertroffen worden, an Gleichmäßigkeit, Sicherheit und Com- fort der Fahrt von keinem Dampfer der Welt. Im Januar 1891 wurde die erste „Orientreise" der „Auguste Victoria" mit so großem Erfolge unternommen, daß diese schönste und bequemste Art der Gesellschaftsreisen zu einer ständigen, immer weiter sich auSdebnenden Insti tution geworden ist. Norwegen und Westindien sind als Reiseziele schon ausgenommen, eine Weltreise ist geplant. Schwere Bcdrängniß brachte 1892 die Cholera und auch der sonst niedrige Frachtenstand ließ nach neuen Unter nehmungen ausschauen. Man kam zu der Ueberzengung, daß nur noch mit Dampfern von enormer Tragfähigkeit bei spar samstem Kohlenverbrauch und den besten Einrichtungen zur Ausnutzung jedes VortheilS Gewinn zu erzielen sei. Und als der Gedanke nach jeder Richtung auSgereift und für unantastbar richtig erkannt war, wurde auch sofort ans Werk gegangen. Secks Doppelsckrauben-Passagier- und Fracht dampfer von kolossalen Dimensionen wurden bestellt und mit den besten Einrichtungen für den Transport von lebendem Vieh und frisch geschlachtetem Fleisch versehen. Nach ihren mit dem Buchstaben k beginnenden Namen: „Patria", „Prussia" rc. wurden sie „Dampfer der I'-Classe" genannt. Schon 1894 konnten di« ersten in Fabrt gesetzt werden und bewährten sich in jeder Beziehung, be sonders auch als bequeme Paffagierdampfer, ausgezeichnet. An dem von der Gesellschaft ausschließlich benutzten Petersen- Quai im Hamburger Hafen wurde eine Kühlhaus errichtet und Alles schien im Zuge, um das beste frische amerikanische Fleisch zu billigem Preise einzuführen, als sofort ein Ein fuhrverbot erfolgte und die getroffenen Einrichtungen brach legte. Die pecuniären Erfolge der k-Dampfer veranlaßten die Bestellung von weiteren 5 mächtigen Schiffen von 7000 bis 10 000 TonS für die nordamerikanische Fahrt und zweier Kolossal-Dampfer mit 13 500 Tons Ladefähigkeit, von denen die „Pennsylvania" als derzeit größtes Schiff der Welt im März dieses IahreS ihre erste Reise machte. WaS ein Quantum von 13 000 Tons Gütern bedeutet, die dieses Riesensckiff'sicher von Contincut zu Contincnt trägt, kann man sich nur vorstellen, wenn man bedenkt, daß zur Beförde rung auf dem Lande 1300 Eisenbahn-Doppelwaggon« nöthig wären, die aneindergereiht etwa 8—9 Icm Schienenlänge er fordern würden. Durch daS Einstellen so vieler großer Schiffe, wogegen von den älteren kleinen Dampfern eine Anzahl verkauft wurde, hat sich der Tonvengehalt der Flotte der Hamburg- Amerika-Linie in den letzten Jahren ganz außerordentlich vermehrt. Ende 1896 repräsentirten die 64 Oceandampfer (darunter 13 Doppelschraubendampfer) 241 507 Reg.-TonS. Im Bau befindlich sind noch 6 mit 55 250 To»S, so daß nach Vollendung dieser Schiffe die Gesammt-Flotte sich auf rund 300 000 Tons stellt, womit die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-A.-G. die größte Rhederei der Welt sein wird. ES seien hier noch einige Zahlen und Notizen angefügt, die von allgemeinem Interesse sind. Das IahreSbudget der Hamburg-Amerika-Linie beträgt 32 — 35 Millionen Mark. An Gehalte» und Löhnen beziehen die ständig beschäftigten 6000 Angestellten über 7>/s Millionen Mark; der Jahres verbrauch an Proviant, Oel, Kohlen u. s. w. beträgt etwa 10>/r bis 11 Millionen Mark. Um den Gesammt- Kohlenbedarf heranzuschaffen, der über eine halbe Million TonS jährlich beträgt, müssen täglich 60 Eisenbahn waggons zwischen den westfälischen Zechen und Ham burg befördert werden. Für eine einzige Schnelldampfer- Reise von Hamburg nach New Dork und zurück sind erforder lich: 20 000 Psd. frisches Fleisch, 800 Psd. Speck, 4000 Pfd. Geflügel und Wild, 1800 Psd. frische Fische, 400 Pfd. Rauch fleisch und Zunge, 1200 Pfd. Schinken, 500 Pfd. Wurst, 1200 Pfd. Käse, 2000 Dosen Gemüse, für 1200 -6 frisches Gemüse, 1500 Pfd. gebackene Früchte, 400 Pfd. Compots und Marmelade, 40 000 Pfd. Kartoffeln, 20 000 Psd. Mehl, 7000 Pfd. Brod, 18 0000 Stück Eier, 4000 Psd. Raffinaden, 5000 Pfd. Butter, 2000 Pfd. Kaffee, 1000 Liter Rothwcin, 2500 ganze und 2009 halbe Flaschen Wein, 900 ganze und 900 halbe Flaschen Champagner, 3000 ganze und 2000 halbe Flaschen Bier, 1000 Liter Lagerbier, 3000 Liter Münchener Bier, 700 Flaschen Spirituosen, 5000 Flaschen Mineral wasser u. s. w. Die Gesellschaft arbeitet mit einem Gesammtcapital von 45 Millionen Mark und 13^/« Millionen Mark Prioritäts anleihen. Im Centralbureau sind 130 Beamte beschäftigt. Außer der Hauptagentur in New Aork sind in allen be deutenden Hafenstädte» Europas und Amerikas Agenturen und in den Hauptstädten 11 Pasfagebureaux eingerichtet; 1300 Passage-Agenten arbeiten im Binnenlande. Seit 1887 sind auf deutschen Werften 20 Dampfer mit über 100 000 TonS im Werthe von 37 Millionen Mark erbaut worden. Außer dem Schiffspark für die Oceanfahrt, auf dem sich etwa 4500 Mann Besatzung befinden, besitzt die Gesellschaft noch 9 Flußdampser, 6 Dampfbarcasien, 25 Leichter, einen schwimmenden Dampskrahn und einen schwimmenden Getreide heber, ein Trockendock mit Reparaturwerkstatt, ein AuS- rüstunaSmagazin, Landungsplätze und Kohlenmagazine in New Aork und Sanct Thomas und zahlreiche Beamten wohnungen in Hamburg. Die Expedition der Schnelldampfer von Cuxhaven auö wird nach Fertigstellung aller dazu erforderlichen Anlagen demnächst beginnen.
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