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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-04
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Die Herren haben wohl vergessen, daß sie dieselbe Behauptung mit derselben apodiktischen Gewißheit auS Anlaß der vorletzten, nach dem ersten Proceß Lützow angetretenen Reise des SlaatSsecretairs des Auswärtigen Amte- auf gestellt haben. Möglich ist ja jeden Augenblick Ieglicheö, aber der Urlaub des Herrn v. Marschall hängt gewiß nicht mit etwa bevorstehenden Entschließungen zusammen. Die Con- struction dieses Zusammenhanges ist älter al- die erst noch be vorstehende Beendigung des ProcesseS Tausch; man hat diesen also jedenfalls ohne Grund in die Combination ver woben, wie denn überhaupt in den letzten Tagen das AnstandS- gebot des Schweigen« über die Chancen der noch nicht abge schlossenen Gerichtssache Wehr und mehr verletzt worden ist. Es ist richtig, was die „Nationalzeitung" bemerkt, daß nämlich journalistische Manöver gegen Herrn v. Marschall neuer dings wieder stark im Gange sind. Ob es aber eine wirksame Gegenbewegung ist, wenn daS genannte Blatt den Wortlaut der Erklärung des „NeichSanzeiger" vom lO. Dccember v. I. reproducirt, in welcher kurz von der Entstehungsgeschichte des ersten ProcesseS Lützow die Rede ist, das kann wohl bezweifelt werden. An Ausfällen gegen die NeichSregierung fehlt eS übrigens auch in der nickt specifisch Hohcnlohe-Marschall- feindlichen Presse nicht. So nehmen freisinnige Blätter Keuntniß von der Auslassung, die „Preußen unter Vormund schaft" überschrieben ist und in der über die Angelegen heit des Vereinsgesetzes gesagt wird, der Reichskanzler hätte bei genügender Festigkeit das Versprechen der Aushebung des Coalitionsverbotes im Reichstage und damit die heutige üble Lage vermeiden können. „Diesem Mangel an festem Auftreten gegenüber der Anmaßung der demokratischen Reichstag Sine hr heil ist das heutige, die Bevölkerung tief beunruhigende und die staatliche Autorität in hohem Maße schädigende Treiben entsprossen. Es liegen ganz unhaltbare Zu stände vor, Zustände, in die einmal mit fester Hand rücksichtslos Ordnung gebracht werden muß, wenn nicht die Staats- raiscn darunter unheilbar leiden soll." lieber den Inhalt dieser Auslassung mag man denken wie man will, höchlich befremdend ist jedenfalls, daß sie sich in einem Kreisblatte findet. Es giebt vereinzelte solche Blätter, auf deren politische Haltung der Landrath keinen Einfluß hat, und eS wäre Wünschenswerth, wenn dies von dem in Rede stehenden ausdrücklich gesagt werden könnte. In diesem Falle sollte es aber auch unverzüglich geschehen. Ein freisinniges Blatt fragt schon, ob bier nicht etwa wieder einmal irgend ein von einem literarischen Bureau ressortirender Leckert gegen einen Minister intriguire. „Preußen unter der Vormundschaft der Reichs tagsmehrheit" wäre übrigens eine sehr passende Ueber- schrist zu einer Betrachtung über den Beschluß des Bundesrathes, den Beschlüssen des Reichstages über daS Margarinegesetz zuzustimmen. Preußen bat sich durch den Mund seines LandwirthschaftSministers wiederholt gegen die über die BundesrathSvorlage hinausgehenden Reichs tagsbeschlüsse, insbesondere über die Vorschrift der getrennten Verkaufsräume für Butter und Magarine ausgesprochen. Preußen war auch im vorigen Jahre unter den Bundes- > staaten, die dem Reichstagsentwurf ihre Zustimmung versagten, f Nun hat eS sich, um ein Wort zu gebrauchen, das zu spät kommt, um populär zu werden, „geböttichert". Aber nicht vor einer im Sinne der preußischen KreiSblätter demo kratischen NeichStagsmehrheit. Der Rückblick auf die zweite Lesung der Handwerker vorlage bietet, wie wir gestern schon bemerkten, deshalb wenig sachlichen Nutzen, weil die Arbeit zu rasch ging, als daß sie irgendwo sich hätte vertiefen können. Aber ein recht inter essantes Belehrungsmaterial hat sie hinterlassen, und zwar in Gestalt von jenen Abänderunasanträgen, über die am aller raschesten zur Tagesordnung Lvergegangen wurde. Wir greifen beute den Antrag Metzn er heraus, desselben Politikers, der ein Jahrzehnt hindurch in den zünftlerischen Versammlungen des Weihrauchduftes Uebermaß genossen hatte, jetzt aber von seinen eigenen klerikalen Fractionsgenossen so rücksichtslos auf die Seite geschoben wurde, daß er schließlich vorzog, die namentlichen Abstimmungen nur in gemessener Entfernung, nämlich im Restaurant des Reichstags, mit zu erleben. In den AenderungSanträgen des Herrn Schornstein- fegermeisterö Metzner - Neustadt (Oberschlesien) spiegelt sich aber zu deutlich die Vorstellung von den Privilegien der Zunft wider, als daß man achtlos daran vorüber gehen sollte. Tie Anträge dieses berufenen Interpreten von Zunstgedanken nehmen wenig Raum ein; sie lauten in den sieben Puncten, welche das Verhältniß der Innung zur Aufsichtsbehörde, insbesondere zur Handwerkskammer feststellen, meist nur dahin, daß eine oder die andere Bestimmung „zu streichen" sei. Wären diese Streichungen sämmtlich beliebt worden, so wäre zunächst die Handwerkskammer lediglich ein Organ der Innungen geworden. Gewerbevereine rc. sollten nur dann und dort an der Wahl zur Handwerkskammer bethei- ligt sein, wo neben ihnen keinerlei Innung besteht. Eine solche Concurrenz fehlt ja so gut wie nirgends, nur daß im Süden und Sübwesten die Innungen vielfach vegetiren, die Gewerbevereine aber floriren. Dieses ausschließliche Organ der Innungen sollte zweitens auch von dem lästigen Staats- commissar nicht beaufsichtigt werden; es sollte drittens seinen Hausbaltplan aufstellen dürfe», ohne daß die Aufsichtsbehörde im Wege des Genehmigungsrechts einen Einfluß üben dürfte, wenn der Etat mit unnöthigen Ausgaben be lastet oder wenn versucht werden sollte, nöthige Ausgaben zu umgeben. Den Kammern sollte viertens verwehrt sein, in das Aufgabengebiet der Innung einzugreifen; auch dort, wo sonst solche Einrichtungen nicht oder nur kümmerlich getroffen werden, sollte die Kammer nicht befugt sein, ihrer seits Fachschulen zu errichten und dergl. Dafür sollte fünftens die Staatscasse die Kosten der Errichtung von Handwerks kammern nicht nur vorschießen, sondern tragen, und die Ge meinden sollten sechstens befugt sei», den ordentlichen Aus gabebedarf der Kammer auf die fämmtlichen „Betriebe", also auch auf Handels- und Fabrikbetriebe, nicht nur auf Hand werksbetriebe umzulegen. Das siebente aber ist der Gipfel. Während im Bundesstaate das Reichsrecht naturgemäß über das Landesrecht geht, sollte in der Zunftverfassung das untere Organ mit stärkerer Macht ausgerüstet sein, als das obere. Innung und Handwerkskammer haben nach dem Entwurf gewisse gemeinsame Rechte, an der Regelung des Lehrlings wesens mitzuwirken. Wie selbstverständlich, ist, was etwa die Innung im Widerspruch zur Anordnung der Kammer zn regeln sich unterfängt, unverbindlich. Auch diese Bestimmung beantragte Herr Metzner „zu streichen". Niedergelegt ist dieses prächtige Belegstück für zünftlerische Ge,etzgebungSkunst als Nr. 874 der ReichstagSdrucksachen der Session 1895/97. Die Lebenskraft deS Ministeriums Meline hat bis jetzt allen Angriffen der verbündeten Radikalen und Socialdcmo- kraten siegreich Trotz geboten. Auch die Zusammensetzung des Budgetausschusses der Deputirtenkammer macht die ministeriellen Parteien zu Herren der Situation. Der Radikalismus, der sein gouvernementaleS Fiasco unter Bourgeois ganz und gar vergessen zu haben scheint, brennt vor Ungeduld, wieder obenauf zu kommen, und verfahrt deshalb in einer Weise, die weder taktisch richtig, noch politisch klug ist. Die Mehrheit der Nation ist ganz zufrieden damit, daß Meline die turbulenten Kammerelemente kurz hält; namentlich daS platte Land bat kein Verständniß für eine parlamentarische Vertretung, die ihre Zeit in poli tischen Ränken vertrödelt, statt die Geschäfte aufzuarbeiten, an denen es der Kammer wahrlich nicht fehlt. Das Cabinet hat es mit großem Takt verstanden, die öffentliche Meinung von den Bahnen einer ungesunden, auf politischen Scandal abzielcnden Discussion gewisser Fragen abzulenken,und wasdieMehrheitder Deputirtenkammer betrifft, so Hal ihre DiSciplin sich den Drohungen der Oppositionsführer bedeutend überlegen gezeigt. Das Ministerium ist bemüht, vor Allem das nächstjährige Budget unter Dach und Fach zu bringen. Diese Aufgabe drängt, und alle anderen Rücksichten muffen vor ihr zurückstehen. Würden die Theilnehmer der „oppositionellen Verschwörung" es trotzdem über sich gewinnen, der Negierung inzwischen abermals ver fängliche Interpellationen zu stellen oder ihr sonst Knüppel zwischen die Füße zu werfen, so würden sie sich selbst vor den Wählern ins Unrecht setzen. DaS haben sie zwar auch jetzt schon gethan, doch nicht in einer so leicht zu durch schauenden Weise, als es der Fall sein würde, wenn sie die Budgetverhandlungen durch Auskramung ihrer fractions- taktischen Hemmschuhe zu erschweren trachten sollten. Auch mit ihre» Interpellationen auf auswärtigem Gebiete haben sie manchem vertrauensseligen „Eitohen" dir Angen geöffnet und in ihm eine Ahnung aufdämmern lassen, daß Frankreich sehr übel berathen gewesen wäre, wenn es z. B. seine Orientpolitik nach radikal socialdemokratischem Recept instravirt und in Philbelleuismus „gemacht" hätte, statt wie es der kluge Herr Hanotaux gethan, konsequent die Fühlung mit den übrigen Continentalmächten, das verhaßte Deutsch land nicht ausgeschlossen, zu suchen. Denn trotz aller Rodo- montaden graut doch auch den wüthendsten socialdemo kratischen Deutschenfressern vor dem Gedanken an die Ge fährdung des Weltfriedens als Folge eines Fiascos der europäischen Orientaction. So schleppt sich denn Wohl der Feldzug der linksextremen Elemente gegen das Ministerium weiter, aber eS fehlt der richtige Zug in der Sache, und darum wird die Stellung des Herrn Meline und seiner Amtsgenossen sobald noch nicht in Gefahr kommen. Die Schwierigkeiten, in denen das conservative spanische Ministerium sich seit einiger Zeit befand, haben sich derart vermehrt', daß Ministerpräsident Canovas del Castillo die Regentin um die Entlassung des Ministeriums gebeten hat. Nachdem es den Anschein ge wonnen hatte, als sei auf Cuba und den Philippinen die Ruhe nothdürstig hergestellt, rüsteten sich die Liberalen unter ihrem Führer Sa gast a zu neuem, verstärktem Kampfe gegen die herrschende Partei. Mit dem Frieden auf den im Auf stand begriffene» Colonien scheint eS aber noch schlecht bestellt zu sein: auf Cuba kündigt soeben General Wevler neue kriegerische Operationen im östlichen Theil der großen Insel an, und auf den Philippinen scheint erst recht noch lebhafte Gährung zu herrschen, denn eben die Zustände auf den Philippinen-Inseln sind es, die daS Cabinet Canovas in arge Bedrängniß gebracht haben. Römers Robledo brachte nämlich am 1. ds. in der Kammer eine Interpellation ein, worin er die Maßregeln de- Generals Polavieja, de- früheren Oberbefehlshabers auf den Philippinen, vor Allem die Beschlagnahme der Güter der flüchtigen Aufständischen, der allerschärfsten Kritik unter zog. Mit großer Erregung erwiderte der Colonialminister, indem er daraus hinwies, daß ähnliche Maßnahmen in allen spanischen Colonialkriegen getroffen worden seien, und daß eine derartige Vertheidigung der Rebellen in offener Par lamentssitzung den Feinden der spanischen Herrschaft Wasser auf die Mühle sein müsse. Die Heftigkeit, mit der der Minister sprach, hatte mehrere stürmische Unter brechungen Romero Robledo's und seiner, den Conser- vativen nahestehenden Gruppe zur Folge. Der Kriegs ¬ minister, der darauf das Wort ergriff, suchte zu ver mitteln. Er nahm die auf den Philippinen geübte militairische Gerichtsbarkeit in Schutz und gab das Ver sprechen ab, die Regierung werde auf Mittel und Wege sinnen, um den von Romero ausgestellten Forderungen Genüge zu leisten. Ob nun der Ministerpräsident Canovas die Antwort des Kriegsministers nicht billigt, oder ob er, da ihm nun auch von der Gruppe Rvmero'S auf dem Gebiet der auswärtigen Politik Opposition gemacht wird, überhaupt an der Möglichkeit der Weiterführung der Regierung ver zweifelt, darüber sind bis jetzt nur Vermuthungen möglich. Der Fehler des Ministerpräsidenten, den Herzog von Teluan trotz seines unerhörten Benehmen- gegenüber dem Senator Comas halten zu wollen, hat jedenfalls den Anlaß zur Krise gegeben, dre Gründe aber dürften, wie gesagt, auf dem Gebiete der äußeren Politik liegen. In dem gestern im Madrider Palais abgchaltenen Ministerrathe setzte Canovas die Motive der Demission auseinander und die Königin-Regentin beauftragte den Ministerpräsidenten, die Geschäfte bis zur Lösung der Krise Weiterzufuhren. In con- servativen Kreisen hält man an der Hoffnung fest, dieselbe werde nicht das ganze Ministerium verschlingen, während die Liberalen sich schon zum Antritt der Herrschaft rüsten. Endlich ist der griechisch-türkische Waffenstillstand unterzeichnet, und die Friedensverhandlungen haben begonnen. Wie uns aus Konstantinopel gemeldet wird, fand daselbst im Pavillon Dophane die erste Sitzung statt, doch ohne Secretaire und ohne Protocollführung. Man hat es also erst mit einer Vorbesprechung zu thun. Die Verhandlungen werden vorläufig streng geheim ge halten. In Wiener türkischen Kreisen wird ein baldiger Friedensschluß unter der Pforte günstigen Bedingungen er wartet, weil Griechenland den gegenwärtigen Zustand nicht länger ertragen könne und somit zur äußersten Nachgiebigkeit genöthigt sei. An die Wiederaufnahme der kriegerischen Actionen werde nicht geglaubt. Dies dürste eine allzu optimistische Auffassung sein. Allerdings ist Griechenland mürbe und drängt zum raschen Abschluß der Verhandlungen, Frrrilletoir. Zwei Frauen. 20j Roman von F. MorjoN'Lrawsord. Nachdruck verbot««. „Persönlich, aber das kommt nicht in Frage. Würdest Du ie in diese« Hau- bringen, damit sie hier wohne und rin Aytheil an all' dem Böse», da- mich und di« Meinigen betroffen hat, auch ihr zufiel«?" „Du kannst wohnen, wo «- Dir beliebt", meinte Rex philosophisch. ?Und überdies kannst Du Dir durch «in sehr einfache- gesetzliches Verfahren einen andern Namen zulegen. Gieb Deinen Namen auf und wohne an einem andern Orte, und Du bist einfach Greif und sie ist einfach Hilda. Es kann dqbei nicht davon di« Rede sein, ihr ein« Kränkung, einen Nachtheil zuzufügea, Im besten Fall« sind Namen thörickte Unterscheidungen, und wen» in ihnen etwas nicht in Ordnung, ist eS unangebracht, sich ihrer nicht sofort zu entledigen. Denkst Du, ick würde Anstand nehme», mich als einfacher Herr Rex zu verheirathen, obgleich ich in Wirklich keit Horst von Rieseneck bin? Ich brauche nur den Antrag aus eine gesetzliche Aenderung zu stellen, di« Kosten zu be zahlen, und die Sache ist gemacht." „Aeußerlich, das ist wahr. Aber di, Thatsache würde bleibe». Du bist Rieseneck und ich bin Greifenstein, unser Leben lang, und wenn wir un- verheirathen, werden unsere Kinder nach un- Riesenecks und Greifenstein» sein. Ich möchte solch einen Fluch keiner Frau aufbürden, am wenigsten einer, die ich liebe." „Ein Fluch ist ein rein herkömmlicher Begriff, ohne wirkliche Bedeutung im Leben. Die Wirklichkeit ist Deine Liebe und ihre Liebe, ob Du nun »in König oder ein Herr Schmidt bist, wenigstens so weit es Eure Heirath angeht. Ich sage nicht, daß Dein Name oder der meinige nicht ein Nachtbeil wären, wenn wir ehrgeizig« Ziele verfolgten und Staatsmänner oder Officirre werden wollten, aber kein ver nünftiger Mensch wird mich oder Dich tadeln, wenn wir un- glücklich verheirathen, blo» weil unsere Väter in ihre« Tagen Böse- thaten." Greif schüttelte den Kopf. „Es ist seltsam, daß Du in diesem Punct ander- denkst al- ich", ant" ortete er. „Wir denken über die meisten Dinge gleich. Versuche nicht, mich gegen meinen Willen zu über zeugen. Ich werde nicht nachgeben." „Möchtest Du meinen Rath in einer minder wichtigen Angelegenheit annehmeu." „Wenn ich kann." „So höre. Uebereile nichts, Greif. Wenn Du morgen Fräulein von Wildenberg sehen und sprechen willst, laß es keinen endgilfigen Abschied sein. Du könntest eS Dein ganzes Leben lang bedauern." „WaS würde mein Bedauern im Vergleich mit dem ihrigen bedeuten, wenn sie im Verlaufe der Zeit entdeckte, daß sie Unrecht gethan, meinen Namen anzunehmen?" „Giebt eS noch männliche Mitglieder ihrer Familie? Ist noch ein anderer Zweig der Wildenberg'S vorhanden?" „Nein, wenn e- welche gäbe, so würden sie die Heirath niemals gestatten, auch wenn ich sie wünschte." „Ich fragte nicht aus diesem Grunde. Wenn sie in der Welt allein steht, nimm ihren Namen an. Nenne Dich Greif von Wildenberg und laß ein altes Geschlecht wieder aufleben, ohne das Deinige dem Untergange zu widmen." Greif schwieg. ES war ihm nicht eingefallen, daß solch ein Abkommen möglich sei, aber er sah mit einem Blick, daß Rex seinen Entschiuß mit einem wuchtigen Schlag erschüttert hatte. Hilda als Greifenstein zu heirathrn, das stand außer aller Frage, einen gewöhnlichen und bedeutungs losen Namen wählen, würde eine Beleidigung gewesen sein, aber der von Rex angeregte Gedanke war äußerst verlockend. Er wußte, wie bitter Hilda und ihre Mutter da- Erlöschen ihrer Familie beklagten, und wie freudig sie einen solchen Vorschlag aufnebmen würden. Durch einen einzigen Feder strich würden Greifenstein und seine Erinnerungen von seinem künftigen Leben lo-gelöst werden und ein Anderes an seine Stelle treten, einem Namen Ehre zu machen, ein Heim, dem neue Gedankenverbindungen «inzupflanzen waren, und vor Allem die Liebe, der Stolz und das Glück Hilda'S selbst. Er fühlte, daß sei« Entschluß wankend wurde, und rafft« sich zu einer letzten Anstrengung auf, nicht uachzugeben, ohne recht zu wissen, weshalb er noch länger widerstrebte, da di, Möglichkeiten für die Zukunft sich so plötzlich auf gehellt hatten. Rex entging es nicht, daß er aus seinen Vetter eine» tiefen Eindruck gemacht hatte, aber er sah auch ein, daß man der Zeit nickt vorgreifen dürfe, die erst di« noch offen« Wunde heilen müßte. Jeder Monat würde die schauerliche Tragödie weiter und weiter in den Hintergrund rücken und in Greif« Gemüth die Hoffnung auf Gluck zu kräftigerer Blüthe entwickeln. DaS Uebrige war in Rex' Busen begraben, und keine Gewalt der Erde würde ihm das Geheimniß von der Geburt seines Bruders entreißen. Er wußte nicht, an wen der große Greisenstein'sche Besitz über gehen würde, wenn die Welt erfuhr, daß Greif «ine namen lose Waise war, mit ebensowenig Anspruch auf seines Vaters Hinterlassenschaft, wie Rex selbst. Er hatte Greif die Mittel angedeulet, sich eines NamenS zu entledigen, der ihm eigent lich gar nicht zukam. Rex überdachte schweigend all' die Verwicklungen der Lage und fragte sich, was geschehen sein würde, wenn jener Brief in die Hände der Behörden gefallen, und was dann aus Greif geworden wäre. Er blickte in das bleiche Gesicht seines Vetters und versuchte sich vorzustellen, wie sein Gesicht gewesen sein würde, wenn Alles sich nach den Vorschriften deS Gesetzes abgespielt und Greif nur das erhalten hätte, WaS ihm in Wirklichkeit gebührte. Die Empfindung, Jemandem durch bloßes Stillschweigen so viel zuzuwenden, war für Rex eine so seltsame, daß er sich immer mehr in sie vertiefte. Er wußte nicht, ob er nicht des Betruges be schuldigt werden könnte, wenn di« Angelegenheit zur Ver handlung vor ein Gericht kam, obwohl er in der ganzen Sache nicht ein unwahres Wort gesprochen hatte. Schweigen war in der Thal Gold, für Greif war seine» Vetters Schweigen beinahe gleichbedeutend mit den, Leben selbst. Ein Wort konnte ihm Alles rauben, seinen Namen, die aus gedehnten Ländereien und die große» Geldsummen, die sein Vater besessen hatte. Er würde Alles verlieren, aber zu wessen Gunsten? Rex wußte «S nicht. Vielleicht — Rex hielt in seinem Gedankenflug inne, erstaunt, daß er nicht eher auf den Einfall gekommen war — vielleicht waren die Baronin von Wildenberg und ihre Tochter die einzig lebenden Verwandten. Wenn er Alles genau überlegte, schien eS ihm beinahe gewiß. Und wenn e» so war und er fortfuhr zu schweigen, wenn Greif darauf beharrte, Hilda nicht zu heirath«», kam jene sanfte Frau, die fast einer Heiligen glich, um ihre Erbschaft. Er hatte wohl bemerkt, daß die Wildenberg'S arm waren. Wenn er nicht« sagte, wenn Greif an seinem Entschluß festhielt und in späteren Jahren, waS durchaus nickt unmöglich war, eine Andere beirathete, wie viele Leiden und Entbehrungen würde der Mann verschuldet haben, der die Verantwortlichkeit für diesen Zustand der Dinge trug. Rex hatte beabsichtigt, da« verhängnißvolle Blatt zu verbrennen. E« würde ein Leichtes sein, eS vor Greiss Augen in die Flammen zu schleudern, aber wenn jemals geschehen sollte, was er jetzt als Möglichkeit erwogen, welcher Beweis würde ihm bleiben, daß die Baronin oder ihre Tochter ein Recht auf das hatten, WaS ihnen sogar jetzt schon gebührte? Wenn eS jemals so weit kam, würde Greis einem gesprochenen Wort glauben. Alle diese Schwierigkeiten zu beseitigen, mußte Greif Hilda hrirathen, aber der Brief durfte noch nickt vernichtet werden. Er könnte sich als ein werthvolles Werkzeug erweisen, die Ereignisse zu beschleunigen, oder ihnen ihre Richtung zu geben. Die Vorstellung, daß die Wildenberger die einzigen reckt- mäßigen Erben mären, bemächtigte sich seiner so gewaltsam, daß ein plötzlich ausleuchtender Zweifel an der Unumstößlich- keit der Thatsache Rex in Verzweiflung brachte. Dir Gewiß heit darüber konnte er sich von Greif verschaffen, ohne seinen Verdacht zu erwecken. „Hast Du außer den Wildenberg'S keine anderen Ver wandten?" fragte er. „Keine, al» Dich." „Ich zähle nicht, da die Verwandtschaft sich auf die weib liche Linie stützt", erwidert« Rex ruhig. „Ich meine, ob im Falle des TodeS die Wildenberg'S die Erben wären, wofern Du nicht heirathest und eigene Kinder hättest." „Ja, ich vermuthe es. Ich habe daran noch gar nicht gedacht." „DaS scheint mir ein Grund mehr zu Gunsten des von mir vorgeschlagenen Planes." „Ich kann jetzt nicht mit Dir reckten", erwiderte Greif, als wünschte er, seinen eigenen Gedanken überlassen zu werden. Rex war zu klug, darüber verdrießlich zn werden, denn er erkannte, daß Greif's Weigerung, sich auf Erörterungen einzulassen, die Folge seiner Neigung war, nachzuaeben, nicht eines sich festigenden Entschlüsse«. Der einzige Punct von Wichtigkeit für Rex war, daß die Heirath nicht plötzlich aufgehoben werde. Wenn diese« Mißgeschick eintrat, wenn Greif'« ungeduldiger Wunsch, bis zu der äußersten Grenze dessen, waS die Ehre gebot, großmuthig zu sein, die Beiden für immer trennte, mußte Rex sich gestehen, nicht zu wissen, wa« er thun solle. Seine Lage würde in diesem Falle keine beneidenSwerthe sei», denn er würde sich an einem Betrüge brtheiligt haben, der die Wildenberg« ihre« Eigenthum« be raubte. Seine Natur, wie seine Erziehung zwangen ihn, ohne alle Rücksicht auf die Folgen, die Wahrheit zu sagen, aber die Frage erhob sich, ob er gezwungen war, zu sagen,
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