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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970609027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897060902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897060902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-09
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Erobere »christen laut unserem Preis» verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra »Beilage« (gesalzt), nur mit ha. Morgen-Au-gabr, ohne Postbesörderunzl ^l vO.—, mit Postbrsörderuog 70.-^ ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abrad-Au-gabr: Vormittag« 10 Uhr. Vtorgen-AuSgabr: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »in« halbe Stunde früher. Anzri,«« find stet« au di» Exprditi«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 288. Mittwoch den 9. Juni 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Juni. Der am Sonnabend vor Pfingsten amtlich bekannt ge gebene Au-weis der Reinerträge aus indirekte» Reichs steuern im verflossenen Rechnungsjahre bestätigt den Eindruck einer außerordentlich günstigen Entwickelung. Seit dem Jahre 1894/95, dem ersten unter der vollen Herrschaft der Handelsverträge, haben sich die Einnahmen aus den Zollen nach Abzug der Erhebungskosten von 362,7 auf 433,7 Millionen Mark gesteigert. Zm Durchschnitt dieser letzten drei Jahre berechnet sich ihr Ertrag auf393,2 Mill. Hier nach wird auch der verhärtetste Finanzpessimist nicht behaupten wollen, daß der Voranschlag für daS gegenwärtige Jahr, der nur eine Einnahme von 372,5 Millionen annimmt, an Vorsicht etwas vermissen lasse. Dasselbe darf von den Verbrauchs steuern gelten. Wir sehen mit einiger Befriedigung, daß die Zuckersteuer in ihrem Reinerträge seit 1894/95 von 80,4 aus 93,2 Millionen gestiegen ist. DaS beweist vor Allem, daß der mit der wachsenden Production verknüpfte Preis rückgang dieses Lebensmittels zu einem erheblichen Anwachsen des inländischen Verbrauchs an Zucker geführt haben muß. Andrerseits erbringt eS den ersten Beweis dafür, daß im vorjährigen Reformgesetz die Calculation insoweit richtig war, als durch die Einnahmen aus der Bctriebssteuer und durch den Mehrertrag in Folge der VerbrauchSsteuererböhung der Mehraufwand für Ausfuhrprämien sicher gedeckt er scheint. Ebenso dürfte daS Branntweinsteuergesetz von 1895 im Lichte dieser neuesten Erlragsweise theil- weise eine bessere Beurtheilung zur Folge haben, als es vielfach noch erfährt. Der gesammte Reinertrag von Branntwein (Maischraum-, Material- und Verbrauchsteuer zusammen) ist wenigstens auf der Höhe von 117—118M>ll. stetig geblieben. Einstweilen erbringt hier die Betriebssteuer (Brennsteuer) etwas mehr, als zu Ausfuhrprämien beuöthigt wird, wiewohl der Export wieder ins Wachsen gekommen ist. Durch das Eontingentiren ist aber auch erreicht, daß all mählich die Jnlandmärkte wieder einen Preis anlegen, der wenigstens dieses Nebengewerbe der Landwirthschaft zu einem lohnenden macht. Im Ganzen haben die Zölle und Ver brauchssteuern seit 1894 95 zur NeichScasse rein erbracht 642,0, bez. 662,1 und im letzten Jahre sogar 731,8 Millionen Mark, während sie für 1897/98 nur mit 653,1, d. h. um 78,^Millionen Mark niedriger, im Voranschlag stehen, als sie im letzten Jahre wirklich erbrachten; man darf aber erwarten, daß sie um ISO Millionen über den Ertrag des Vorjahres hinaus gehen. Morgen und übermorgen finden in Königsberg und in Wiesbaden Reichstagscrsatzwahlen statt, die schon darum von Interesse sein dürsten, weil sie als Zeichen der gegenwärtigen politischen Stimmung anzusehen sind. In Königsberg freilich wird die allgemein politische Stimmung deshalb nicht rein bei den Wahlen zum Ausdruck kommen, weil dort auch die seit einem Jahre bestehenden localen Streitigkeiten einen Einfluß auf die Wahlen auSüben werden. Gemeinsam ist beiden Wahlen, daß al« die stärkste Partei die socialdemokratische anzusehen ist und daß eS sich nur darum handelt, welche von den anderen Parteien mit ihr in die Stichwahl kommt. In Königsberg hätte diese Aussichten am ehesten der nationalliberale Candidat, wenn nicht die conservative Partei voraus sichtlich geschlossen für den antisemitischen Candidaten ein treten würde. Diese im Gegensätze zu ihrem Verhallen bei früheren Wahlen stehende Haltung der Conservativen erklärt sich einmal auS dem schon erwähnten localen Streite und zweitens aus dem durch die preußische VereinSrechtsnovelle zwischen Conservativen und Nationalliberalen entstandenen schärferen Gegensätze. Verkündet doch daS conservative Organ Königsbergs, die nationalliberale Partei nicht als Ordnungs partei ansehen zu können, weil sie gegen die Novelle eintrete. Dasselbe thun freilich auch die Antisemiten, aber die Jn- consequenz ist eben Thatsache, und so ist eS nicht unwahrschein lich, daß der freisinnige Bewerber mit dem Socialdemokraten in «ine Stichwahl kommt, deren AuSgang schließlich der Sieg des Socialdemokraten sein dürfte. In Wiesbaden sind die Aussichten für den nationalliberalen Candidaten günstiger, da hier sowohl die rechtsfreisinnigen wie die konservativen Elemente für den nationalliberalen Bewerber rintreten werden. Gelangt er in die Stichwahl mit dem Social demokraten, so ist allerdings die Besorgniß vorhanden, daß das Centrum als intimster Gegner der nationalliberalen Partei seinen Mannen den Rath giebt, lieber für den Socialdemokraten, als für einen Nationalliberalen zu stimmen. Ganz unmöglich ist es auch nicht, baß daS Centrum in diesem Wahlkreise in die Stichwahl gelangt, was ihm schon wieder holt, so z. B- in den Jahren 1871 und 1884, geglückt ist. DaS Centrum hat sich bei dieser Ersatzwahl ganz besonders angestrengt, um womöglich für seinen Candidaten, einen Grafen Fugger, den Wahlkreis zu gewinnen. Der Abg. vr. Lieber ist in eigener Person im Wahlkreise thätig gewesen, uneingedenk der Tbatsache, daß er im Jahre 1893 mit am meisten zur Ausmerzung der Aristokraten aus der Partei beigetragen hat. Gelangt das Centrum erst in die Stichwahl, so hat eS gute Aussicht, den Sieg zu erringen, da die Nationalliberalen nicht für einen Socialisten stimmen werden und die Fortschrittler alle Ursache haben, das Centrum im Regierungsbezirk Wiesbaden, in dem eS ihnen in ver schiedenen Bezirken nützlich gewesen ist und auch bei künftigen Wahlen nützlich sein wird, nicht zu beleidigen. Der voraussichtliche Verlauf beider Wahlen besteht also darin, daß es zunächst zu einer Stichwahl kommt, bei der in Königsberg mit der größten Wahrscheinlichkeit die Social demokraten siegen werden, während ihr Sieg in Wiesbaden minder wahrscheinlich, aber doch immerhin möglich ist. Da die Socialdemokratie Königsberg bereits inne gehabt hat, Wiesbaden aber noch nie, so ergiebt sich, daß sie mit der besten Aussicht dem Verlaufe der Wahl entgegensehen kann, da sie nach aller Wahrscheinlichkeit keinesfalls einen Sitz ver lieren, möglicherweise aber einen Sitz hinzugewinnen wird. Erfreulich ist eS für die bürgerlichen Parteien jedenfalls nicht, sich mit solcher Wahrscheinlichkeit vertraut machen zu müssen. Die spanische Ministerkrise ist zu Gunsten der Con servativen gelöst. Canovas del Castillo bleibt, wie wir schon mittheilten, auf Wunsch der Königin-Regentin auf seinem Posten und wird mit demselben Cabinet die bisherige Politik weiterfübren. Letztere- ist freilich nur cum xrauo salis zu verstehen, da gleichzeitig im Amtsblatt daS Decret veröffent licht wird, durch welcbeS die Reformen auf Cuba eingeführt werden. Dem Halle CanovaS sich bis letzt widersetzt. Die Königin-Regentin, die, bevor sie ihre Entschlüsse faßte, eine Reihe von politischen Persönlichkeiten, darunter den Marschall Martinez Campo«, den Führer der Liberalen Sagasta u. s. w. consultirt hat, scheint den Ratb des Marschalls CampoS befolgt zu haben. Während Sagasta mit großem Nachdruck betonte, daß eine völlige Aenberung der politischen Richtung nothwendig sei und gleichzeitig er klärte, daß dir liberale Partei bereit sei, die Regiernngs- geschäste trotz der kritischen Lage zu übernehmen, war der Marschall CampoS durchaus nicht dagegen, daß daS conser vative Ministerium Canovas am Ruder bleibe unter der Be dingung, daß durch eine schnelle Einführung der Reformen auf Cuba und durch die Abberufung des Generals Wepler, der denselben abgeneigt sei, die Ruhe auf der Insel endlich wieder bergestellt werde. Nachdem daS Decret bezüglich der Ein führung der Reformen aus Cuba bereits veröffentlicht worden ist, wird auch die Abberufung des Generals Weyler nicht mehr lange auf sich warten lassen, wenn der jetzige General gouverneur von Cuba eS nicht vorziehen sollte, aus freien Stücken sein Amt niederzulezen. In diesem Puncte ist also die Königin-Regentin den Wünschen der Liberalen entgegen gekommen, die schon lange eine Aenberung der Politik auf Cuba im friedlichen Sinne für absolut nothwendig hielten. Wird nun aber auch der H e r z o g v o n T e t u a n als Minister des Aeußeren in dem Cabinet CanovaS bleiben? Er hat bekannt lich durch sein beleidigendes Auftreten gegenüber dem Senator ComaS den Conflict der Liberalen mit der Regierung herbei geführt und diese werden auch in Zukunft den Sitzungen der Kammern fern bleiben, wenn ihnen keine Genugthuung wird. Wie verlautet, rietb die Königin-Regentin CanovaS dringend zum Rücktritt des Herzogs, der Ministerpräsident gestand ihr denselben auch zu, forderte aber einen Aufschub der par tiellen Krise. DaS Pfingst-Concert, daS die Großmächte bei den griechisch-türkischen FriedenSverhandlungen zum Besten gegeben haben, ist jedenfalls daS wenigst harmonische, das in diesen Festtagen stattgefunden hat. Der Gegensatz, der zwischen den drei Seemächten, um eS kurz auözudrücken, und zwischen den drei Kaisermächten von Anbeginn der griechisch türkischen Verwickelung an bestanden hat und der immer wieder mühsam überkleistert worden ist, ist, wie wir vorhersagten, wieder zu Tage getreten, indem England unter Zustimmung Frankreichs und Italiens sich jeder türkischen Gebietserweite rung widersetzt, während Rußland, anscheinend im Ein vernehmen mit Oesterreich und vielleicht auch mit Deutschland einer beschränkten Grenzregulirung nicht zuwider ist. Das ist bedauerlich genug. Sowohl Griechenland, wie die Türkei werden sich bemühen, diesen Gegensatz für ihre Zwecke auszunutzen. Wenn übrigen- England sich gegen die türkischen Forderungen völlig ablehnend verhält, so wird dies schon dadurch begreiflich, daß England einmal ein Interesse daran hat, die Schwierigkeiten im Orient nicht zur Ruhe kommen zu lass n, und daß cS zweitens naturgemäß bei allen orienta lischen Fragen in einem Gegensätze zu Rußland steht. Will also Rußlanv den Türken den Nordrand Thessaliens theilwcise ge- wäbren, so ist England schon darum dagegen. Anders freilich würde daS Bild sich gestaltet baden, wenn eS England gelungen wäre, von der Türkei Zugeständnisse in Bezug auf Kreta zu bekommen und die Pforte überhaupt zu einem Haudinband- geden mit England in allen orientalischen Fragen zu bewegen. Daraus scheint nun aber nichts geworden zu fein, denn sonst würde der englische Botschafter in Konstantinopel nicht so offen und schroff Partei gegen die Türkei ergriffen haben. So hat die Lage sich noch nicht im Geringsten ge bessert, zumal da die Pforte nach wie vor auf ihrem selbstberrlichen Standpunkt und ihren weitgehenden Forderungen beharrt. Tewfik Pascha erklärte den Bot schaftern, ter Sultan wünsche die Präliminarien mit den Mächten festzustellen; er habe jedoch den Auftrag, eine Protocollirung der Verhandlungen abzulehnen und nur eine» proeess rsrdal zuzulassen; ferner müsse er erklären, daß der Sultan auf den Abschluß des Friedens direct mit Griechen land in Pbarsala und nicht durch die Mächte bestehe. Trotz des offenen Mißmutbeö Rußlands über die fortgesetzten türkischen Rüstungen befahl der Sultan, der bisher nicht zu bewegen war, an die Garnison in Konstantinopel zu rühren, die Absendung zweier combinirter Garde-Cavallerie- Regimenter nach Tbessalien, sowie dreier Cavallerie- Regimenter ebendabin auS dem Armeecorps bei Avrianopel. Die Mobilisation der Adrianopler Corps ist bereits vollständig durchgefübrt. Angesichts dieser kriegerischen Haltung der Türkei trifft Griechenland erneut energische Vertheidigunasmaßregeln, womit die Reise des KriegSministcrS nach den Tbermopylen in Zusammenhang steht. Gleichzeitig tritt auch die kretische Frage wieder in den Vordergrund. Wie man den „Daily News- aus Kreta meldet, haben die Admirale erfahren, daß daS kretische Comitä in Atben neue Unruhen auf Kreta veranlassen und die Insurgenten bewegen will, die Autonomie zu verwerfen. Die Blockade werde darum verschärft, und die griechische Regierung lasse, um den Mäckten zu helfen, ein Kanonenboot zwischen Kythera und Milos kreuzen, um Schiffe mit Bewaffneten und Munition für Kreta abzufangen. Letzieres möchten wir vorläufig noch bezweifeln; denn Griechenland wird sich auf keinen Fall die Sympathien der Kreter für die Zukunft verscherzen wollen, da man in Athen auf die Angliederung Kretas noch keineswegs verzichtet hat./ Wie verlautet, unterbreitete Frankreich den Machten den Vorschlag, einen holländischen oder belgischen Staats angehörigen auf den Posten eines Generalgouverneurs von Kreta zu berufen. Die Mächte verbandeln gegenwärtig über die Organisation der einheimischen be waffneten Macht zur Aufrechterhaltung der Sicherheit nach Abzug der türkischen und fremden Truppen. Die Kosten hierfür hofft man durch eine Anleihe unter Garantie der Mächte im Betrage von 100 000 Pfund aufzubringen. Die Verhandlungen über die kretische Angelegenheit werden vou Cabinet zu Cabinet geführt. Es besteht allseitig der Wunsch, sie gleichzeitig mit den Friedensverhandlungen zum Abschluß zu bringen. Daun wird eS freilich noch eine Weile dauern, bis Kreta sich de- „Segen- der Autonomie" erfreuen darf. Selbst den Engländern ist die Komödie deS Südafrika- Ausschusses zu arg. „Vertuscht, Vertuscht! oder das Aergerniß in Westminster" überschreibt der bekannte Schrift steller W. T. Stead seinen Artikel über daS Ergebniß der Untersuchung deS südafrikanischen Ausschusses. „Ist «S eine Uebertreibung, zu sagen, daß man Monate lang einem schamlosen Complot, Unwahrheiten in die Welt zu setzen, die Wahrheit zu verbergen und die Nation irre zu führen, zuaehört hat, wie eS im ganzen Verlauf der englischen Geschichte nicht vorgekommen ist? Ein Ausschuß deS Unterhauses darf doch erwarten, daß ibm, ehe er seine Untersuchung beginnt, alles in den Händen der Regierung befindliche Material vorgelegt wird. In diesem Falle gab daS Colonialamt keine Andeutung darüber, was es wisse oder nicht wisse. Bis zur Stunde bat Chamberlain den Schriftwechsel nicht vorgelegt, den er mit den Vertretern der Cbartered Company geführt hat. Ebenso wenig bat er Abschriften der Kabeldepesch en gezeigt, die er an Lord Rosmead vertraulich gesandt bat, und noch viel weniger die eingegangenen Antworten. Der Ausschuß bat monatelang getagt, bis eö durch Zufall herauS- kam, daß das Colonialamt schon im Juni in den Besitz Ferrttletoir. er, bis Dir besser ist", antwortete die Schütteln des Wagen- würde Deinen Zustand Er schloß von Neuem die Augen, unfähig zu sprechen, flüsterten mit einander, verließen daS Zimmer und warfen «inen letzten besorgten Blick auf Greis, der wir bewußtlos in seioem Sessel ruhte. So groß auch Bärbel'« Bestürzung war, als sie körte, daß der ,unge Baron von Greifenstein plötzlich «rkrankt war, verlor sie doch nicht erst viele Worte, sondern besorgte un verweilt, wa- nötbig war. Greif mußte in Hilda'» Zimmer Unterstützung und sah, daß er allein war. Aus dem Hause berauszukommen, war daS Werk eines Augenblicks. Im Hofe war der Kutscher, mit dem er von Greifenstein her übergefahren war. noch damit beschäftigt, die Pferde abru reiben. „Karl", sagte Greif, an ihn herantretend, „Sie müssen wieder anspannen und mit mir sofort nach Greifen stein zurückfahren. ES thut mir leid um Ihretwillen, aber ich fühle mich zu krank, um hier zu bleiben. Ich werde vorauSgehen, kommen Sie mir nach, sobald Sie können." Karl sah seinen Herrn überrascht an, verlor aber keine Zeit, da Greif schon zum Thore hinauSging. Wenige Minuten später saß der junge Mensch wieder auf seinem Bock, die armen Pferde bedauernd, die ohne auSzuruben Len weiten und beschwerlichen Weg zum zweiten Mal zurücklezen mußten. Gerade als er fertig war, erschienen die Baronin und Hilda auf der Schwelle der Vorhalle. Beide sahen bleich und besorgt auS. Sie hatten Greif nickt mehr ge funden, als sie in das Wohnzimmer zurückgekehrt waren. Hilda's scharfes Obr halte daS im Hofe durch das An spannen verursachte Geräusch gehört. „WaS bedeutet das?" fragte Hilda, den Kutscher an redend. „WeSbalb haben Sie wieder angespannt?" „Der gnädige Herr hat eS befohlen", erwiderte Karl, mit der einen Hand die Mütze abnehmend, mit der anderen die Zügel haltend. „Der gnädige Herr ist vorausgegangen, ich soll ibn einholen." Eine leise Bewegung Karl'S und die Pferde trabten dem Thore zu. „Halt, halt!" rief Hilda, die Stufen binuntereilend und ihm nachlaufend, während ihre Mutter langsamer folgte. Karl blickt« zurück. „Herr von Greifenstein ist sehr krank", sagt« das Mädchen. „Er wird nicht im Stande sein, allein so weit zu fahren und sollte hier bleiben, während Sie nach dem Doctor fahren sollten." Sie war so verwirrt, daß sie kaum wußte, wa- sie sagen sollte. „Wir lange ist e» her, daß der Herr Baron fortging?* fragte die Baronin, näher kommend. „ES mögen fünf Minuten her sein." „Sagte er Jbnen sonst noch etwas?" „Der Herr Baron meinte, er wäre sehr krank und müsse gleich nach Hause fahren." Die Baronin zögerte. Es war zweifellos, daß Greif nicht so krank war, wie sie angenommen hatte, sonst wär« urtheilen, was recht ist? Stimmte sie Dir zu und rieht sie Dir, mich aufzugeben?" „Nein, sie bot alle- auf, mich von meinem Entschluß ab zubringen." „Naiürlich," unterbrach ihn Hilda. „Soll ich Dir jetzt sagen, wc«hald Du Dich nickt überzeugen lassen willst und weshalb Tu darauf bestehst, Dein Leben wie da» meinige zu Grunde zu richten?" Sie erhob sich wieder und stellte sich wieder neben ihn. „Du willst nickt überzeugt s«in," fuhr sie fort, „weil Dein Entschluß Dir anfangs so schwer wurde, baß Du glaubtest, er müsse unbedingt richtig sein, und Du bist bereit, Dick und mich für eine Idee zu opfern, deren Stärke nur darin bestehl, daß eS Dich zuerst schmerzte, Dich ihr zu beugen. Alle-, wa- Du gesagt und gethan hast, ist edel und großmütdig, aber Du gehst zu weit und Du verlierst den richtigen Maßstab für die Wahrheit. E- war niemal» Deine Abpcht, mehr zu thun, al« mir meine Freiheit anzu bieten und mir mein Wort zurückgeben zu wollen. Und waS nun den Namen anbelangt — ick habe gehört, baß solch« Dinge oft gesckehen —, so könntest Du, wenn r< Dir an- genebm ist und e- Dir da» Vergessen erleichtert, meinen annehmen, statt mir den Deinigen zu geben. Für mick bist und bleibst Du immer nur Greif, aber vielleicht, Geliebter, wirst Du Deinen Schmerz sckneller überwinden, wenn Du Greif Wildenberg bist. Deinen Wohnsitz hier aufschlagst und nie wieder nach Greifenstein zu geben brauchst." Sir legte ibre Hand auf seine Schulter und drückte ihre Wange sanft in dir kurzen Löckchen seine- niedrrgebeugten Kopfe«. Ihre leise Stimme klang ibm wie Musik mS Ohr. „Nein, nein, ich darf eS nicht thunl" murmelte er. Hilda fühlte, daß er nervö- zusammenzuckte, und fie sah, daß er mit beiden Händen da- Kaminsims umklammerte, al- suche er nach einer Stütze. Im nächsten Augenblick schienen seine breiten Schultern sich auszurichten und wieder zusammen- zusinken. Er taumelte und fiel beinahe zu Boden, obgleich Hilda tbat, waS sir konnte, ihn aufrecht zu halten. Mi« großer Anstrengung gelang e« Greif, sich bi« zu dem Sessel zu tasten, in dem Hilda gesessen hatte. Mit einem leisen Aechzen sank er zurück. Seine Augen waren geschloffen und di« Lippen fest auf einander gepreßt. „Greif, Greif!" rief Hilva, außer sich vor Angst. „Wa» ist Dir, Geliebter? Sprich, o sprich, Tbeuerster!" „Ich habe große Schmerzen", antwortete er, die Augen Zwei Frauen. L3j Roman von F. Mariou-Srawford. Nachdruck »erbot». Mit einer Rübe, die zeigte, wie sicher sie sick ihres Siege» fühlte, setzte sich Hilda wieder in ihren Sessel und beobachtete Greif mit halbgeschlossenen Augen. Gründe, die zum zweiten Male wiederholt werden, erscheinen selten so beweiskräftig, al« wenn man sie zum ersten Male hört. Gewissenhaft versuchte Greif alle» vorzubringen, waS Hilda überzeugen konnte. Nach und nach begann eS selbst in ihm ausrutämmern, daß er «in Hirngefpinnst verfolge, und die Notbwendigkeit eines so ungeheuren SelbstopfcrS, aus dem er bestand, brach angesichts deS entschlossenen Widerstandes von Seiten derjenigen zu sammen, die mehr dabei interessirt waren al» er selbst. Dennoch klammerte er sich fest an das, wa» er für seine Pflicht hielt. „Das ist Alle«, wa« ick zu sagen habe", schloß «r. Ein Ausdruck tiefen Schmerzes glitt über sein Gesicht, und er wendete sick ab um e« vor Hilda zu verbergen. Er war nur noch mühsam im Stande gewesen, die letzten Worte über die Lippen zu bringen. „Ick bin nicht überzeugt", sagte Hilda nach einer Pause. „Keine Beredtsamkeit der Welt wird mich überzeugen, daß wir Beide unser Leben für einen leeren Begriff opfern sollen, blo» um un» vor der Möglichkeit einiger böswilligen Be merkungen zu schützen, und da» ist Alles, worauf rs am Ende hinauskommt." Sie schien ruhiger als je, aber da- seltsame Licht in ihren Augen war nock nicht erloschen. Greif blickte in nerrösrr Erregung aus sie, und der Au-druck de- Leiden kehrte in sein Gesicht zurück. „Ick will Dir die Geschichte diese- Begriffes erzählen", nabm Hilda wieder das Wort. „Als das schreckliche Unglück sich rutrug, dachtest Du an mick, und es schien Dir, al« hättest Du die Pflicht, mir mein Wort zurückzuaeben. Es wurde Dir schwer, weil Du mich so sehr liebtest, so schwer, daß Dich der Entschluß Deine ganze Kraft kostete. Du hast mit meiner Mutter und mit mir gesprochen. Nun frage ich Dich, ob meine Mutter nicht alt genug ist zu be- nicht öffnend, aber mit einem schwachen Versuch, ihr die Hand zu drücken. Hilda sah, daß er krank war und daß seine Schmerzen nichts mit der vorauSgegangenen Aufregung zu tbun hatten. Sie öffnete schnell die Thür und rief um Hilfe. Das Zimmer ihrer Mutter war ganz nahe und die Baronin erschien fast augenblicklich. „Greif ist krank, er stirbt vielleicht!" klagte Hilda, die Mutter an des jungen Mannes Seite ziehend. Die Baronin lehnte sich besorgt über ibn, und bei der Berührung einer fremden Hand öffneten sich seine Lider langsam, und er blickte ihr voll in« Gesicht. Greif batte seinen Kampf mit der krankhaften Energie eine» Menschen geführt, in dem bereits daS Fieber raste. Der Mangel an Schlaf, der furchtbare Eindruck, den der Tod von Vater und Mutter auf ihn gemacht, der entsetzliche Kampf mit sich selbst, das Alles hatte zusammengewirkt, die Krisi« herbeizuführen. Zuerst batte er nur einen stechenden Schmerz im Kops empfunden, der heftiger und heftiger wurde, bis er, von körperlichen Qualen überwältigt, aber unerschütter lich in seiner Absicht, zusammenbrach. „Ich möchte nach Hause, ich bin sehr krank", stöhnte al- dir Baronin ibm den Puls fühlte. „Du mußt hier bleiben, bi-Dir be" Baronin. „Da» Schütteln verscklimmern." noch weniger, Widerstand zu leisten. Mutter und Tochter flüsterten mit einander, verließen das Zimmer und warfen einen letzten besorgten Blick auf Gr«if, der wir bewußtlos in seioem Sessel rudte. So groß auch Bärbel'» Bestürzung war, als sie hörte, daß der ;unge Baron von Greifenstein plötzlich erkrankt war, verlor sie doch nicht erst viele Worte, sondern besorgte un- untergebracht werden und da» junge Mädchen daS der Mutter theilen. Der Wagen des Freiherr» mußte nach der nächsten Stadt geschickt werden und alles Nöthige mit bringen, und eh« Jemand Zeit gehabt, ein« Bemerkung zu machen, hatte Bärbel schon angefangen, »bre Anordnungen zu treffen. Die einzige Schwierigkeit bot Greif selbst. Trotz seiner heftigen Schmerzen wollte er in Wildenberg nicht bleiben. Von der Baronin gepflegt zu werden, mit Hilda unter einem Dache zu leben, hieße den Sieg auf geben, für den er so viel geopfert hatte. Er erhob sich ohne
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