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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970611011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897061101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897061101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-11
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Größere Schriften laut unserem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höhrrein Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 292. Freitag den 11. Juni 1897. 91 Jahrgang. Das Margarinegesetz. Mit schwerer Mühe ist es den Gegnern der Margarine gelungen, ihr Gesetz im Reichstage zu Stande ru bringen und die Zustimmung des BundeSrathS für dasselbe zu ge- gewinnen. Im Reichstage wäre die definitive Annahme gar nicht möglich gewesen, wenn nicht die Demonstration gegen daS preußische Vereinsgesetz die Reichöboten in beschlußfähiger Zahl zusammengeführt hätte, und welche Anstrengung e« ge« tostet haben mag, den Bundesrath von der Zweckmäßigkeit des Gesetzes zu überzeugen, kann man ermessen, wenn man sich erinnert, daß eS schon einmal seiner einschneidendsten Bestimmungen halber von dieser hohen Körperschaft ab gelehnt wurde, dem StaatSsecretair vr. von Boetticher daS Herz schwer machte und vom Landwirthschastsminister o. Hammerstein-Loxten bekämpft wurde. Welche Erwägungen und Rücksichten schließlich im BundeSrathe den Ausschlag gegeben haben, ist nicht bekannt geworden, aber man darf wohl annehmen, daß hauptsächlich der Wunsch, den agrarischen Margarine-Gegnern ein Agitationsmittel zu nrhmen, den Entschluß des BundeSrathS herbeigeführt hat, mit seiner früheren Haltung sich in Widerspruch zu setzen. Wird nun auch dieser Zweck vielleicht erreicht, so wird sich andererseits bald Herausstellen, daß die Zufriedenheit der Margarine- Gegner erkauft worden ist durch die Unzufriedenheit anderer Kreise, auf die eine gesunde „MittelstanbSpolitik" einige Rück sicht zu nehmen hätte. DaS Margarinegesetz soll angeblich dazu dienen, einen unlauteren Wettbewerb zwischen Margarine und Butter zu verhindern und es unmöglich zu machen, daß Jemand, der Butter kaufen und bezahlen will, Margarine erhält. Man sollte nun meinen, dieser eigentliche Zweck des Margarine gesetzes wäre vollständig erreicht durch die Vorschrift des tz 6, nach welcher Margarine und Margarinekäse, sofern sie zu Handelszwecken bestimmt sind, einen die allgemeine Er kennbarkeit der Waare mittelst chemischer Untersuchung er leichternden Zusatz erhalten müssen, durch welchen Farbe und Beschaffenheit der Waare nicht geschädigt werden dürfen. Durch diese latente Färbung, für welche der BundeSrath die erforderlichen näheren Bestimmungen zu erlassen hat, wird jedem Käufer die Möglichkeit gegeben, sich sofort und ohne Mühe zu vergewissern, ob man ihm Margarine oder Butter gegeben hat. Damit ist einem betrügerischen Wettbewerb, welcher Margarine statt Butter verabfolgen könnte, die Thür verschlossen. In ihrem Eifer sind aber die Margarine-Gegner noch weiter gegangen. Sie haben es durchgcsetzt, daß künftig in Städten mit mehr als 5000 Einwohnern Margarine und Butter nur in getrennten Räumen (tz 4) verkauft werden dürfen. Sie schließen dadurch aus allen Geschäften, in denen der Ertrag des Butterverkaufes die Kosten eines besonderen Verkaufsraumes nicht deckt, die Butter vollständig aus. Jedenfalls wird durch diese Bestimmungen, die an die Handlungsweise deS Bären erinnert, der die Fliege auf der Stirn seines Herrn mit einem schweren Stein erschlägt, der zugleich den Kopf zertrümmert, herbeigeführt, daß Jeder, der in einen Butterladen geht, sicher weiß, daß er dort nur Butter und niemals Margarine erhalten kann. Damit, sollte man meinen, wäre der denkbar stärkste Schutz des PublicumS und der Butter gegen die böse Margarine geschaffen und es bedürfe keines weiteren. Aber weit gefehlt! Der tz 2 enthält noch eine ganze Menge von höchst kleinlichen, aber gerade deshalb für den Geschäftsmann und daS Publicum höchst unbequemen Vorschriften, welche zeigen, daß eS den Margarinegesetzgebern nicht darauf an gekommen ist, einen etwaigen Wettbewerb zu unterbinden, sondern vielmehr darauf, den Leuten die Margarine zu verekeln. Man lege sich einmal ernsthaft die Frage vor, was folgende Musterkarte von Vorschriften noch für einen Zweck haben kann, wenn einmal die Margarine das latente Färbungs mittel zugesetzt erhält und zweitens nicht in demselben Raum mit Butter verkauft werden darf. Da sollen zunächst Gefäße und äußere Umhüllungen, in denen Margarine feilgebalten wird, an in die Augen fallenden Stellen die nicht verwischbare Inschrift „Margarine", „Margarinekäse", „Kunstspeisefett" tragen. Außerdem sollen diese Gefäße mit einem stets sichtbaren, bandförmigen rothen Streifen versehen sein, welcher bei Gefäßen bis zu 35 cm Höhe mindestens 2, bei höheren mindestens 5 cm breit sein muß. Ferner soll beim Verkauf von Margarine in ganzen Fässern oder Kisten die erwähnte Inschrift den Namen oder die Firma des Fabrikanten, sowie seine Fabrikmarke enthalten. Im Einzelverkauf aber soll Margarine an den Käufer nur in einer Umhüllung abgegeben werden, auf welcher wieder daS Wort „Margarine" mit dem Namen oder der Firma deS Verkäufers angebracht sind, sofern aber der Verkauf in regelmäßig geformten Stücken stattfindet, sollen diese Würfel form haben und muß ihnen die Inschrift „Margarine" oder „Margarinekäse" eingepreßt sein. Es hätte nur die Vorschrift gefehlt, daß die Hausfrau die Margarine auch mit dem ihr gelieferten Einwickelpapier auf den Tisch bringen und daß diese« mitgegesscn werden müßte oder daß auch die Käufer von Margarine mit einem „rothen Strich" geschmückt werden sollten. Aber gerade diese für den angeblichen Zweck des Gesetzes ganz entbehrlichen Vorschriften zeigen, wie einseitig es gemacht ist. Schrieb man latente Färbung als sicheres Erkennungs mittel vor und ordnete man getrennte Verkaufsräume an, so hätte man logischer Weise nicht den Margarinehändler, sondern den Butterhändler verpflichten müssen, seinen Käufern eine Garantie zu geben, daß er Butter erhalten hatte und nicht etwa Margarine. Wenn Jeder in jedem Augenblick Margarine von Butter zu unterscheiden vermag, wenn das Erkennen auch bei etwa verbotener Weise vorkommenden Mischungen durch das latente Färbungsmittel möglich gemacht ist, wenn der Käufer hier nur Margarine und dort nur Butter kaufen kann, so wäre es doch eigentlich Sache des Butterhändlers, seinem Käufer durch Zuschriften oder Einwickelpapier zu sagen: Hier hast Du Butter! Denn nicht der Margarinehändler kann seinen Kunden durch Butter betrügen, sondern nur der Butter händler den seinen eventuell durch Margarine. Hielt man also solchen Schutz des PublicumS für notbwendig, was er ja keinesfalls ist, so hätte man den Butterhändler anhalten müssen, seinem Käufer beim Verkauf noch extra durch die Inschrift deS Einwickelpapiers zu versprechen: DaS ist Butter! damit er im Betrugsfalle desto leichter und sicherer gefaßt werden könnte. WaS eS aber bezwecken soll, daß der Margarinehändler noch ausdrücklich versichern soll, er verkaufe Margarine, ist gar nicht zu verstehen. Was es in der That herbeisübren wird, werden die Väter deS Gesetzes bald genug erfahren: Wie viel sie dem „Mittelstände" auch versprechen mögen, eS wird wie Spreu vor dem Winde verfliegen vor dem Hinweise auf das Margarinegesetz, das nicht für den Mittelstand, sondern gegen ihn gemacht ist, so weit er des Verbrechens schuldig ist, Margarine zu genießen oder gar zu verkaufen. Deutsche- Reich. 6. LI. Berlin, 10. Juni. Der von der DiSciplinarkammer für die Schutzgebiete seines Amtes entsetzte und theilweise zur Tragung der Kosten verurtheilte Reichscommissar z. D. vr. Karl PeterS hat bekanntlich gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Das gleiche Rechtsmittel Hal nun aber auch, wie sich aus dem gestern erfolgten Aushang an der Gerichtstafel der DiSciplinarkammer im Kammergerichls- gebäude ergiebt, der Vertreter der Staatsanwaltschaft Geh. LegationSrath Hellwig ergriffen, welcher seine Be rufung folgendermaßen rechtfertigt: „Nach Ansicht der Staats anwaltschaft ist, sofern sich daS gegen einen Beamten ein geleitete DiSciplinarverfahren auf eine Mehrzahl von Pflicht verletzungen bezieht, im Allgemeinen davon auszugehen, daß das dienstliche Verhalten des Beamten, wie es sich nach der Gesammtheit seiner Handlungen darstellt, nicht aber eine Reihe selbstständiger Dienstvergehen den Gegenstand ter Anschuldigung bildet. An sich wird hiernach in ter durch das Rechtsmittel des Angeschuldigten eröffneten Berufsinstanz, auch wenn von Seite der Staatsanwalt schaft kein Rechtsmittel eingelegt wäre, die Möglich keit gegeben sein, auf eine abweichende Entscheidung hin sichtlich derjenigen Anklagepuncte hinzuwirken, bezüglich deren die DiSciplinarkammer eine Verletzung der Amtspflichten nicht angenommen hat. (A. d. R.: nämlich bezüglich der Hinrichtung der Negerin Iagodjo und der Auspeitschung von 3 Negerweibern.) Im vorliegenden Falle ist jedoch die Tis- ciplinarkammer bei ihrer Entscheidung von einer ablehnenden Auffassung geleitet worden. Die Entscheidung erklärt: „in soweit der Angeschuldigte verurtheilt ist", ihn auch für schuldig, die baaren Auslagen des Verfahrens zu er statten. Damit ist die in den Gründen der Entscheidung näher dargelegte Auffassung auSgedrückk, daß dem An geschuldigten eine Mehrheit von Dienstvergehen zur Last ge legt sei, und daß nur im Hinblick aus einen Theil derselben die Verurtheilung erfolge. Alsdann würde aber der Ent scheidung der DiSciplinarkammer bezüglich der Anklagepuncte, bei denen eine Pflichtenverletzung nicht angenommen wurde, die Bedeutung einer Freisprechung zukommen. Unter diesen Umständen hat auch seitens der StaatSanwaltschast Be rufung eingelegt werden müssen, und es wird unter Aus rechterhaltung des gesammten Inhalts der Anschuldigungs schrift beantragt: in Abänderung des UrtheilS der DiS ciplinarkammer dem Angcschuldigten die sämmtlichen, durch daS Verfahren erwachsenen baaren Auslagen aufzuerlegen." * Berlin, 10. Juni. Die „Statist. Corr." beschäftigt sich mit der Zahl der „stehenden" Eben in Preußen und findet dabei, daß entgegengesetzt einer weil verbreiteten Meinung gegenwärtig mehr Personen zur Ver- Ferrilletoii. Erste Internationale Kunstausstellung in Dresden. IV. s Zu den interessantesten aller Säle der Ausstellung ge hört der am Westende deS rechten Seitenflügels gelegene große Saal, der von den Werken der Worpsweder Maler beherrscht wird. Es ist kaum zwei Jahre her, daß die größere Oeffentlichkeit von diesen Künstlern gehört hat, die, fern von dem Treiben der Stadt, in einem weltentlegenen Dorfe im innigsten Zusammenhang mit der Natur nur ihrer Kunst leben. Wie diese Natur geartet ist, davon erzählen ihre Bilder beredter, als es die Feder vermag. Man lernt an ihnen die Natur mit neuen Augen sehen, der Blick für die Farben, für die Lufttöne verschärft sich, und so nimmt auch Der, der keines dieser Bilder zu erwerben vermag, von der vorübergehenden Betrachtung etwas Dauerndes für sich mit, daS ihn bereichert. DaS gerade ist ja der eizenthümliche Zauber echter Kunst, daß sie unS mit neuen Mitteln der Genußfähigkeit, der Empfäng lichkeit ausrüstet und unsere LebcnSenergie steigert. ES liegt etwas Kraftvolles, etwas Männliches und Gesundes in der Kunstübung dieser Worpsweder, die, indem sie sich so mancher gepriesener Segnungen der Cultur in dem zwischen Bremen uud Hamburg einsam gelegenen Dorfe beraubten, sich und der Mitwelt ein neues gewannen. Nichts von dem weich lichen Zuge scheuer, in sich zurückflüchtender Vereinsamung, nichts von sentimentalem Naturidyll liegt in ihren Werken, dafür rin freies, frisches AuSleben, etwas wie ein Kämpfen und Ringen mit der Natur, daS nicht rastet, bis sie sich in ihrer Größe und Fülle ergeben hat. Ein kraftstrotzendes Werk in seiner breiten und kühnen Vortragsweise ist HanS am Ende'S „Regenbogen"; ist zwar dieserLichtphänomen körperlicher wiedergegeben, al« r« gut ist, und das schwierige Experiment kaum als gelungen zu bezeichnen, so sind doch die im feuchten Hauch deS Regens nach schwüler Sommerhitze aufathmenden, von treibendem Leben quellenden Kornfelder, die erfrischten, feucht glänzenden Wiesen ein Meisterwerk unmittelbar wirkender Wiedergabe einer Naturstimmung. Nur wenig hinter diesem Werke stehen die Bilder „Maiwetter" und „Herbstsonne" zurück. Einen fast monumentalen Eindruck gewährt Karl VinnenS, des Begründers der Worpsweder Künstler vereinigung, in hohem Format gehaltenes Bild „Ruhe". Mächtige Baumstämme ragen wie Säulen empor, so stark und knorrig, als vermöchte sie kein Sturm zu rühren; dazu dunkle Tannen, ein tiefblaue- Wasser, weiße Wölkchen auf sattem blauen Himmel, ein Bild von ernster, schlichter Größe. Einen Hellen, freudigen Farbenaccord schlägt Otto Mode«- sohn'« „Herbstmorgen am Moorcanal" an, daS den Zauber der Flachlandschaft in ihren heiteren, sonnigen Tönen enthüllt. Die klare Luft in diesem Bilde, das durch eine sich in der Fern« verlierende Reihe von weißleuchtenden Birken eine außer ordentliche Tiefe empfängt, scheint zu leben, jene« Leben, das flimmerndes Licht und leise bewegte Luft athmen. In dem Bilde „Da« alte Hau«", da« die königl. Gemäldegalerie an- gekauft bat, versucht sich ModeSsohn mit Glück in der Ab tönung dunkeler Farbrnwertbe. Ein Bild deS Dorfes Worp-wede gewinnt man aus Heinrich Vogeler'S Bilde „Wintermärchen", ein« Schneelandschaft im röthlichen Lichte der Abendsonne, und mit den drei Männern, die als heilige drei Könige die Kinder deS Dorfes zu erfreuen kommen, von gemüthvoll-behaglicher Stimmung. Zu den besten Werken der ganzen Ausstellung zählen Fritz Overbeck's Land schaften, von denen wir der „Im Vorfrühling" betitelten vor der ebenfalls hervorragenden „Der Moorgraben" den Vorzug einräumen möchten. Den tiefsten und bleibendsten Eindruck aber wird jeder Besucher dem großen dreitheiligen Bilde Fritz Mackensen's „Trauernde Familie" verdanken und dem Preisrichterausschuß, der ihm die 1. Medaille verlieh, von Herzen zustimmen. DaS Mittelbild zeigt in einer Bauern stube ein kleines Mädchen aufgebahrt. Auf dem Gesichtchen ruht Friede. Um das Kind stehen die Alten in stummem Schmerz, einfache, schlichte Gestalten, Menschen, welche die Arbeit beten gelehrt hat. An sie schmiegen sich die Kinder, dem Unbegreiflichen scheu, verwundert, furchtsam zusekend. Zur Linken des Mittelbildes sieht man das Grabdenkmal, einen schmucklosen Stein; er verschwindet halb im Schnee; im Hintergründe liegt das Bauernhaus. Man fühlt, aus auS seinen erleuchteten Fenstern blicken traurige Augen, Augen, in denen das Mitleid mit dem Kinde wohnt, das nun stumm und verlassen unter dem Schnee ruht. Aber das Gebet des gläubigen Gemüthes wirkt Wunder. Ein Engel in weißem Gewände ist gekommen; er hat das Kind sanft in seine Arme genommen, und aus dessen ruhigem, heiterem Blicke lesen wir, daß es sich geborgen weiß im Traume von der Heimath, der es nun zugetragen wird. Diese Scene schildert daS Bild zur Rechten. Aus dem Ganzen aber weht ein tiefer und großer Ernst; die Situation ist in ihrer ganzen Empsindungsfülle ausgeschöpft und ausgestaltet worden, ohne Sentimentalität, ohne Weichheit, herb, wahr, und doch mild und versöhnend, erfüllt von dem Geiste einer echten Reli giosität, wie sie z. B. Uhde noch in keinem Bilde so zum Ausdruck gebracht hat. Es ist auf das Lebhafteste zu be dauern, daß dieses nach Form und Gehalt hockbedeutende Werk nicht für die königliche Gemäldegalerie erworben worden ist. Mit den WorpSwedern theilen sich hauptsächlich nur Dresdener in diesen Saal. Die eigentliche Ausstellung aber der D r e S d e n e r K u n st findet sich in dem West-Saale de« Hauptgebäudes und in dem daran stoßenden Seiten- cabinet. DaS Gesammtbild dieser Ausstellung ergiebt den erfreulichen Beweis, daß daS künstlerische Leben in Dresden in lebhafter Aufwärtsbewegung begriffen ist und daß man eS wohl wagen kann, mit seinen Ergebnissen in den Wett bewerb mit der Malerei deS In- und des Auslandes zu treten. Jwnerhalb aber der Dresdener Kunst, deren Leistungen auf dem Gebiete der Plastik wir später besprechen werden, ist die alte und die neue Richtung vertreten. Man ist hier deu älteren Künstlern sogar sehr weit entgegen gekommen nnd hat z. B. von Leon Pohle, dem gefeierten Portraitisten, zwei weltbekannte Bilder ausgenommen, die Bildnisse Torniamenti'S und deS Maler« Peschel, anerkannte Schätze der kgl. Gemälde-Galerie, der man sie um so weniger hätte entführen sollen, als wohl jeder Fremde mit dem Be such der Ausstellung auch den gerade jetzt besonder« lehr reichen der Galerie verbinden wird. Zudem ist Pohle aus der Ausstellung mit einem sehr feinen und liebens- würdigen Bildniß des Grafen Brühl vertreten. Ferd. Pau- wel« ist nar mit einem Galeriebild: Graf Philipp vom Elsaß im Marienhospital zu Ipern vertreten. Von der Ausstellung in Dre-den und in Berlin ist Franz Siebert « vortreffliche« Bildniß, Kniestück eine« Herrn, von ver blüffender Natürlichkeit der Haltung und von schärfster Charakteristik, Wohl bekannt. Von Paul Kießling'S fünf Bildnissen fesselt das Portrait Johannes Schillings in seiner bellen, klaren, kraftvollen Charakteristik außerordentlich. Be sonderes Wohlgefallen bei den Besuchern erregt aber sein Damenbildniß, eine Dame in Weiß von hohem Liebreiz der Erscheinung. Carl Bantzer'S Bildniß einer in Grün ge kleideten Dame fesselt namentlich als Farbenstudie. Das Knabcnbildniß (Pastell) von Wilh. Claudius gewinnt noch die Sympathien deS Beschauers im Fluge durch die Anmuth und die Unbekümmertheit des Dargestellten wie durch die zarte und feinfühlige Behandlung deS ColoritS. Bildnisse von Hugo Mieth (Dame am Spiegel), Ioh. Mogk, Felix Borchardt verrathen ausnahmslos ein tüchtiges Können. Neben der Portraitmalerei blüht in Dresden vor Allem die Landschaftsmalerei, und gerade auf diesem Gebiete finden sich auf der Ausstellung vreiswürdige und fesselnde Werke in reicher Fülle. Von der Landschaft aus geht die neue Be wegung in der Dresdener Malerei. In einem unweit der Stadt gelegenen lieblichen Grunde bei Goppeln versammelte sich Jahre hindurch eine Schaar von jüngeren Künstlern, aus deren Mitte später der Verein bildender Künstler, die sog. Dresdener Secession, entstand zu reger Arbeit. Motive aus dieser Gegend in den verschiedenartigsten Beleuchtungen, in den Stimmungen des Vorfrühlings, deS Hochsommers, des Spätherbstes, bildeten lange Zeit den Gegenstand ungezählter Studien und Bilder und enthüllten den Reiz der im Süden von der Stadt sich ausdehnenden Hochebene mit ihren Thälern, Gründen, lauschigen Büschen und in breiten Farbentönen sich streckenden Wiesen und Feldern. Die einfachen Motive wurden besonders bevorzugt, um der Behandlung der Farbe, dem Studium der Beleuchtung, der Luft um so intensiveren Fleiß zu widmen. Die Erstlinge dieser Arbeit wurden von Vielen mit einem Lächeln begrüßt, und fehlte eS auch nicht, wie überall, wo ein Neues versucht wird, an Irrungen und Uebertreibungen, so brach sich doch bald die Erkenntniß Bahn, daß in dem Neuen viel Gutes, Zukunftvolles, Echtes stecke. Inzwischen bat sich der Gesichts kreis derIung-DreSdener Landschafterei wesentlich erweitert, und schon aus einer Art Probeausstellung, welche die Secession im Frühjahr in Arnold'S Kunstsalon veranstaltete, sah man mit Freude die Früchte dieses vielseitigeren Bestrebens. Die Erwartungen, die damals rege gemacht wurden, sind nunmehr vollauf ir- füllt worden. An der Spitze der jüngeren Dresdener Land schafter stehen auch dieses Mal Paul Baum, Georg Ri tter und Georg Müller-Breslau. Paul Baum stellt fünf Landschaften aus; die Pröll-Hesser-Stiftung hat das Bild „Erster Schnee" für die königl. Gemäldegalerie erworben. Gefälliger als dieses in den Farben etwas stumpfe Bild sind die beiden Canalbilder, deren Farben sich jedoch erst von einem sehr fernen Standpunkt zu einem einheitlichen Gesammt- colorit vermischen. Zu diesen Bildern gesellt sich noch eine sehr bemerkenSwerthe Winterlandschaft nach einem belgischen Motiv. Georg Ritter ist mit einer ungemein duftigen, zarten Früblingslandschast in großem Hochformat vertreten, welche die königl. Gemäldegalerie erworben hat, ver sie durch die freudige Stimmung, die über ihr liegt, zur besonderen Zierde gereichen wird. Ein ernsteres Motiv zeigt Georg Müller-BreSlau: „Spätherbstlandschaft auS dem Riesen gebirge", die durch den Gegensatz deS GrünS, deS stumpfen Gelb deS Herbstlaube« und deS frischen Schnees auf den den Horizont begrenzenden Bergen ungemein lebendig wirkt. Auch dieses Werk kommt in die königl. Galerie. Von noch weniger bekannten Malern fallen Otto Kaule, von dem nament lich die Landschaft „Sommerabend" durch Frische und Un mittelbarkeit fesselt, ferner Oskar Zwin tsch er-Meißen und Anton Pepino auf. Von Zwintscher verdient besonders die Ansicht von Meißen, Blick von oben auf die rothen Dächer der Stadt, Beachtung, so sehr sich das Auge an das der Malerei bisher ziemlich fern gebliebene Motiv ge wöhnen muß. Eine heitere und sonnig gestimmte Frühlingslandschaft zur Zeit der Kirschbluth von Max Piet sch mann würde uns noch weit mehr gefallen, wenn nicht die drei singenden Mädchen einen fremdartigen Zug in das Bild trügen. Der selbe hat mit seiner an Böcklin erinnernden Genrescene „Frühlingsabendsonne" eines der reizvollsten Bilder der Dresdener Ausstellung beigesteuert. Der in den Aesten einer Birke bequem ruhende, flötenblasende Pan, die zu seinen Füßen im Grün sitzende, Blumen windende Nymphe ver rathen in der Stimmung und Beleuchtung ein reifes Können, das dem Beschauer zu behaglichem Genüsse einladel. Hans Unger hat eine virtuos gemachte Landschaft „Lenz sturm" ausgestellt, fordert aber das Interesse vor Allem durch seine in der Farbe glänzend behandelte Muse heraus, eine Gestalt, im grünen Gewände, mit vom Sturm ge peitschten schwarzen Haaren, die sich durch eine Harfe als Muse legitimirt. Der Kopf mit den starren, glänzenden schwarzen Augen ist übrigens auf früheren Bildern Unger's schon bemerkt worden. Als Ganzes verblüfft das Bild, ohne dauernd zu fesseln. Zu den interessantesten Bildern gehören Max Arthur Strensel'S Interieurs. Das eigenartigste von ihnen ist ohne Zweifel das Heim eines Junggesellen, von außerordentlich leuchtender Kraft der Farben, was nm so mebr hervorzuheben ist, als der Innenraum von außen nur spärliches Licht empfängt. Fast die gleichen feinen malerischen Eigenschaften bekunden die Interieurs in Grün und Blau. Mil einer ganzen Reibe glänzend gemalter Interieurs ist der um dic gesammle Ausstellung als Vorsitzender des Comitös hoci verdiente Prof. G. Kuehl vertreten, Interieurs, welche die intime Kunst des Meisters auf» Neue in Helles Licht stellen. Mit dem großen dreitheiligen Bilde auS dem Lübecker Waisenhaus, das die königliche Gemälde-Galerie erworben hat, wird man sich jedoch trotz der virtuosen Technik insosern nicht ganz einverstanden erklären wollen, als die Drei theilung eines kaum reich zu nennenden Stoffes doch etwas anspruchsvoll erscheint. Der Raum zwingt uns, unsere Rundschau über die Dresdener Gemälde abzukürzen. Wir müssen uns daher begnügen, auf Emil Glöckner'« großes Herbstbild, ein Zug von Landleuten in anti kisirenden Gewändern, auf Richard Scholz' großes, an ein bekanntes Bild Herkomer'S erinnerndes Gemälde „Der Gemeinderath in seinem Dorfe", auf seines Namens vetter« Walther Scholz' grell beleuchtetes Bild einer in leichtem NegligS träumenden Dame, auf Moritz Heidel'» „Meisterpredigl", ein Geistlicher arbeitet im Garten angesichts eines Regenbogen« an einer Predigt, auf Hermann Prell's „Ruhe auf der Flucht" (Eigenthum des Breslauer Museum« j, auf Preller'« „Landschaft au« dem Hochgebirge" kurz aus merksam zu machen. Auch Lährig'S „Arbeiter an der Straße", H.Behrens' anmuthigeGenrescene „Furioso", ein Mädchen, auf dessen Rücken ein ausgelassener Amor reitet, verdienen genannt zu werden. Der große Leipziger Meister Max Klinger ist leider hier nur mit zwei älteren Werken vertreten, mit der „Quelle", einer plastisch modellieren Weib licken Figur, an der da» dunkelbraune Colorit deS Fleffcbes stört, und mit den „Wegelagerern", die einen Herrn auf der Straße abfangen. Beide Bilder sind durch Radirungen in weitesten Kreisen wohl bekannt.
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