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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970720023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-20
- Monat1897-07
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Miquel bereits bekannt, als er am verflossenen Donnerstag in Solingen seine vielbesprochene Rede hielt. Daß er die Eingabe mit keiner Silbe erwähnte, mag sich daraus erklären, daß er die in dem Schriftstücke enthaltenen Angaben noch nicht hatte prüfen können und um so weniger die Neigung empfand, zu seinen Hörern über einen ihnen noch unbekannten agrarischen Vorstoß zu sprechen. Jedenfalls kann aus seinem Schweigen über die Eingabe »och kein Schluß auf seine Stellung zu ihr gezogen werden. Charakteristisch abep ist es für die Unterzeichner des Schriftstückes, daß sie dieses unmittelbar nach dem Bekanntwerdeu der Rede des neuen Vice- präsidenteu des preußischen Staatsministerinms ver öffentlichten und dadurch den Anschein zu erwecken suchten, als ob aus jener Rede die Antwort dieses Ministers auf die Eingabe bereits herausgelescn werden könnte. Und noch charakteristischer ist die Thalsache, daß das Organ des Bundes, die „Deutsche Tageszeitung", an den Wortlaut der Eingabe die Bemerkung knüpfte: „Sollte das leise wieder aufkeimende Vertrauen noch mals getäuscht werden, dann dürfte es nur sehr schwer wieder Wurzel fassen." Herr vr. v. Miquel wird nicht im Zweifel darüber sein, wem diese Provocalion in erster Linie gilt. Auch ohne sie ist es Aufgabe der Reichs- und der preußischen Staatsregierung, die Ein gabe zu beantworten, und wenn auch die Autorität der Berliner Bundesleitung sich nur auf einen Theil der deutschen Landwirthschaft erstreckt, so kann Loch die gesammte Landwirthschaft, der ohne allen Zweifel der Absatz ihrer Produkte erschwert ist, mit Fug und Recht verlangen, daß sie auch von amtlicher Seite darüber auf geklärt wird, ob die Behauptungen der Eingabe des Bundes vorstandes richtig sind oder nicht. Da der preußische Landtag in oieser Woche wieder Zusammentritt, so ist, falls der Ministerpräsident verhindert ist, sein Stell vertreter „der Nächste dazu", die Eingabe zu beant worten. Thut er das nicht aus eigenem Antriebe, so sind die Herren von Ploetz und vr. Habn als Mit glieder des Abgeordnetenhauses in der Lage, Herrn I)r. v. Miquel direkt aufzufordern, „Farbe zu bekennen". Sollten sie wider Erwarten keine Neigung haben, die Ge legenheit zu einer direkten Provokation des Finanzministers zu benutzen, so finden sich wohl andere Mitglieder des Hauses, die im Interesse entweder der Landwirthschaft, oder des der Boycottirung des deutschen Getreides beschuldigten Handels die Sache zur Sprache bringen. Herr vr. v. Miquel wird sich dann der Pflicht nicht entziehen können, an einem kon kreten Falle zn zeigen, was er sich bei dem Satze gedacht hat: die landwirthschaftlichen Distrikte hätten wenig Aussicht, durch eigene Kraft in ihrer schwierigen Lac;e Wandel zu schaffen, ohne Bestimmung des Grades der Hilflosigkeit und ohne Bezeichnung der Art der möglichen staatlichen Hilfe. Daß gegenwärtig in Süddcutschlan- eine starke, dem Reichsgedanken nicht förderliche Verstimmung herrscht, ergiebt sich aus einer ganzen Reihe von Symptomen, und wenn auch die Sprache, in Weicker der „Fränk. Kur." die Gründe dieser Verstimmung darlegt, zu sehr an Herrn Eugen Richter erinnert, um in ganz Süddeutschland als treffender Ausdruck der Volksseele anerkannt zu werden, so wird doch in weiten Kreisen anerkannt werden, daß das Blatt in der Sache selbst den Nagel auf den Kopf treffe, wenn es sagt: „Die sog. Reichsverdrossenheit ist nichts weiter als eine Ab neigung gegen die absolutistischen Neigungen, die an manchen Stellen in Berlin auftauchen und provocirt werden, eine Abneigung gegen den wild gewordenen preußischen Junker, eine Ab neigung gegen die Habgier, mit welcher sich die selbstsüchtigen Interessen in Preußen zur Geltung bringen, eine Abneigung gegen die Schamlosigkeit, mit der die Stcuergroschen der Armen zur Subventionirunq bankerotter Junker verlangt werden, eine Abneigung gegen die volksfeindlichen Triebe, die iu rücksichts losester Weise in der Behandlung der Militairstrafgesetz- novelle und in der preußischen Vereinsnovelle zum Ausdruck kommen. Früher hat man einmal von moralischen Eroberungen Preußens gesprochen. Der preußische Junker Köller-Plötzischcr Färbung wird nie moralische Eroberungen machen, am aller wenigsten in Cüddeutschland. Von dem Prävaliren der Ostelbier stammt die sog. süddeutsche Reichsverdrossenheit her, die in Bayern ebenso wie in Hessen, in Baden ebenso wie in Württemberg und Elsaß-Lothringen zu finden ist. Man möge in Berlin bessere Politik machen und die Reichsverdrossenheit wird sofort gehoben sein." Wenn aber der „Fränk. Kur." ferner meint, daß einer der wesentlichsten Gründe der Verstimmung in den bereits gestellten und den noch zu erwartenden Marineforde rungen liege, so darf man wohl zur Ehre der Süddeutschen annehmen, daß diese Auffassung nicht zutreffend sei. Gerade in vielen Kreisen Süddeulschlands herrscht ein sehr lebhaftes Interesse für die colonialen Fragen, und mit diesen Fragen steht die Marinefrage in engstem Zusammenhänge. Wohl mag es richtig sein, daß es dem von Ultramontanen und Radikalen mißbrauchten Schlagworte von den „uferlosen Flottenplänen" immer noch gelingt, auch in Süddeutschland gedankenlose Leute kopfscheu zu machen, aber jedenfalls ist die Hoffnung berechtigt, daß, wenn sich erst herausgestellt haben wird, daß die Flottenforderungen in diesem Jahre ebenso wenig uferlos sind, wie sie es im vorigen Jahre waren, auch in Süddeutschland für die Erhaltung und angemessene Vermehrung der Flotte ein klares Verständniß aufgehen werde. Gerade in Süddeutschland hat man guten Grund, zu wünscken, daß Deutschland im Auölande kraftvoll auftreten kann. Man erinnere sich nur, welche Genugthuung man in Süddeutsch land empfand, als die deutsche Diplomatie den gehässigen Angriff des Staatösecretairs Olney gegen das Kissinger Gericht wegen der Verurtheilung des berüchtigten Herrn Stern mit Würde und Energie zurückwies. Ein bayerischer Gesandter hätte für die energische Haltung gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten nicht den soliden Rückhalt gehabt, den der deutsche Botschafter hatte. Darum hat auch Süddeutschland ein sehr lebhaftes Interesse daran, daß dem deutschen Reiche dieser Rückhalt gewahrt und gekräftigt wird, und dies um so mehr, als Hundert tausende von Süddeutschen in fernen Ländern wohnen, wo sie im schlimmsten Falle nur ein entsckiedenes Auftreten einer kräftigen deutschen Flotte wirksam schützen kann. Da» in den Niederlanden auf politischem Gebiete sehr einflußreiche „Algemeen Handelsblad" zu Amsterdam übt an der Flugschrift „Die alldeutsche Bewegung und die Niederlande" von Fritz Bley eine sehr wohlwollende Kritik. Von einem Wirthschaftsbündniß zwischen Deutschland und denNie verland en ist das Blatt höchst ein genommen, sofern die Niederlande ihr Freihandels-System nicht aufzugeben brauchen. Es behauptet ferner: „Im Tausch gegen die Zölle könnten wir Reduktion der Eisenbahnfrachten und der Wasserstraßenzölle im Interesse des deutschen Transithandels anbieten." Ein politisches Bündniß weckt bei dem Blatte mehr Bedenken, da die Niederlande sich an den Gedanken, „neutral zu bleiben", seit Jahren gewöhnt haben. Dock verbürge ein solches Bündniß die Sicherheit und Selbstständigkeit des Landes mehr, als eine unsichere Neutralität. In jedem Falle müsse Deutschland den Niederlanden Unterstützung zu Land und zur See verbürgen, falls letztere mit England in colonialen Fragen zusammenstoßen. Dann müßten die niederländischen Häfen für deutsche Kriegsschiffe offen gestellt und es müßte auch gestattet werden, hier deutsche Truppen einzuschiffen, falls Deutschland durch die südafrikanische Frage mit England in einen Krieg verwickelt werden sollte. Zum Zustandekommen eines solchen Bündnisses müßte die ganze auswärtige Politik radikal umgemodelt werden und auch der Volksgeist mit wirken. Eine Vereinigung zur Förderung eines ökonomischen und politischen Bündnisses könnte in diesem Sinne Vor arbeiten. Schwer zu überwinden sei der Unterschied in der Sprache. Das Blatt stellt zum Schluffe die folgenden Fragen zur Beantwortung: 1) Würde die große Ausdehnung der nieder ländischen Colonien mit Rücksicht auf die Einwanderung durch ein großes Hinterland als Alimentation nicht gewinnen? 2) Würden Handel und Gewerbe durch ein ökonomisches Bündniß, demzufolge die vielen Verkehrshindernisse wegfielen, nicht prosperiren? 3) Würde die Sicherheit der Nation nicht besser durch ein politisches Bündniß als durch stricte Neutralität verbürgt werden? 4) Würde das Selbst bewußtsein von Niederländern und Deutschen nicht erhöht werden, wenn sie sich von einander gestützt fühlten? Die Voraussetzung der ernsthaften und gemäßigten französischen Blätter, daß die Thätigkeit der Pau ama- untersuchungscommission sich zu einer gehörigen Blamage auswachsen werde, ist iu mancherlei Hinsicht rasch genug in Erfüllung gegangen. Man erinnert sich, daß vor einigen Wochen der frühere Geueral- procurator Quesnay de Beaurepaire sich weigerte, vor der Commission zu erscheinen und Aussagen zu machen. Die radikale Presse spie Feuer und Flamme über diese Mißachtung der Commission und hätte am liebsten unser deutsches Zeug- nißzwangsverfahren auf Quesnay de Beaurepaire angewendet gesehen. Es ist indessen inzwischen eine geraume Zeit ver gangen, ohne daß man von irgend welchen Maßnahmen, die den Entschluß Quesnay's hätten erscküttern können, gehört hätte. In der letzten Zeit sind aber kur; hintereinander zwei weitere erhebliche Blamagen über die Commission hereingebrochen: 1l die Vernehmung des früheren Justizministers Ricard, 2) die Demüthigung durch Cornelius Herz. Herr Ricard ist selbst in der Panamaangelegenheit unangenehm compro- mittirt, weil cs feststeht, daß er als Justizminister privatim einen Geheimagenten beauftragte, in der Panamaaffaire Erhebungen zu machen, durch die Herr Ricard seine politischen Gegner, die Conservativen und die Klerikalen, zu compro- mittiren hoffte. Trotz dieser compromittirenden Thatsachen ist er vor der Commission sehr unverfroren aufgetreten und hat wörtlich gesagt: „Ich habe schon vor meiner Minister schaft gewußt, daß Baron Cottu Dokumente besitze, durch 91. Jahrgang: die die ganze Rechte und ein erheblicher Theil der Geistlichkeit in der Panamaaffaire compromittirt seien." DaS Unerhörte ist nun, daß, obwohl eine Anzahl von Mitgliedern der Rechten iu der Commission sitzt, sich Niemand fand, der von Herrn Ricard verlangt hätte, er solle seine ungeheuerliche Behauptung entweder beweisen oder zurücknehmen. Der der Rechten nahestehende „Figaro" ist mit Recht über diese Haltung der conservativen Mitglieder der Commission entrüstet uud fragt höhuisch, ob die Mit glieder der Rechten der Commission sich durch die Bedeutung des Herrn Ricard als früheren Justizministers so hätten imponiren lassen, daß sie völlig auf den Mund gefallen wären. Der Grund der Schweigsamkeit der Mitglieder der Rechten ist allerdings Wohl ein anderer. Es mag sein, daß Herr Ricard zunächst für seine Behauptung keine genügenden Be weise hatte, aber wenn er ins Gedränge gebracht würde, würde er sich vielleicht mit Erfolg bemühen, Beweis mittel zu finden, durch die zwar nicht die ganze Rechte — denn die Unsinnigkeit dieser Behauptung leuchtet ohne Weitere« ein —, aber doch ein erheblicher Theil der Rechten compromittirt wäre. Erinnert mau sich, daß den Conservativen die ganze Wiederaufnahme der Panamaangelegenheit höchst fatal war, obwohl zunächst pur Mitglieder der Linken compromittirt erschienen, so kann man sich denken, daß die Rechte nicht all ihre Mitglieder frei von Schuld und Fehde weiß. In jedem Falle aber ist es eine Blamage nicht nur für die Rechten, sondern für die ganze Commission, daß ein Mann in der angesehenen Stellung eines früheren Ministers eine unerhörte Behauptung auf stellen darf, ohne daß sofort dazu übergegaugen wird, diese Be hauptung auf ihre Wahrhaftigkeit zuprüfen. Noch schlimmer, weil mehr in die Oeffentlichkeit tretend, ist aber die Blamage mit Cornelius Herz. Es war schon compromittirend, daß zwei durch das Loos gewählte Mitglieder der Commission rigens nach England hinüberfahren mußten, um iu eine Audienz bei dem Ehrenmanne Herz die Echtheit eines Briefes, in dem er große Enthüllungen angeküudigt hatte, sestzustellen, uud es ist eine noch größere Blamage, daß am nächsten Donnerstag die gesammte Commission dir Reise über de« Canal zu Herz an treten wird. Denn die Herren laufen Gefahr, daß Herz je nach seiner Laune sie entweder einfach wieder fortschickt, lchne ihnen etwas zu sagen, oder sie nach seinem Belieben anlügt. Daß die Commission sich auf diese Reise zu Herz einläßt, ist ein Zeichen der Feigheit. Sie fürchtet sich nämlich davor, daß man ihr im Lande vorwerfeu könne, sie wolle die Wahrheit nicht ermitteln. Die Angst vor den Äußerungen der öffent lichen Meinung ist also hier, wie so ost in Frankreich, der Grund zu Maßnahmen, die ihre Berechtigung in sich nicht haben u»d der Würde derjenigen, die die Maßnahmen auS- führen, erheblichen Abtrag thun. Denn darüber muß man sich im Klaren sein, daß, wenn, wie zu vermuthen ist, die Commission ohne Ergebnisse von der Reise nach England zurückkehrt, nicht nur sie, sondern daS ganze Parlament — denn sie ist ja gewissermaßen al» Elite des Parlaments auS allen Parteien gewählt worben — in den Augen ganz Europas unsäglich blamirt ist. Londoner Blätter verzeichnen die Nachricht von dem bevorstehenden Zusammentritt einer Delagoa-Eonferenr, die in London tagen, rein privaten Charakter haben, von eng lischen und portugiesischen Delegirten beschickt werden und eine durchgreifende Regelung der englischen und portugiesischen Ostafrika-Interessen anstreben soll. Welcher Art diese Interessen auf englischer Seite sind, ist bekannt, und es kann Feuilleton» Nanny Trauner. 24f Roman von C. Schroeder. Nachtruck verboten. „Jawohl", nickte sie freudestrahlend, „eines Morgens — da war's gerade, als ob's von ihm gegangen wäre mit dem Scklaf. Schon wie er seinen Kaffee trank, merkte ich's, daß er mich so ein bischen verwundert von der Seite ansah und plötzlich fubr's ihm heraus: „Ja, was thu ich denn eigentlich hier, Dir Dein bischen sauer erworbenes Brod aufzuessen, Mutter?" Ich sagte ihm, daß ich nur zu froh wäre, ihn bei mir zu haben, aber er schüttelte immer wieder den Kopf, als ob er's gar nicht fassen könnte und bestand darauf, daß er nun gleich fort müsse, sich eine Stelle zu suchen. Da bei Linz herum hätte er einen guten Freund, der würde ihm schon helfen. Und er hat ihm geholfen, Fräulein Nanny — ja, denken Sie sich's nur — bei dem Baron Kutzleben auf Eulenburg hat er ihm eine Stelle verschafft als Reitknecht!" Ich freute mich mit der armen Frau und drückte ibr die Hand, doch indem ich's that, fuhr rS mir durch den Sinn: „Nun kann sie also ganz ungefährdet im Walde herumgehen — schade!" Als hätte ich damit einen Mord begangen, so erschrak ich gleich hinterher vor dem Gedanken. Ich that mein Mözlickstes, ihn loS zu werden, und ward ihn auch loS. Aber heute Morgen, als sie mich so ansah, da war er plötzlich wieder da und ich hielt und hegte ihn die ganze Wilhelmstraße hinunter. Mein Fuß trat trotzig den Boden, mein Herz klopfte, meine Wangen glühten in einer Weise, die Wohl auffallen mußte, denn em Herr stand lächelnd still und sagte mir etwa-, da- vielleicht schmeichelhaft war, aber nicht respektvoll. DaS brachte mich zur Besinnung. Entsetzt wich ich zur Seite und drängte mich in einen Menschenschwarm, der daS Fenster emes Kunsthändlers umlagerte. Nachdem ich mich mit einer raschen Kopfwenduug über zeugt hatte, daß der unhöflicke Mensch weitergegangen war, wollte ich mich auS dem dichten Knäuel wieder lösen, doch das ging nicht sogleich, und nun — halb ungeduldig, halb verwundert — suchte mein Blick den Gegenstand deS all gemeinen Interesses. Ei» große- Kunstblatt war cS da hinter dem Schaufenster. „Der Tanz der Salome", laS ich noch halb mechanisch, dann that mein Herz einen freudigen Schlag und der Zweck meines Ausganges war vergessen. Wer nun auch gehen mochte, ich blieb. Ich blieb noch, als Alle fort waren, stand da wie fest gebannt. ES war ja nur ein Stich nach seinem Gemälde und war doch wie ein Stück von ihm selber. AuS all' den Gesichtern da sprach er zu mir und mit den Augen des Jünglings am Ende der Tafel sah er mich an Sah er mich an? — Nicht doch, mit diesen Augen voll düster lodernder, herzverzehrender Leidenschaft war er ja bei der Salome! Und sie wußte es, die tödtlich schöne Zauberin — sie wollte eS auch gar nicht anders. Mit den funkelnden Blicken lockte, mit den weißen Armen winkle, mit den anmuths- voll behenden Füßchen tanzte sie ihm den wilden Liebesrausch, in das gräßliche Verderben hinein. „Nimm Dich in Acht", rief ich ihm im Geiste zu, „nimm Dich um Gotteswillen doch in Acht!" und wie er mich gar nicht hören wollte, da krallte sich die Eifersucht in mein Herz und ich hob die Hand in dem dunklen Gefühl, als müsse ich sie fortstoßen auS dem Bilde — die schlangengeschmeidige, schlangenfalscke Salome. Gerade in dem Momente aber rauschte es neben mir und eine freudig erregte Stimme rief: „Schnell, schnell, Mama! Sieh her! Ein vortrefflich — ein ganz vortrefflich auSgeführter Stich! Man vermißt die Farben kaum — nein, man glaubt sie vor sich zu haben, so fein nüancirt ist die Schraffirung! Uud damit wäre ein Weihnachtsgeschenk für mich gefunden. Wenn der Fritz noch einmal diScret bei Dir anfragen sollte, dann führst Du ihn hierher, Mamachen — verstanden?" Die Sprecherin wollte sich rasch nach der Mutter um wenden, stieß auf mich mit dem erstaunten Blick uud streckle mir beide Hände entgegen. „Nanny Trauner! Endlich einmal wieder!" Wirkliche Freude strahlte auS den braunen Augen der Gräfin Irma Wengheim, sie hatte, so schien es, die Backfisch freundschaft, die uns vor Jahren verbunden, noch iu an- geuebmer Erinnerung. Seit wann die» bei mir anders war? Seitdem Anna von Hellbronn mir von dem Maskenball erzählt hatte, auf dem dir Gräfin al- Spanierin, Professor Flemming als Minnesänger erschienen sei. Die Ver haßte! Ich traute ihr )ede böswillige Erfindung, jede beabsichtigte Lüge zu und doch — und doch — wie in'S Herz gebrannt hatten sich mir die Worte: Die Einen sprachen von lovs ut ürst sigbt, die Anderen meinten, daS Finden sei nur ein Wiederfinden gewesen, denn die Salome auf dem berühmten Bilde des Professors trage doch ganz unverkennbar die Züge der schönen Gräfin. Ganz unver kennbar? Ich selber fand eS nicht — ach! nein, ich fand in dem reizenden Gesichte, das sich so freundlich zu mir neigte, auch nicht einen einzigen Zug von der argen Salome. Aber — mein Blick war vielleicht nicht unparteiisch, ich sah viel leicht nur, was ich gerne sehen wollte? „Nein, waS für Mühe sie hat, meine Physiognomie in ihrer Erinnerung unterzubringen!" lachte Gräfin Irma. „Und Mama scheint sie überhaupt nicht mehr kennen zu wollen." Ich stammelte etwas von Ueberraschung — unerwarteter Freude — und beeilte mich, der alten Gräfin die Hand zu küssen. Dann erkundigten sich Beide noch recht liebenswürdig nach dem Onkel, nach der Tante, notirten sich meine genaue Adresse und verschwanden endlich grüßend und kopfnickend in der Ladenthür. Ich gina — nach einem letzten, langen Blick auf die Salome. „Keine Spur von Aehnlichkeit!" mußte ich mir wieder sagen, und beinahe zweifellos wollte mir« schon scheinen, daß Anna von Hellbronn gelogen, da — kam mir plötzlich in den Sinn, was bei unserem letzten langen Spazier gange zusammen der Onkel hatte fallen lassen von „vor nehmen Damen", die es famos verstehen — sollten, Professor Flemming die Cour zu machen. Den 29. December. Ob sie die vornehme Dame Wohl ist? Ich kann mir- kaum denken, denn sie scheint so echt weiblich und hat auch eine Gewohnheit, wenn sie bei uns ist, von Tantes Thron am Fenster auS nach ihrem „Vetter Fritz", dem Grafen Dohna, auSzuschaueu, und wenn dieser stattliche Gardelieutenant dann plötzlich spornklirrend hereinlritt und sie abholeu will, dann thut sie so fürchterlich überrascht und wird so verrätherisch roth dabei — nein, ich kann mir- wirklich kaum denken. Ich würde auch alle Eifersucht auf sie über Bord werfen und ihr so herzlich vertraulich entgegenkommen wie sie mir, wenn — wenn nur ihre Schwärmerei für das Bild nicht wäre. Sie hat es richtig zum Geschenk erhalten und gleich am Weihnachtsabend in ihrem Zimmer über ihrem Bette aufgehängt. Den 10. Januar. „Lebende Bilder, ein Tänzchen, möglicher Weise noch eine kleine Ueberraschung obendrein, und wenn Sie mich im Stiche ließen, Nanny — nun und nimmer vergäbe ich eS Ihnen!" So lautete Gräfin Jrma'S Einladung auf übermorgen Abend. „Aber ich kenne ja von den Gästen Niemand!" wehrte ich mich erschrocken. „Wenn es weiter nichts ist", lachte sie, „im Handumdrehen habe ich Sie bekannt gemacht." „Und ich passe so wenig in Ihre Kreise!" „Ha ha ha! Das klingt, als ob wir Könige wären — und wenn auch! Meinen Sie, daß dies Prinzeßcken sich nicht bei Hofe sehen lassen könnte, Frau Bezirksrichter?" Der Tante mochte vor der ihr mitdrohenden Ehre auch bange sein, denn sie stammelte kopfschüttelnd: „Ich weiß nicht, gnädigste Gräfin, aber — aber ich fürchte, Nanny ist mit einer passenden Toilette nicht versehen und bis übermorgen —" „Bah! über die Schwierigkeit wäre auch wegzukommen", meinte die Beharrliche. „Wir haben ungefähr dieselbe Fiaur und ich besitze Kleider genug. Darf ich Ihnen eines schicken, Nanny?" DaS war liebenswürdig von ihr, doch mit fremden Federn schmücke ich mich nicht gerne. Wenn sie denn gar keine Ent schuldigung gelten lassen wolle, sagte ich ihr, dann hätte ich wohl noch ein weißes Kaschmirkleid, daS vielleicht in Stand zu setzen wäre bis übermorgen. Den 14. Januar. * Nun liegt eS hinter mir wie ein Traum — schwer und froh, froh und wieder schwer. Ich batte die Ahnung, daß etwas geschehen würde an dem Abend. Schon wahrend deS Ankleiden- bekam ich Herzklopfen, und al» wir in dem Wrngheim'schen Palais aulangten, zitterten mir die Glieder so, daß ich mich kaum aufrecht halten konnte. Dazu sah ich gespenstisch au« in meinem Weißen Kleids — so gespenstisch, ich erkannte mich nicht, als ich mir in dem große« Spiegel auf dem ersten Treppenabsatz selbst entgegenkam. „Schneewittchen, wie sie leibt und leibt!" empfing mich oben Gräfin Irma. Aber reizend —.findest Du nicht, Fritz?" wandte sie sich an ihren Vetter, und der konnte höflichkeit-halber natürlich nicht „Nein" sagen. Darauf erfolgte die Vorstellung. Die Träger »nd Trägerinnen prunkvoller Namen verneigten sich — Eisige wohlwollend. Andere bvchmütbig. Alle eia bi«chen erstaunt — vor den plebejischen Eindringlingen. Aber da- bracht« mich nicht außer Fassung, davor hatte ich ja auch nicht gezittert. Ich that meine Schuldigkeit mit Knixea nach recht» und nach
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