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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970730013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897073001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897073001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-30
- Monat1897-07
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Juni 1850 datirte Instruction über den Waffengebrauch des MilitairS stattzefunden haben. Damals ist einstimmig von der Budgetcommisston und vom Reichstag eine Resolution angenommen worden, welche eine den veränderten Verhältnissen entsprechende Revision der Be stimmungen über den Gebrauch der Schußwaffen durch die Militairposten dringend verlangt. Diese Vorschriften gehen, so weit sie für den vorliegenden Specialfall in Betracht kommen, dabin: daß der Patroille „au« eigenem Recht" jeder Zeit „zur Vereitelung der Flucht bei Fluchtversuchen von Personen, welche als Gefangene zur Bewachung oder Transportirung an vertraut oder ergriffen und festacnommen sind", der Gebrauch der Waffen gestattet ist. lieber die Art und Weise des Wasfcngebrauchs giebt das Gesetz vom 20. März 1837 Auskunft, wonach das Militair von seinen Waffen insoweit Gebrauch zu machen hat, als es zur Erreichung des vor stehend angegebenen Zweckes erforderlich ist. Der Gebrauch der Schußwaffe, so sagt daS Gesetz weiter, tritt nur dann ein, wenn entweder ein besonderer Befehl dazu ertheilt worden ist oder wenn die anderen Waffen unzureichend er scheinen. Der Zeitpunct, wann der Waffengebrauch eintreten soll, und die Art und Weise seiner Anwendung „muß von dem handelnden Militair jedesmal selbst erwogen werden". Von besonderer Bedeutung aber ist dabei schließlich die Bestimmung: „Niemals kann der Soldat eine Ent schuldigung für die Nichterfüllung seiner Pflicht finden, wenn er nicht in dem angeführte» Fall zur Erreichung deö dort angegebenen Zweckes uöthigenfalls den gesetzlich bestimmten Gebrauch von seinen Waffen rechtzeitig und vollständig gemacht" hat, und die weitere in demselben Gesetz, wonach beim Gebrauch der Waffen so lange vermuthet wird, daß das Militair innerhalb der Schranken seiner Be fugnisse gehandelt hat, bis daö Gegentheil erwiesen wird. Der Aufforderung des Reichstages gegenüber blieb die Militärverwaltung zurückhaltend. Sie war damals im Reichstage durch Generalmajor von Goßler, den jetzigen preußischen KriegSminisier, vertreten, welcher erklärte, daß sich vom rein militärischen Gesichtspunkte auS die seit 55 Jahren bestehenden Bestimmungen über den Waffen gebrauch bewährt hätten. Eine wichtige Erweiterung — wenn sic auch nur als eine redaktionelle erscheint — hat in dessen inzwischen die Instruction doch erfahren, und zwar hinsichtlich der Bestimmung über den Transport Verhafteter, welche jetzt dahin lautet, daß von der Waffe Gebrauch gemacht werden kann, wenn bei Arretirungen, förm lichen Verhaftungen, vorläufigen Ergreifungen und Fest nahmen der bereits Verhaftete oder ein dem Militair zur Abführung oder Bewachung anvertrauter Gefangener ent springt oder auch nur einen Versuch dazu macht. Und in einer Klammer ist in die alte Instruction dann weiter ein geschaltet worden: Als verhaftet gilt erst dann eine Person, wenn derselben unter Handanflegen oder Berühren mit der Waffe ausdrücklich eröffnet ist, daß sie verhaftet sei. Der bloße Haltzuruf oder der Zuruf: „Sie sind arretirt oder verhaftet!" und dergleichen genügt nicht. Auch ist dem Ver hafteten sofort zu erklären, daß bei Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch gemacht werden würde. In dem Danziger Falle hat der Schlossergeselle Saremba die Folgen seines Fluchtversuchs selbst verschuldet. Die militairische Begleitung hat nicht anders handeln können, zumal da ihr kein Urtheil darüber zusteht, ob daS Vergehen des Arrestanten unbedingt seine Festhaltung im Jnteresie der staatlichen Sicherheit auf die Gefahr seiner Todtung nothwendig macht oder ob es sich um irgend ein gering' ügiges Vergehen bandelt. Ueberdies hat der betreffende Füsilir vergl. unten die Meldung aus Danzig. Red.) beim Abgeben des Schusses nach Möglichkeit Vorsicht geübt. Die militairischen Bedürfnisse für den Gebrauch von Schußwaffen und die darüber erlassenen Bestimmungen können somit in dem vorliegenden Fall vollständig außer Betracht bleiben. Worauf es ankommt, das ist die Ausführung mililairischer Arrestantentransporte durch Straßen, insbesondere zu Friedenszeiten und unter normalen Verhältnissen. Bei dem Gebrauch von Schußwaffen, nament lich des neuen MilitairgewehrS mit seiner Rasanz und Durch schlagskraft, ist eS dem bürgerlichen Empfinden nicht erträg lich, wenn zu dem Zwecke, die Festnahme eines die Gunst belebter öffentlicher Verkehrswege zur Flucht benutzenden Arrestanten zu erleichtern oder zu ermöglichen, die Vorüber gehenden der Gefahr um Leib und Leben ausgesetzt werden. Wir sehen von dem Eindrücke ab, den die Tödtung eines Menschen unter solchen Umständen auf die Augenzeugen und die nächstbetheiligte Bevölkerung macht, sowie von der Aus nutzung, die solche Vorkommnisse stets in der allen militairischen Einrichtungen principiell abgünstigen Presse erfahren. Ins besondere in größeren Städten, wo jede Hauptwache und Caserne telephonisch angeschlossen ist, ist es nicht zu viel ver langt, wenn die Gefangenentransporte durch die Stadt in der Regel in geschlossenen Wagen bis zum Arrestlocal bewirkt werden. Damit bleibt den gerechtfertigten Ansprüchen militairischer Einrichtungen, was ihnen zukommt, und allen unerquicklichen Erörterungen darüber, was der Bürger zu seiner Sicherheit beanspruchen kann, ist von vornherein ein Riegel vorgeschoben. Bei dem Entgegenkommen, das die Militairbehörden in der oben angeführten Erweiterung der Instruction bewiesen, wird sich auch leicht ein Weg finden, weiter Rath zu schaffen. Den Forst- und Jagdbeamten war bisher in Preußen der Gebrauch von Schußwaffen gegen fliehende Frevler un bedingt verboten. Verschiedene Vorkommnisse, auS denen sich ergab, daß durch dieses Verbot die Beamten in großen Nachtheil gegen die Frevler versetzt wurden und nicht selten in eine Gefahr geriethen, vor der man die Frevler geschützt batte, haben den Landwirthschaftsmiuister veranlaßt, dieses Verbot aufzubeben. Die Vorschriften aber, die er dafür er lassen hat, lassen erkennen, daß darauf Bedacht genommen ist, nicht nur lebensgefährliche Verwundungen der Fliehenden möglichst zu vermeiden, sondern auch Uubetheiligte thun- lichlt vor Gefahren zu schützen. Diese Vorschriften, die der Beachtung der Militairverwaltung zu empfehlen sind, lauten: „Beim Gebrauch der Waffe» müssen die Forst- und Jagdbeamten sich stets vergegenwärtigen, daß solcher nur soweit stattfinden darf, als die Erfüllung des bestimmten Zwecks, die Holz- oder Wilddiebe, oder die Forst- und Jagdcontravenienten bei thätlichem Widerstande oder ge fährlichen Drohungen unschädlich zu machen, es unerläßlich erfordert. In der Regel sind daher die Waffen nicht gegen fliehende Frevler zu gebrauchen. Legt indessen ein auf der Flucht befindlicher Frevler auf erfolgte Aufforderung die Schußwaffe nicht sofort ab, oder nimmt er dieselbe wieder auf, und ist außerdem nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles in dem Nichtablegen oder Wirderaufnehmen der Schußwaffe eine gegenwärtige, drohende Gefahr für Leib oder Leben des Forst- oder Jagdbeamlen zu erblicken, so ist letzterer auch gegen den Fliehenden zum Gebrauch seiner Waffen berechtigt. In jedem Falle sind die Waffen nur so zu gebrauchen, daß lebensgefährliche Verwundungen soviel als möglich vermieden werden. Deshalb ist beim Gebrauch der Schußwaffe der Schuß möglichst nach den Beinen zu richten und beim Gebrauch des Hirschfängers der Hieb nach den Armen des Gegners zu führen. Uebrigens muß beim Gebrauch der Schußwaffe die größte Vorsicht angewendet werden, damit durch das Schießen nicht dritte Personen verletzt werden, welche ohne Theilnahme an einer Contravention sich zufällig in der Schuß linie oder in deren Nähe befinden. In dieser Hinsicht ist besonders dann Aufmerksamkeit nöthig, wenn nach einer Richtung geschossen wird, in der sich eine Landstraße oder ein bewohntes Gebäude befindet. Auch ist der Gebrauch der Schußwaffe überhaupt in der Nähe von Gebäuden zur Ver hütung von Feuersgefahr möglichst zu vermeiden." Internationaler Eongrcß zur Besprechung der Betriebsunfälle und derArbeiterverficherung. m. 8. L U. Brüssel, 28. Juli. In der auch in der heutigen Sitzung weitergeführten Besprechung des staatlichen Versicherungswesens erklärt sich zunächst Nationalrath Favon (Bern) für einen warmen Anhänger einer obligatorischen staatlichen Versicherung nach deutschem Muster. Er ist der Meinung, daß sich die Welt Wohl über die Nothwendigkeit einer Versicherung einig sei. Wirksam werde die Versicherung aber nur ein, wenn sie durch den Staat obligatorisch durchgesllhrt werde. Gygot (Paris) spricht vr. Budiker den Dank der Privatgesell- chaften aus für das von ihm auf dem Gebiete des Versicherungs wesens Geleistete. (Beifall.) Redner hält eine Versicherung der Arbeiter für wünschenswert-; er würde den Vorschlägen Bödiker's aus vollem Herzen zustimmen, wenn er nicht befürchten müßte, daß man mit der Aufnahme dieses Systems dem Staatsfocialismus entgegengehen würde. (Zustimmung und Widerspruch.) Vor allen Dingen wäre eine Freiheit in den Cassen wohl nothwendig und deshalb trete er für die Privatvrrsicherung ein. Nationalrath Forrer (Bern) verweist auf das Hastpflichtgesetz in der Schweiz, das sich als ungenügend erwiesen habe, wenn auch ein guter Kern in dieser Idee enthalten sei: deshalb babe man sich entschlossen, zum Versicherungssystem überzugeheu. Er sei fest überzeugt, Laß bei der späteren Volksabstimmung der Gesetzentwurf, der gegenwärtig die schweizerischen gesetzgebenden Körperschaften beschäftige, allgemeine Zustimmung finden werde. Wenn man aber die ^rsicherungspflicht eiusühre und zugleich die Versicherung den Privatgesellschasten überwiese, so würde man diesen einen „fetten Bissen" zuweisen. Die weitere Folge würde sein, daß der Staat noch eine Nothcasse für die von den Privatgesellschasten zurückgewiesenen Versicherungspflichtigrn Anrichten müßte. Gegen den angeblichen „Zwang" hat Redner keine Bedenken; er srage, ob in der Haftpflicht nicht auch ein Zwang enthalten fei? Der Zwang werde im Interesse der ärmeren Bevölkerungskreise aus geübt. Wenn er die Wahl hälte zwischen der englischen zügellosen wirthschastlichcn Freiheit und der angeblichen Eajernirung durch das deutsche Versicherungswesen, so würde er das Letztere vor- ziehen. (Beifall.) Ed. Gould (London) steht auf dem Boden des Chamberlain'schen Gesetzes. Er erblicke in deinselben nicht, wie einer seiner Landsleute, einen Versuchsballon, sondern glaube, daß der Gesetzentwurf die Einleitung weiterer wirksamer Maßnahmen sein werde. (Betfall.) Nationalrath Comtesse (Bern): Das schweizerische Volk sei einmüthig für die obligatorische Versicherung. Ferdinand Vogts (Berlin) tritt nochmals den französischen Ein wendungen gegen die deutsche» Bersicherungsgesetze entgegen. Rosland (Marselle) und Director Matignon (Paris) sprechen sich gegen jeden Zwang aus, Oliver (New-Castle) ist Anhänger der Zwangsversicherung. Commerzienrath Frey (Mühlhausen) tritt der Ansicht ver- schiedener französischer und englischer Redner entgegen, daß die Versicherung eine Vermehrung der Unfälle zur Folge gehabt habe. Durch die Statistik lasse sich das Gegentheil beweisen. (Fortsetzung folgt.) Deutsches Reich. L2 Berlin, 29. Juli. Zu den Parteigebilden, denen man bisher mit Grund so gut wie gar keine Beachtung geschenkt hat, gehört die „Deutsche" Volkspartei in Bayern. Sie hat zwar — in einer Nachwahl — wieder einen Abgeordneten in den Reichstag gebracht, den merkwürdigen Herrn Conrad, aber die Partei selbst würde es als Ironie auffassen, wenn man agen wollte, sie hätte durch dieses Ereigniß an Be deutung gewonnen. Durch die tiefgehende Unzufriedenheit, die von Berlin aus genährt wird, hat aber selbst diese Partei eine gewisse Wichtigkeit erlangt, die eS rechtfertigt, daß man die Bundesversammlung erwähnt, die sie vor einigen Tagen in dem unterfränkischen Städtchen Neustadt a. d. Saale abgehalten hat. Sie trug einen durchaus particularistischrn Charakter. Bezeichnend für denselben ist, daß der be kannte Herr Quid de, ohne Widerspruch zu erfahren, neben der thatsächlichen Umgestaltung der bayerischen Militair- 'trasproceßordnung in ein Rrichsgesetz noch die Beibehaltung res obersten bayerischen MilitairgerichtshofeS forderte. Im Irbrigen war die Versammlung ausschließlich auf die bäuerlichen Wähler berechnet, denen unendlich viel ver- procheu wurde. Es liegt keine Veranlassung vor, auf die einzelnen agrarischen Forderungen einzugehen, nur möchten wir angesichts des blindwllthigen Ansturmes der preußischen Freisinnigen beider Richtungen hervorheben, daß die bayerische Demokratie keinen Anstand nimmt, Unterstützung des länd lichen Genossenschaftswesens für Real- und Personalcredit, owie für gemeinsamen Einkauf und Verkauf und dergl. zu verlangen. * Berlin, 28. Juli. Nachträglich scheint auch der „Kreuz zeitung" klar geworden zu sein, daß sie mit ihren spöttischen Bemerkungen über die unklugen „Demokraten", die daran Anstoß nehmen, daß einzelne Regimenter nur adligeOfsi- ciere besitzen, der Sache, der sie dienen will, nur wenig genützt bat. Aber es ist kein ehrlicher Rückzug. Das Blatt nacht allerhand verdächtige Winkelzüge, und es fügt Lenier ungen hinzu, die nur neues Oel ins Feuer gießen. Der Satz, „es ist doch wirklich zu ertragen, wenn ein oder bas andere Re giment nur adlige Officiere besitzt, es ist verhältnißmäßig barm- os, wenn diese Herren in ihren Casinos möglichst unter sich ein möchten", soll „klar und deutlich" aussprecheu, daß unter „diese Herren" nicht die adeligen, fondern die Officiere als folche verstanden waren". Mit Verlaub, daS besagt er nicht und kann er nicht besagen, weder dem Wortlaut, noch dem Sinne nach. „Diese Herren" kann nur auf die adligen Officiere bezogen werden. Die Worte auf die Gesammlheit der Officiere zu beziehen, hätte gar keinen Sinn. Niemand kann etwas dagegen haben, wenn sie sich in CastnoS zusammenthun,und damit entfällt auch der Hinweis auf die viel abgeschlosseneren (?) Künstlerkreise, Logenbrüderschaflcn rc. Hat denn Jemand die Forderung gestellt, daß die Officiere Beamte oder Kaufleute in ihre Casinos aufnehmen sollen? Nicht minder bedenklich erscheint es uns aber, wenn das Blatt seinen Ausführungen hinzusügt: Wir wünschen herzlich, daß unsere Officiercorps, adlige wie bürgerliche, nicht in der in Süddeutfchland be liebten Allerwelts-Kneipverbrüderung ihren Corpsgeist ver lieren möchten. Hier tritt also zu dem Versuche, aufs Neue zwischen einem adligen und bürgerlichen Officiercorps zu unterscheiden, der bedenkliche Hinweis auf die Aller- weltS-Kneipverbrüderung in Süddeutschland. Bon einem seiner Verantwortung sich bewußten und doch über die Stimmungen und Strömungen in Süddeutschland gewiß gleichfalls unterrichteten Blatte verstehen wir offen gesagt weder das Eine, noch das Andere. Wir wiederholen, wir wissen uns eins mit zahlreichen Officiere» bürgerlicher und adliger Herkunft, wenn wir öffentlich Widerspruch er heben gegen jeden Versuch, den Keim der Zwietracht i» unser Officiercorps hineinzutragen. Wir können aber auch nicht dringend genug warnen vor wegwerfenden Aeußerungen, wie die von der „in Süddeutfchland beliebten AllerweltS-Kneipverbrüdcrung", die eine jetzt schon vorhandene gereizte Stimmung nur noch verschärfen könnte. Der süd deutsche Officier mag im Verkehr eine andere Art, sich zu geben, haben als der norddeutsche; aber daß er im Kriege wie im Frieden den Rock seines Königs mit gleichen Ehren trägt, wie der norddeutsche, wird Niemand zu bestreiten wagen. Wir mochten auch nicht behaupten, daß dies im Terraincureu. Von vr. weck. Georg Korn (Leipzig). . Ita-truck verbot«». Professor Joseph Ocrtel, der im Alter von .62 Jahren soeben in München gestorben ist, hatte zwar die Hals- und Kehlkopfkrankheiten sich als Specialfach erwählt und ihm war 1876 die erste Professur für Halskrankheiten in Deutsch land übertragen worden; aber so bedeutend seine Leistungen auf diesem Gebiete waren, in weiteren Kreisen ist er durch seine Curmrtboden für Leiden der KreiSlaufSorgaue und des Stoffwechsels bekannt geworden. Viele Tausende ge denken heute dankbar dcS Urheber« der „Oertel - Cur", jener mechanisch - diätetischen Cur, die viele Herzleiden und Fettsucht bekämpft, hauptsächlich durch „Entwässerung", Ein schränkung der Flüssigkeitsaufnahme, Vermehrung der Wasscr- abgabe, Kräftigung des Herzmuskels durch zweckmäßige Ernährung, Bäder, und vor Allem durch Bergsteigen, so genannte Terraincureu. Seine neue Methode gab Oertel zuerst 1884 bekannt in einem Bande des großen Ziemßen'fchen Sammelwerkes, „Handbuch der allgemeinen Therapie." Aber er hatte sie damals schon neun Jahre lang praktisch erprobt. Ein schwerer Fall von Kreislaufsstörung bildete den AuSgangS- punct der ganzen Cur. Ein Arzt mit Rückgratsverkrümmung (wie eS heißt, Oertel selbst), der nach flott genossener Studentenzeit eine mehrjährige angreifende Praxi» zu ver sehen hatte, zeigte die schwersten Sraokheitserschcinungen. „Die erste vorliegend« Behandlung", so erzählt Oertel, „war selbst ein gewagte» Experiment, bei welchem der Experimen- tirende sein Leden einsetzte. In jenem Krankheitsfall war nicht mehr Zeit vorhanden, durch vorbereitende Unter- suchungen die Mittel zu finden, mit welche» die da» Lede» hart bedrohenden Störungen gehoben werden konnten, son dern nach bestimmten Ideen mußte rasch und kühn gehandelt werden, wenn man das Leben dcS Kranken erhalten wollte, daS Wie und Warum zu beantworten, konnte dann einer späteren Zeit aufbehalten werden." ES war somit umgekehrt, wie üblich, zuerst die Thatsache gegeben, und erst in den folgenden Jahren wurde die Art lbreS Zustandekommens auf experimentellem Wege festgestellt. Nachdem die auf theoretifche Schlüffe gegründete Methode praktisch auSgeführt war und die vorausgesetzten Resultate sich ergaben, konnten erst die in ihnen wirkenden Factoren einer genaueren wissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden, und daher sind die experimentellen Uuterfuchungen, aus denen jetzt die Methode beruht, jüngeren Ursprungs, als die Methode selbst. Oertel fußte bei seinem Vorgehen auf den grundlegenden Untersuchungen Pettenkofer'S und Voil'S über Ernährung und Stoffwechsel. Seine Methode bewährte sich im ersten Falle glanzend, und bald brachten weitere Erfolge die Be stätigung der ersten Erfahrungen, bis sie durch ihre Ver öffentlichung Gemeingut der gesummten Culturwelt wurde. Da« scharfsinnig ersonnene und sorgfältig geprüfte Heil verfahren, daS Oertel'S Namen trägt und von seinem Ur heber für die Behandlung von Krastabnahme des Herzen«, von ungenügender Ausgleichung bei Herzfehlern, von Fettherz, sowie von allgemeiner Fettsucht empfohlen wurde, zerfällt in einen diätetischen und in einen mechanischen Theil. Der erstere berücksichtigt einerseits den Ernährungszustand und Fettbestand deS Körpers und speciell des Herzens, andererseits die innerhalb der Blutgefäße und unter Umständen in über großer Menge auch außerhalb derselben in den Geweben befindlichen Flüssigkeitsmengeu. Er sucht durch eine sorg fältig geregelte Kostordnung den Eiweißbestand dcS Körper» zu erhöhen, etwaigen zu reichlichen Fettbestand zum Schwinden zu dringen und in geeigneten Fallen durch Verminderung der Flüssigkeit-zufuhr nicht nur die Herzarbeit zu erleichtern, sondern auch, wie Oertel nachgewiesen hat, unter Umständen die AuSscheiduna durch die Nieren zu steigern. Unter der Flagge der „Schweumger-Cur" ist dieser Theil der Oertel- Cur besonder« populär geworden. Die mechanische Behandlungsmethode stel.t sich die Aufgabe, die geschwächte Herzkraft zu erhöhen, erforderlichen Falles eine ausgleichende Vergrößerung herzustellen und die Stauungserweiterung innerhalb des Herzens zu beseitigen durch Verbesserung der Ernährung des Herzmuskels. Letztere wird von Oertel in derselben Weise hervorzurufen gesucht, wie erfahrungsgemäß die Vergrößerung und Verstärkung der SkelettmuSkeln zu Stande gebracht wird, nämlich (abgesehen von der genügenden Zufuhr von Nährstoffen) durch eine Gymnastik, die hier in der Auslösung zweckmäßig vermehrter und verstärkter Herzschläge besteht. Diese Herzgymnastik suchte Oertel nun durch daS methodische Ersteigen von Höhen und Bergen ins Werk zu setzen. Seine Untersuchungen gipfelten nämlich in dem Ergebnisse, daß unter der Einwirkung einer länger fort gesetzten Steigebewegung eine lang andauernde Erweiterung der Schlagadern, also auch der Kranzgefäße des Herzens, zum Theil unter Erhöhung deS Blutdruckes kommt. Hier mit muß eine erhöhte Zufuhr von Nährstoffen einhergeheu. Zugleich werden aber auch kräftige Herzschläge ausgelöst, die zur Neubildung von Muskelfasern führen sollen. Oertel zeigte, daß die beim Bergsteigen vorzunehmenden complicirten Bewegungen im Verein mit der Erhöhung der AlbmungS-Leistungen solche sind, die neben der größeren Arbeitsleistung, die dem Herzen zugemuthet wird, es doch auch in einer eigenthümlichen Weise unterstützen. Es wird die Blutbewegung in den Venen begünstigt, es wird die im kleinen Kreislauf erleichtert und es findet, wie bereit« hervor gehoben, eine Erweiterung der Gesäße de« großen Kreislaufes statt, — also erleichtert in gewisser Hinsicht, so paradox eS klingen mag, das Bergsteigen die Arbeit des Herzen«. E« ist auch schon sonst darauf aufmerksam gemacht worven, daß ein schnelles energische« Gehen den Kreislauf erleichtert, während ein langsames Gehen daS Sinken deS venösen Blutes begünstigt, so daß bekanntlich letztere« eher eine Er müdung der Beine erzeugt, als ersteres. Damit das cnrmaßige Bergsteigen planmäßig und in einer den verschiedenen kranken Individualitäten angepaßtrn Weise inS Werk gesetzt werden könne, empfahl Oertel bei der Aus wahl der „Terraincurorte" sein Augenmerk auf mäßig breite GebirgSthäler zu richten. Sie sollen inmitten von Anhöhen und Bergen liegen, welche sich bis zu 1000 Metern oder selbst nock höher über die Thalsohle erheben. Diese Höhen sollen zugänglich sein durch eine Anzahl von Wegen, die theils eben, theils mäßig ansteigend sind, zum Theil aber auch stärker ansteigen und selbst ganz steil verlaufen sollen. Diese nach einem einheitlichen Maßstab, als welcher die für die Zurück legung der einzelnen Strecken erforderliche Zeit gewählt ist, abgetheilteu Wege werden sodann auf sogenannten „Distanze karten" eingezeichnct, letztere diene» als Grundlagen für die exacte Ausführung der ärztlicherseits verordneten methodische» Bergbesteigungen. Oertel selbst organisirte zuerst die Südtiroler Winter stationen Meran, Mai«, Bitten, Gries und Arco nach den erwähnten Grundsätzen als Terraincurorte. Seinem Vor gänge folgten mit großer Schnelligkeit zahlreiche Cur- verwaltungen, die auch ihre Curorte oder Sommerfrischen durch Anpassung an die von Oertel vorgeschlagenen Ein richtungen zu Sammelpuncten der zahlreichen für diese Cur geeigneten Leidenden zu mache» suchten. Innerhalb weniger Jahre entstanden so zahlreiche Terraincurorte, daß gegen wärtig Wohl jede Gebirgsgegend Deutschlands und der benachbarten Gebiete mit ihnen versehen ist. Der große Erfolg, den die „Oertelcur" und namentlich auch die Terraincureu bei den Aerztrn und noch mehr im Publicum batten, da- ohnehin mechanischen und diätetischen Methoden sich gern zuneizt, blieb nicht unbestritten. Sehr lebhafte Kämpfe entspannen sich in der Aerztewelt, speciell auch über den Werth deS Bergsteigen« bei Herzleiden. Sie haben daS Gute gehabt, daß mau heutzutage besonders sorg fältig in der Auswahl der für diese Terraincureu bestimmten Kranken ist, da sie mit großer Vorsicht nnd unter steter Be rücksichtigung der individuellen Verhältnisse augewendet werden müffen. In dieser uothwcndigrn Beschränkung aber werden sie fick auch hinfort unzähligen Leidenden hilfreich erwrisen und Oertel'S Namen die schönste Unsterblichkeit sichern.
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