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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970731025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897073102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-31
- Monat1897-07
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Die Kündigung des Handelsvertrages Großbritanniens mit Deutschland, die im Morgenblatte gemeldet und volkswirthschaftlich gewürdigt wor den ist, ist äußerlich darauf zurückzuführen, daß Canada „be schlossen" hat, dort eingehenden englischen Maaren besondere Zoll vergünstigungen zu gewähren. Der „Beschluß" ist englische Ein gebung. Die Bevorzugung britischer Erzeugnisse in der nord amerikanischen Colonie verträgt sick nickt mit den Meist begünstigungsverträgen, die zwischen England einerseits und Deutschland und Belgien andererseits bestehen, und weil dem so ist, ist Eanada veranlaßt worden, die Be günstigung der Herkünfte aus dem „Mutterlande" zu be schließen. Die Tendenz de- Schrittes wäre klar, wenn auch der Cobden-Club, sich selbst aufhebend, nicht seinen Segen dazu gegeben hätte. In der Kündigung des BertrageS, die dessen Ablauf am 30. Juli 1898 nach sich zieht, hat man nicht den MessiaS, wohl aber den Johannes einer englischen Schutzpolitik zu erblicken. Noch ist die Einfuhr nach England, abgesehen von den ziemlich zahlreichen und sehr hohen siScalischen Zöllen, die e« erhebt, frei. Aber auch die Bahn für die Schutzzölle ist frei, nicht nur für die Einfuhr nach Großbritannien, sondern auch für die nach allen Colonien de- Weltreiches —Oreater Britain hat sich wirthschaftlich zu bilden begonnen. Es geht gegen unS Deutsche, gegen die die Vorschrift der Bezeichnung „macko in Osrmnn^" nichts genutzt hat, aber wir dürfen getrost und mehr als zuvor stolz darauf sein, daß deutscher Fleiß und deutsche Geschicklichkeit, begründet auf deutsches Wissen, das Jahrhunderte hindurch wirthschaftlich über mächtig gewesene Britenreich au- seiner Selbstgewißheit gerissen haben England quittirt über di« Erkenntniß der Tüchtiglei. det neuer, Deutschlands, indem eS sich ent schließt, wieder zu dem Mittel zu greifen, dessen e» sich — in den Cromwell-Acten — bedient hat, um die durch den Dreißigjährigen Krieg gebrochene wirthschaftlich« Vor- Herrschaft unseres Vaterlandes an sich zu reißen. Jenes Vorhaben war England uns und anderen Ländern gegen über so wohl gelungen, daß es freihändlerisch werden konnte und dennoch geschützt war. Damit ist eS vorbei wie auch mit der Politik, die festländischen Staaten im Interesse deS eng lischen Ausfuhrhandels in kriegerische Verwickelungen zu treiben. Cromwell hat die Schutzzollpolitik offensiv ergriffen, die Königin Victoria klammert sich an sie in der Defensive. Der An greifer ist diesmal daS gewerblich wieder jung gewordene Deutschland, und dieser Umstand verbürgt ein ehrenvolle-, erfolgreiches Kämpfen mit dem alternden Jnselreich«. Der Abg. Schoof hat das Bedürfniß gehabt, wegen seine- Ausschlusses auS der nationalliberalen Fraction deS Abgeord netenhauses vor seinen hannoverschen Landsleuten sich zu rehabilitiren. Zu diesem Zwecke bezieht er sich, nach dem Berichte der „Hann. TageSnachrichten", auf eine Reihe an- geblicher Vorkommnisse aus der nationalliberalen Fraction, die zum Theil mehr al» fünf Jahre rurückliegen! Wir wollen die „Enthüllungen" de- in die Oeffentlichkeit flüchtenden Herrn Schoof unseren Lesern nicht vorenthalten. Da» genannte conservative Blättchen entnimmt den Mittheilungen Schoof* Folgende*: Was di« Vorgänge in der Fraktion anbetrifft, so hat Herr Schoos den Standpunkt vertreten, den er schon vor längeren Jahr«» dem College» La-krr gegenüber vertheidigte, daß nämlich seine Wähler von ihm verlangen dürfen, nach seiner Ueber- zeugung zu stimmen und da» in solchem Falle er auch keinem Fraction-zwange sich unterwerfen könne. Schoof berief sich gegenüber den ihm in der Fraktion am 25. d. gemachten heftigen Vorwürfen auf den Fraktion-Hauptredner vom 28. Mat, d«n Abg. Schmieding, der ihm noch Tags zuvor auf seine Aeußerung, er halte die Herrenhausbeschlüsse für richtiger al- die zu dehn baren Zedlitz'schen Anträge, entgegnete, er seinerseits halte die Zedlitz'schen Anträge für besser, weil man damit auch dem Pro fessor Wagner (Kathedersocialist) den Mund stopfen könne. Bei diesem Anlaß erklärt« Schoof auch, daß er es für ehrloser halten würde, sich durch Erklärungen festnagrln zu lassen, al- gegen seine Uebrrzeugung zu stimmen. AuS einigen Andeutungen, namentlich von Friedberg, mußte er folgern, daß man glaubte, er sei vom Bunde der Landwirthe oder von vr. Hahn zu seinem Vorgehen veranlaßt worden. Er versichert demgegenüber aus Ehrenwort, daß er von keinem Menschen, weder mündlich noch schriftlich dazu ver anlaßt, sondern nur durch die allseitig geäußerten Ansichten seiner Wähl» in seiner Auffassung bestärkt worden sei. Dir vier Gegner in Hamelwörden seien drei Lehrer und ein Jurist (Antisemit) ge wesen. Bezüglich des Vorwurf», daß Schoof gegen vr. Hahn im Plenum trotz ergangener Aufforderung nicht das Wort «rgrifsen habe, erklärt derselbe, da» letzter« sei nur insofern richtig, als er, Schoof. von den Abgg. v. Eynern und Sattler in aufgeregter Weise ersucht wurde, gegen vr. Hahn zu sprechen, als derselbe Zweifel darüber ansdrückte, ob manche Fractionsmitglieder auS Ueberzeugung oder mit gutem Gewissen gegen die HerrenhauS- vorlage stimmen würden. Schoof habe in der für die angegriffenen Lollegen gewünschten Weise auS dem Grunde nicht sprechen können, weil er mußt«, daß weit mehr nationalltberale Mitglieder, als zur Mehrheit für da» Gesetz erforderlich waren, nur deshalb mit „Nein" stimmten, weil sie durch die Hobrecht'sche Erklärung sich für noch gebunden erachteten. Auf die Drohung, wenn er nicht sofort vr. Hahn widerspräche, müsse er aus der Partei austreten, erwiderte Schoos, daß er solches nicht thue, weil man die- so auffassen könne, al» wenn er (Schoos) sich schuldig fühle. Herr Schoof versichert» mit leichtem Herzen au» der Fraction zu scheiden, weil bei dem dominirenden Einflüsse deS ostelbischen linken Flügels (Hobrecht, krause) er eS doch nicht mehr darin au-halten könnte. Schon bei der Wahl de» letzteren zum Vice präsidenten habe sich mehrfache Unzufriedenheit kundgegeben, weil Krause einem alten würdigen Herrn vorgezogen worden, der dann in aller Still« au» der Partei ausgetreten sei. Aber noch ver schiedene andere Vorkommnisse hätten gezeigt» daß da» alte traute Verhültniß innerhalb der Fraction durch das Hervor drängen der Links-Ostelbier geschwunden sei. Als zum Beispiel in diesem Frühjahr von den konservativen Parteien eine Inter pellation (wegen Aushebung der Zollcredite) einyercicht wurde, hatten einige Fractionsmitglieder dieselbe mit unterschrieben, u. a. auch Abg. Paasch». Darob große Erbosung der Herren Krause re. Die Sache wurde schließlich todtgeschwiegeu. Auch in Erinnerungen an frühere Zeiten ergeht sich Herr Schoof. Als die nordhannoverschen Wähler dem Fürsten Bismarck durch die ReichstagSwahl ein Ver trauensvotum geben wollten, bemerkte damals Abg. Krause in der betreffenden Fractionssitzung: „Ein Mann, der schon am Krückstock geht, gehört nicht mehr in den Reichstag", was damals Herrn v. Eynern noch fo empört«, daß rr protestirend dagegen sich auS der Sitzung entfernte. Di« „Nat.-Lib.-Corr." bemerkt hierzu: „Wir kaffen auf sich beruhen, daß Herr Schoof Alle» so lange ruhig mit angesehen hat. Wir vrrweisen zunächst darauf, wa-allen Fractionen al- Ehrensache gilt, daß kein Mitglied auch nach dem Ausscheiden berechtigt ist, sich einseitig ohne Anlaß von der ihm obliegenden Discretion zu entbinden. In dem vor liegenden Fall entfällt indessen der Vorwurf eines Mißbrauchs des Vertrauen», weil auch die vorliegenden Angaben dieselbe Gedächtnißtreue verrathen, mit der Herr Schoof den bekannten Ausspruch „Wamhoff künnt wi nich bruken" öffentlich in Abrede gestellt hat. Dies ergiebt sich schon auS folgenden Beispielen. Er erzählte, bei der Wahl des Abg. vr. Krause zum Vicepräsidenten habe sich mehrfache Unzu friedenheit kundgegeben, weil Krause einem alten würdigen Herrn vorgezogen worden, der dann in aller Stille aus der Partei ausgetreten sei. Dabei ist verschwiege», daß damit der Abg. Haacke gemeint ist, der bald darauf zur freiconser- vativen Fraktion Ubergetreten ist. Weiter hat er vorgebracht: „Als die nordhannöverschen Wähler dem Fürsten Bismarck durch die ReichstagSwahl ein Vertrauensvotum geben wollten, bemerkte damals Abg. Krause in der betr. Fractionssitzung: „Ein Mann, der schon am Krückstock geht, gehört nicht mehr in den Reichstag", was damals Herrn v. Eynern noch so em pörte, daß er protestirend dagegen sich auS der Sitzung ent fernte." Wir sind von zuständiger Seite ermächtigt, dies ausdrücklich als directe Unwahrheit zu kennzeichnen. Auf die übrigen Ausführungen zurückznkommen, erübrigt sich so lange, als bis Beweise dafür vorliegen, daß die Glaub würdigkeit deS Herrn Schoof sich in neuester Zeit vergrößert hat." — Wir möchten unsererseits noch ei» Wort hinzufügen: Herrn Schoos's Beurtbeilungsvermögen wird für jeden Kenner der Personen genügend durch die politische Stellung charakterisirt, die er dem Abg. Hobrecht zuweist. ES stellt sich jetzt immer mehr heraus, daß die Eintracht deS italienische» Ministeriums an der Colonial politik scheitern wird. DaS RückzugS-Programm Nudini's in Afrika dürfte kaum mebr im ganzen Cabinet Billigung finden, viel weniger in der öffentlichen Meinung. Innerhalb der langen Dauer der Verhandlungen Nerazzini'S mit Menelik ist man zu einer ruhigeren Beurtheilung der Lage gelangt und fast überall tritt in den Blättern das Verfange» nach einer der Ehre und Würde Italiens mehr alsoisher entsprechenden Afrika-Politik hervor. Auch die „Kreuz- Zeitung" führt in einem römischen Briefe aus: Namentlich die Behauptung der osficiösen Note, daß die durch Nerazzini erlangte Grenze besser sei als jene von 1891 findet allent halben abfällige Beurtheilung. Man sagt mit Recht, daß ein Ver gleich jener beiden Grenzen irrelevant sei, sofern man ihn nicht auf die verschiedenen politischen Verhältnisse während der beiden zu Vergleich stehenden Epochen ausbrhne. Die Grenze von 1891 setzte den Vertrag von Uccialli, das italienische Protektorat, ja, die Unterwerfung Äthiopiens unter Italiens Scepter voraus, wäh rend jene, die Nerazzini dem Negus abrang, auf der vollen Souveränetät Menelik's beruht. Und wer die Vorgänge nur einiger maßen verfolgt hat, der wird nicht ohne Mitleid überzeugt sein, daß Italien niemals auch die jetzt von Menelik zugebilligte Grenze er- halten wird. Es braucht sich gar nicht auf Massaua zu beschränken; es wird, wenn es seine Politik der Schwäche fortsetzt, ganz von selbst, auf der einmal eingeschlagenen und theil» bereits zurück gelegten Linie Kassala, Agordat, Mareb-Fluß, Abmara und Cheren, Ghinda und Saati aus Saali ans Meer gelangen, wo dann auch bald die Segel geschwellt sein dürften, um die Ueberbleibjel der erythräischen Colonialmacht nach Neapei zu bringen. Sollte eS der Regierung bis zum November, dem Zeit punkt des Zusammentritts der Kammer, nicht gelingen, den Volksvertretern befriedigende Ergebnisse in der erythräischen Angelegenheit vorzulegen, so dürfte eS an stürmischen Aus einandersetzungen nicht mangeln. Das Programm für den Aufenthalt des Präsidenten der französischen Republik Aanre in Rußland ist in seinen wesentlichen Zügen bereits festgesetzt. Darnach wird das französische Geschwader, welches Faure auf seiner Reise nach Rußland begleiten wird, am Morgen des 23. August im Hasen von Kronstadt eintreffen, wo sich eine kaiserliche Jacht mit Kaiser Nikolaus II. an Bord einfinden wird. Nach der Be grüßung der beiden Staatsoberhäupter erfolgt deren gemeinsame Fahrt nack Peterhof, wo Faure bald nach seiner Ankunft den Großfürsten Besuche abstatten wird. Am selben Tage findet zu Ehren des Präsidenten im großen Palais von Peterbos ein Galabiner statt und am Abend eine Fest vorstellung, wobei ein prunkhafteS Ballet, und zwar, falls das Wetter schön ist, im Freien aus der Olga-Insel im kaiserlichen Park, oder bei Regenwetter im Theater von Peterhof aufgeführt werden wird. Der ganze kaiser liche Park wird glänzend illuminirt sein. Den nächsten Tag (24. August) wird Faure in Petersburg verbringen. Er wird auf der französischen Botschaft die Glückwünsche des Gemeinderathes der Hauptstadt und der französischen Colonie entgegennehmen, welch letztere ihm zur Erinnerung an seinen Aufenthalt in Rußland eine goldene Medaille überreichen wird. Hierauf wird Faure den Botschaftern und mehreren hohen russischen Staatswürdenträgern Besuche ab statten, sodann daS diplomatische CorpS empfangen und hernach die Sehenswürdigkeiten Petersburgs besichtigen, darunter daS Grab des Zaren Alexander III. in der Peter- und Paulssestung, das franco-russische Hütten werk, die staatliche Papierfabrik. Am Abend findet in der französischen Botschaft ein Festessen statt, worauf der Präsident mit seinem Gefolge eine Fahrt durch die illuminirte Hauptstadt unternehmen wird. Am dritten Tage seines Aufenthalte» in Rußland wird Faure der großen Truppenrevue in Krasnoje Selo und mehreren anderen ibm zu Ehren veranstalteten militairischen Schau spielen beiwohnen, und am Morgen deS vierten Tages wird er auf dem französischen Geschwader den Besuch des Zaren, der Zarin, der übrigen Mitglieder de» kaiserlichen HauseS und der höchsten Hof- und StaatS- würdenträger erhalten, welche die Schiffe de» Geschwaders besichtigen werden. Hierauf werden Faure, dessen Gefolge und die Mitglieder der französischen Botschaft an einem Dejeuner auf der Jacht des Zaren theilnehmen, und nach demselben erfolgen die gegenseitigen Verabfchiedungen. An demselben Tage tritt Faure die Heimreise an. Da- sind die Hauptpunkte deS Programm« für den viertägigen Aufent halt deS Präsidenten der französischen Republik in Ruß land, zu welchem nur noch einige ergänzende Dispositionen von untergeordneter Bedeutung hinzugefügt werden dürften. Entgegen den Behauptungen mancher auswärtiger Blätter sei constatirt, daß Faure während seine- Aufenthalte- in Rußland Moskau nicht besticken wird. DaS geht schon auS dem Umstande hervor, daß der Zar, welcher sich am 27. August zu den großen Manövern von Bjelostok begeben wird, selbst bei einer Verlängerung des Besuche- des Prä sidenten nicht in der Lage wäre, diesen persönlich in der alten russischen Hauptstadt zu empfangen, wa- im Falle deS Besuches dieser Stadt durch da- französisch« StaatSodrrhaupt unerläßlich wäre. Der bulgarische Ministerpräsident Stoilow hat im Auftrage de« Fürsten Ferdinand, der, wie wir gemeldet haben, vorgestern in Coburg anwesend war und von diesem begleitet wurde, dem dortigen Correspondenten de» „Berl. Loc.- Anz." eine Unterredung gewährt, in welcher der Minister sich eingehend über den Philippopeler Mord ausgesprochen hat. Stoilow scheint diese Unterredung «in« sehr will kommene Gelegenheit gewesen zu sein, seinem Groll gegen Feuilleton, „Harmonieen". 4j Roman von A. Fisch«r-Löher. All« «k-te Vorbehalt,». Im Eßzimmer empfing ihn schon Renate. Sie reichte ihm die Hand, die er an seine Lippen führte. „Sie ließen sich nölhigen, heraufzukommen", neckte sie. E» lag saft Spott in ihrer Stimme. „Ich war unsicher, ob ich Ihnen wirklich angenehm war ", meinte er mit leiser Frage. „Sie scheinen mir sehr anspruchsvoll zu sein, Fürst Schwarzenburg." Er schüttelte den Kopf. „Anspruchsvoll ist nur Der, der etwas fordert, worauf er kein Recht hat." Sic nickte. „Nun ja." Wollte sie damit sagen, bei ihm wäre dies der Fall? Der Fürst wurde nicht klug au- ihr. Immer wieder da» Doppelwesen in ihr — bald anziehend, bald abstoßend. „Gnädigste Comtesse, ich würde gar nicht wagen, mir Rechte anzumaßen." Er halte sich auS seiner verbindlichen Haltung aufgerichtet und stand hoch und gerade vor ihr. „Da» wäre auch eine Thorheit", gab sie offen »u. Sie schritt'ihm voran zum Balcvn, wo die Gräfin seiner harrte. Er setzte sich neben die Gräfin und erzählte von seinem srüben Ritt durch den Wald, von den Nebeln, die an dem Unterbolze hingen, vom Mvrgenlied« der Vögrl uüd wie all mählich die Erd« wach gezwitschert wurde und au* der Nachtdecke, dem Nebel, heraus an» Licht trat. „Sie sind ein Poe«, mein Fürst", sagte die Gräfin läch«lnd und lednte stch in ihren Sessel zurück. Sir liebt« gemüth- reiche Naturschilderungen. „WaS für glückliche Stimmungen Sie dadurch genießen! Doppelt so viele al» andere Menschen." „Ja, gewiß", stimmte er zu, während er innerlich mit einem Aerger zu kämpfen batte, der trotz der lebhaften Unter haltung mit der Gräfin nicht weichen wollte. Er war unzufrieden mit sich. Wa« fochten ibn die kühl klingenden Worte an? Hatte rr gedacht, daß Comtesse Renate Eberstein auf Grund des Familienprojectes ihn sofort als Bewerber bevorzugen würde? Solch ein Thor war er doch nicht gewesen, obgleich er dem Wunsche des Grafen Lothar, eine Heirath zwischen ihm als Erben der Majoratsgüter und der letzten Eberstein als einem natürlichen Wunsche nickt- entgegengesetzt hatte, da er in jeder Weise frei über sich verfügen konnte. Sonderbarer Weise war ihm seit dem Augenblick, al» er zuerst Renate Eberstein gegenüberstand und sie ihn in dem seltsamen Costüme mit ihren Nixenaugen so eigentbüm- lich entzückte, jeder Nebengedanke an di« geplante Heirath mit ihr entschwunden. Eine Eh« au* Familienrücksichten und dieses Mädchen, da» so ander* war al» di« anderen, ließ sich nicht zusammen reimen. Es wäre schade gewesen, Renate Eberstein unter dem Zwange fremder Beeinflussung eine Ebe schließen zu sehen. ES steckte Charakter in ihr. Wenn sie liebte, mußte eS mit der ganzen Hingabe ihrer Person sein, um dann allerdings ein unaussprechliches Glück geben zu können. Eine Convenienzheirath würde sie launenhaft, wohl gar störrisch machen. Diese Gedanken machten ihn ziemlich zerstreut in der Unterhaltung mit der Gräfin, der er gegenüber saß. Renate war in da» Eßzimmer gegangen und schien nicht wieder zu kommen. So geschah eS, daß die Gräfin etwas zweimal sagen mußte, ehe der Fürst sie verstand. ,,Wa» haben Sie, Sie sind nicht bei der Sache?" fragte sie ihn verwundert. Er nahm sich zusammen. Doch ehe rr sich ihr voll zu wandte, ging sein schneller Blick durch die Balconthür in da» Zimmer binein, flüchtig suchend. Der Fürst entdeckte die Comtesse am Mitteltisch de* Eß zimmer», wo sie in lässiger Haltung lehnte und ihn an scheinend von hier beobachtet hatte. Sie blickten einander plötzlich an. Er sah noch, wie sie die stützende Hand fallen ließ, dann sagte rr zur Gräfin: „Ich bitte um Verzeihung, Fran Gräfin. Ich konnte eine kleine Abspannung nicht gleich brmeistrrn. Der frühe Ritt ist schuld daran." „Vielleicht auch da» gewaltsame Ende desselben", warf Renate hin. Sie war auf den Balcon herau-g,treten und setzte sich an den Tisch. „Der Fürst ist doch kein nervöses Mädchen", wehrte die Gräfin ab. „Darum doch nicht gefeit gegen die Nachwirkung einer unerwarteten Erregung." „Gewiß nicht." Fürst Schwarzenburg war wieder ganz Aufmerksamkeit. „Ein Manu hat jedoch ein wirksames Gegen mittel für alle Wallungen deS BluteS." „Und daS wäre?" fragte die Comtesse ein wenig spöttisch, als traue sie dem Gegenmittel im Voraus nicht. „Die objektive Betrachtung der Thatsache, meine Gnädige". „So, so", meinte sie zweifelnd, während die Gräfin be kannte: „Ueber die kleine, quiekende Heerde wollen Sie doch keine objektive Betrachtung anstellen?" Sie lachten alle drei lustig auf. Noch lachend sagte der Fürst: „Nein, die sind alle mit heiler Haut davon gekommen, die kleinen Schweinchen. Lassen wir sie ihrer Bestimmung ruhig entgegenlaufen." „Sie sollten den Thierchen dankbar sein. Eine Begegnung mit kleinen Schweinchen am frühen Morgen bringt Glück, heißt eS", behauptete die Gräfin. ?Jch bin etwas skeptisch in Betreff der Glückbringer", erwiderte er. „Sie passen nicht in Ihre Erfahrung hinein? DaS Glück braucht ja nicht gerade auf der Hand zu liegen, sondern nur seine ersten einleitenden Vorkehrungen zu treffen", wandte die Gräfin rin. Renate hatte den Kopf gewandt und sah Uber die Schulter dem Diener zu, der des Fürsten Pferd unten auf dem Kies weg auf und ab führte. Plötzlich sagte sie: „Dann wären also die sogenannten Glücksbringer eine Art Signal im Lebenslauf? Ausgepaßt, es geschieht beute etwa- Absonderliche- — sieh Dich vor, eS kann Glück daraus hervorgehen I" Der Fürst sah sie scharf an. „Es ist nickt nothwendig, daß eS von außen herantritt. ES kann daS Absonderliche in einer unwillkürlichen eigenen Handlung liegen, zum Beispiel in der erhöhten Empfänglich keit für die Sinnenreize, für ein gute« Wort, für die au» einem Auge zu unS sprechende Seele." Mit einem Ruck wandte sich Renate ibm voll z». Ein leichte« Beben ging durck ihren Körper. Der Gedanke, daß sie unbewußt dem verschmähten Fürsten etwa« enthüllt batte, waS sick ihr selbst als ein Widerspruch in ihr darstellte, trieb sie auS ibrer Ruhe. „Nirgends, glaube ich bestimmt, giebt eS mehr Täuschung und Jrrthum als in der erwähnten erhöhten Stimmung. Meistens hat des Menschen Schönthun mit sich selbst ihn in dieselbe bineingebracht, und wenn die Eitelkeit einmal loS- gelassen ist, so geht sie ins Maßlose." „Sie sollten nicht so allgemein die erhöhte Stimmung als Schwäche bezeichnen," entgegnete ihr ernst der Fürst. „Es verliert sich dabei der Glaube an eine edlere Ursache als Triebfeder menschlicher Regungen, die häufiger zu finden ist, als Sie anzunehme» scheinen." „Das sollte mich freuen", gab sie offen zurück. „Ich verachte recht von Herzen die selbstgefälligen Menschen, bei denen sich alle Gedanken und Handlungen auf den persön lichen Vortheil zurückführen lassen." „Sind Ihnen so viele Egoisten bekannt, meine Gnadiaste? Es giebt, denke ich, noch ebenso viele ideal angelegte Menschen wie solche mit rein materialistischen Grundsätzen. Es würden sonst nicht so viele Thorheiten begangen werden in der Liebe und in dem Haß, in der Verkennung der Thatsachen und der Wünsche. Man muß sich hüten, eigene Gedanken den Hand lungen Anderer unterzuschieben." Ein stolzer, kühler Blick traf bei diesen Worten Renale. Die Gräfin, die längere Zeit geschwiegen hatte, fand daS Thema langweilig. „Haben Sie mit meinem Gemahl für heute Vormittag etwas verabredet? Er ist, wie der General, leider nicht zu Hause, um Sie begrüßen zu können", begann sie ab lenkend. — „Wir wollten im Club frühstücken." Der Fürst zog seine Uhr heraus. „Um zwölf war die Verabredung." „Da haben Sie noch Zeit", beeilte sich die Gräfin zu sagen, um den Aufbruch zu verhindern. „Ich möchte mich vom Ritt ein wenig auSruhea", meinte er zögernd, „entlassen Sie mich, gnädigste Gräfin. „Tante, der Fürst ist müde", warf Renate dazwischen. „Nun, meinetwegen. Tyrannische Launen verderben die Freundschaft." Die Gräfin reichte ibm die Hand, al* er sich nun ver abschiedete. Als er wieder im Sattel saß, senkte er noch einmal grüßend die Reitgerte vor dem Balcon und ritt dann die Straße hinauf. „Der gute Fürst sckeint doch etwa» nervo» zu sein, er war heute nicht bei Humor", bemerkte die Gräfin zu ihrer Nichte, als sie beide ihm nachschautrn.
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