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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970913027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897091302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897091302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-13
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Die von uns schon erwähnte „Central stelle" wird vom deutschen Handelstage bekämpft und vom Hentralverbande der deutschen Industriellen in einem Rundschreiben, das die Bildung einer andern Ccntralstelle, bestehend aus diesem Verband, dem deutschen Landwirthschaftsrath und dem Handelstage, in Aussicht nimmt, mit Stillschweigen übergangen. Es scheint die Ueberzeugung zu fehlen, die auf Anregung des Chemischen Vereins be gründete „erste" Centralstelle werde ihre Zusage, sich ledig lich auf das Sammeln und Zugängigmachen von statistischem Material zu beschränken, in vollem Umfange wahr macken. Zu Verhandlungen aber, die nutzbare Vorschläge für die Ne gierung ergeben können, sind allerdings die großen Interessen vertretungen berufen. Die Sprache, die sich ein Rund schreiben der bereits bestehenden „Centralstelle" gegenüber dem Handclstage und dem Centralverbande bedient, ist aller dings nicht sonderlich geeignet, für jene neue Organisation cinzunehmen. Unseres Erachtens könnte eine Sammelstelle neben der in der Bildung begriffenen Centralstelle recht gut bestehen und Ersprießliches leisten. Nur dürfte sie nicht über ihre angegebene Zweckbestimmung hinauswachsen wollen. Der Streit scheint übrigens schon so gut wie entschieden zu sein, denn bereits am 25. d.M. tritt unter Leitung des Grasen PosadowSky eine Consereuz von Mitgliedern des Landwirthschaftsrathes, des Handelstages und des Centralverbandes der Industriellen behufs Herbeiführung einer ersten directen Aussprache über die Bildung einer Ccntralstelle in Berlin zusammen. Vor verhandlungen zwischen den drei Interessengruppen haben bereits stattgesunden und zum Ergebniß die Ausarbeitung einer der Regierung schon überreichten Denkschrift gehabt. Es besteht zweifellos bei den drei genannten Körperschaften die ernste Absicht einer sorgsamen und loyalen Abwägung der verschiedenen Interessen. Dies ist dem Vorstande des Bundes der Landwirthe nicht erwünscht. Die „Deutsche Tageszeitung" schreibt: „Sobald die Frage der Ausgleichung verschiedener Inter essen gelöst werden soll, ist rS doch dringend nothmendig, daß man sich In den großen Berussgruppen darüber verständigt, wer als be rufener Vertreter zu gelten habe. Es kann sonst leicht der Fall einlreten, daß Diejenigen, welche als Vertreter einer Bernfsgruppe ihätig gewesen sind, Vorschläge gemacht nnd Ausgleiche durchgesetzt haben, von Denen im Stiche gelassen werden, die hinter ihnen stehen sollten. Handel und Industrie mögen diese Auseinandersetzung unter sich ausinachey. Die deutsche Landwirthschaft aber hat ein lebendiges, starkes Interesse daran, daß sie bei der überaus wich tigen Vorbereitung der Handelsverträge nicht nur durch ihre sta atlich geordnete Vertretung zu Worte kommt, sondern auch durch die große Organisation, die sie sich selbst geschaffen hat, um ihre Forderungen zu vertreten, die das Vertrauen der Landwirthschaft im besonderen Maße besitzt. Es würde den Zweck der ganzen Vorbereitungen gefährden, wenn man den „Bund der Landwirthe" dabei außer Acht und außer Ansatz ließe." Diese Auslassung bedeutet Krieg gegen den deutschen LandwirthschaftSrath, der sich bei den Verhandlungen sachlich verhalten wird, lieber die Prätension des Bundes, als „die" Organisation der deutschen Landwirthschaft angesehen zu werden, ist kein Wort zu verlieren. So viel Anspruch auf Vertretung in der Centralstelle wie der Bund haben die Bauernvereine in Rheinland und Westfalen, der bayerische Bauernbund und andere Vereinigungen mindestens auch. Auf seine technischen Autoritäten wird sich der Berliner Bundesvorstand wohl nicht berufen wollen. Die Herren v. Ploetz und Rösicke haben als Landwirthe keine Namen, und Herr Or. Habn ist gar kein Landwirth. Für ihre Zu- assung könnte nicht einmal angeführt werden, daß anzu nehmen wäre, die Herren könnten in den Verhandlungen der Ccntralstelle durch den Nachweis der Undurchführbarkeit ihrer „Pläne" zur Ruhe gebracht werden. Man hat sich seinerzeit durch diese Erwägung zur Verweisung des Antrages Kanitz in eine Reichstagscommission bewegen lassen. Mit Welchem Erfolg, ist bekannt. Nun kann sich Niemand über die Drohungen der Bundesleitung Wundern. Wie aber wird sich die conservative Partei verhalten? Als Graf Limburg- Stirum vor einigen Monaten in Breslau die Parole ausgab: „Keine Bindung von Zöllen aus landwirthschasiliche Erzeugnisse", hat er von außerpreußischen Conscrvativen, insbesondere von sächsischen, Widerspruch erfahren. Irgend welche erkenn bare Rücksicht auf diese Verwahrung ist jedoch nicht ge nommen worden, dagegen hat die „Kreuzztg." bis auf den heutigen Tag die Wirthschaflspolitik deö Bundes vertreten. Jetzt gilt es, sich zu dem Breslauer Kampfruf zu erklären und damit definitiv die Frage zu beantworten, ob Herr v. Ploetz die Partei auch künftighin beherrschen soll oder nicht. Der „Neichsbote" verneint sie entschieden. Er schreibt: ,,Es war in vollem Maße berechtigt und nolhwendig. Laß die conservative Partei in den letzten Jahren in besonderem Maße für die Nothlage der Landwirthschaft eintrat. Aber hier har sich die conservative Partei im Drange der Verhältnisse verleiten lassen, die alte bewährte Umsicht und den großen, auf das Ganze und das praktisch Mögliche gerichteten Blick mehr, als gut war, zu verlassen nnd sich für einseitige, unausführbare Forderungen zu engagircn.... Das hat die jetzige Krisis über sie gebracht; — auf sic wird all das Odium einer einseitigen Jnteresscnpolitik geworfen, nnd gerade die, welche sie dazu gedrängt, lassen sie jetzt im Stiche, überhäufen sie mit Schmähungen und geben sie dem Spott und dem Hasse der Gegner preis, die nun mit wahrer Wollust auf sie losstürmen, um sie ganz zu Boden zu Wersen und unter dieser Kritik zu begraben. Man trägt sich bereits mit dem Gedanken, über ihrem Grabe eine mi ttelständische Jnteressenpartei zu errichten. . . . Tie conservative Partei hätte dann doch wenigstens nicht LaS Odium solcher Uebertrcibungen zu tragen. Allein alle diese Bestrebungen gehen darauf aus, in den konservativen Volksweisen sich Anhänger zu werben und sie durch Schmähungen und Verdäch tigungen der konservativen Partei abtrünnig zu machen. Und so ist der Bestand der konservativen Partei aufs Schwerste erschüttert, einerseits Lurch Lie Schuld ihrer eigenen Vertreter, andererseits durch die von allen Seiten auf sie einstürmenden Verdächtigungen und Schmähungen. Tie feindlichen Agitatoren reisen im Lande umher, halten Versammlungen nnd gründen Vereine — aber die Organisation der konservativen Partei liegt durch ihre eigene Schuld säst ganz am Bvden. Angesichts dieser Sachlage ist es dringend nöthig, daß alle konservativ gesinnten Elemente im Lande sich ermannen, um die konservative Partei zu erneuern." Was der „Neichsbote" hier sagt, hat er schon ost vor getragen. Aber der „Neichsbote" übt nur Einfluß auf eine eng begrenzte gesellschaftliche Schicht aus, die in der conser- vativen Parteileitung nicht vertreten ist. Bei dieser letzteren wird er auch jetzt kein Gehör finden. Es bleibt abzuwarten, ob dem Blatte aus der Partei heraus Succurs in anderer Form als in der von zu stimmenden Zeitungsartikeln zu geführt wird. In Nürnberg hat gestern der Parteitag der frei sinnigen Bolkspartci begonnen, nnd Herr Richter Hal an diesem Tage in der „Freis. Ztg." eine „Eine Klippe für Wahlerfolge" überschriebene Betrachtung veröffentlicht, Lie bemerkt zu werden verdient. Sie beginnt mit einer — unsinnigen Auseinandersetzung. Es wird gesagt, die frei sinnige Partei hätte 1803 und früher an Conservative, mehrfach auch an Nationalliberale Wahlkreise verloren, weil in die Stichwahl ein Socialdemokrat und nicht ein Freisinniger gelangt war. Diese Feststellung steht auf der Höhe des Satzes: „Die Armuth kommt von der pauvretH".. Wenn eine Partei bei einer ersten Wabl weniger Stimmen zählt als zwei andere Parteien, so ist sie Mangels genügender Anhängerschaft durchgefallen und nicht in Folge vcn Constellationen, wie sie bei Stich wahlen allerdings häufig genug ein unnatürliches Ergebniß herbeiführen. Einen solchen Widersinn spinnt Herr Richter nicht lang und breit aus, ohne bestimmte Absichten zu haben. Und solche treten denn auch trotz der sorglichen Bemühungen, sie zu verhüllen, deutlich genug zu Tage. Vor Allem loll den in Nürnberg Versammelten zu Gemüthe geführt werden, daß nicht der Verlust an Wahlkreisen an sich daS BeklagcuSwcrtheste ist, sondern der Ucbergang von Mandaten auf nationale Richtungen. Die freisinnige Volkspartei gekört zu den in der Wahlagitation rührigsten und scrupclfreiesten. WaS für sie 1803 überhaupt heranzu holen war, erschien zum ersten Wahlgange. Die Mahnung zu größerem Eifer ist also wohl nicht ernst gemeint. Was Herr Richter bezweckt, ist eine künftige allgemeine Unter stützung der Socialdemokratie durch die Volks partei bei Stichwahlen, au denen die Volkspartei nnd ihre süddeutsche Schwester nicht belheiligt sind. Deshalb läßt der freisinnige Führer auch wiederholt das Wort „Opposition" einfließen, deren Niederlage man verhindern müsse, gleichviel, ob sie in das socialdemokra tische oder in ein bürgerliches Gewand gekleidet sei. AuS dieser Gesinnung heraus erklärt sich auch das lebhafte Bedauern, daß die Socialdemvkralie bei Wahlen von den Arbeitgebern als Ausbeutern rede, sich „als eins einseitige Jnteressenpartei hinstclle" und eö dadurch den vvlkSparleitichen Führern er schwere, ihre Leute in der Stichwahl für die Svciatdcmokralie an die Urne zu bringen. Ob der der Socialdemvkralie gegebene Rath, bei den Wahlen allgemein die Fahne in die Tasche zu stecken, wie eü ja in einzelnen Wahlkreisen, namentlich in Bayern durch Herrn v. Volkmar, schon geschieht, befolgt werden wiro, steht dahin. Herr Richter predigt seine Mahnung eindringlich genug. ES hat des halb auch nur dccorativcn Werth, wenn er weiterhin seinen Parteigenossen empfiehlt, bei der Wahlagitation sich mit größerer Energie als bisher „auch gegen die Social demokratie" zu kehre» und deren „Mitläufer an sich zu ziehen". In einem Aikem Schonung von der Socialdemokratie zu verlangen und Schonungslosigkeit gegen sie zur Pflicht machen — Herr Richter ist ein viel zu erfahrener Wahllechniker, um LaS ernst zu meinen. In einem andern Puucle aber scherzt er gewiß nicht, im Gcgcnthcil dürfte ihm darauf mindestens so viel ankommen, wie auf die Unterstützung der Social demokratie. Er schreibt: „Ein verkehrtes Mittel (Niederlagen zu verhüten) wäre cs, auf bürgerlicher Seite eine mehr rechts stehende Caudidatur aufzustellcn, nm die Stimmen zahl gegenüber der Socialdemokralie zu stärken. Bei einer solchen Taktik würden weit mehr Stimmen nach links ver loren gehen, als von rechts gewonnen werden können." DaS geht gegen die freisinnige Vereinigung, die die Antwort nicht schuldig bleiben wird. Gestern ist Kaiser Wilhelm zur Thcilnahme an den nugarifchcn Manöver» in Totis cingelroffen, von Kaiser Franz Josef auf das Herzlichste, von der ungarischen Be völkerung mit Enthusiasmus empfangen. Wie die Wiener, 'o begrüßt namentlich die Pester Presse den erlauchten Hcrr- cher in begeisterten Artikeln, die sowohl der Persönlichkeit des verbündeten Monarchen, als dem Vertreter der stärksten Macht LeS Dreibundes gelten. Man meldet uns darüber: * Pest, 12. September. Sämmtliche Blätter ohne Unterschied der Parteistellnng bringen anläßlich der Ankunft des Kaisers Wilhelm in Ungarn schwungvolle Leitartikel. Ter „Pest er Lloyd" ruft dem deutschen Kaiser „Heil!" zu und fährt dann fort: „Von den Karpathen bis zur Adria fliegen ihm die herzlichsten Willkomm grüße entgegen, sie gelten wohl in ersterReihe dem Gaste unseres Königs, gesteigert werden diese Sympathien aber auch noch durch das lebhafte Interesse, welches hier zu Lande bereits seit geraumer Zeit der kraft vollen, durchaus originellen Persönlichkeit des deutschen Kaisers entgegen gebracht wird." „Nemzet" schreibt; „Ter Besuch Les deutschen Kaisers eröffnet die Aussicht, Laß die Homburger Kundgebungen über den Dreibund aus ungarischem Boden einen nachdrucksvollen Abschluß finden werden. Wir haben daher allen Grund, die Ankunft des Kaisers Wilhelm für ein ebenso ersreuliches als wichtiges Ereigniß zu begrüßen." „Pcsti Naplo" führt aus, der deutsche Kaiser könne überzeugt sein, Laß die Begeisterung, mit der er überall in Ungarn empsangen wird, keiner vorübergehenden Laune entspringt, sondern daß diese Be geisterung der ernste Ausdruck der Ueberzeugung einer in politischen Kämpfen gestählten Nation ist, welche erkannte, daß das Bundniß mit Deutschland ein für beide Theile sehr ersprießliches Gebot politischer Klugheit sei. Ungarn ist es besonders stets im Be wußtsein, daß bei der Aufrechterhaltung dieses Bündnisses stark« Entschlossenheit der ungarischen Nation sowohl jetzt als in Zukunft der unerläßlichste Factor ist. Ter „Egyetertes" schreibt: „Mit aufrichtiger Herzlichkeit und mit der Wärme, welche Las Merkmal unserer Nation ist, wenn sie weiß, wofür sie sich be geistert, müssen wir Len deutschen Kaiser überall auf ungarischem Bode», ganz besonders aber in Pest empfangen." Auch alle übrigen Blätter besprechen in diesem Tone den Besuch des deutschen Kaisers. Es war ein ungarischer Staatsmann, Graf Julius Andrassy, der vor 18 Jahren nach Gastein reiste, um mit dem Fürsten Bismarck das deutsch-österreichische Bündniß zu formulircn, und die politische Einsicht der ungarischen Hälfte des Donau-Kaiserstaates ist bis jetzt die festeste und sicherste Stütze des Dreibundes innerhalb der Habsburgischen Monarchie gewesen. Daher dürfen die Ungar» es mit stolzer Genugthuung begrüßen, daß Kaiser Wilhelm dem Lande ter Slephanökrone die Ehre seines Be suches erweist, während er in Cisleithanien Zeuge eines NationalitätenbaderS Kälte sein müssen, der der Stellung Oesterreich-Ungarns im Dreibund nichts weniger als zu träglich ist. Dort sind eS nur die Deutschen, die, wenn auch in ihrem Einfluß augenblicklich nicht unwesentlich geschwächt, die Fakne unverbrüchlicher Alliancetreue hochhalten. So gehen Deutsche und Ungarn in den vitalsten Fragen der Monarchie miteinander, sind sie aufeinander angewiesen. Dessen sollten die Ungarn eingedenk sein und bleiben und daraus die Einsicht entncbmen, daß die Vergewaltigung reS DeutschtkumS, welche ihr hochgespanntes Nationalgefühl ihnen im Interesse ter Einheitlichkeit ihres Magyarenstaate- als eine Nothwendigkeit erscheinen läßt, ein politischer Fehler schlimmster Art ist, den mit den Tschechen gemein zu haben, den Magyaren als politisch ungleich größer veranlagter und reiferer Nation, wahrhaftig nicht zur Ehre gereicht. Leurlleton- Götzendienst. 7) Roman in zwei Theilen von Wo Id em ar Urban. Nachdruck verboten. „Das ist auch durchaus überflüssig, mein Lieber, das Kälte ja doch keinen Sinn. Aber lassen Sic uns doch von etwas Anderem sprechen — ick komme nämlich in Geschäften. Was wollen Sie haben für Ihr Cap St. Martin, das dort an ter Wand hangt?" Die Art und Weise, wie sich Fräulein Georgette Cour celles gab, hatte etwas LeichtübermüthigeS, RaschscrtigeS, um nicht zu sagen Leichtfertiges; sie behandelte offenbar den armen deutschen Maler, den Typus gesellschaftlicher Un geschicklichkeit und unpraktischer Hilflosigkeit, als einen Mann zweiten oder dritten Grades, dessen Anschmachtungen sie mit einer drolligen Koketterie entgegennabm, ohne ihnen auch nur die leiseste Bedeutung beizumesien. Sick in irgend welcher Weise mit dem armen Teufel einzulassen, würde die schlaue, berechnende Französin für eine ausgemachte Lächerlichkeit an gesehen haben. „Wollen Sie eö kaufen?" fragte der Maler erstaunt. „Vielleicht. Ich weiß nämlich einen Käufer dafür. Viel leicht können wir etwas combiniren, wenn Sie daS Bild billig abgeben und ich eS übermale." „Uebermalen?" „Na ja! So kauft es doch kein Mensch." „Fräulein Georgette, ich bin in großer Noth und ver kaufe Ihnen um jeden Preis daS Bild; aber Sie müssen mir ehrlich versprechen, nicht- daran etwa zu ändern." „Wieso?" „Sie können nicht malen." „Sie sind wabrbaftig ein großes Kind", lachte Fräulein Georgette, „Sie sollten doch endlich begreifen, daß eS heut zutage schwerer ist, ein Bild zu verkaufen, als eine- zu malen. Also sagen Sie mir kurz, WaS Sie haben wollen!" Da» in Rede stehende Bild war eine feinempfundene, stimmungsvolle Wiedergabe eines Tbeiles jener malerischen, von cigenthümlichem Hauber umflossenen kleinen Halbinsel, die sich zwischen Monte Carlo und Mentone ins Meer hinein erstreckt — eine landschaftliche Träumerei. Fräulein Georgette hatte schon einmal ein ähnliches Bild von dem armen Teufel für fünfzig Francs erstanden, hatte den Namen des Künstlers überpinselt, dann einige Herren in ihr Atelier eingeladen, zwei Flaschen Mariala für die Gelegenheit an geschafft und nach Verlauf einer Stunde Las Bild für fünf hundert Francs loSgeschlagen. Die kleine zierliche Französin verstand ungemein reizend zu plaudern und den etwas an züglichen Späßen ihrer Gönner mit einer naiven Verständniß- losigkeit zu begegnen, was die Herren in der Regel auf da- Höchste amüsirle. Sie zweifelte nicht im Geringsten daran, daß ihr auch diesmal daS erprobte Kunststückchen gelingen werde. Der Maler war zum Verkauf gezwungen — um jeden Preis, denn morgen war wieder einmal die Miethe fällig, und mit leeren Taschen mußte er darauf gefaßt sein, 8LU8 ka^on an die Lust gesetzt zu werden. „Nun, sagen wir hundert Francs, Georgette." „Unsinn! Für eine solche Klexerei? Ich gebe Ihnen die Hälfte und zwar dann erst, wenn ich LaS Bild verkauft habe; es wird aber beute jedenfalls noch geschehen." „Meinetwegen", seufzte der in die Enge getriebene Maler, aber Sie versprechen mir, nichts daran zu ändern." „Sie sind komisch geradezu, Hartwig. Wenn ich daS Bild gekauft habe, gehört eS doch mir und kann ich damit thun, waS mir beliebt." „Georgette! " „Lassen Sie doch Ihre Bemerkungen, sie haben ja doch keinen Sinn. Also, wollen Sie — ja oder nein?" Unten in der schmalen Gasse, in der daS Haus lag, La der Maler bewohnte, entstand in diesem Augenblicke rin Auf lauf, ein Tumult, ein Wagengcrasscl, daS ihm, weil es in der stillen Gasse zu den Seltenheiten gehörte, sofort aufsiel. Er bog den Kopf eilig aus dem Fenster, aber ein breites Dach gesims versperrte ihm die Aussicht auf die Straße. Er hörte nur, daß unten etwas Außergewöhnliches vorgeben müsse, und fragte sich zagend und mit leiser Hoffnung: WaS mag eS sein? „Wollen Sie", fragte Fräulein Georgette wieder, „ja oder nein!" „WaS will ich weiter machen?" seufzte der Maler, „nehmen Sie es denn hin, aber " Er vermochte nicht den Satz völlig auszusprechen, denn in diesem Augenblicke wurde die Thür ausgerissen, rin gelber Diener mit Stulpenstiefeln, weißen Lederhosen und Cylinder erschien auf der Schwelle und rief laut im Anmrlveton: „Seine Excellenz, Don GraciaS de Melida mit Familie — Herr Victor, Graf zu Kreuz." Fräulein Courcelles stieß einen leichten Schrei der Ueber- raschung aus, Herr Hartwig wurde roth bis hinter Lie Ohren und zupfte nervös an seinem schäbigen, da und kort mit Farbe und Schmutz befleckten Flausrock — eS war sein ein ziger —, um den vornehmen Besuch so anständig wie möglich empfangen zu können. Er klappte hastig die Taschenklappen herunter, um die abgerissene, in Zotteln heruulerhängcnde Borte zu verbergen, und machte im Ganzen den Eindruck hilf losester Verlegenheit, etwa wie ein Schulknabe, der vor den gestrengen Herren Examinatoren steht. Durch die Thür schob sich die breite massige Gestalt Don GraciaS', dann Don Salvatore, Felicia und schließlich Graf Kreuz. „Uff!" stöhnte Don GraciaS, „also hier oben wohnen Sie, Herr Hartwig? Ich hätte das für einen Taubenschlag gehalten." „Exccllenz ", stotterte der Künstler. „Sie waren so liebenswürdig, mich zur Besichtigung Ihrer Bilder einzuladen, Herr Hartwig — bitte, was habe» Sie uns zu zeigen?" Fräulein Georgette erfaßte die Situation schon bedeutend geschickter. Sie wußte von ihrer Mutter, wer Don GraciaS war, und hatte auch den Artikel in der „Revue littorale" schon gelesen. Cie faßte sofort den jungen Don Salvator inS Auge, und ihre Blicke schienen auf dem Gefickte deö jungen Mannes zu lesen und zu forschen: „Was für ein Vogel bist Du? Komm her, kann man Dich fangen?" Dann nahm sie rasch die Miene einer enthusiasmirten Künstlerin an und sagte mit ihrer frischen, wohllautenden Stimme: „O, Exccllenz, es sind sehr hübsch« Sachen darunter, wahre Perlen moderner LandsckaftSmalerei, nur hat unser Freund, Herr Hartwig, beim Verkauf ein hartnäckiges Miß geschick — eS muß aber im Allgemeinen wohl an den ichleckten Zeiten liegen und erklärt hinlänglich seine momentane derangirtr Lage. Sehen Sie z. B. dieses Bild, das Cap St. Martin darstellend. Ist rS nicht wie ein süßer Traum, ein weiches, stimmungsvolles Gemälde von vollendeter Technik?" „Da, da?" fragte Fräulein Felicia. Auch Don GraciaS besah da- Bild, da- sich in den Augen der wandelbaren Georgette so schnell ans einer armseligen Klexcrci in einen süßen Traum verwandelt hatte. „Sagen Sie, Herr Hartwig", rief Ton GraciaS den Maler näher an sich heran. „Sie sind ein Deutscher — nicht wahr?" „Zu dienen, Excellenz." „Nun ja, nicht übel, meinte dann der Südamerikaner, indem er sich stellte, als besicktige er Las Bild mit ebensoviel Kunstinteresse als Verständniß. Dann aber fuhr er leiser und noch näher aus den Maler zutretend, fort: „AuS welcher Stadt?" „Aus ***, Excellenz.« Er nannte dieselbe kleine Residenz, aus der Herrn de Melida'S Vater stammte. Ton Gracias fubr sich eilig mit dem rotk- scidcnen Taschentuch über das Gesicht und stellte sich, als fühle er sich stark von der Hitze bedrückt. In Wahrheit aber war sein Gesicht etwas bleicher geworden. „WaS ist Ihr Herr Vater, Herr Hartwig?" fragte er danu weiter, und es war, als zittere dabei seine Stimme vor verhaltener Erregung. „Tischler, Euer Excellenz zu dienen." „Tischler? Und Sie sind Maler geworden?" „Ich that eS aus eigenem, tiefinnerstem Antrieb, und nach dem Einer meiner Lehrer in mir das Malrrtalent entdeckt zu haben glaubte, ertheilte er mir unentgeltlich die ersten Anleitungen und Unterweisungen. Freilich in meiner augen blicklichen Lage wünschte ich mich manchmal in Len Beruf eines Schusters oder Schneiders hinein." „Weshalb?" „Excellenz", stotterte Herr Hartwig noch verlegener als zuvor, „ich würde mich dann wenigstens satt essen können." „Und da- ist jetzt nicht der Fall?" Es lag etwa- Rauhe-, fast Verächtliche- in der Frage, und Herr Harlwig senkle unwillkürlich Len Kops, seufzte, wagte es aber nicht, noch ein Wort zu erwidern. „Was kostet das Bild?" fragte Don Gracias kurz und zog seine Brieftasche. Nasch wie der Blitz fubr Fräulein Georgette dazwischen, zupfte den Maler bcimlich am Aermel und jagte dann laut: „Excellenz, da« Bild ist unter Brüdern fünftausend Francs wcrth." Don GraciaS sah erst sie, dann den Maler an. „Ist da» Ihre Fran, Herr Hartwig?" fragte er dann. Georgette sand es für diesmal gerathen, holdselig verwirrt zn lächeln und dann verschämt den Kopf zu senken. Ter Maler wurde ebenfalls roth wie ein gesottener Krebs. „O, o nein, Excellenz — eine Collegin, die mir da- Bild soeben schon abgekauft hat", stammelte Herr Hartwig.
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