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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970918010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897091801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897091801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Seiten doppelt vorhanden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-18
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Bon dem Reichstagsabgeordneten für den 14. sächsischen Wahlkreis, Herrn Or. von Frege-Weltzien, geht uns mit dem Ersuchen um Abdruck die folgende Zuschrift zu: Sehr geehrte Redaction I Wiederholt haben Sie sich in den letzten Tagen in längeren Leitartikeln über daS Verhältniß der sächsischen Conser- rativen zur deutschconservativen Partei de« Reichstags ausgesprochen; angesichts der Thatsache, daß ich bald zwanzig Jahre ununterbrochen einen sächsischen Wahlkreis im Reichs tag zu vertreten die Ehre habe und ebensolange Zeit der dcutschconservativen Fraktion — aber nicht als Führer» der ich niemals habe sein wollen — angehöre, darf ich mir gestatten, ein kurzes Wort zur Klärung der von Ihnen auf geworfenen Fragen an Sie zu richten. Im Reichstag ent scheidet — mag man sich dessen freuen oder es beklagen — daS numerische Gewicht über dieBedeutung derFractionen; so lange z. B. die nationalliberale Partei dominirte, galt daS Wort eines Bennigsen weit mehr als jetzt, trotzdem wäre es un billig und ungerecht, zu behaupten, daß Herr von Bennigsen nickt mit derselben Eloquenz, Sachkenntniß und politischen Klarheit wie ehedem dasjenige ausspräche, waS ihm als uöthig und richtig erscheint. Als durch weise Erkenntniß der Lage und patriotische Selbstbeherrschung der conservativen und nationalliberalcn Parteien SachsenS, vor Allem getragen von wahrhaft landesväterlichen Winken der entscheidendsten Stelle es gelang, sämmtlicke sächsische Mandate der Socialdemokratie zu entreißen, ein Erfolg, der geradezu in Preußen und Süd deutschland Aufsehen erregte bis hinauf zu dem edlen Begründer deS Reiches, Kaiser Wilhelm I., da war der sächsische Einfluß der 11 Abgeordneten z. B. in der dcutschconservativen Fraction des Reichstags so prägnant, daß Eugen Richter mehrfach die preußischen Conservativen gegen uns aufzustacheln versuchte, freilich gänzlich erfolglos, da in allen drei nationalen Parteien, reckls wie links, jederzeit Tüchtigkeit, Sachlichkeit und Fleiß anerkannt worden sind, Sachsen auch damals hervorragend z. B. auf juristischen und industriellen Gebieten vertreten war. Bis heute haben, Dank dieser Zeit, die auf so wenig Köpfe znsainmengeschniolzenen sächsischen Abgeordneten der OrdnungS- parteicu im Reichstag jederzeit den Einfluß auSgeübt, der ihrer Zahl entsprach, seit vielen Sessionen sind aber freilich durch die ultramontan-fortschrittlich-socialdemokratische Coali- tion fast alle Anträge der nationalen Parteien niedergcstimmt worden und ist dadurch allmählich in der Volksvertretung ein l ostum omnium contra, omnes entstanden, der, fürchte ich, der so nöthigen und wünschenswertsten Sammlung, welche ein so begabter Staatsmann wie Or. v. Miquel an- urcbt, noch manche Enttäuschung bereiten wird. Das Ver hältniß der sächsischen Conservativen zum Fürsten Bismarck hat derselbe s. Z. uns Nächstbetbeiligten selbst so ergreifend ge- sckildert, daß taktlose Reporter, ja selbst die „Hamburger Nach- > ichten",dienur selten wirklich inspirirt sind, daran nichts trüben lönnen, ebenso wenig wie Tiraden der „National-Zeitung" einer-, abfällige Urtheile der „Leipziger Zeitung" anderer seits das auf Erkenntniß der wahren Volksbedürsnisse basirte loyale Vertrauen zwischen den Conservativen und National liberalen SachsenS erschüttern werden. „Getrennt marschiren, aber vereint schlagen" und den übrigen Bundesstaaten ein vorbildliches vivat seguens für correcte Parteipolitik zurufen, daS möge bas Endresultat auch Ihrer oben erwähnten Be trachtungen sein. Em«, 16. September 1897. Hochachtungsvoll vr. v. Frege-Weltzien, M. d. R. ZUM 85. Negierungsjubiliillm König Ostmr's II. von Achmeden. — 18. September. — . Von vr. Hart Hildebrand, Stockholm. Nachdruck verboten. Es dürfte Wenige Monarchen der neueren Zeit geben, die ihrer Nezierungszeit in gleichem Maße daS Gepräge ihrer persönlichen Eigenart zu verleiben verstanden haben, wie der jetzige König der Schweden und Norweger. Als vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren der damalige Herzog von Ostgotland als ältester Erbprinz des Hauses Bernadotte auf den Thron berufen wurde, fand er ein dornenvolles Erbe vor. Die aus gesprochen französische Tradition, die am Hofe seines ohne Thronerben verstorbenen Bruders Karl XV. herrschend ge wesen war, hatten dem Lande nicht nur schwierige Ver pflichtungen zu dem benachbarten dänischen Hofe auferlegt, sondern auch die politischen Beziehungen zu dem neugeeinten Deutschen Reiche und zu Rußland stark gelockert. Daneben herrschte in den Kreisen der Hofgesellschaft eine stark orthodox- reaclionaire Strömung, die jede Aeußerung des freien, vor- wärtsstrebenven „Iungschweden" im Keime unterdrückte. Ja, die Verhältnisse halten schon einen Grab von Unerträg lichkeit erreicht, daß die meisten der damaligen Träger einer neuen Literaturrichtung es vorzogen, sich im Auslande — namentlich in München, Dresden und Paris — eine Stätte freien Schaffens zu suchen. Die steife, altschwedische Etikette trug nicht wenig dazu bei, den Zopfstil des damaligen ge sellschaftlichen Lebens auch äußerlich zur Geltung zu bringen. Cliquen und Coterien spannen ihre dunklen Fäden, wenn es galt, einem unbequemen aufstrebenden Talente die Wege zu verlegen. Selbst Künstler und Künstlerinnen hatten unter diesem Geiste in einem Maße zu leiden, daß es kaum weiter verwunderlich erscheint, wenn das Schweden der fünfziger und sechziger Jahre an Talenten einen so ausfallenden Mangel zeigte. Sobald Prinz Oskar Frederik, oder wie er sich nach der Thronbesteigung vom 18. September 1872 nannte, König Oskar II., die Zügel der Negierung ergriffen hatte, trat der Rückschlag fast augenblicklich zu Tage. Die mißvergnügten Elemente, deren Bethätigung durch Zwang und Willkür niedcrgehalten worden war, wußten nur zu gut, was sie von dem Einflüsse des neuen Herrschers auf allen Gebieten des öffentlichen Leben- zu erwarten batten. König Oskar's Vorbildung war eine von der üblichen Unterweisung künftiger Thronerben völlig abweichende gewesen. Als dritter Sohn des im Jahre 1856 verstorbenen Königs Oskar I. nur mit höchst geringen Aussichten auf eiue etwaige Thronfolge ausgestattet, batte sich der junge Prinz frühzeitig mit großem Eifer sprachlichen und schöngeistigen Studien zu gewandt. Mit spielender Leichtigkeit eignete er sich u. A. die Kenntniß der drei romanischen Sprachen an, die er bald mit überraschender Fertigkeit in Wort und Schrift beherrschte. Sein persönliches Empfinden sand allerdings in keinem dieser Gebiete völlige Befriedigung, ebenso wenig wie ihn das Studium der klassischen Sprachen sonderlich zu fesseln vermochte, obwohl der junge Fürst es liebte, mit gelehrten Altphilologen seiner Heimath in der Sprache Cicero'« längere und hitzige Dispute ausznfechten. Den nachhaltigsten Eindruck übte vielmehr ter reiche Schatz deutscher Geistescultur auf ibn aus. Prinz Oskar Frederik war sich der engen sprachlichen und StammeS- verwandtschaft seines Heimathlandes mit dem deutschen Nachbar allzu lebbaft bewußt, um nicht mit Liebe und Verstänkniß die dichterischen Schöpfungen de« großen Dichters von Weimar in sich aufzunehmen. Goethe's „Faust" bildete von jeher in seinen Augen das Größte und Erhabenste, WaS die dichterische Kraft einer geistig entwickelten Nation bervorzubringen im Stande war. Goetbe's „Götz" war es, an dem sich Oskar zuerst selbst dickterisch versuchte, indem er dieses kraftvolle Werk in die Sprache Tegncr's übertrug. Dieser Ueber- sctzung folgten bald ähnliche Arbeiten, unter denen „Torquato Tasso" und Herder's „Cid" als künstlerische Meisterwerke hervorragen. Seine ernst und gewissenhaft betriebenen Studien trugen dem Prinzen bald verdiente Ehrungen ein. Die altangesehene Universität Lund ernannte den jungen Fürsten zum Doctor honorig causa in allen vier Graden. Wissenschaftliche Gesellschaften des In- und Auslandes ver liehen ihm die Ehrenmitgliedschaft. Nach der historischen Hanstradition war Prinz Oskar Frederik gehalten, auch zu dem Heer es verbände seines Lande- in Beziehung zu treten. Obwohl er dem kriegerischen Handwerk nichts weniger als sympathisch gesinnt war, fand er dock als echter Sohn des alten VikiugerlandcS lebhaften Geschmack am Secleben. Tie neuorganisirte Flotte bedurfte zudem eines dem Königsbause nahestehenden Leiters, und somit war die Entscheidung Oskar'S für die Marinelaufbahn von selbst gegeben. Diese Vorliebe für daö weite heilige Meer seiner nordischen Heimath ist dem feinsinnigen Fürsten Zeit seines Lebens treu geblieben, und noch heute pflegt der greise Monarch, der die bequeme Civilkleidung nur ungern mit dem Waffenrock vertauscht, am liebsten die Uniform deS schwedischen Großadmiral« anzulezen, wenn e« gilt, bei wichtigen Anlässen seine politische Würde zu repräsentiren. Seine Laufbahn als Marineossicier war hockst erfolgreich. Schon im Alter von 27. Jahren (i. I. 1856) wurde er durch die Charge eines Viceadmirals ausgezeichnet. Unter seinem Commando zog das blau-gelbe Kreuz der schwedischen Orlozs - Flagge von Nord nach Süd durch alle Breiten deS Weltmeeres. Kein Wunder daher, daß die gewaltigen Eindrücke des großen Meere« in dem feinfühligen Gemütbe deS schwedischen FürstensohneS lebhaften Widerhall hcrvorriefen. Kaum acht undzwanzig Jahre alt, gab er eine treffliche Gedicktssamm- lnng heraus, welche den Titel führte: „Ur svcnska stottans miuuen" („Großtbaten der schwedischen Flotte") in der namentlich das Leitgedicht — eine „Ode an die Ostsee" — dauernden Erfolg zu verzeichnen batte. Dieses erhebende Nuhmeslied der nordischen Schären ist seit Decennien in den Liederschatz des schwedischen Volkes übergegangen. Neben den militairischen waren es wesentlich historische Studien, die den jungen Admiral beschäftigten. Außer einer Geschickte de« „Löwenkönigs" Karl XII. verfaßte er eine längere Arbeit „Beiträge zur Geschichte Schwedens in den Jahren 1711—13". Ferner leitete Prinz Oskar 1858—60 das schwedische Kriegsarchiv. Die Vorliebe Oskar's für deutsches Wesen und deutsche Geistescultur sand in seiner 1857 erfolgten Vermählung mit einer deutschen Fürstentockter, der Prinzessin Sofia von Nassau, eine weitere Anregung und Förderung. Während bis dahin in den Kreisen des HofcS die Tradition des „großen Bernadotte" bvckgehalten wurde und auch das Französische als Umgangssprache in der königlichen Familie ausschließliche Anwendung fand, war cS Prinz Oskar, der zuerst deutsche Gelehrte in seine Näbe zog, öffentlich seinen Sympathien für die Brudernation Ausdruck gab und sich hierdurch nicht selten in Widerspruch mit gewissen einfluß reichen Kreisen setzte. DaS ruhige, wissenschaftlichen Bestrebungen gewidmete Leben sollte jedoch bald einem sehr schroffen Wechsel unter worfen werden. Ter Vater deS Prinzen Oskar, König Oskar I., batte die Regierung in Folge andauernder Kränk licbkeit niedcrgelegt und an seine Stelle war Kacl XV. ge treten, aber auch dieser vermochte nur wenige Iabre die Zügel der Regierung zu führen. Nach längerem Siccktbum verstarb er am 18. September 1872, und da keine Leibes erben vorhanden waren, wurde Oskar Frederik zur Thron folge berufen. Er zählte damals 43 Jahre. Am 12. Mai 1873 fand in Stockholm die feierliche Krönung statt, der am 18. Juli die Krönung im Tome zu Drontheim als König von Norwegen folgte. Mit dem Regierungsantritt vollzog fick ein bemerkenS- werther Umschwung in den öffentlichen Verhältnissen der skandinavischen Doppelreiche. Tie Verkehrswege deS Landes wurden mit großem Aufwande erweitert, neue Industrien — namentlich nach deutschem Muster — wurden eröffnet und die Förderung wissenschaftlicher Unternehmungen — cs sei nur an die berühmte „Vegafahrt" deS Professors Freiherrn von Nordenskjöld erinnert — in die Wege geleitet. König Oskar verfolgte den Grundsatz, daß ein so kleines Land wie Schweden auf ein warmes FreundsckaftS- und Verkebrs- verhältniß mit dem benachbarten Auslande angewiesen sei. Hierin gipfelte seine W i r t h s ck a f t s p o l i t i k und seine diplomatische Arbeit. Als durch äußere Einflüsse in Schweden die sogenannte protectionistische Bewegung in Fluß gerietb, erkannte der Köniz darin eine ernste Gefahr für sein Land. Als die Majorität des Reichstages sich jedoch geneigt zeigte, in der Frage der Getreideschutzzölle dem Protectionismud Oberwasser zu verschaffen, schreckte der Monarch nicht vor offenem Conflicte zurück. Er ließ durch das liberale Ministerium Tbemptander den NikSdag im Iabre 1889 auftösen und erklärte in einem Manifest an die Nation, daß er für seine Persvn nicht die Verantwortung eines plötzlichen und zwecklosen SystemwechselS tragen könne. Tas schwedische Volk sei berufen, hier sein Wort mitzusprechen. Dieser charakteristische Vorgang kennzeichnet besser als alles Andere, welche hohe Meinung der Monarch von der Aeußerung eines unabhängigen Volkswillens bcgt. Seine beispiellose Popularität ist denn auch der beste Beweis dafür, wie die Schweden ihrem Könige dafür zu danken wissen. Weniger glücklich zeigte sich die Hand deS Königs in der schwedisch-norwegischen Conflictsfrage. Die Norweger hatten seit Alters an der Loslösung ihres Union- verbaltnisses zum Nachbarlande gearbeitet. Vielleicht War man diesen Wünschen früher nicht mit geeigneten Ausgleich mitteln entgegengetreten; jedenfalls zeigte eS sich, daß die Politik milder Nachgiebigkeit, die Oskar II. den radicalen Unionsgegnern jenseits der Kjöbn entgegenbrachte, ganz und gar das Gegcntheil erzielte von dem, WaS der König beabsichtigte. Es gereicht den norwegischen Parteiführern, namentlich dem nltraradicalen Dichter Björnstjerne Björnson nickt zur Ehre, daß sie mit allen verfügbaren Mitteln, und nicht immer den lautersten, ihren Kampf gegen den hochsinnigen Monarchen ausnahmen. Die Gehässigkeit des norwegischen Parlaments ging soweit, daß im Jahre 1897 die Summe von 80 000 Kronen von der Civilliste deS Königs abgestrichen wurde, ebenso wurde die Apanage des Kronprinzen mit FeiriHetsn. Ein Besuch im Trappistenkloster. Kürzlich statteten wir dem Trappistcnkloster Mariastern bei Banjaluka im nördlichen Bosnien einen Besuch ab. Von der Eisenbahnstation Banjalnka-Vorstadt ist daS Kloster in kurzer Zeit zu Fuß zu erreichen. Schon auf dem Wege er regen der gute Stand des Getreides und eine auf einem Ernteselde stehende Mähmaschine unsere Aufmerksamkeit — Dinge, denen man in Bosnien wenig begegnet. Sie weisen darauf bin, daß wir uns bereits auf dem Grund und Boden des Klosters befinden, dessen Mönche in der Landwirthschaft den Bosniern weit voraus sind. Balv darauf stehen wir am User des VrbaS. Am jenseitigen Ufer erhebt sich vor »nsern Blicken daS Kloster: ein langes, weißes, einstöckiges Gebäude mit gegen 30 Fenstern Front nach dem Flusse zu; ein Kirch- tburm ragt darüber empor; rechts und links von diesem Hauptgebäude zeigen sich kleinere Nebengebäude; der ganze Complcx ist von einer Mauer umschlossen; belaubte Berge bilden den Hintergrund. Das Alles erscheint so behäbig und freundlich, daß man meinen möchte, hinter diesen Mauern müsse neben der Arbeit Heiterkeit und Frohsinn zu Hanse sein, und Niemand würde auf den Gedanken kommen, daß hier jene Mönche wobnen, die im Ernste rastloser Arbeit und mit Gebeten schweigend ihre Tage verbringen. Denn bekanntlich ist den Trappisten bis auf wenige AuSnahmefälle durch die Ordensregel das Sprechen verboten. Eine Fähre, für Personen- und Wagenverkehr eingerichtet und von zwei Bosniaken bedient, bringt und an das andere Ufer, und an einer am Flusse gelegenen, zum Kloster gehörige» Mühle vorüber gelangen wir zur Klosterpforte. Wir sind gerade zur ungelegenen Zeit, eine halbe Stunde nach 5 Ubr, dem Ende der Besuchszeit, angekommen. Trotzdem macken wir deu Versuch, eingelassen zuwerden, und klopfen an da« verhängte Fensterchen neben der Pforte. Der Bruder Pförtner erscheint. In bestem Deutsch erklärt er sich in liebens würdigster Weise bereit, unseren Wunsch zu erfüllen; nur eins bedauere er, daß heute, weil ein bosnischer National feiertag sei, die Arbeit im Kloster ruhe. Wir folgen ihm also durch die Räume, wobei er die nöthigen Erläuterungen giebt und auf alle Fragen bereitwillig Auskunft ertbeilt. Das tbut er so gewandt, dazu bat er so offene, einnehmende GesichtSzüge und einen so angenehmen Stimmenklang, wie ich es bei einem Trappisten nicht erwartet hatte. In Bezug auf daS Verbot deS Sprechens nimmt er, wie man bemerkt haben wird, eine Ausnahmestellung ein. Dem Pförtner ist es ge stattet, im Verkehr mit den Fremden zu reden, und wie mir fchien, tbat es unser Führer mit einem gewissen Wohlgesiihl. Das gleiche Neckt besitzen die Vorsteher, der Abt und der Prior des Klosters, die als Lehrer in der Klosterscknle wirkenden Brüder und Jene, welche die in das Kloster aufgenommenen Knaben im Handwerk und in Feld arbeiten unterweisen oder die Beichte hören. Als Kleidung trägt unser barhäuptiger Führer die übliche Ordenstracht: eine dunkelbraune Kutte, an deren Stelle aber auch eine Weiße getragen wird. Seiner Sprache nach mußte er ein Deutscher fein. In der Fremde trifft man Landsleute immer gern und interrssirt sich näher für sie. Al« ich ihn darum frage, an» welcher Gegend Deutschlands er stamme, giebt er zur Antwort: „Ueber mich selbst darf ich nichts miltheilen, nur über andere." Der Pförtner ist aber, wie wir jetzt erfahren, nicht der einzige Deutsche im Kloster, während nur ein Drittel der Brüder auS Frankreich und Oesterreich stammt, sind zwei Drittel deutscher Nationalität. Ja, daS Kloster ist eine deutsche Gründung. Die Mönche wurden im Jahre 1868 aus der Nheinprovinz auSgewiesen*). Vergebens suchten sie sich in Italien, Oesterreich und Ungarn nieder zulassen; da gewährte ihnen der Sultan, an den sie sich wandten, vor 26 Jahren im damals noch türkischen Bosnien eine gastfreundliche Ausnahme; die Brüder erbauten daS Kloster Mariastern und erwarben weite Grundflächen zum Zwecke der Cultivirung. Obwohl ihnen aber die türkische Regierung günstig gesinnt war, fühlen sie sich unter der gegenwärtigen österreichischen Wohler, weil erst diese volle Sicherheit deS Eigentbums und der Person schuf. Milde, meist auS dem katholischen Westdeutschland stammende Gaben unterstützen da« gedeihliche Wirken deS Klosters, dessen Brüder sich wohl durch ihrer Hände Arbeit ) In Teuticbland besteht gegenwärtig noch ein Trappistenkloster in Oelenberg im Oberelsah, daß eine Filiale, Marienwald, ebensall« in der Rheingegend besitzt. ihren Unterhalt erwerben, aber auch viel für Bedürftige auS- geben. Gegenwärtig zählt es 170 Mitglieder. Nachdem wir die Capelle in Augenschein genommen haben, worin einige Mönche knieend ihre stumme Andacht verrichten, treten wir in ein Schulzimmer des Klosters ein. Im all gemeinen ist es eingerichtet wie die unfern. Aber an den Wänden ist eine kleine Bildergallerie zu sehen; da hängen die in Leipzig hergcstellten, weltbekannten prächtigen Leutemann- schen Tbierbilder, an denen sich bei uns in Sachsen jedes Schulkind erfreut; da hängen colorirte Bilder ans der biblischen Geschichte, zwar kleineren Formats, aber von um so besserer Ausführung in der Zeichnung. Dazu kommt eine im Glas kasten befindliche Käfersammlung, und in einem mit Glas- thür versehenen Schranke sind physikalische Apparate unter gebracht, darunter auch eine Elektrisirmasckine. Unsere Lehrer würden beim Anblicke dieser Wände gewiß verneinend mit dem Kopse schütteln, wenn sie cs ans Höflichkeit nicht vor- zieben sollten, ibre mißbilligende Meinung für sich zu be halten. Wer jedoch kein Freund unserer nichts weniger al- anheimelnden, schmucklosen Scknlzimmerwände ist, wen etwa einmal bei ihrem Anblicke daö Frösteln überlaufen bat, dem wird da« Verfahren der Trappisten, die Wände der Ciasse mit Bildern zu behängen, in milderem Lichte erscheinen. Vor Allem dürste es der lieben Schuljugend zusagen; dieser wird es sicherlich in der Gesellschaft der Erzväter, deS armen Joseph, des tapferen David und der gemalten Menagerie von Löwen, Bären, Eichhörnchen, Katzen, Mäusen, Kuckucks, Hühnern, Gänsen rc. ganz gut gefallen; und manchem Jungen, dem beim Kopsrechnen der Kopf zerbrechen möchte, wird e- böchlichst willkommen sein, wenn er zur Abwechslung mit vkistohlenem Blicke betrachten kann, wie auf einem Bilde die jungen Füchse vor dem Ban spielen, oder auf einem andern der Frosch vom User ins Wasser springt. Im Ganzen er halten 170 Knaben im Kloster unentgeltlichen Unterricht, also genau so viel, als Mönche im Kloster sind. Die Schüler werden in vier Classen von einigen als Lehrer wirkenden Klosterbrüdern unterrichtet; jede Classe besucht der Schüler im Durchschnitt ein Iabr; befähigte Knaben machen dir Classen in kürzerer Zeit durch, unbefähigte brauchen wohl auch länger. Die Schulzeit ist demnach eine bedeutend kürzere als bei unS; doch bildet die Klosterscknle keine Ausnahme unter den bosnischen Volksschulen; diese werden überhaupt nur vier Jahre von drn Kindrrn brsucht und zwar in der Regel vom 7. bis zum 11. Lebensjahre; unter den Klosterschülern finden fick auch ältere Knaben. Die beiden oberen Classen der Trappistenschule haben wöchentlich 29 Stunden Unterricht, die unteren einige Stunden weniger. Die Unterrichtssprache ist die Landessprache: das Serbisch- Kroatische. Gleich den übrigen Schulen des Landes siebt die Schule unter der Aufsicht ter Regierung, deren Vertreter von Zeit zu Zeit inspicirt. Zu unserem Bedauern fanden gerade zur Zeit unseres Besuches die wie in ganz Oester reick acht Wochen lang dauernden, Juli und August aus füllenden großen Ferien statt. Doch legte uns der Vorsteher der Klosterschule, dem wir vorgestellt wurden, die schriftlichen Arbeiten und Zeichnungen der Schüler vor. Auf Grund unseres Einblickes glauben wir ihm, wenn er versickert, raß die jungen BoSniaken ganz begabte Schüler seien und er freuliche Leistlingen anfweisen. Ich kann cS darum dem Pförtner nicht verdenken, wenn er mit Stolz von der Klostersckule spricht, die er zu den besten Volkesckulcu Bosniens zählt. Der Erfolg beruhe zum größten Tbcilc darin, daß in ihr nach deutschem Muster gearbeitet werde. Ferner besitze sie einen zweiten dem Erfolge günstigen Vor zug, den, daß die Lehrer ihre Schüler stets im Hause haben und infolgedessen ganz anders auf sie cinwirkcn können, als eS in andern Sckttlen möglich sei. Der Unterricht ist nämlich nickt die einzige Wohlthat, die den Knaben zu Tbeil wird; sondern dieselben wobnen und scklasen zugleich im Kloster und erkalten ibre Verpflegung und Kleidung unk das alles auf Kosten des Kloster«; sogar während der Ferien bleiben sie im Kloster. Diese Fürsorge ist um so stöber anzuschlagcii, als die Knaben meist Waisen sind, die auf riese Weife für einige Iabr« im Kloster eine zweite Heimath sinken. Tazn tritt hinzu, daß sie zu praktischen Berufen bcrangebildet werden. Schon die kleineren werken mit der Herstellung von Rosenkränzen beschäftigt, die einen Handelsartikel des Kloster« bilden. Die größeren müssen den Mönchen und zwar besonders in den Ferien bei ken Feldarbeiten helfen. Viele lernen unter der Leitung von Klosterbrüdern ein Hank werk, werken etwa Schuhmacher, Tischler, Schneider rc. Sie sind zwar junger als unsere Lehrlinge, aber zebn bis zwölf jährige Jungen als Schnbmackcrlebrlinge bei der Arbeit zu sebeu, bat man in jeder bosnischen Stadt Gelegenheit. Wer von den Knaben das Kloster verläßt, um auf die Wanderschaft zu gehen, erhält auS der Klostercasf« einig«
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