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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970920024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-20
- Monat1897-09
- Jahr1897
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abrnd-Autgabe Wochentag» um S Uhr. UeLartion vn- Lrpe-itiou: JohanneSgafle 8. Dl» Expedition ist Wochentag» ununterbrochen getssnet vo» früh 8 bis Abends 7 Uhr» Filialen: ktt« Klemm'» kortim. lAlfred Hatz«), UmvrrsitätSstrab« 8 (Paultnum), Lonis Lösche, Katharinenstr. 1t, pari, und NSnigtplad 7. Bezugs-Preis Kl her Hauptexprdition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oabrsteüen ab geh alt: vierteljährliche 4.50, oei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich 6.—. Dirrne tägliche Kreuzbandicadung Ins Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. KiMM ÄaMalt Anzeiger. ÄmLslikatt des Äonigkichen Land- und Ämlsgerichies Leipzig, des Aatljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 20. September 1897. Auzeigeu-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamra unter dem Redactiontstrich (tge spalten) 50xL, vor den Familiennachnchle, («gespalten) 40-4- Erötzrre Schriften laut unserem Preis- »rrzrichaiß. Labrllarischrk und Ziffernjas »ach höherem Tarif. o»»c> Krtra-Vetlagen (gefalzt), «ar mit de» Morgen - Au-gabe, ohne Poslbeförderunj SO.—, mit Postbrsörderung 70.—^ Tinnalsmeschlub für Anzeigen: Abend»Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Riorgr»-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eia» halb» Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig Sl. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. September. Die wichtigste Frage der inneren Politik und zugleich diejenige, deren Hineinstcllung in den Mittelpunct der Wabl- bcwcgung noch die günstigsten Chancen für die Zusammen setzung des künftigen Reichstags bieten könnte, beginnt allmälig die Frage nach dem Wie der Ersetzung der bestellenden Hniivcls vcrträge zu werden. Mit dem Erlast der McDinglcy-Bill und der Kündigung des englischen Handelsvertrages haben sich bereits Ereignisse vollzogen, die unmittelbar in die Er örterung der Gestaltung unserer handelspolitischen Verhältnisse iiu ersten Jahrzehnt des kommenden Jahrhunderts bincin- fiibrcn. Die Boraussetzung eines sür Landwirtbschaft und Industrie nutzbringenden Ergebnisses ist es aber ohne Zweifel, daß die Behandlung des Gegenstandes eine sachliche wird, und zwar nicht nur in dem in Aussicht genommenen Zollbeiratb, sondern auch in der Presse und in den Bersam mlungen. Denn die Entscheidung ruht nun einmal bei den Massen und den Agitatoren fällt demgemäß eine größere Verantwortung zu, als der Regierung und ihren Beratdern aus den Er- wcrbSständen. Aus diesem Grunde konnte es mit Genug- lbuung erfüllen, als die „Kreuzzeitung" eine Betrachtung über das Thema nut der nicht abweisenden DiScussion des Gedankens der Erhöhung der landwirtbschaftlichen Zölle eröffnete. Es ist dies ein anderer Standpunkt, als der vom Grafen Lim burg-Sti r um eingenoinmcne, welcher conservative Führer die Losung „keine Bindung vo» Zöllen auf landwirthschastliche Erzeugnisse" ausgegeben hat. Tie „Kreuzztg." erkennt auch die gerade den lantwirthsckaft- lichen Interessen von der freisinnigen und der socialdemo- kratischen Propaganda drohenden Gefahr. Sie bemerkt, wenn diese Agitation Erfolg hätte und der künftige Reichstag eine antiagrarische Mehrheit aufwiese, „so wurde eS der Negierung, selbst wenn sie den ernstlichen Willen dazu hätte (!), unmöglich werden, die Lanv- wirlhschast beim Abschluß neuer Verträge dermaßen zu schützen, wie es nach Ansicht ihrer sdcr Lancwirlhschaft) Ver treter sich gehört." (!) Neber die Frage nach den berufenen Vertretern der Landwirtbschaft und über die Anzweifelung des guten Willens der Regierung kann man hier hinweg sehen; jedenfalls ist richtig, waS die „Kreuzztg." von einer anti- agrarischen Mehrheit sagt. Eine solche würde im besten Falle und nur, weil sonst l ie deutschen Regierungen nothgedrungen einem vertragslosen Zustande den Vorzug geben müßte, sich zu der Bei behaltung ter bisherigen Getrcidcrölle verstehen, die moglicher- uub wahrschcinlicherweise den Weltmarkt- und den deutschen VroductionSverbältnissen des nächsten Jahrzehntes nicht ent sprechen würden. Man sollte nun meinen, daß die Einsicht der „Krcuzzeitung" sie zn einem sachgemäßen taktischen Verhalten bewegen würde. Jedoch weit ge fehlt. Der Signalisirung ter von einer antiagrarischen Mehrheit drohenden Gefahr folgt ein plumper und gehässiger Angriff gegen die Nativ nalli beraten auf dem Fuße. Die „Kreuzztg." stürzt sich dabei nicht weiter in geistige Unkosten, sie eignet sich einfach ein vor fünf Jahren auf einem „Katholikentag" gemünztes und seitdem bei den Ultra montanen ist Cur« gebliebenes Wort an, indem sie schreibt, die Nationalliberalen im Großen und Ganzen erschienen ihr wie ein „Glied jener Kette, die von Bebel bis Bennigsen reicht". Hierauf kommt natürlich Einiges über taS Vercinsgesetz und daun eine in niedere Denunciationen ter Nationalliberalen gekleidete Empfehlung ter kon servativen Partei an höchster Stelle. Das Organ der preußischen Couservativen cultivirt also jenen Gouvernementa- lismus, den Fürst Bismarck bei feinem bekannten Urtheil obne Zweifel im Auge gehabt hat. Wenn der Altreichskanzler von „Caprivismus" spricht, so meint er natürlich nicht eine ureigene Politik seines Nachfolgers, die dieser gar nicht gekannt hat, sondern jene Politik, ter Graf Caprivi seinen Namen und Arm gelieben. Tas bat tie „Kreuzztg." ja auch selbst herauSgesunden und nach Delatoren Art verwerlhet. Es erleidet keinen Zweifel, raß ter Ausfall ter „Kreuz zeitung" gegen die Natiouallibeialen die Antwort auf Hern« von Frege-Weltzien's Mainnug zum Frieden nuier reu nationalen Parteien verstelle > soll. UuS überrascht sie nicht. Wenn den bayerischen Particularisten vom Schlage des Herrn I)r. Sigl gelegentlich turch einen Hinweis auf tie RcickSversassuug klar gemacht wirt, raß ter Belbäiigung ihres bösen Willens gegen das Reich Schranken ge zogen sind, so ist taS ganz am Platze. So gönnen wir renn auch teil'. Retacleur des „Bayerischen Vaterland", ter eine boshafte Freute bei dem Gedanken embsintet, ter bayerische Lanttag könne durch Scbürung ter Abneigung ter bayerischen Krone gegen den Verzicht auf einen obersten Milit airge richtShof die ganze Reform ter Militair- strafproceßor tnnng vereiteln, tie folgende Belehrung turch tie „Nat.-Lib.-Corr": „In Fragen der reichs iksetzlicken Regelung des Mililairstraf- processeS besieht kein bayeiisches Reservat. In dein Vertrag nut Bayern vom 23. November 1870 heißt es ausdrücklich: Bayern behält z u n ä ch sl seine Militairgeietzgebung nebst den dazu gehörigen Vollzugs-Instructionen, Verordnungen, Er läuterungen re. bis zur versassungsinühigen Beschluß- fajjung über die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien, resp. bis zur freien Verständigung bezüglich der Einführung der bereit- vor dem Eintritt Bayerns in den Bund in Liefer Hinsicht erlassenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen." Zur Militairgesetzgebung gehörig nennt die Verfassung ausdrücklich die Miliiairürasprvceßordnung. Und damit ist deutlich gesagt, daß eine neue, einheitliche Reichs- militairslrasproceßresorui auf dem geordneten Wege der Reichs- gejctzgebung Erledigung findet, also durch Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrathes und des Reichstage». Nur da« Präsidium des Bundes ist in der vorliegenden Frage in der Lage, durch seinen Widerspruch die Aufrechterhaltung der bestehenden Ein richtungen zu bewirken, also die Reform formell zu hindern. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß die Wünsche des zwifit- größten Bundesstaates, der eine „modernen Rechtsansprüchen" genügende Militairstrafproceßordnung bereits hat, im vorstehenden Fall nicht ein thatsächliches Vindermsz bilden könnten und unter Umständen ein berechtigtes Hinderniß. TaS hängt natürlich von der Art ab, in der man den „modernen RcchtSb.chürsnlsscn" in der Reform schließlich zu entsprechen gewillt ist. Nach der Versassung selbst stehl aber der Erledigung durch die Reichsgesetzgebung kein Hinvcrniß im Wege, und der Abg. Sigl, der noch kürzlich in seinem Blatte aus die gesetzgeberische Theilnahme de« bayerischen Landtags in Bezug auf die Reform verwies, würde sich Loch, um sein Votuni dafür oder dagegen abzugeben, ans den Reichstag beschränken müssen." So lehrreich aber Liese Auseinandersetzung für Herrn I)r. Sigl sein mag, so fehlt ihr doch »in Zusatz, der aus Rücksicht auf die bayerischen Gegner dieses Herrn nicht fehlen sollte, der Zusatz nämlich, daß mit dem Ge danken, Bayern zum Verzicht auf seinen obersten MilitairgerichtShof durch Majoristrunz zu zwingen, sicherlich kein politisch denkender Mensch sich trägt. Auch trotz eines solchen bayerischen Gerichtshofs ist «ine den „modernen Rechtsansprüchen" genügende Militairstrafproceß- reform möglich und die gesammte nationalliberalc Partei würde eS für eine sehr unglückliche Lösung der Frage halten, wenn des bayerischen Gerichtshofes willen der zweitgrößte deutsche Staat einem Zwangsverfahren ausgesetzt würde. Heute betritt der deutsche Kaiser die H a u p t st a d t Ungarns. Sämmtlickie Blauer Pest« feiern dieses Ereiguiß >n sct wungvoUen Leitartikeln und widmen ihre Spalten syni- patvischen Erinnerungen an das deutsche und preußische Herrscherhaus. Ter „Peiler Lloyd" schreibt: Ter deutsche Kaiser wird hier unverbrüchliche Vertragstreue uud aus dieser stammende wärm sie symvuthie sur die große deutsche Nation vor- finden. Tie ganze Nation stimmt in Len ebrfnrchtovollen Will- kommgruß ein, der morgen dem erlauchten Gaste dargeboien wird. Ter .,Nemzet" schreibt: Eine natürliche, nicht ge- machie, durch uichis getrübte einheitliche Begeisterung und Sympathie empfängt und begleitet den deutschen Kaiser überall bei uns, weil die äußere Politik und LaS Wirken des deutschen Reiches und dessen iniernationate Stellung, sem Büudniß und Verbältniß zu uns und seine hierin erprobte Treue unseren Inter.ss.n ebenso, Ivie unfiren Gefühlen entsprechen. „Pesli Hirlap" sagt: Tie wahre Begeisterung, die jetzt aus den uugauschen Herzen auSbricht, bezeichne eine große Wcndnng der Zeitgeschichte und säst eine Wandlung von ewiger Bedeutung, sie bezeichn» nämlich «ine end- giltige Klärung des Verhältnisses zwischen Germanen- thum und Magyar» nihnm. Der deutsche Kaiser werbe sich jetzt persönlich überzeugen, daß di« ungarische Nation die ver läßlichste Stütze LeS initleleuropäijchcn Bündnisse- sei. „Pesti Naplo" hebt hervor, baß eS neben allem Anderen der Eharaklerzng unverhüllter Osfenheit des deutschen Kaiser« ist, der die warme Sympalhie LeS Ungarherzens Hervorruf«. Daher werde auch nicht so sehr die äußere Pracht als die warme Bc- giislerung, die frische Unmittelbarkeit, mit welcher die ungarischen Sympathien ihm entgegeneilin, sein empfängliche« Herz rühren. Wir nehmen mit freudiger Genngkbiiung Act von den geradezu.enthusiastischen Gefühlsäußerungen der ungarischen Presse, die in gleicher Weise ehrend sür die Person uiijereS Kaisers wie für kie gesammte deutsche Nation sind und uns kie sichere Gewähr geben, daß der Dreibund kein festeres Fundament haben kann als in den Landen jenseits ver Leitha. Nicht minder befriedigt dürfen wir consta- tircn, cast die Organe der öffentlichen Meinung Ungarns in sehr vernünftigem Gegensatz zu den dem Kaiser Wilhelm beim Betreten deS ungarischen Bodens gewidmeten Begrüßungs artikeln bei seinem Antritt in Vie Lanvesbaupistadl sich jeder Anspielung aus ihre übertriebenen nationalen Aspi rationen und die Unterstützung enthalten, welche sie für dieselben von Kaiser Wilhelm erwarten. Hoffentlich darf man hierin das erste Symptom ver Ertenntniß erblicken, daß Ungarn nur kie eine Hälfte der mit uns verbündeten habsburgischen Monarchie ist und daß wir im Allianceverhältniß stehen und stets sieben werden nicht niil Ungarn allein, sondern mit dem Gesammtreiche Oesterreich- Ungarn. Daran erinnert auch das „Neue Wiener Tagblatt", wenn es in seinem Festartikrl sagt: Die Monarchen werben Zeugen sein, daß bas die beiden Reiche umschließende Band in Oesterreich-Ungarn in felsenfester Treue getragen wild durch die zwei Haupttheile des Reiches. Allerdings ist der Nationalitätenkampf, der gegenwärtig CiSlcirbanie» durchlobt, für den Freund deS TreibuntcS leine erfreuliche Erscheinung und muß ihn mit Bedenken erfüllen, aber gerade darum sollten die Ungarn, wenn sie sich als zuverlässige Träger des Dreibundgedankens fühlen, 'agen, daß die nationalen, die Einheit des Reiches aufs Bedenklichste bedrohenden Sonrerbestrebungen in Cisleithanien nur den Widerhall ter Erfolge der nationalen Pro paganda des MagyarcntbumS sind. Und wenn endlich „Pesti Hirlap" von einer „entgiltigen Klärung des Verhältnisses zwilchen Germanenlhnm und Magyarenlhum" spricht, so tönnen wir ihm den Einwurf nicht ersparen, baß Vies io lange eine Redensart ohne zureichenden Inhalt bleibt, als die Brulalisirungen der Deutschen, wie sie fort gesetzt zu beklagen sind, auck nach dem Besuche Kaiser Wilhelm's ferldaucrn. Zm Uebrigen stimmen wir vollkommen der „Neuen Freien P-esse" zn, welche darauf binweist, für den Crekil der vielen in den letzten fünf Monaten vernommenen F r i eke n sv ersiche r u ng en sei cs nolh- wendig, daß auf die Feste von Petersburg und Homburg jene von Pest folgen, ein Gedanke, der, freilich eiwas verwässert, auch in der Aeußerung der „Nord deutschen Allgem. Zig." ankliugt: „Ohne einer Er klärung durch besondere politische Anlässe zu bedürfen, reihe sich der Besuch, den Kaiser Wilhelm seinem erlauchten Freunde abstaliet, in natürlicher und nolbwenviger Weife vcn Begegnungen an, Vie zwischen den Oberhäuplern der Kaiser häuser Hohenzollern und Habsburg regelmäßig wieberkehrcn " Von Zeit zu Zeit ist es nöthig, daß die Herrscher der Drei- hiinrilaaien der Welt persönlich zeigen, raß die Alliance noch unerschütten forlbestebt, und wenn dir Begegnungen von Hom burg und Pest auch nickt unter dem Einfluß LeS Petersburger Ereignisses auf da» Programm der Drcibundpolilik gefetzt worden sind, s» erfolgen sie unmittelbar nach diesem zu einem Zciipuncl, den man gelegener nicht renken kann. Und zwar erfoigen sie als die vollstgiltigr Garantie für den Welt frieden, den sie besser verbürgen als der Zweibund, dessen einer Partner sich noch immer nicht der Rolle des bissigen Hundes an der Kette eruwöhnen kann. Nach der nunmehr erfolgten Unterzeichnung der gricchtsch-tnrkischr» Friedenspräliminarien, die wir in ausführlicher Fassung im Morgenblatt »litgeldeilt haben, kann die letzte orientalische Krise endlich formell als abgeschlossen gelten. Von allgemeinem Interesse sind di» Artikel 2 und 6 ve» Frierenspräliminar - Vertrags, um deretwillen die Verhandlungen sich so unendlich in die Länge gezogen haben. Artikel 2 stipulirt die Einsetzung einer internationalen Finanzcontrole, die sich nickt nur, wcrauf England bi» zuletzt bestand, aus die Erhebung und Verwendting ausreichender Einnahmen für den Dienst der KricasentschärigiingSanleihe, sondern auch auf tie sonstigen Staatsschulden erstreckt. Griechen land steht also unter vollständiger finanzieller Curatel und bat damit über sich ergeben lassen müssen, wogegen eS sich, als Mit feiner nationalen Würde schlechterdings unver träglich, mit aller Macht gesträubt bat. Irgendwelche Zweideutigkeiten Griechenland» in Bezug ans feine finanziellen Verpflichtungen sind nunmehr ausgeschlossen, dafür bürgt nicht nur der Umstand, daß die Controle eingcsührl ist, sondern auch der, daß das betreffende Gesetz über Feurllstsn» Götzendienst. l3j Roman in zwei Theilen von Wold em ar Urban. Nachdruck verboten. „Sie wollten vorhin noch etwas Anderes sagen. Sie begannen: „Uebrigens —" und brachen dann ab." Frau de Courcelles lachte, und ihre kleinen, tadellosen Zähnchen leuchteten zwischen den vollen üppigen Lippen durch. „Nichts —- nichts! Das bleibt vorläufig noch mein Ge- beimniß." „Aber " „WaS Sie neugierig sind, Herr Graf! Hm — hm — gut! Georgette, geh' doch einmal hin zum Kellner", wandte sie sich plötzlich zu ihrer Tochter, „eine neue Flasche Cham pagner zu bestellen." Georgette war ein kluges, gelehriges Kind, sie sah sofort ein, daß sie sür einige Augenblicke überflüssig war. So stand sie also auf und ging. „Nun?" fragte Graf Victor, als er mit Frau de CourcelleS allein war. „Ich denke, eS schadet nichts, wenn Sie mein kleines Gebeimniß kennen. Sie sind ja klug und werden vorkommenden Falls auch helfen können, wenn ich Hilfe brauchen sollte. Aber nur vorsichtig, Herr Graf, und nicht vor der Zeit plaudern." „Ich sollte meinen, von mir brauchten Sie nichts Vor eiliges oder Unkluge» zu befürchten." „Nun — ich erwähne eS nur beiläufig. Uebrigen« ist Herr de Melida noch nicht so alt, wie Sie vielleicht glauben." Graf Victor sah sie einen Augenblick durchdringend an, dann lächelte er leicht. „Sie 'vollen sagen, daß er sich unter Umständen zu einer zweiten Heirath entschließen würde?" fragte er leis». „Ich will vielmehr sagen, daß ein südamerikanischer Bauer dnrchau» nicht von Holz ist, und wenn ich eine Frau bin, so weiß ich auch, wie ich gewisse Blicke, mit denen er wich bedacht, zu deuten habe. DaS fühlt eine richtige Frau rielleicht besser und schneller, als eS die Absicht d«S Be treffenden sein mag." „Aber da» wäre ja zum Schreien, gnädige Frau!" „Still! Vergessen Sie nun vor allen Dingen nicht, worauf eS zunächst ankommt. Immer hübsch langsam, Schritt sür Schritt und treu im Bündniß. Ich habe das Meinige heute redlich zetban, nun seien Sie darauf bedacht, auch das Ihrige zu vollenden." „Zweifeln Sie nicht daran!" „Nun still, Georgette kommt zurück. Also Schritt für Schritt — hören Sie? Und nun schenken Sie ein, ich ver gehe vor Durst." Und der Durst, den Frau de Courcelles nun entwickelte, konnte sich in der That sehen lassen. Man trank «ine zweite, eine dritte Flasche des süßen, kühlen und doch so erhitzenden Getränkes, und je mehr Frau de Courcelles trank, desto lebhafter, erregter und auch erfinderischer wurde sie. Alles an ihr war prickelnde Pikanterie und jene anmuthige Rührigkeit und Grazie, die die Französinnen so einnehmend und so reizend macht. Man amüsirtc sich vortrefflich, lachte laut und schallend auf, je mehr der Wein seine Wirkung that, und man machte Pläne für die Zukunft. Dann wieder ließ man eine alte Taute in Paris an einem schweren Fall von Influenza erkranken, so daß der armen Camilla keine Einrede bleiben sollte gegen ihre sofortige Abreise nach Pari«. Und war sie einmal dort, so würde man für ein längeres Verweilen schon Sorg« tragen, bis hier Alle» in Ordnung war. Als man sich endlich trennte, war man in rosigster Stimmung und voller Zuversicht auf eine glückbringende Zukunft. Mitternacht war vorüber, al- Gras Victor nach seinem Hotel zurückkehrte. Ter Portier, der nock unten in seiner Loge saß, sagte ihm im Vorbeigeben, zweimal sei heute Abend eine junge Dame dagewesen, vir nach ihm gefragt habe. Im GesrllschaftSsalon habe sie dann, da sie ibn nicht getroffen, einige Zeilen geschrieben, die er ohne Zweifel in seinem Salon finden würde. .E« ist gut", antwortete Gras Victor anscheinend gleich- giltig; aber al« er di» Trepp« emporstieg, begann sein Herz doch lauter und ängstlicher zu schlagen. Die rosige Laune war urplötzlich wie weggeweht, und immer wieder mußte er sich fragen: Sollte Camilla noch einmal dagewesen sein? Was war da»? Sein» Hand, di» den Leuchter hielt, zitterte ja, sein Athem stockte, und zugleich überfiel ihn eine unnenn bar« Angst, ein« Unruhe, eine Furch«, al- soll» ihm die nächste Minute etwas Schreckliche-, etwas Ungeheuerliches bringen. „Wie kindisch!" flüsterte er sich dann selbst ermuthigend zu. „Weshalb Furcht empfinden vor einem Nichts, vor einer Idee?" Er stieg die Treppe vollend« hinan und öffnete die Tbür, die nach seinem Salon führte. Ein küdler Luftzug schlug ibm entgegen, ein ungewohnter kalter Hauch wie aus einem Grabe, der sein Licht verlöschen machte. Einen Augenblick stand er im Finstern und war ärgerlich über den Kellner, der es gewiß wieder vergessen hatte, beim Dunkelwerden die Fenster zu verschließen. Vorsichtig tappte er aus den Tisck zu, wo er Streichhölzer vermiubete, um sein Lickt wieder anzuzünden, al» plötzlich sein Fuß an etwas Weicke», etwas wie Kleider stieß und er deutlick die Vorstellung empfand, als ob da Jemand auf dem Boden läge. Gleichzeitig hörte er einen langen, tiefen Seufzer. WaS war DaS? Kaller Schweiß perlte ans seiner Stirn und er beschrieb einen großen Bogen, au- Angst oder Furcht, um nach dem Tisch zu gelangen. Er bälte schreien, um Hilfe rufen mögen; aber seine Kehle war ibm wie zugeschnürt. „Victor!" klang e» da leise zu ibm herüber — ein klagender, verlorener Laut wie aus einem Grabe. Er stanv wie von einem schweren Banne getroffen — starr und unbeweglich. Sein Haar sträubte sich, und mit zitternder, mühsamer Stimme rief er stammelnd: „Camilla! Camilla! Bist Du hier?" „Lebe wohl, Victor!" klang eS noch einmal schwach und ersterbend. „WaS — WaS ist Dir, Camilla? Heiliger Gott, wa« — was hast Du gelhan?" In namenloser Seelenangst irrte er im Zimmer umher, bi» es ibm endlich gelang, Lickt zu machen. Der Strahl zuckte auf, und deutlich gewahrte er die Gestalt auf dem Boden liegen. Dann aber wurde das Lickt wieder klein, und ehe sich die Flamme wieder zur vollen Größe und Klarheit erhob, schienen ihm Minuten der Ewigkeit zu vergehen. Und dann sab er: Lang hingrflreckt auf dem Teppich tag Camilla, die Kleider anfgerissen, die Hände weit von sich gestreckt, und die eine umklammerte krampfhaft einen kleinen corsiscken Dolch, welchen Gras Victor gelegentlich eine» früheren Auf enthalte» in Ajaccio al« Andenken an Eorsica erstanden und den er in letzter Zeit immer al» Papiermcfser benutzt hakte. Und so mochte er denn auck irgendwo aus dem Tück oder dem Sckreibsecretair liegen geblieben sein. Die marmorweiße Brust Camilla s und taS offenstehende Hemd zeigten starke Blutspucen, und ibr Gesicht war bleich, wie da- einer Leiche. Mit einem Aufschrei stürzte Graf Victor vor ihr nieder. „Camilla!" ries er ibr mit gedämpfter Stimme ins Obr; „Camilla, hörst Du nicht? WaS hast Du getban? Uni aller Heiligen willen — antworte! Willst Dn, daß ich die Leute rufe? So antworte doch, Camilla, und bringe mich nickt zur Verzweiflung!" Dann starrte er in ibr Gesicht, da- bleich und edek, rein und ruhig vor ihm lag, dessen Augen aber erloschen waren. Er faßte uack ihrem Herzen — e» stanv still! Camilla war todt! Aber ibr Körper füblte sich noch ganz warm an, und eben, noch in diesem Augenblick mußte sie gelebt haben, hatte sie ihn gerufen. Nun war sie todt, nun hatte sie überwunden. Sein Kommen — batte sie eS noch gekört und batte sie daun in ter Wulb der Verzweiflung die unselige Thal begangen? Wie kam sie überhaupt hierher? Tau'end Fragen jagten sich durch daS zermarterte Hirn de» Grafen Victor, unv auf keine wußte er eine Antwort zu geben. Im aufrichtigsten, wabrstcn und wildesten Seele,«schmerz warf er fick dann «der die schöne Leiche nnv blieb so lange liegen, wie ohnmächtig, wie gebrochen, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen oder einen klaren Gedanken zu fassen. In sein tiefstes Inneres, wo viel leicht nicht Alle» todt und erstorben war, wo noch Vie Liebe, da» reine Naturgefübl thronte, VaS ibn zu Camilla hingezogen. griff das ebenso plötzliche wie gräßliche Ereigmß mit wuch tiger Faust hinein und warf ihn zu Boden — fassungslos, ratblo», trostlos! DaS war nun also der erste, furchtbare Erfolg seiner witzigen Klügeleien, seiner weltklugen Speculationen, das erste Opfer seines Götzendienstes! Camilla todt! Es fiel ibm beim wüsten, ungezügelten Spiel seiner Phantasie ein, WaS er in der Schule einstmals vom Dienst der mauri- tanischen Gottheit Moloch gehört, auf dessen Altären im Altertbumr da» Blut geopferter Säuglinge dampfte. Die unsagbar erstarrend und gräßlich batte die Vorsteüuug jener Höllentempel auf sein Kindergemütb gewirkt, wie hatte er sich entsetzt vor jenen goldenen Schüsseln, di« ibm die reiche Knabenphantasie au-malte, und die di» zum Rande gefüllt waren mit dem rauchenden Blute blühender Knaben und unschuldiger Mädchen, und Alle» zu Ehren eine» über alle Maßen bäßlicken, großmäuligen Götzenbildes, da« sich in starrem Erz und gigantischen Formen dinier dem Altar drohend und greulich emportbürmt«! Und nun hatte er in seinem Aberwitz, in seinem modernen Götzendienst, für dessen ganze Absckculichkeit er nicht einmal Worte batte, eine noch viel unschuldigere, reinere Menschenblume geknickt, und nun sah er auch, daß di« Abgründe im Herzen der modernen
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