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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897110302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897110302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-03
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Das erklärt sich vor Allem daraus, daß wir dem Zeitpunkte der allgemeinen Wahlen immer näher kommen und daß damit die Lust, aus einzelnen Wahlen auf die große Entscheidung zu schließen, zunimmt. Zn England hat daS Ergebniß von Nachwahlen, die kurz vor der Be rufung der gesammten Wählerschaft stattfindcn, in der Regel auch wirklich eine symptomatische Bedeutung. Bei uns hat die Erfahrung das Gegentheil gelehrt und die Ziffern solcher vereinzelten Wahlen boten bisher kaum eine solidere Unterlage für die Weissagung, als der Kaffeesatz, ans dem einzelne bejahrte Damen die Zukunft zu prophezeien lieben. Von Wiesbaden mag das nicht gelten, von der Wahl in der Wcstpriegnitz läßt sich aber sehr wenig entnehmen. Ein Novum ist das erst malige Eintreten der Antisemite n in den Wahlkampf, aber sie zeigten sich auch dort nur in dem längst bekannten Lichte und hatten wiederum nur den ihnen eigcnthümlichen Erfolg des „Berrungenirens" ohne Vortheile für die eigene Parte» und das eigene „Programm". Sie müssen's allerdings, für Preußen wenigstens, in einer erstaunlich argen Weise getrieben haben. Die „Krenzztg." ist Partei, und inan könnte au Uebertreibung glauben, wenn sie sagt, man habe in Wcst priegnitz eine „richtige Zunkerhetze" erlebt, aber „auffallend war eS, daß der Freisinn in der Form sehr gemäßigt auf trat, der Antisemitismus dagegen derbe und grob." Indessen die „Volkszeitung", die keinen Grund zum Groll hat gegen die Antisemiten, die einem Manne ihrer Richtung in die Stichwahl verhalfen haben, bestätigt die Angabe des conservakivcn Blattes. Sie verzeichnet: „Niemand hat so scharfe Reden gegen den ConservatismuS gehalten, als der seit vier Monaten (!) ständig im Kreise amtzesendc Agitator Böckel. Niemand hat Herrn v. Saldern (der» conservativen Eandidaten) persönlich so start angegriffen. Niemand hat es den Herren Werner, Bindewald, Liebermann v. Sonnenberg, Zimmermann iy heftigerer Bekämpfung der gegcnwä'-ti.zel» Regierung gleich gelhan/ Nun aber das Facit: „Was werde» die Antisemiten in der Stichwahl thun? lluserS Erachtens kommt nicht viel darauf an. Denn erklären sie sich für Herr»» von Saldern, so sind sie geliefert. Alsdann sieht Jedermann, was ihre Agitation besagen wollte. Erklären sie nichts, so sind sie auch geliefert, denn die That- sache, daß sie nicht den Muth haben, die Eonsequenz ihrer Reden zu ziehen, wird die Wähler gleichfalls zur Genüge auf klären." Vorläufig scheine»» sie in der That „nichts" erkläre»» zu wollen, was einer Erklärung gegen Herrn von Salden» gleichkäme. Die „Staatsbürger-Ztg." bemerkt nur: „Daö Er gebniß der engeren Wahl wird von dem Verhalten der Wähler des antisemitischen Eandidaten Wohlfahrt ab hängen." Das klingt sehr selbstbewußt und etwas bedrohlich gegenüber der conservativen Seite. Zwischen der „National zeitung" und der „Freisinnigen Zeitung" ist ein Meinungsstreit über die Herkunft der anlisenulischcn Wähler auSgebrochcn. Während das erstgenannte Blatt die für den antisemitischen Eandidaten abgegebenen Stimmen wohl mit Recht auf daö Ver lustkonto der Eonservativen schreibt, läßt Herr Richter sie oder doch wenigstens einen beträchtlichen Theil davon als fahnen flüchtige einer „Mittelpartei" ausmarsckiren, die eS im Wahl kreise nicht giebt. Die Berechnung richtet sich gegen die frei sinnige Vereinigung, die 1893 einen eigenen Eandidaten aufgestellt batte. Da bekanntlich diesmal der Volksparteilcr erheblich weniger Stimmen erhalten hat, als vor vier Jahren die beiden freisinnigen Eandidaten zusammen, so ergiebt sich ein Mißerfolg LeS Freisinns. Um den zu verhüllen und der von der Börse finanziell bevorzugte»» Vereinigung einen kleinen Makel anzuhängen, wird eS so dargestellt, als ob die Leute, die sich jetzt fähig gezeigt haben, antisemitisch zu wählen, 1893 an den Herren Bamberger und Rickert nichts auSzusetzen gehabt hätten. Eine bis zum Komischen gekünstelte Auslegung der Wahlziffern. Die „Staatsbürger zeitung" freilich reclamirt auch vordem freisinnig Wählende für ihre Partei. Sie meint: „ES giebt dort (in der Westpriegnitz) genug unabhängige Wähler, die nicht konservativ wähle»» mögen, aber auch froh sind,wenn ihnen Gelegenheit geboten wird, nicht freisinnig wählen zu müssen." DaS klingt jedenfalls noch unfreundlicher für die Conservativen, als für den „ver- judeten Freisinn". Wie aber stände eS, wenn die „Staats- bürgerzeitunq" die Sache richtig darstellte, mit den» Ver halten der ^Mitglieder des Bundes der Landwirhe? Aus deren Reihen bat gewiß schon lange vor Begründung des Bundes keiner freihändlerisch gewählt. Haben frühere Mitläufer Les Fortschrittes jetzt aber einen erheblichen Theil der antisemitischen Wähler gestellt, so kann, zumal da auch in den Städten verbältnißmäßig nicht wenig anti semitische Stimmen abgegeben worden sind, die Zweideutig keit der Berliner Bundesleitung, die „nicht so und nicht so" sagte, den Antisemiten nicht viel Büudler zugeführt haben. Die Entscheidung des preußischen Oberverwaltungs gerichts, daß der Gebrauch der polnischen Sprache in Versammlungen kein Auflvsungsgründ und die über wachende Behörde darauf angewiesen ist, für solche Fälle der polnischen Sprache kundige Beamte sich zu verschaffen, gilt zwar nur für Preußen, aber er legt auch den Negierungen der übrigen Staaten, in denen polnische Agitatoren ihre Wühlarbeit betreiben, die Frage nahe, ob die ihnen zur Ver fügung stehenden gesetzlichen Mittel zur Ueberwachnng ynd Eindämmung dieser Agitation hinreichen und ob es nicht an der Zeit sei, durch RcichSgcsetz den polnischen und den übrigen fremdsprachige»» Wühlern bei ihrer öffentlichen Thätigkeit den Gebrauch der deutschen Sprache vor zuschreiben. Daß eö schon in der nächsten Reichstagssession zur Vorlegung eines derartige»» Gesetzentwurfes kommen werde, ist freilich nicht anzunehme»; um so erfreulicher ist eS, daß die preußische Negierung in rechter Erkenntniß der schweren Gefährdung deS DcutschthnmS in den Ostmarkei» zu nächst damit umgeht, eine Verstärkung der nahezu vollständig in Grnnderwcrb angelegten Fonds der Ansiedelungs commission hcrbeizuführen. Aber kaum wird diese Absicht kundgegcben, so macht der „Deutsche Freisinn" Front dagegen. Selbst die „Voss. Ztg.", die sonst einem Kampfe gegen das Polenthum nicht abhold ist, eifert dagegen, daß das Eapital der AnsiedelungScoinmission vermehrt würde. Nun kommt eS doch aber bei dem Kampfe gegen die Polen nicht auf schöne Redensarten an, sondern auf praktische Maßregeln. An diesen aber hat der preußische Staat keineswegs eine reiche Auswahl. DaS Mittel, das am Besten wirken würde, die Entfernung der niederen polnischen Geistlichkeit, ist ibn» versagt. Es bleibt sonach nur der Kampf gegen den anderen Factor, der die polnische Gesinnung ii» der Be- völkerung fördert, der Karnpf gegen den polnischen Groß grundbesitz. Diesem Kampfe dient das Ansiedelungsgesetz, indem es polnische Großgrundbesitzer auskauft und durch deutsche Bauern ersetzt. Theoretisch kann auch die Fort schrittspartei nichts gegen diese Maßregel einwenden. So sagt selbst das politische A-B-C-Buch des Herrn Richter in einer Besprechung der Polengesetze, daß rnan bestrebt sein müsse, die Provinzen Posen und Westpreußen wohn licher zu machen, und daß dazu die innere Colonisation diene. Unter dieser inneren Colonisation sei eine staatliche Tätig keit zu verstehen, welche darauf gerichtet sei, daS Uebergewicht deS Großgrundbesitzers zu mindern und die Ansiedelung von Landwirthen auf kleinerein und mittlerem Besitze zu er leichtern. Diesen Zwecken aber dient gerade das Ansiedelungs gesetz. Daß die Ansiedelung in sachgemäßer Weise ausgeführt wird, ergiebt sich schon daraus, daß die vom Staate auf gewendeten Mittel sich mit 2>/r Proc. verzinsen, was bei der gegenwärtigen schwierigen Lage der Landwirthschaft gewiß keil» zu geringer Procentsatz ist. AuS diesem Zinssätze ergiebt sich, daß der vom Staate zu leistende Zuschuß verhältnißmäßig außerordentlich gering ist. Denn da der Staat das von ihm aufgenommene Geld mit 3 Proceat ver zinsen muß, so besteht der Ausfall nur in >/2 Procent; dies macht bei einer Summe von 100 Millionen Mark im Laufe deS JahreS nur Ve Million Mark aus, eine wahrlich sehr geringfügige Summe, wofern dadurch der GermanisirungS- zweck erreicht wird. Dieser Zweck wird um so eher erreicht werden, wenn der Regierung, sobald sie die Vermehrung des CapitalS der Ansiedelungscommission vom preußischen Landtage fordert, zwei Bedingungen für die Be willigung gestellt werden. Die erste dieser Bedingungen hätte darin zu bestehen, daß unter allen Umständen die Generalcommissionen, denen die Bildung von Renten gütern obliegt, Hand in Hand mit der Ansiedelungscommission zu geben haben. Ist auch die Bildung von Rentengütern ursprünglich nur ans wirthscbaftlichen Gründen beschlossen »vorbei», so ist doch nicht abzusehen, warum nicht auch die politischen Gründe damit verbunden werden sollen. Selbst wenn dn-ch die Berücksichtignng der politischen Verhältnisse die Anlegung der Rentengüter ein wenig erschwert werden sollte, so würde das immer noch gering inS Gewicht fallen gegenüber der Thatsache, daß in den preußische» Ost provinzen mit allen gesetzlichen Mitteln vorgegangen werden muß, um das Andrängen des Polentbums zi» beseitige». Die zweite Bedingung wäre, daß die Ansiedler lediglich ans An gehöriger» LeS evangelischen Bekenntnisses zu nehmen wären. BiZ jetzt hat eine völlige Parität obgewaltet, da unter den Ansiedlern die Katholiken durchaus im Verhältnisse ihrer Zahl zu der der evangelischen Bevölkerung vertreten waren. ES liegt ii» dem Vorschläge, daß lediglich Evangelische zu An siedlern gemacht werden sollen, auch nicht eine Spur vor» Animosität gegen die Katholiken. Thatsache aber ist, daß die Katholikei» weniger widerstandsfähig gegen die Poloni- sirungsbestrebungen sind, als die Evangelischen; einmal, weil sie oder ihre Söhne öfter Polinnen beirathen, als die durch die Verschiedenheit des Glaubens von der überwiegende» Zahl der polnischen Bevölkerung getrennten Evangelische», und zweitens, weil sie mehr mit der polnischen Geistlichkeit in Berührung kommen. Bedenkt man schließlich, daß die klerikale Presse noch jedesmal, wenn ein Wahlkampf zwischen Deutschen und Polen stattgefunden hat, die Katholiken deutscher Zunge aufgefordert hat, für einen polnischen B. Werber zu stimmen, so wird man zugeben müssen, daß ce- nicht Sache der Regierung ist, für die Verstärkung der Zahl der polnischen Abgeordneten zu sorgen. Man muß hübsch ehrlich sein und bekennen, daß daS AnsiedelungS aesetz vor aller» Dingen ein Kampfmittel gegen da> Polenthum sein soll; die Ansiedler sollen die Vorhut dec Deutschthums in diesem Kampfe sein. Es ist doch aber en: Unding, in die vorderste Reihe der Kämpfenden Truppen einzustellen, von denen man nicht ganz sicher ist, ob sie nicht eines schönen Tages zum Feinde überlaufen Lieber »nag man dadurch, daß man unter den sich zur Besiedelung Meldenden eine strenge Auswahl trifft, die Besiedelung verlang samen, als daß man Bauern ansiedelt, die womöglich den ganzen Zweck deS Gesetzes zu nichte machen. Wir erwarten, baß diese Bedingungen der preußischen Regierung bei de» Forderung der Erhöhung deS CapitalS gestellt werden. An der Zustimmung einer Mehrheit ist bei der Zusammensetzung des preußischen Abgeordnetenhauses und deS Herrenhauses nicht zu zweifeln. Das Zusammengehen der französische»» Monarchisten mit den gemäßigten Republikanern bei den im Früh jahr stattfindenven Deputirtenwahlcn ist denn doch noch nicht völlig gesickert. Es besteht vielmehr bei den Bonapartisleu und Royalisten die Absickt, gemeinsam vorzugehen und die Republikaner, einerlei, ob sie der gemäßigten Richtung oder der radicalen Partei angehörcn, zu bekämpfen. Der „Soleil", die „Autoritö" und der „Petit Capcral" haben sich gegenseitig in übereinstimmenden Ausdrücken Glück ge wünscht zum Zustandekommen dieser Abmachung. Die Legitimisten und Orleanistcn haben anerkannt, daß ein Volksvotum für die Einführung der Monarchie zu ver anstalten sei, und die Bonapartisten ihrerseits habe»» zugestanden, daß der Zertrümmerer der Republik nicht notb- »vendig dem Hause Bonaparte entstammen müsse, sondern auck Orleans oder anders heißen könne. Der „Figaro", der für die monarchische»» Parteien noch immer Sympathien übrig hat, isi über diesen Plan ganz entsetzt. Er beschwört die Monarchisten, davon Abstand zu nehmen, da sie in einem solchen Kampfe nothwendiger Weise den Kürzeren ziehen müßten, »veil sie so wohl die Organe der Regierung, vor Allem die auf den Aus- gang der Wahlen so einflußreichen Präfecten, wie auch die übergroße Mehrheit der Bevölkerung gegen sich hätten. Auck wir glauben, daß die Monarchisten be» einem solchen Bin, gehen sich den Kopf gründlich einrennen würden. Auf der anderen Seite freilich ist es sicher, daß darunter auch die gemäßigten Republikaner zu leiden haben würden. Nur dem Zusammenhalten beider Gruppen war cö zu verdanken, daß in den letzten 1>/z Jahren die Radicalen und Socialistcn zurückgedrängt wurden. Löst sich das Bündniß bei den Wahlen, jo werden die Radicalen, deren Niederlage sonst gewiß ist, die Einzigen sein, die von der Querköpfigkeit der Monarchisten einen Vortheil haben. Eine cutgcgc'ngesctzl- Ansicht von der Bedeutung des Bundes der Monarchisten als der „Figaro" spricht Lanessan im „Rappel" auS. Er sieht darin eine Gefahr, wenn nicht für die Wahlen, so Loch für die Zeit nach den Wahlen. Er fürchtet, daß fick alsdann anö dieser kleinen Union eine größere entwickeln werde, die alle Feinde der Demokratie und alle Vertreter der Fcuillet-ir. —, Der Page. 6j ' Roman von A. Heyl. Nachknick rkrtotcil. „Vielleicht ist sie in der Küche und bereitet das Mittags mahl", meinte Lene begütigend. „Sie wird wieder ein Essen lochen, das kein Mensch genießen kann", eiferte die Dame. „Alteriren Sie sich nicht, gnädige Frau, ich besorge Ihnen einen guten Bissen zu Mittag", versprach Lene. „Die Löwenwirthin hat aus der Schloßküche einen Theil der Gerichte übernommen, welche zum Hochzeitsschmaus bestimmt waren. Sie läßt eben einen Rehrllcken schmoren, der lacht einen an, Frau Näthin; davon soll der Bastel zu Mittag eine gute Portion Herdringen. Nicht wahr, ich darf für Sie bestellen — ja? Sie nicken — ich darf?" Sie stellte sich so ungeheuer erfreut Uber die erhaltene Ein willigung an, daß der Räthin vor Rührung die Augen feucht wurden. „Sie treue Seele!" rief sie und schnalzte mit der Zunge. „Rehrücken, das ist etwas Seltenes auf meinem Tische. Wird aber der lose Bube, der Bastel, nicht unterwegs die Hälfte davon verspeisen?" „Er wird sich hüten, wenn er auch noch so sehr Lust dazu verspürt. Sein Rücken könnte sonst mit des Löwen- wirthes Haselgerte Bekanntschaft machen. Lassen Sie nur die Lene sorgen." Auf diese beruhigenden Worte ihres Factotums hatte die Räthin nichts mehr einzuwenden. Clotilde hatte sich in den Garten geflüchtet, wo die Magd, ein halberwachsenes Landmädchen, damit beschäftigt war, die Gemüsebeete zu gießen. Um allein zu sein, schickte sie das Mädchen weg und übernahm deren Geschäfte im Garten. Zuerst schöpfte sie eine hohle Hand voll Wasser und kühlte damit die heißen Wangen und die brennenden Augenlider. Die frische Morgenluft verwehte die trüben Gedanken, die gleich gewitterschweren Wollen ihr sonst heiteres Gemiith verdüstert hatten. Wohin sie blickte, »var Blühen und Gedeihen. Die Samenkörner, die ihre fleißige Hand im Frühling der Mutter Erde anvrrtraut, die zarten Pflänzchen, deren Wurzeln sie sorgfältig in» Boden geborgen hatte, waren zu Blumen und zu nutzbaren Kllchengewächsen gediehen. Sie freute sich des Anblicks, und diese Freude gab ihren Zügen den Hauptreiz, der in gutmüthiger Schalk heit, gepaart mit herzgewinnender Freundlichkeit, bestand. Sie wollte sich gewiß die Laune nicht mehr verderben lassen. Was hatie ihr das Schicksal Köstlicheres verliehen, als den guten Humor, der ihr bis jetzt getreulich über die Plagen des Alltagslebens hinweggeholfen! Sie begoß die Beete und sang dazu mit glockenreiner Stimme: „Wcq mit dcr Lorq' und lrrdcnnoth, Die ,'jaqhcit ist von» Bösen, Biille hinauf ins' Morqenroth, Vas; Dich vom Gram erlösen." Neber den Gartenzaun wurde der Sängerin „Bravo" zugerufen. Da stand Lieschen aus der Mühle und bot freundlichen „Gute»» Morgen". Sie war im Löwenwirths- haus gewesen, vom Vater geschickt, um Dank abzustatten für die Hilfe, welche die Wirthsleute ihrem Bruder bei dem gestrigen Nngliicksfalle geleistet hatten. Den Rückweg schlug das junge Mädchen gern auf dein Pfade ein, der an Heldenberg's Garten vorüberführte, denn sie hatte etwas auf dem Herzen, das sie Niemand anvertrauen konnte, als dcr guten, treuen Clotilde. Sie machte daraus kein Hehl und trat auf die Einladung des Fräuleins rasch durch die Seitenpforte in den Garten, hochbefriedigt, die Gesuchte allein zu treffen. Was sie nun zu beichten hatte, das hörte die erfahrene Dame lächelnd an. Lieschen war zum Lehrer Wertmann in die Sonntagsschule gegangen, war seine bevorzugte Schülerin gewesen und hatte demselben große Anhänglichkeit bewahrt. Es schmerzte sie, daß seine Verhältnisse ihm nicht gestatteten, einen neuen Sonntags rock zur Hochzeit von Melanie Monhardt zu beschaffen. Clotilde hörte lächelnd zu. „Und da wollen Sie ihm einen neuen Rock kaufen?" fragte sie belustigt. „I bewahre!" verneinte Lieschen und drehte ii» großer Verlegenheit ein kleines Papierpäckchen zwischen Daumen und Zeigefinger. „Er würde sich höchlichst beleidigt fühlen, über einen solchen Vorschlag meinerseits — ich — ich —" sie erröthete und stockte. Das Fräulein suchte ihr über die peinliche Situation hinwegzuhelfen: „Ich errathe", sagte sie, dem lieben Mädchen die Wange streichelnd, „Sie möchten ihn auf zarte Weise in den Stand setzen, dies selbst thun zu können." „Ja, das möchte ich", antwortete sie aufathmend. „Und dabei wünschen Sie meinen Rath — der soll Ihnen werden. Schicken Sie das Geld seiner Mutter und schreiben Sie, es sei von einem alten Schuldner, der un bekannt zu bleibe»» wünsche", schlug Clotilde vor. Lieschen war mit dem Vorschlag nicht ganz einver standen: „Seine Mutter wird ihm den Brief zeigen, und er wird meine Handschrift erkennen", wandte sie ein. „Wie wäre es, wenn ich an Ihrer Stelle schriebe, meine Handschrift kennt er nicht", sagte Clotilde. „Ach, wenn Sie das thun wollten, liebes Fräulein", rief Lieschen erfreut und drückte Clotilden das Päckchen in die Hand. „Das sind meine kleinen Ersparnisse von Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken — ach —" sie seufzte —, „ich gäbe gern mehr als die armseligen dreißig Mark." „Das ist für den armen Lehrer ein Vermögen, liebes Kind", versicherte Clotilde. „Gern will ich Ihrem Wunsche nachkommen, wem» Sie mir die Versicherung geben, daß nur die dankbare Schülerin aus diesen» guten Werke spricht und wärmere Gefühle nicht dabei mitreden. Ich möchte nicht die Hand dazu bieten, Ihre Jugend zum Märtyrer thun» zu gestalten. Sie kennen Ihren Vater." Lieschen senkte den Blick, dunkle Gluth färbte ihre Wangen. „Fürchten Sie nichts", sagte sie mit unsicherer Stimme, bemüht, die zitternde Hand, welche Clotilde festhielt, los zumachen. Noch nie war ihr Doctor Franz so erwünscht gekommen, als in diesem Augenblick, wo er sie durch sein Erscheinen vor weiteren peinlichen Fragen bewahrte. „Guten Morgen!" rief er über den Zaun herüber. „Ich bin auf dem Weg nach der Mühle und wollte mich im Vorübergehen einmal nach dem Befinden der Frau Näthin erkundigen. Siehe da, mein Lieschen, wie geht es dem Bruder?" Diese berichtete mit betrübter Miene: „Der Hans hat die ganze Nacht phantasirt, Herr Doctor. Er wollte zum Fenster hinaus — auf die Hochschule. Mein Vatrr und der Oberknecht waren kaum im Stande, ihn zu halten. Gegen Morgen wurde er ruhiger, und jetzt ist er sehr er schöpft. Ich will nach Hause eilen, um Ihr Kommen zu verkündigen, man wird Sie erwarten." Sie knixte vor dem Fräulein, nickte dein Doctor zu, und eine Minute später schloß sich hinter ihr die Gartenthllr. „Werde gleich nachkommen", rief ihr Doctor Franz nach. „Will nur zuerst der Frau Rath einen kurzen Besuch abstatten, um mich selbst von der Wirkung des Wunder wassers zu überzeugen." „Sie können nicht zu ihr, bester Doctor — sic — sie hat Besuch." Auf diesen Einwand Clotildens flog es wie Wetter leuchten über die verwitterten Züge des Arztes. „Besuch, den ich nicht sehe»» darf, zu dieser Stunde, das kann Niemand anders sein als die Quacksalberin, ihrethalben lasse ich mich nicht fortschicken, sie kommt mir gerade recht — ich werde —" „Sie werden keine Scene mache»» in Gegenwart meiner Mutter", fiel ihm Clotilde ins Wort, „sondern meiner Bitte Gehör geben und später kommen." „Ich werde gar nicht mehr kommen", stieß er zornig hervor, stampfte mit dein Fuße, wandte sich um und ging ohne Gruß von ihr. Clotildc sah ihm traurig nach. „Wieder einen Freund verloren", klagte sie, „ach, und den besten, den aufrichtigsten von Allen!" In bärbeißigster Laune langte Doctor Franz in der Mühle an und fand seinen Patienten genau so, wie ihn Lieschen geschildert hatte. „Lassen Sie meinen Hans nicht sterben, guter Herr Doctor", bat Lieschen mit aufgehobenen Händen. „Ich hab Niemand auf der Welt so lieb wie ihn." «Vorerst keine Gefahr", antwortete Franz kurz und mürrisch, nachdem er de»» Puls des Kranken gefühlt hatte, „und wenn noch welche eintreten sollte, dann würde das Heulen nichts helfen." „Sei doch nicht so albern", sagte Hans ärgerlich, „ich sterbe noch nicht." Durch die zwiefache Abweisung eingeschüchteri, zog sich das junge Mädchen in die Fensterecke zurück und nahm ihr Strickzeug zur Hand. Ihre Augen aber hafteten an den Mienen des Bruders. Sie sah, wie sein Blick suchend
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