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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971109013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897110901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-09
- Monat1897-11
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Reclamrn unter dem RedactionSstrich (-ge spalten- 50^, vor den Familiennachrichtru (6gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffer map nach höherem Tarif. tvxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Poslbeförderung ./L 60.—, mrt Poslbeförderung -st 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sl. Jahrgang. Eine Äbwehr. Der Artikel „Berstimmungspolitik" in Nr. 559 des „Tageblattes" bat den Unwillen der „Kreuzzeitung" er regt. Um denselben zu bekämpfen, bedient sie sich einer bei ihr nicht ungewöhnlichen, aber keineswegs löblichen Taktik: sie legt sich den Artikel so zureckt, wie sie am besten ihn widerlegen zu können glaubt. Sie stellt die Sacke so dar, als sei der Zweck deS Artikels der, zu einer Kritik der Reichspolitik, beziehentlich der mit ibr eng verbundenen preußischen Politik aufzufordern, und sie überantwortet das Geschäft dieser Kritik an die Herren „Singer, Bebel, Richter", um dann daraus den Schluß zu ziehen, daß es auf eine „Hetze" (gegen die Regierung) abgesehen sei und daß der Verfasser des Artikels eine solche („die stärksten Dinge", wie sie sich auSdrückt) „nicht nur erwarte, sondern sogar wünsche." Das heißt freilich, sich die Sache leicht machen; ob aber ein solches Verfahren auch ein loyales sei, ist eine andere Frage. Welches war der Gedankengang des angefochtenen Artikels? Ich ging von der angeblichen („hoffentlich nur angeblichen" sagte ich) Thatsache aus, daß ein Theil der nationalliberalen Wähler in Baden sich der Wahl enthalten habe aus einer „Verstimmung über die Berliner NegierungSvcrbältnisse". Ich habe dann constatirt, „daß eine weitverbreitete Verstim mung über den Stand unserer öffentlichen Verhältnisse be stehe." Ganz dasselbe thut die „Kreuzzeitung", denn sie sagt, „es sei wahr, daß eine verbreitete Verstimmung über den Gang unserer öffentlichen Verhältnisse bestehe", ganz mit meinen eigenen Worten. Die „Kreuzzeitung" hatte von der über diese Verhältnisse klagenden Presse verlangt, sie solle solche „substanliiren", d. h. bestimmte, greifbare Vorgänge nennen, welche zu solchen Klagen Anlaß gäben. Darauf war erwidert worben: „dies verknittere das Strafgesetz". Ich habe darauf bemerkt, daß es so Manches gebe, worüber geklagt werden und auch in der Presse geklagt werden könne, ohne mit dem Strafgeietz in Collision zu kommen, und habe Einiges dergleichen angeführt. Jedenfalls, so fuhr ich fort, würden solche Klagen, wenn sie berechtigt wären, im Reichstag vorgebracht werden können, und habe sofort hinzu- gesetzr, „es sei besser, wenn dergleichen Beschwerden von reichstrener, als wenn sie von reichöfeindlicher Seile kämen". Unter allen Umständen, habe ich geschlossen, sei eine offene Aussprache derartiger Beschwerden und der Versuch, solchen abzuhelfen — auf dem geordneten Wege der Petition an den Reichstag, eventuell auch an den Regenten— besser und patriotischer, als ein schmollendes Beiseitestehen ober gar eine pessimistische Wahleuthaltung, welche, allgemein angewandt, uns die verderblichsten Wahlergebnisse für einen neuen Reichstag bringen könnte. Ist wohl in diesem Gedankengange irgend Etwas von dem enthalten, was die „Kreuzzeitung" den: Artikel unterlegt? Die „Kreuzzeitung" sagt: „Keine Negierung könne das von ihr Verlangte leisten, wenn die Parteien, statt ihr zu Helsen, sie kritisieren." Die „Kreuzzeitung" sollte vorsichtiger sein; sie kann unmöglich vergessen haben, daß es eine Zeit gab, wo ihre Freunde, die Ultraconservativen, das piegiment BiSmarck nicht nur „kritisirten", sondern heftig angriffen, und daß sie sich in offener Opposition, und zwar einer sehr gehässigen, dagegen befanden, daß neuerdings wiederum ein Theil ihrer Partei, die extremsten Agrarier, der Regierung drohte, ihr jede Unterstützung, auch in Bezug aus ein höchstes Interesse des Reichs, die Verstärkung seiner Wehrkraft zur See, zu entziehen, wofern die Regierung nicht ihre unerfüll baren Forderungen erfülle. Die nationalliberale Partei hat jederzeit, auch in der Aera BiSmarck und diesem großen Staatsmann gegenüber, sich zwar grundsätzlich als eine Partei bekannt, die jeder Action der Negierung im Interesse des Reichs und der Nation ihre aufrichtige Unterstützung leibe (wie sie das sogleich bei ihrer Entstehung tbat), aber sie hat sich Vor behalten, in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob ein solches Interesse bestehe und ob sie das zu dessen Wahrung vor geschlagene Mittel nach ihrer Ueberzeugung als das richtige anzuerkennen vermöge. Sie hat niemals, selbst unter Bis marck nicht, eine bedingungslos „gouvernementale" sein mögen, sondern eine nationale und staatserkaitende, keine Oppositions partei. Wenn sie in einzelnen Fällen (ickweiß.worauf die „Kreuz zeitung" mit dem „im verflossenen Sommer" anspiclt), auch burch die Art des Vorgehens der Negierung, sich in die Noth- lage versetzt sah, gegen die Negierung aufzutreten, so habe ich dies bedauert und mein Bebauern auch nicht ver schwiegen. Diese Stellung einer zwischen rechts und links selbstständig dastehenden Mittelpartei wird hoffentlich die nationalliberale Partei immerfort unverrückt behaupten; sie wird sich weder von dem Freisinn, wenn dieser (wie die „Kreuzzeitunz" sagt) sich selbst als eine „Mittelpartei" darzuftellen sucht, darin beirren, noch aber auch von der „Kreuzzeitung" an dieser Selbstständigkeit, sowohl der Negierung, als den Parteien links gegenüber, behindern lassen. Von diesem Standpunkte aus ist auch der Artikel in Nr. 559 deS „Tageblattes" ge schrieben. Karl Biedermann. Zur nordschltswigschen Sprachenfrage. Am 23. d. M. wird die schleswig-holsteinische Pro- vinzial-Synode zusammentreten und voraussichtlich sich mit Anträgen, betreffend den dänischen Unterricht in den nordschleswigs ch en Volksschulen, beschäftigen. Auf fünf Propsteisynocen im nördlichen Schleswig, denen von Hadersleben, Törninglebn, Apenrade, Sonderburg und Nord-Tondern, sind solche Anträge verbandelt worden und auf den vier ersten zur Annahme gelangt, während sie auf der fünften mit großer Majorität abgelebnt wurden. Die Anträge bezwecken die Erlangung von 2 Stunden dänischen Sprachunterrichts neben dein dänischen Religionsunterricht in de» Gemeinden, wo die Kirchensprache die dänische ist. In den norbschleswigschen Volksschulen ist auf Ver ordnung deS Oberpräsidenten zu Schleswig am 18. Tccember 1888 bis auf den vierstündigen Religionsunterricht der deutsche Unterricht eingesührt worden. Da vorher in den Städten, wo sckon bis 1850 der ganze Unterricht deutsch gewesen, 1864 dieser Zustand wieder bergestellt worden war, jo betraf die Maßregel lediglich die Schulen auf dem Lande. Hier war aber bereits in vielen Schulen auf Antrag der Schulinteressenten selbst bis auf den Religionsunterricht deutscher Unterricht und in einer Anzahl Schulen auch deutscher Religionsunterricht eingeführt worden. Die Sprachen verordnung hat sich nach dem Urthei! der Schulbehörden und aller Unbefangenen bisher sehr gut bewährt. Die Fortschritte, welche die Kinder im Erlernen des Deutschen machen, sind sehr gut, und wo der Religionsunterricht noch dänisch ist, bat derselbe nicht durch die Verordnung gelitten. Die dänische Agitation aber, welche den ganz unverhohlen ausgesprochenen Zweck verfolgt, das nördliche Schleswig von Preußen und Deutschland zu trennen und an Dänemark zu bringen, sab in der Sprachenverordnung natürlich ein schweres Hinderniß für ihre Bestrebungen. Um ihr Ziel zu erreichen, will die Agitation die nordschleswigsche Bevölkerung möglichst ab gesondert halten, die Erlernung der deutschen Sprache nach Kräften bindern und in der Jugend dänische Sprache und dänische Gesinnung hegen und pflegen. Mit einem Netz von Vereinen wird jetzt daS Land überzogen, welche sämmtlich, zum Theil unter unschuldigen Namen, im Dienste der Agi tation stehen. Namentlich wirkt der Schulverein, der jähr lich eine Anzahl von confirmirlen Knaben und Mädchen nach Dänemark bringt, auf dänische Schulen und Bildungs anstalten hin. Die Sprachenverordnung wurde von Anfang an von der Agitation auf das Heftigste bekämpft. Die Agitatoren haben indessen ihre Forderungen nach und nach herabgesetzt. Während sie nämlich zuerst einfach die Aufhebung der Verordnung forderten, wollen sie jetzt nur noch zwei Stunden dänischen Sprachunterrichts neben dem dänischen Religionsunterricht, wo die „Kirckensprache" die dänische ist. Daß sie mit der Erfüllung dieser Forderung jedoch nicht zufriedengestellt sind, geben die Führer selbst offen zu. Zn den ersten Jahren fürchteten die Geistlichen vielfach, daß der dänische Religionsunterricht ohne dänischen Sprachunterricht Schaven leiden könnte, und es traten daher 77 Geistliche für zwei dänische Sprachstunden ein, dasselbe Maß, worauf jetzt die Agitation ihre Forderung beschränkt hat. Die Geist lichen haben aber ihre Bemühungen in Lieser Hinsicht auf gegeben und sind vielfach anderer Ansicht geworden, denn die Frage ist eine rein politische Frage geworben, in denen die Geistlichen mit wenigen Ausnahmen doch nicht auf dänischer Seile stehen können. Als Preußen in den Besitz der Herzogtümer gelangte, batte die Negierung vor Allem die Pflicht, das erworbene Gebiet mit dem preußischen Staate und mrt dem deutschen Reiche auch innerlich zu verbinden und zu verschmelzen. Im Ganzen ist dies gelungen, nur im nördlichen Tbeile besteht noch antipreußische und antideutsche Opposition. Hier sprach die Bevölkerung dänisch, und die dänische Negierung batte in ihren TanisirungSbeslrebnngen allen deutschen Unterricht fern gehalten. Die preußische Regierung traf daher hier eine Be völkerung vor, die namentlich in der jüngeren Generation obne Kenntniß des Deutschen war. Damir diese an und für sich sehr ruhige und loyale Bevölkerung an den Arbeiten in Reich, Staat, Provinz und Commune an den Vortheilen des Verkehrs in dem neuen großen Staatswesen, an dem geistigen Leben der großen Nation theilnebmen konnte, batte die Schulverwaltung für deutschen Unterricht zu sorgen. Dies konnte erst allmählich geschehen und ist erst vollständig geschehen durch die Sprachenverordnung. Dieselbe war daher eine politische Maßregel, deren Ausführung allerdings eine schullechniscke Aufgabe ist. Die dänische Agitation erkannte sofort den politische» Charakter der Verordnung und bekämpft sie daher ans politischen Gründen. Unter diesen Umständen dient die Unterstützung der dänischen Forderungen nur dazu, ter dänischen Agitation in die Hände zu arbeiten und dieselbe ;n stärken. Dazu können u. A. gewissenhafte Prediger, wenn sie auch noch so sehr für den Religionsunterricht Sorge tragen, nicht mitwirken. ES ist daher anzuncbmen, daß auf der Provinzialsynode die Geistlichen im Ganzen sich entschieden den dänischen Forderungen wiedersetzen und daß diese gegen wenige Stimmen abgelebnt werden, da die Laien mit Aus nahme der wenigen dänisch gesinnten Mitglieder ihnen nicht zustimmen werden. Im Uebrigen ist das Dänentbum im nördlichen Schlei wig in einem allmählichen Rückgänge. In dem Gebiete, welches dem deutschen Sprachgebiet am nächsten liegt, z. B. die Gegend zwischen Flensburg, Tondern, Lügumkloster und Apenrade, ist der Fortschritt des Deutschthums recht erheb lich, trotzdem daß die Volkssprache dort noch dänisch ist, und die Dänen geben auch selbst das Gebiet schon für verloren. Zn den vom deutschen Sprachgebiet entlegenen Gegenden der Kreise Haversleben und Sonverburg hält sich das Däncn- tbum am festesten; die Fortschritte des Deutschthums sind aber auch hier bemerkbar und werden mit der Zeit rascher werden. Dafür ist aber erforderlich, daß jedes Nachgeben ausgeschlossen bleibt. Deutsches Reich. * Leipzig,-7. November. Das Rudolstadter RegiernngS organ, die „Schwarzburg-Rudolst. LandeSztg.", hat unseres Wissens schon früher sich dahin vernehmen lassen, die fürst liche Regierung werde die Abhaltung der Nation al fest spiele am Kyfs Häuser wegen der mit ihnen verbundenen Veränderungen der Landschaft rc. nickt gestatten. Jetzt druckt das genannte Blatt den Artikel eines Landwirths in ter Goldenen Aue gegen dieses Projekt mit dem Zusatze ab, daß es als ausgeschlossen gelte, daß die sürstlichc Regierung jemals ihre Zustimmung dazu geben würde. Feuilleton. Handarbeiten. Eine Vor-Weihnachtsstudie von Theodor Lamprecht. Nachdruck »erboten. Wenn die lieben Weihnachtslichter in der Ferne Winten, meldei sich der erste Vorbote des Festes. Fangen die Damen des Hauses an, ihre Heimlichkeiten zu haben, werden beim Eintritte des Herren ins Zimmer Bündel und Pallete mit verlegener Hast ver borgen, dann hat die klassische Zeit der Handarbeiten begonnen. Es laßt sich nicht in Abrede stellen, daß die Männer diesen weib lichen Arbeiten mit einer gewissen Abneigung gegenüberstehen. Nicht allein der kleinen Unbequemlichkeiten halber, die sie vielleicht für sie mit sich bringen, sondern in erster Linie wohl aus Mangel an Respect vor ihren Schöpfungen: den Schlummerrollen, Sopha- iissen und ähnlichen Re uisiten, die in Folge der weiblichen Be triebsamkeit gar bald in Ueberzahl die Zimmer bevölkern. Diese Abneigung ist nun gewiß für die fleißigen Arbeiterinnen, die so viel Hingebung und Liebe an ihr Werk wandten, bedauerlich, noch bedauerlicher aber im Interesse der häuslichen Kunstpflege. Denn die Frau ist die natürliche Stütze der Kunst im Hause und die weiblichen Handarbeiten das stärkste Hilfsmittel, um die Gestal tung des Heims in künstlerischem Sinne zu beeinflussen. In alten Zeiten war das Feld der weiblichen Handarbeiten viel ausgedehnter, als heute. Da verdankte ein gut Theil der Kleidungs- und Wäschestücke der Familie ihre Entstehung der Geschicklichkeit der Frauen des Hauses. Seitdem die Gestaltung der modernen Verhältnisse das Gebiet so wesentlich eingeengt hat, ist auch der Charakter der weiblichen Handarbeiten in einer ge wissen Richtung festgelegt. Sie haben nun nur noch eine Existenz berechtigung, insofern sie ein k ii n st l e r i s ch e s Gepräge tragen. Daß es aber damit nicht durchgehends gut bestellt sein kann, er kennt man leicht, wenn man sich die praktischen Vorgänge bei der Vorbereitung einer Handarbeit vergegenwärtigt. Da geht die Dame zum Tapisseriewaarenhändler und wählt bei ihm ein vor gezeichnetes und zum Theil probeweise vorgearbeitetes Muster aus. Aber die Vollendung eines solchen Musters kann nur als eine mechanische Leistung bezeichnet werden, die ja, wenn die Vor lage besonders schwierig ist, sehr „künstlich" oder kunstfertig, aber niemals künstlerisch sein kann. Denn eS kann nicht oft genug wiederholt werden: „Eigentümlichkeit des Ausdrucks ist der Anfang und das Ende aller Kunst"; und diese Eigentümlichkeit kann sich in der Ausführung einer Vorlage nie und nimmer äußern. Zugleich aber tragen auch die Vorlagen selbst in ihrer ungeheuren Mehrheit keineswegs künstlerischen Charakter. Meist zeigen sie ein roheS und hilfloses Durcheinander naturalistischer und ornamentaler Motive; und selbst so plumpe Stil- und Bil- dungSfehler, wie die glatte Nebeneinanderstellung eines Re naissance- und eines Rococo-Motivs, ist keineswegs selten. Dabei schweigen wir noch von jenen schrecklichen Leistungen, in denen unter einem gewissen künstlerischen Anstriche der Kunst geradezu Hohn geboten wird, indem man geschmackvolle Aufschriften, wie „Gesegnete Mittagsruhe" oder „Guter Einkauf", als Zierden auf Schlummerkissen und Markttaschen anbringt. Ein weiterer Mangel, unter dem die heutigen weiblichen Hand arbeiten in hohem Grade leiden, ist die Enge ihrer Bethätigung. Der weitaus größte Theil des weiblichen Kunstfleißes wird bei uns auf Kissen, Deckchen, Schlummerrollen und dergleichen mehr, kurz: auf Kleinigkeiten verwandt, die natürlich auch den Stil klein und einseitig stempeln müssen. Und doch bietet das Heim so viele schöne Gelegenheiten zur Bethätigung des Kunstfleißes! Ofen schirme, Wandbehänge in der Art der japanischen Kakemonos und Zierstülle anderer Art für die Wände, Bezüge für Stühle und Sophas, Tischdecken und ähnliche Arbeiten würden nicht nur un vergleichlich mehr zur Verschönerung des Heims beitragen, sondern auch nothwendig eine größere Freiheit des Stils, einen größeren Reichthum der Erfindung mit sich bringen. Dabei haben wir nur das Nadelwerk ins Auge gefaßt und nicht die großen Gebiete des weiblichen Kunstfleißes, deren Pflege nun endlich in Auf nahme kommt, berücksichtigt, die, vor Allem die Arbeiten in Holz und Metall, so überaus reizvolle Aufgaben bieten. Daß diese umfangreicheren Arbeiten eine längere Frist zu ihrer Vollendung und somit auch mehr Geduld beanspruchen, kann wohl nicht als ein ernstlicher Einwand gelten; denn diese Mühe zeitigt denn auch ein Ergebniß, das sich sehen lassen kann, während man schließlich mit seinen zahllosen Dellen, Kissen und Antimakassars nichts Anderes erreicht, als das zu verschönernde Heim ungemüthlich zu machen. Im Puncte der Geduld und Ausdauer dürften jene Ritterfrauen, die die noch heute bewunderten Riesenarbeiten voll endeten, als Muster hingestellt werden. Nun ist ja heutzutage eine vollendete künstlerische Gestaltung der weiblichen Handarbeit gegen früher zweifelsohne dadurch er heblich erschwert, daß wir eben heute keinen eigenen festen Stil haben. Jahrtausende lang haben sich die Erzeugnisse des weib lichen Kunstfleißes in natürlicher Weise an den allgemeinen Ge schmack der Zeiten angelehnt und von der Periode Homer's bis zu der des Rococos alle seine Wandlungen mitgemacht. Wie sich dann derselbe Geist und Stil, der in Domen, Palästen, Statuen und Gemälden sich offenbart, sich auch getreu in dem bescheidenen Werke des häuslichen Fleißes spiegelt, das eben hat einen unend lichen Reiz und erhebt die Kunstarbeit zugleich zum Culturwerke. Der Bruch mit der Tradition ist etwa um den Anfang unseres Jahrhunderts anzusetzen, wo die von einer gewaltigen Erregung abgemattete Zeit dürftig und geschmallsarm wurde. Seit damals nahm die Forbenarmuth und die mechanische Arbeitsweise über hand. Es ist das Werk der jüngsten Zett, diesem vernachlässigten Gebiete der Kunst wieder Aufmerksamkeit zugewandt zu haben. Schöne alte Muster wurden mit Eifer hervorgesucht, erläutert, veröffentlicht, verbreitet. Jndeß möchten wir im Allgemeinen gegen dir Benutzung unserer alten Muster Einspruch erheben. Denn aus einer anderen Formensprache stammend, für andere Bedürfnisse gedacht, können sie uns nur immer fester in den Bann der Vergangenheit führen und müssen uns bei der Schöpfung eigener Formen, eigenen Stils hinderlich sein. Eher kann man zu diesem Zwecke bei der Bauernkunst Anlehnung suchen, weil diese stets auf primitiven Voraussetzungen beruht und uns darum primitive Stilformen giebt, von denen eine Weiterentwickelung, mindestens aber ein wohlthätiger Einfluß im Sinne des Natür lichen und Einfachen wohl zu erhoffen ist. Neben unserer deutschen bäuerlichen Hauskunst (die aber einer noch viel eingehenderen Er forschung bedarf, als ihr bisher zutheil geworden ist) sei hier auf die Handarbeiten der bulgarischen und ungarischen, sowie der norwegischen Bauern hingewiesen. Jene nämlich zeigen die ein fachsten Formen der ornamentalen Gestaltung von Pflanzenmo tiven, diese eine benso einfache und gesunde Ausbildung geome trischer Muster. Beide können unsere Frauen lehren, daß nicht die complicirte Arbeit die schönste ist, daß vielmehr auch bei Hand arbeiten mit den denkbar bescheidensten Mitteln überaus glückliche Wendungen zu erzielen sind. Und Beide können weiterhin zu Lehrmeistern in Bezug auf die Behandlung der Farbe werden. Unverkennbar sind ja in dieser Hinsicht Fortschritte gemacht worden. Die Farbendünnheit und Eintönigkeit, die lange Zeit herrschte, ist in den Hintergrund getreten, und man hat sich ge wöhnt, jene zarten gebrochenen Farben zu bevorzugen, auf deren Einführung der Japanismus nicht ohne Einfluß gewesen ist. Aber diese Farben sind praktisch unvortheilhaft, weil sie überaus empfindlich sind, und sie stellen auch in dekorativer Hinsicht keines wegs das Ideal dar. Wir möchten unseren Frauen zurufen: nur Muth bezüglich der Farbenwahl'. Wählt keck tiefe satte starke Farben und Ihr werdet mit Ueberraschung und Freude sehen, welch' schöne Wirkungen Ihr erzielen werdet. Die Gefahr der Buntheit wird vermieden werden, wenn man sich darauf be schränkt, nicht zu viele, zu einander passende Töne zusammenzu stellen; und übrigens sei darauf hingewiesen, daß diese Gefahr im Allgemeinen entschieden übertrieben wird. Mit welch' reichem Leben aber ein Zierstück, das etwa auf ein tiefes volles Roth ab gestimmt ist, ein ganzes Zimmer erfüllen kann, das ist eine an genehme Erfahrung, die wohl der Mehrzahl unserer Frauen noch Vorbehalten ist. Hand in Hand mit einer größeren Freiheit in der Farben- composition muß die Pflege selbstständiger Entwürfe gehen. Wohl werden die meisten unserer Damen zuerst erschrecken, wenn sie eigene Entwürfe zu ihren Handarbeiten Herstellen sollen. Aber die Sache ist wirklich nicht so schwierig, wie sie aussehen mag. Die Mehrzahl der Damen hat ja zeichnen gelernt, und die, die es nicht gelernt haben, werden sich die einfachsten Kunstgriffe un schwer aneignen können. Eine Ranke wilden WeineS, eine Silber distel, ein Alpenveilchen oder sonst eine Blume, die da« Feld oder der Hausgarten bequem liefern, bieten so einfache, so reizende Formen, daß man mit ihnen die schönsten Wirkungen erzielen kann. Glücklicherweise erkennt man ja mehr und mehr, daß die zu behandelnde Fläche nichr „voll" zu sein braucht, worin früher ein Hauptvorzug jeder Handarbeit gesucht wurde. Ein paar über die Fläche verstreute Blüthen, hier und da eine geschmackvoll angebrachte Ranke — dies wird, einfach und sauber ausgeführt und von einer kräftigen Farbengebung unterstützt, sicherlich ein befriedigendes Ensemble geben. Mag sein, daß der eigene Ent Wurf vorerst noch ein wenig zaghaft, etwas zu derb naturalistifch ausfällt; aber die einfachen Gesetze der Stilisierung machen sich schon von selber geltend, und überdies — ein ungeschickter eigener Entwurf ist künstlerisch werthvoller, als die Ausführung eine-; routinirten Fabrikmusters, lind nur durch die Rückkehr zur All mutter Natur, nur durch den Versuch, ihren unerschöpflichen Formenschatz selstständig zu benutzen und neu zu prägen, kann der vielgesuchte neue Stil gefunden werden. In Deutschland ist die künstlerische Pflege der weiblichen Handarbeiten in letzter Zeit hinter anderen Länden entschieden zurückgeblieben. Viel weiter ist man darin in England. Hier sind Schulen begründet worden, in denen Frauen und Mädchen die nöthige zeichnerische und technische Ausbildung für alle Arten von Liebhaberarbeiten finden. So manche Dame in England geravirt und schlägt heute bereits Zinn und Kupfer und formt aus diesen Metallen nach eigenen Entwürfen Nutzgefäße und Zierstücke, Leuchter, Schalen, Kessel, Vasen u. dergl. mehr, von hoher Schönheit. Besonders das infolge seiner Weichheit leicht bearbeitbare und schöner decorativer Wirkungen fähige Zinn lobnt den Versuch; auch bei uns werden jetzt die für häusliche Zinn arbeiten erforderlichen Materialien und Instrumente hergestelli und vertrieben. Schon früher wurden bei uns Holzarbeiten ein geführt; neben dem etwas eintönigen Holzbrandverfahren sind besonders Kerbschnittarbeiten beliebt geworden. Auch hier ist England insofern voraus, als hier bereits die freie Holz schnitzerei, die natürlich ungleich edler und mannichfaltiger, als Kerbschnitt oder gar Holzbrand, ist, unter die Liebhaberkünste ein gerückt ist. Wir haben Truhen, Stühle, Schränkchen rc. von Dilettantinnen gesehen, die aller Ehren werth sind. In Nor wegen kommt es vor, daß Brautpaare ihre Verlobnngszeit dazu benutzen, die Füllungen ihres Buffets und ihrer Schränke, die Stuhllehnen rc. selbst zu schnitzen. Ebendort ist ebenso wie in Schweden in vielen guten Familien eine auf alten Traditionen beruhende Handweberei eingebürgert. Auf einem ganz primitiven Webstuhle weben die Frauen selbst Teppiche, Läufer, Vorhänge rc. im Bauernstiele; die besonders schöne Farbengabung beruht ost auf eigenen Hausrecepten. Denken wir weiter daran, daß so schöne Techniken, wie die Buchbinder- und Flechtarbeiten (in letzterer Hinsicht liefert Japan überaus lehrreiche Beispiele einfach schöner Wirkungen), von den Liebhabern bei uns noch kaum in Angriff genommen sind, so eröffnen sich nach allen Seiten weite glänzende Perspectiven für die weiblichen Handarbeiten. Die natürliche Kunstbegabung der Frau ist in Deutschland wenigstens noch lange nicht genug gewürdigt und verwerthet. Die Zeit ist nahe, wo die Frau in die moderne Kunstbewegung sebr wesentlich eingreifen wird, indem sie eine neue frische, gesunde Kunst ins Heim ein führt. DaS ist die Zukunft und die Aufgabe der weiblichen Handarbeiten.
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