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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971129026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-29
- Monat1897-11
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Größer« Schriften la«t «af«m» W»i»- verzrichaist. Labellarilch«» »ad Ztssmefttz »ach höh««« Tarif. Extra»vetlage, (gefalzt), »ar mit LM Morgen.A»«g»b«, »hn« Postbes0rL«r«M' ^4 60.--, mit Postbrförd«rnag ^l 70.—. Auunhmeschlu- str ^uzeigea: Ab «ab-Ausgabe: Lormittag« 10 Uhr. DSorg««.Ausgabe: Nachmittag« «UhL V«i Leu Filiale« oad Annahmestelle« j« et»« halb« Stund« fr»her. Anieiie« stad stets a» di« Expedition t« richt«». Lr»ck »ad Verlag von E. Pol» i» Leipzig. WA. Montag den 29. N-vemb-r 1897. 91. JchMNgi Die Marine-Vorlage. K Durch die gestern im Wortlaute wieder gegebene Be kanntmachung des „Reichsanzei^erS" sind die Marine- Pläne der Regierung den Verdächtigungen reichsfeindlicher Politiker entzogen und mit voller Klarheit dem unbefangenen Urtheile unterbreitet worden. Die berufsmäßigen Neinsager haben Grund, den Uebergang vom Dunkel in daS Licht bitter zu beklagen. Die Forderungen sind maßvoll, ihre Be gründung so zwingend, daß eS der gröbsten falschen Vor spiegelungen bedürfen wird, um vor dem Lande auch nur ein Titelchen von dem aufrecht zu erkalten, was man bisher in Bezug auf finanzielle Belastungen und Angriffe auf daS Etatsrecht vorgrtragen hat. Die grobe Fälschung deS Inhalts der Vorlage hat denn auch im „Vorwärts" bereits begonnen. Das Blatt stellt eö so dar, als ob in Folge der Vorlage in sieben Jahren 907 Mill. Mark für die Marine ausgegeben werden sollten. Zn Wirklichkeit machen die Vorschläge der Regierung noch nicht den vierten Theilg für die sieben Jahre anS. Wer die 997 Millionen herauSrechnet, der muß vorder sagen, daß er nicht nur keine neuen Schiffe will, nicht nur die im Bau befindlichen un vollendet liegen lassen, sondern auch die fertigstellten nicht erhalten, nicht bemannen, vielmehr die Ofsiciere, Matrosen, Arbeiter u. s. w. obne Pension davonjagen, mit anderen Worten: ein zweiter Hannibal Fischer werden will. Den möchten aber wobl selbst etliche zehntausend socialdemokra tische Arbeiter, freilich nicht infolge ihres Patriotismus, nicht erstehen sehen, geschweige denn ein anderer Deutscher. Die Lügenziffer der Socialdemokratie faßt Alles zusammen, waS der Marine-Etat in sieben Jahren enthält, also sogar die sehr hohen rechtlich begründeten Verpflichtungen der Ver waltung an Dritte. Sie erscheint dadurch als die beste Empfehlung der Regierungsvorlage, mit deren Mehrerforber- nissen sich nicht einmal ein hetzergrauter Socialdemokrat einen Brand anzustiften getraut. Umgekehrt rechtfertigt die Höbe des Verlangten die Ent täuschung Derjenigen, die die Aenderung des EbaraklrrS der deutichen Flotte als einer solchen drillen Ranges gewünscht batten. Diese Enttäuschung hat sich schon in bitteren Worten Luft gemacht ; es stebt jedoch zu hoffen, daß ihre Sprache den Kampf um die Erringung des Dargebolenen nicht lähmt. Die Regierung zeigt sich in ihrer Vorlage allerdings durchaus auf dem Slandpuncie, der im Zahre 1873 eingenommen wurde. Sie will daS vor 24 Jahren in Aussicht Genommene tbeilS voll enden, theilS, so weil es geschaffen ist, erhalten. Unsere Flotte ist nicht etwa stehen geblieben, sondern zurückgegangen. Sie soll künftig den Anforderungen genügen, die nach Gründung des Reichs von einer erdrückenden Mehrheit des Reichstags an eine deutsche Kriegsmarine gestellt wurden. Dem kolossalen Umschwünge der politfichen und kommerziellen Verhältnisse, der sich seitdem vollzogen hat, paßt sich die Vorlage nur in äußerst beschränktem Umfange an. 1873 waren 14 Linien schiffe in Aussicht genommen, beute will man deren 17 be sitzen. Die Begründung wählt kein scköneS, aber ein zutreffen des Wort, wenn sie die in Vorschlag gebrachten Maß nahmen ein „Retablissement" nennt. Deutschland zur See soll im Ganzen nur wieder erlangen, was es hatte, oder gemäß dem Willen der Nation hätte erhalten sollen. Jetzt verfügt cS z. B. nicht über die 14 vor einem Virrteljabrhundrrt für nolhig erachteten verwrndungsbereiten Linienschiffe, und von den 12, welche die Vorlage auf 17 ergänzen will, sind mehrere noch im Bau begriffen. Außer diesen 17 Linienschiffen soll der Schiffs bestand im Jahre 1904, von Torpedobooten, Spezialschiffen, Schulschiffen, Kanonenbooten abgesehen, 8 Küsten panzerschiffe, 9 große und 26 kleine Kreuzer in VerwendungSbereitschaft und als Materialreserve 2 Linien schiffe, 3 große und 4 kleine Kreuzer aufweisen. Da, wie erwähnt, 12 Linienschiffe zur Verfügung stehen oder im Bau begriffen sind, die denötbigten Küfteopanzer sämmt- lich und an Kreuzern 10 große und 23 kleine vor handen sind, so beschränken sich die Neubauten auf die sieben Linienschiffe, sowie auf zwei große und sieben kleine Kreuzer. DaS ist die Seekriegsmacht, die Deutschland nicht im Jahre 1904, sondern vom Jahre 1904 an soll ent fallen können. Die Regierung bezeichnet nämlich eine Flotte, wie sie nach ihrem Vorschlag in sieben Jabren gebildet sein wird, nicht nur für diesen Zeitpunkt, sondern überhaupt für ausreichend. Ihre Begründung sagt auch ausdrücklich, daß nach Ablauf von sieben Jahren Neubauten zur Ver mehrung der Flotte Wegfällen und nur noch Ersatz bauten zur Erhaltung deS jetzt festzusetzenden, oben an gegebenen Sollbestandes erforderlich sein wetten. ES sind also nicht Schiffsbauten, was der Reichstag jetzt beschließen soll — für das nächste Etatsjahr werden nur rund 2 Millionen Mark mehr gefordert, als in den laufenden Etat eingesetzt worden sind —, sondern die Herstellung eines abgeschlossenen Schifföbestandes, die Bildung der deutschen Flotte. Die Regierung will die Beschlußfassung deS Reichstages über die definitive Marinestärke, nicht wie im Jahre 1873 bloS die Kenntnißnabme einer Denk schrift. Die Negierung glaubt damit ihren Plan nach sieben Jabren bestimmt verwirklicht zu sehen. Wir kommen auf diese Annahme noch zu sprechen. Zunächst sei betont, daß gegen einen Vorschlag, wirer nun vorliegt, gegründete etatSreckt- lijche Bedenken absolut nicht geltend gemacht werden können. Der Reichstag Hal obne Zweifel daS Recht, in der künftigen Tagung gesetzlich auszusprechen, wie stark die deutsche Flotte überhaupt sein und wann sie ihren endgiltigen Bestand er reichen soll. ES wird von ihm die Schaffung einer Ein richtung, eine- Ganzen verlangt, wie er sie oft genug beschlossen hat, obne daß in dem Beschlußjahre die Grsammt- kosten der Einrichtung hätten ausgrbraucht werden können. Er nimmt zudem, wie schon hervorgehoben, den nächsten RejchStagSsestwnen nicht« von ihrem Geldbewilligungs rechte, ja selbst die Bezeichnung der Schiffstypen bleibt den Reichstagstagungen überlassen, in denen dir ersten Raten für den Bau genehmigt werden; der vorliegende Entwurf bestimmt nur die SchiffSclassen. Mit vollem Recht verweist die Begründung auf den Nordostsee- Canal, dessen Bau und Fertigstellungssrist gleichfalls von einem Reichstage beschlossen wurde. Aber im vorliegenden Falle ist daS Etalsrecht des künftigen Reichstags noch voll kommener gewahrt, da obne seine Zustimmung kein Pfennig für Neubauten ausgegeben werden darf. Diese konstitutionelle Tadellosigkeit des RegierunaSvor- schlage« erweckt aber Zweifel an seinem praktischen Werthe, an der Berechtigung der Zuversicht der Regierung, mit diesem Gesetz in sieben Jahren anS Ziel zu gelangen. Der Reichstag kann mit seinem EtatSrecht einen Mißbrauch treiben, der die Bestimmungen de« vorliegenden Gesetzes thatsächlich ebenso illusorisch macht, wie e« die Festsetzungen der Drnlschrift von 1873 zum Tdeil gewesen find. Da nun die absolute I Sicherheit auf dem ringeschlagenen Wege auch nicht I zu finden ist, so entsteht die Frage, ob nicht jetzt I und nach den Neuwahlea mehr zu erlangen wäre, wenn selbst die gewissenloseste Agilatoren-Unwahrhaftigkeit außer Stande wäre, mit einem angeblichen Angriff auf daS Ver fassungsrecht zu manipuliren. Diese Frage ist nicht leicht ru beantworten. Jedenfalls ist sie eine rein taktische. Wer sie verneinen möchte, dem stebt jedenfalls dieTbatsachc zur Seite, baß dieFlottenvermehrung sich ohne Zuhilfenahme neuer Steuern oder Anleihen vollzieben ließe, daß die ein maligen Mehrausgaben in den nächsten sieben Jabren sich durchschnittlich nur um eine Million jabrlich mehr als in der gleichen verflossenen Periode steigern würden, daß die Mehr ausgaben für Schiffsbauten gegenüber dem laufenden Jahre nicht über 15 Millionen Mark — im Jabre 1900/01 — betragen würben. Die fortlaufenden Ausgaben (für Jnstand- baltuug, vermehrte Jnvienstbaltung, Vergrößerung deS Personals und dergl.) würden allerdings nach sieben Jahren rund 28 Millionen Mark höher sein, als jetzt. Aber schon die Thatsache, daß die Flottenvermehrung zum beträchtlichen Theile durch die Ausdebaung des Absatzes der Erzeugnisse deutscher Arbeit, die ihrerseits eine starke Erhöhung der Arbeitslöhne nach fick, gezogen hat, nolbwendig ge worden ist, läßt diese Mehrausgabe, die zudem keine Mehrbelastung ist, als eine wohl zu vertheibigende er scheinen. Gewichtiger noch ist die Erwägung, daß eine ausreichende Seemacht dem Frieden und somit dem Erwerbe zu Statten kommt, daß sie in einem Kriege zwischen fremden Mächten die deutsche Neutralität schützt und baß unter allen Umständen die Freundschaft eines zur See bewährten Reiches begehrens- werther ist, als die eines nur zu Lande surchtgebieteuben Staates. Der Sturz Ladeni's. -p Spät geht er, doch er geht, der Feind deS Deutsch- thumS in Oesterreich, der frivole Spieler mit der Krone seines kaiserlichen Herrn, der Pole Babeni. Wie wir mit- theilten, hat er die Demission deS GesammtcabinetS dem Kaiser gestern Nachmittag unterbreitet, sie ist angenommen, amtlich bekannt gemacht und der bisherige deutsche Unterrichts minister r>. Gautsch bereits mit der Neu bildung deeMinisteriumS betraut worden. Kaiser Franz Josef hat, nachdem er lange, vielleicht zu lange gezögert, rasch gehandelt und dazu mag, nicht in letzter Linie der ungarische Ministerpräsident bei getragen haben, den der Monarch gestern Mittag empfangen bat. Wie hohe Zeit es war, den Keil, der sich zwischen beide Reichshälften sowohl wie zwischen die einzelnen Nationalitäten mit hartem Kopf eingeklemmt hatte, zu ent fernen, wenn anders man nicht das Haus Habsburg dem Feuerbrande einer das ganze Reick erfassenden und zerfreßenden Revolution preisgeben wollte, hatte man an höchster Stelle ja daraus ersehen können, daß der Kampf um daS Deutsch- thum und das Recht sich auf die Straße fortgepflanzl hatte und von Stunde zu Stunde bedrohlichere Dimensionen an nahm. Es war, waS wir vorauSgesagt, bereits Blut geflossen, und zwar zuerst in Graz. Tort blieben zwei Tode unter den Kugeln slawischen Militairs und noch bi- in die Sonntagnacht hinein dauerten dort, wie unS gemeldet wird, die Ansammlungen fort. In Asch durchzogen etwa Tausend Deutjchnalionale und Socialdemokraten singend und lärmend die Stadt und warfen die Fenster deS AmtSgebäudes, sowie tschechischer Wohnungen ein. In Prag rotteten sich Studenten und Arbeiter zusammen, bewarfen die Wachlocale mit Steinen und konnten nur mit blanker Waffe zerstreut werden, und gestern Vormittag versuchte dort eine große Arbeiter versammlung zu demonstriren. Ueberall, namentlich in Wien selbst, wo sich gestern bis gegen Abend revolutionaire Scenen abspielten und ebenfalls Blut floß, kam eS zu Zu sammenstößen mit der bewaffneten Macht, da« Unheil war im Zuge, welchen Weg eS nehmen würde, darüber war man sich in der Hofburg wohl ebenso klar, wie in den Parteiclubs der Linken. Sckon darum mußte Graf Badeni, der allein mit seiner Politik blinden DraufgchenS die Monarchie in Gefahr gedrückt batte, fallen. Aber er war schon unmöglich geworden, als sein letzter schmachvoller Versuch, die deutsche Opposition mit der famosen „1er Falkenhayn" zum Sckweigen ru bringen, total fehl geschlagen war, also am 27. No vember,der seinen L atellitcnAbrahomovicz vor die Alternative ge stellt hatte, daS Präsidium und die Regierungsmehrheit für bankerott zu erklären oder nicht bloS die Hand voll Social demokraten und Deutsch-Radicalen, sondern die gesammte Linke mit Einschluß der christlick-socialen Partei, die in zwölfter Stunde noch der entschiedenen Opposition sich angeschlossen, und einen Theil der deutschen Volkspartei, die sich im letzten Augen blick noch gespalten hatte, von den Berathungen auszuschließen, also eine Situation zu schaffen, die absolut unhaltbar gewesen wäre. Graf Badeni hatte sich dafür verbürgt, dem Kaiser den Ausgleich zu Füßen zu legen und er bat nock bis in die letzten Stunden des Ringens zwischen Deutschen und Slaven die Versicherung erneuert, daß er siegreich aus demselben her vorgehen werde. Er hat sich geirrt, weil er die Kraft deS Deulschlhums unterschätzt und sich einen unzureichenden Be griff vom deutschen Ehrgefühl gemacht halte, und als er dies bekennen mußte, war er für den Kaiser eine ver spielte Nummer, ein abgethaner Mann. Wie man in seinen Kreisen über den eben abgeschlossenen Act deS öster reichischen Völkerdramas denkt, zeigt folgender Artitel der „Reichswehr", welche schreibt: „Die Vertagung des Reichsrathcs ist unabweislich, da einerseits von dem jetzigen Abgeordnetenhaus« keinerlei ersprießliche Thätigkeit mehr zu erwarten ist, andererseits die unvollendeten Arbeiten der Delegationen eben »ur die Vertagung möglich machen. An die kaiserliche Regierung tritt die Aufgabe heran, ihre Pflichten für die Gesammtmonarchie und Oesterreich ohne diesen Reichsrath gesetzmäßig zu erfüllen, da man eiuen Zu sammentritt des Abgeordnetenhauses in absehbarer Zeit wird weder erwarten wollen noch können. Di« Revision der Geschäftsordnung hatte den einzigen Zweck, zu versuchen, ob eine Trennung zwischen den Radaupolitikern und den ernsteren Elementen der Opposition möglich sei, weil verschiedene Vorfälle und Zwischenfälle Anlaß gaben, an die Möglichkeit solcher reinlichen Scheidung zu denken. Auch dieser letzte Versuch ist mißrathen. Am 1. Tecember läuft der Präclujivtermin ab, weichen die ungarische Regierung für das legislativ« Zu standekommen deS Gesetzes über das Ausgleichsprovisorium stellte. Tie dualistische Grundlage der Monarchie, die Feststellung der Staats bedürfnisse dürfen durch die Obstructionstactik einer in der Mehrheit ihrer Elemente noch so beachtenSwerthen Minorität nicht in Frage gestellt werden. Tie Pflichterfüllung der kaiserlichen Regierung sichert den ungestörten Fortgang der Staatsgefchäfte; cs ändert sich nichts an der Haltung einer Regierung, welche die 1 Wahrung der historische» Stellung deS Deutschthum« Der Page. L7j Roman von A. Heyl. Nachdruck »erbot«». „Sie kennen mich?" fuhr der Angeredeie auf. »Ja, Herr Tockmann, ich kenne Ihre Geschichte zum Theil schon, und Sie sollten mich doch auch kennen. Ich — ich war bisher als Page in Diensten der Gräfin. Kurz vor Ihrer Abreise trat ich hier ein." „Sie sind der Page? Sie?" rief Tockmann hocher- slaunt. „Es ist kaum möglich. Und doch, ich entsinne mich, es sind die Züge des Pagen. — Und in dieser Lage muß ich Sie wiederfinden? Wahrhaftig, die Gräfin ist ein fürchter liches Weib!" „Krönen Sie Ihr Befreiungswerk", drängte jetzt Emilie, „indem Sie mir helfen, Adlershof in dieser Nacht zu ver lassen." Er neigte das Haupt zum Zeichen der Zustimmung, ging dann voraus und winkte ihr zu folgen. Sie schlichen durch eine Reihe von Gemächern und gelangten ohne Hinderniß über den Hauptplatz bis zur Treppe. Geräuschlos stiegen sie die Stufen hinab, auf dem ersten Absatz blieb Tockmann stehen. Er hob seine Laterne, beleuchtete die Wandver kleidung, suchte unter deren Schnitzwerk die mittlere Rosette und begann diese von links nach rechts zu drehen. Zum croßen Erstaunen seiner Begleiterin öffne:» sich eine sckunale Pforte, die zu einer steinernen Wendelt.cpp: sühne. Durch Nc P.orte t:c.:en ^e ein, und nachdem Tikn'anr ven Brr schluß wieder hergestellt hatte, stiegen sie hinab. Kein Wort wurde gesprochen, bis sie vor einer eisenbeschlagenen Thür anlangten. „Wir sind am Ziele", sagte Tockmann, während er aufschloß und die Thür öffnete. Die Briden standen auf dem festgefrorenen Schnee, der die Waldwiese bedeckte, über ihnen wölbte sich der Sternenhimmel. Die Befreite machte eine Bewegung, als wolle sie auf die Knie sinken, ihr Begleiter hielt sie davon ab. „Lassen Sie das", sagte er barsch, „sorgen Sie lieber, so rasch als möglich unter Dach und Fach zu kommen. Hier trennen sich unsere Wege." Als sie ihm nochmals danken wollte, wandte er sich ab und ging, ohne umzublicken, dem Walde zu. Sie suchte bis zum anbrechenden Tage ein Obdach im Schulhause. Achtzehntes Capitel. Clotilde Heldenberg war eine Zeitlang in der Nähe der gräflichen Gemächer geblieben, um auf den ersten Hilferuf zum Beistand ihres Lieblings hinzuzueilen; sie wartete mit Angst und Bangen auf eine heftige Scene, da sie aber nichts Verdächtiges vernahm, so dachte sie, die Gräfin habe in ihrer unberechenbaren Launenhaftigkeit der Sache keine weiteren Folgen gegeben und ihren Pagen nach einem Ver weise wegen seines nächtlichen Ausbleibens wieder in Gna den ausgenommen. Sie konnte sich nicht länger aufhalten, da in den Wirthschaftsräumen nothwendige Arbeiten ihrer harrten und diese nahmen sie einige Stunden vollständig in Anspruch. Als die Mittagszeit herannahte, fiel ihr daS Ausbleiben des Pagen allerdings auf und einen freien Augenblick benützend, eilte sie durch die weiten Gänge, um ihren Schützling aufzusuchen. Auf der Treppe begegneten ihr zwei Diener, die den Reisekoffer der Gräfin hinabtrugen. „Ist etwas vorgefallen?" fragte Clotilde. „Reist die Gräfin ab?" — „Ja, sie reist ab", antwortete der Diener gleich- gütig. „Vorwärts, man hat Eile", drängte der Andere. Von banger Ahnung ergriffen, faßte Clottlde den Ent schluß, unter irgend einem Vorwande in die Zimmer der Gräfin einzudringen, gleichviel, ob sie dadurch das Mißfallen der hohen Dame erregte oder nicht. Sie klopfte an, Nie mand antwortete; sie drückte auf die Klinge, die THUre war verschlossen. Nun begann sie laut den Namen „Emil" zu rufen. Da trat die Kammerfrau aus der Gräfin Zimmer und theilte Clotilden mit, daß der Page nach der Stadt geritten sei. Dieselbe Auskunft erhielt sie von der Gräfin selbst, als diese auf den Hof kam, um den Wagen zu besteigen und Clo tilde sich an sie mit einer Frage nach dem Pagen, den sie wegen einer Wirthschafts-Angelegenheit sprechen wolle, ge wandt hatte; er sei zum Grafen und werde übermorgen wieder nach AdlerShof kommen. Dann war die Gräfin ab gefahren. Allein Clotilde, die sich im Stalle überzeugt hatte, daß keines der Pferde fehlte, glaubte nicht an die Ant wort der Gräfin; eine peinliche Angst überkam sie und sie beschloß, weitere Nachforschungen anzustellen. Sie wollte in das Zimmer der Gräfin, aber deren Mutter meinte, das sei nicht möglich, weil ihre Tochter erklärt habe, sie habe nicht mehr Zeit gehabt, ihre Schmucksachen und Kostbarkeiten einzuschließen und deshalb die Zimmerschlüssel mitge nommen. Clotilde mußte sich zufrieden geben. Während sie jedoch in der Küche ihres Amtes waltete, waren ihre Ge danken unablässig mit den Vorkommnissen dieses Morgens beschäftigt. Ihr Verdacht, ihre Angst waren nicht mehr zu reschwichtigen. Am Tage durfte sie nichts unternehmen, ie mußte warten bis nach Mitternacht, wenn Alle im Hause chliefen. Mit dem Hauptschlüssel konnte sie dann die ver- chlossenen Zimmer öffnen und nachsehen, was da drinnen verborgen war. Die Abendstunden vergingen ihr langsam, sie löschte zeitig das Licht aus, um den Glauben zu erwecken, sie sei zur Ruhe gegangen. Sv saß sie in ihrem Lehnstuhl, von trüben Gedanken heimgesucht, von bangen Ahnungen ge quält, und wartete bis gegen Mitternacht. Jetzt wagte sie sich vor die Zimmerthür und lauschte, ob sich nichts mehr rührte. In dem Flügel des Schlosses, den sie bewohnte, herrschte Grabesstille. Clotildr wartete noch eine Zeit lang, um vollkommen sicher zu sein, dann richtete sie sich zur Aus führung ihres Vorhabens. Nachdem sie die Schuh« ausge zogen hatte, schlich sie, dem Sternenscheine vertrauend, ohne Licht von ihrem Zimmer bis zur Trepp«. Hier stand sie still, athmete angstvoll auf und lauschte abermals, ob sie keinGeräusch vernehme. Ihr schien so, als höre sie verhaltene Stimmen, dann schleichende Schritte, sowie vorsichtiges Oeffnen von Thüren. Sie verbarg sich hinter einer hohen Steinfigur, welche den Aufgang der Treppe zierte und harrte hoch klopfenden Herzens der Dinge, die da kommen würden. Sie sollte nicht allzulange in ihrem Verstecke ausharren; eben wurde ein Schlüssel im Schloß gedreht, die aus den Ge mächern der Gräfin nach dem Corridor führende Thür wurde geöffnet, kaum vernehmbare Schritte näherten sich der Treppe, zwei Gestalten stiegen die Stufen hinab. Eine hohe Männergestalt schritt voraus, dieser folgte eine schlanke Dame tief verschleiert. Clotilde kauerte sich dicht an die Wand, erwartend, die Beiden würden an ihr vorüber kommen, denn sie waren bereits auf dem Treppenabsatz an gelangt. Aus ihrer finsteren Ecke konnte sie nichts mehr sehen, sie hörte nur noch ein Knistern und Knarren, dann blieb Alles still. Als sich Clotilde wieder vorwagte, waren die Gestalten verschwunden. Obgleich ein kluges und be herztes Mädchen, war Clotilde doch von einem Schauer der Angst erfaßt worden. Aber sie faßte von Neuem Muth und begab sich nach den Gemächern der Gräfin und fand diese wider alles Erwarten unverschlossen. Sie durchschritt die Räume und hielt Umschau. Es lag Alles unversehrt um her, wie es die Herrin verlassen hatte, in buntem Durch einander auf der Toilette, auf Tischen und Stühlen. Vor der kleinen Thllre entdeckte Clotilde einen blitzenden Gegen stand, es war ein Taschenmesser mit Perlmuttergriff, das dem Pagen gehörte. — Endlich eine Spur, sie mußte weiter suchen. Mit zitternder Hand faßte sie die THUrklinke, um sich in den schmalen Gang zu begeben, auch diese THUre war nur angelehnt. Zögernd ging sie vor, um nach den ersten Schritten staunend still zu stehen. Da lag ein Theil der gräflichen Garderobe, und daneben die Kleider des Pagen. Der Wandbehälter stand weit offen, der Handleuchter der Gräfin mit herabgebrannter Kerze fiel der RecognoSciren- den in die Augen. Clotilde sann und grübelte eine Weile über das, was hier geschehen sein konnte und kam schließlich der Wahrheit nah«, indem sie annahm, es sei ein Verbrechen geplant gewesen, dem Opfer aber sei es gelungen, sich zu retten. Damit diese Rettung endgiltig gelang, sollte Nie mand etwas davon erfahren. Schnell räumte sie die am Boden liegenden Kleider in den Wandbehälter, nahm den Pagenanzug an sich, verschloß alle Thüren sorgfältig und langte unbehindert wieder in ihren vier Wänden an, wo sie hoch erregt, doch von peinlicher Angst befreit, noch einige Stunden der Ruhe genoß. Sie erwachte später als gewöhnlich und bedurfte ein paar Minuten ernsten Nachsinnens, um die Erlebnisse der letzten Tage sorgfältig zu überdenken. Das Sonnenlicht nahm den unheimlichen Erscheinungen auf der Treppe das Ge spensterhafte. Clotilde neigte zu der Annahme, die beiden Gestalten stünden im Zusammenhänge mit den Begeben heiten und deren räthselhaftrs Verschwinden ließe sich wohl auf natürliche Weise erklären. Au» ihrem Grübeln wurde sie durch die Ankunft d«L
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