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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971203022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-03
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Anzeigen.Prei» die «gespaltene Petitzeile 20 Pfh Reklamen unter demRedactionSstrich («aa» spalten) 50/H, vor den Familiennachrichie» (k gespalten) 40-H. Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichuib. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), aor mit de» Morgen»Ausgabe, ohne fsdostbeförderunst 80.—, mrt Postbeförderung 70.—» Tinnuhmeschluß für Anzeigen: Sb«ud-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Diorgeu-AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Bai den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anreise» smd stet« au die Srtzetzitis» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, Sl. Jahrgang: Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. December. Zn der heutigen Sitzung des Reichstags wird es sich entscheiden, ob am Montag in die erste Berathung des Etats oder in die des FlottengcsctzeS eingetreten werden soll. Die Mehrheit des Hauses scheint für die schleunige Erledigung der ersten Berathung des Flottengesetzes zu sein, die selvstverständlich mit der Ueberweisung des Entwurfs an eine besondere Commission enden wird, und für eine solche Disposition spricht jedenfalls die Wahrscheinlichkeit, daß die Generaldebatte über den Etat, wenn sie zuerst vorgenommen werden sollte, zu einer Flottendebatte werden würde, die dann bei der Berathung des Flottengesetzes sich wieder holen müßte. Beim Centrum kommt zu dieser praktischen Erwägung noch der Wnnsch, schleunigst darüber unterrichtet zu werden, ob die Regierung im Falle der Weigerung des Hauses, auf eine gesetzliche Festlegung der Flottenorganisation sich einzulassen, zur Auslösung zu schreiten entschlossen ist. Daß aber das Centrum nicht daran denkt, auch seine Stellung bald zum Ausdrucke zu bringen, crgiebt sich schon daraus, daß eS seinen Jesuitenantrag aufs Neue eingebracht hat. Auch über diesen Antrag soll die Regierung eine unzweideutige Erklärung abgebcn, das Centrum aber wird, seiner alten Taktik getreu, vor der dritten Lesung des Flottengesetzes jeder bestimmten Erklärung über seine Entschließungen auSweichen. Inzwischen suchen die demo kratischen Gegner des Gesetzes aus den Worten, die der Kaiser der Thronrede hinzugefügt hat, Capital gegen dasselbe zu schlagen. Sie bestreiten, daß seine Mahnung irgend welchen Eindruck auf die Hörer gemacht haben und haben machen können; die „Franks. Ztg." fügt hinzu: „Die Worte, die der Kaiser nach der Thronrede aus persönlichen Empfindungen heraus gesprochen hat, mögen gewiß von „heiligem Ernst" eingegcben sein; es wäre traurig, wen» das nicht der Fall wäre, denn es sind ja an sich schwerwiegende Worte, so schwer» wiegend, wie bei officieller feierlicher Veranlassung seit 27 Jahren nichts gesprochen worden ist. Cie klingen so, man mag sie deuten, wie man will, als ob der einzige Bruder in rin gefahrvolles Unternehmen hinauSgefchickt würde, um deS Reiches Ehre zu wahren. Man denke sich nur, daß Bismarck Aehnlichcs in ähnlicher Situation geiprochen hätte, oder das; gar der alte Kaiser — das kann man sich allerdings kaum denken — aus eigenem Antriebe nach einer Thronrede sich zu diesem Appell veranlaßt gesehen hätte. Das größte Aufsehen in ganz Europa, direkte Kriegsb efürchtunge n würde das hervorgerufen haben. Jetzt hat aus Liese schwerwiegenden Worte nicht einmal das feinfühlige Instrument, die Börse, reagirt; sie ist fest geblieben. Auch die Abgeordneten sind fest geblieben und werden sich jedenfalls in der sachlichen Prüsung des Flotten» gesetzes nicht durch Empfindungen und Vorstellungen beeinflussen lassen, die hervorznrusen die Worte des Kaisers jedenfalls bestimmt waren. Wenn der Zwischenfall auf die Berathungen der Flotienvermeh» rung rinwirkt, dann geschieht's gewiß nichtindervom Kaiser ge wünschten Richtung, sondern es wird vielleicht von den Oppositionsparteien vermerthet werden, um auf einen Mangel von sachlichen Gründen für die Flottenvermehrung zu schließen. Man kennt die feurige, zur Repräsentation und eindrucks vollen rednerischen Kundgebungen geneigte Natur Les Kaisers, die auf Eindrücke des Augenblicks lebhaft reagirt, viel zu genau, um nicht FerriHeton. Der Page. 31 j Roman von A. Hehl. Nachdruck verboten, „Was sind das für Rückgebäude?" rief Einer. „Wem gehören die Nachbarhäuser?" fragte ein Anderer. „Die Rückgebäude von der Schlossergasse gehören zum Aärenkopf", schwirrte es durch die Menge. „Vom Bärenkopf? Was vom Bärenkopf?" ließ sich eine Baßstimme vernehmen. „Wer wagt es, die Leute im Bärenkopf zu verdächtigen? Es wohnen nur rechtschaffene Leute in diesem Hause. Ich, der Cigarrenhändler Krackelius, stehe dafür ein." „Die Leute sollen sich entfernen", befahl der Graf. „Sie haben hier nichts zu thun, gehen Sie Ihrer Wege." Die Worte verhallten ungehört. Endlich kam ein Polizei beamter mit zwei Schutzleuten an, die Menge begann zu weichen. Den Wächtern des Gesetzes hielt es nicht schwer, das Haus von fremden Gaffern zu räumen. Sobald dies geschehen, übergab der Graf den Kunstreiter Bolivar, als des Mordes verdächtig, den Polizeibeamten und er wurde nachdem ein Protokoll über die grausige That ausgenommen, trotz seines Sträubens und seiner fortgesetzten Unschulds betheuerungen in das Untersuchungsgefängniß abgesührt. — Der Graf blieb noch eine Weile in dem Zimmer neben der Leiche seiner Frau und ertheilte Befehle über die Auf bahrung derselben, sowie Uber die Vorbereitungen zur Bei- sehung. Er war selbst todtenbleich, um Augen und Mund, winkel machte sich ein nervöses Zucken bemerkbar, aber die Wimper blieb trocken und der Ausdruck seiner Züge war kalt und finster; er war furchtbar erschüttert, aber schmerz lich bewegt war er nicht. Obgleich er den Kunstreiter als des Mordes verdächtig hatte verhaften lasten, so glaubte er nicht an seine Schuld. Er hatte sich auf diese Weise an dem frechen Burschen gerächt und sich seiner Zudring lichkeit entledigt. — Ob die Briefe wohl echt waren? Je denfalls war er entschlossen, sie als Fälschung zu erklären, wenn der geriebene Gauner dieselben dem Gericht über geben sollte. — Er hatte mit der Sache nichts zu thun und eine Todte konnte man nicht verklagen. — Ihr Un recht war mit ihrem Blute gesühnt. Er war frei. Zwanzigstes Capitel. Der Tag der Hochzeit Lieschens mit dem Wasser müller Peter Groll war nicht mehr fern, aber die Braut nachgcrade an seine Ansprachen den richtigen Maßstab zu legen. In diesem Falle kam nun die unmittelbar vorausaegangene, von ihm selbst verlesene Thronrede der richtigen Bewerthung un mittelbar zu Hilfe. Wenn es dort unter Verantwortlichkeit des Reichskanzlers, eines so alten erfahrenen Diplomaten, und si'er nicht ohne die Mitwirkung des Leiters des Auswärtigen Amt s heißt, daß die Beziehungen zu deu fremden Staaten durchaus erfreulich seien und daß eine friedliche Ent wicklung Europas auch ferner zu erwarten sei, dann ist rS ganz unmöglich, zu glauben, daß die Affäre, bei welcher der Kaiser seinen einzigen Bruder einsetzt, irgend welche kriegerische Ver- Wickelungen in Aussicht stelle, kriegerische Verwickelungen, für die natürlich jede erst jetzt zu bewilligende Verstärkung der Flotte etwa um fünf Jahre zu spät kommen würde. Sollte einst des Reiches Ehre wirklich aus dem Spiele stehen, so ist auch der Reichs» tag in allen seinen Parteien zu begeistern. Das unter» liegt gar keinem Zweifel und cs wird dazu nicht einmal besonders starker rednerischer Krastanstrengungen bedürfen. Tas geschieht durch thatsächliche Ereignisse, durch Bedrohung unserer nationalen Interessen und auch dessen, was man als nationale Ehre zusammensaßt, ganz von selbst." Auch wir sind der Meinung, daß die Mahnung, die in den Worten des Kaisers liegt, von größerer Wirkung gewesen sein würde, wenn sie der Thronrede eingefügt und mit ihrem Tone in vollere Uebereinstimmung gebracht worden wäre. Wir befürchten aber auch nicht, daß der Eindruck dieser Mahnung verwischt werden könne durch die Versicherung der „Franks. Ztg." und ihrer Gesinnungsgenossen, das ganze deutsche Volk werde angesichts „wirklicher" Gefahren für die Ehre und die Sicherheit des Reiches zu jedem Opfer bereit sein. Giebt cs nicht gerade unter den Freunden der „Franks. Ztg." Leute, die an wirkliche Gefabren nicht glauben wollen trotz aller Gewitterwolken'? Hat nicht Herr Virchow zu einer Zeit, als der Ausbruch eines Krieges mit Frankreich für keinen Klarsehenden mehr zweifelhaft sein konnte, durch einen Abrüstungsantrag sich unsterblich ge macht, und werden nicht Männer von der Art des Herrn 1)r. LangerhanS, um Gewißheit über die Lage zu erhalten, bei ihrer Tante in Paris sich erkundigen? Wird Herr Richter, der alle unsere Colonien verschenken möchte, eine Gefahr darin sehen, wenn unser überseeischer Besitz auf da« Ernsteste bedroht wird? Und wenn wirklich alle die Herren, die Deutschland den „GroßmachtSkitzel" auSlreiben und es wieder zur demüthigcn Magd des Auslandes machen möchten, wirk lich einmal eine Gefahr erkennen und sich zu einem Opfer „begeistern", was nützen dann Kriegsschiffe, die auf dem Papiere stehe»? Wird die „Franks. Ztg." mit den Summen, die in letzter Stunde der Reichstag für die Flotte bewilligt hat, die Führer der feindlichen Schiffe zurücksckrecken, oder Herr Richter mit der Nummer seiner „Freis. Ztg", in der von der heroischen That der Volksvertretung mit hochtönenden Worten Kunde gegeben wird, die Flanken unserer spärlichen „alten Kasten" vor den feindlichen Kugeln schützen? Man müßte an der deutschen Nation und ihrer Zukunft ver zweifeln, wenn sie angesichts der Frage, ob sie die vielleicht nickt ganz an der rechten Stelle ausgesprochene und nicht ganz in die rechte Form gekleidete Mahnung des Kaisers beherzigen, oder auf den Scharfblick und die rechtzeitige Opferwillrgkeit der Berufs-Opposition sich verlassen will, sür daS Letztere sich leute waren einander nicht näher gerückt. Er erschien ihr abstoßend und plump, und namentlich mißfiel ihr sein Protzenhaftes Wesen, während er über ihre Zurückhaltung und Kälte Klage führte. Der Müller meinte zwar, das werde sich schon geben, wenn sie erst ein Paar wären; allein Peter Groll vermochte nicht recht daran zu glauben, was nun wieder den alten Sturm verdroß. Heute sollte die Schwägerin des Müllers mit ihren beiden Töchtern auf der Mühle eintreffen, um die Hochzeitsgeschenke zu überbringen. Da sollte Nachmittags ein festlicher Kaffee schmaus gehalten werden, und Lieschen machte sich auf den Weg zum Doctorhause, um dessen Bewohner zum Feste zu laden. An einer Biegung des Weges hemmte sie plötzlich ibren Schritt. Ihr bleiches Gesicht war plötzlich wie mit Purpur übergossen, ihre Pulse schlugen rascher und ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen; vor ihr stand der Lehrer Wertmann. Sie zwang sich zu äußerlicher Ruhe, indessen ein Sturm von Gefühlen in ihrer Brust tobte. Sie konnten nicht aneinander vorllbergehen, ohne ein paar Worte zu wechseln. Nachdem sie sich gegrüßt wie gute Nachbarn, fingen sie damit an, das Wetter zu loben, sich gegenseitig mitzutheilen, daß der Winter glücklich herum sei und der Sommer bald kommen werde. Lieschen faßte sich ein Herz und fragte nach des Lehrers Mutter; er dankte der Nachfrage, die Mutter habe sich wider alles Erwarten von der schweren Krankheit leidlich erholt, sie spreche oft von Fräulein Lieschen und wünsche ihr recht viel Gutes auf dem neuen Lebenswege. Lieschen dankte mit feuchtem Blick. „An meinen Segenswünschen werden Sie wohl nicht zweifeln", fügte er bei. Sie blickte zu ihm auf und sagte treuherzig: „Ich weiß, daß Sie es gut meinen." Der Lehrer fuhr fort: „Es freut mich nicht nur um meinetwillen, sondern auch um Ihretwillen, wenn Sie hiervon recht fest überzeugt sind. Reichthum und Ehre erwarten Sie, möge auch die Zufriedenheit nicht fehlen. Sollte es aber anders kommen als wir hoffen und wünschen, Fräulein Lieschen, dann erinnern Sie sich meiner, wenn Sie einen Helfer in der Noth brauchen. Wollen Sie mich rufen, wenn Sie niemand Anders haben, der Ihnen helfen kann?" drängte er. „Sprechen Sie ein Wort!" „Ja", kam es zögernd über ihre Lippen. »Ihre Hand darauf, Lieschen." Sie gab ihm die Hand, er hielt sie fest. „Jetzt bin ich beruhigt", gestand er ein. Mit warmem Händedruck trennten sie sich. Wie im Traume schritt sie dahin; ihr war so wohl, so weh, wie nie zuvor; sie hätte aufjauchzen entscheiden würde. So hoffen wir denn auck, daß eS der Regierung und den nationalen Parteien deS Reichstages ge lingen werde, die Verschleppungstaktik deS Centrums zu durchkreuzen und die Partei, die nichts so eilig hat, als die Interessen deS Papstthums zu vertreten und z» fördern, zur baldigen Stellungnahme bei einer Leb ensfrage für die deutsche Nation zu nöthigen. Eine sür den internationalen Rechtsverkehr bedeutsame Vorlage ist gestern dem Reichstage zu gegangen. Sie betrifft den Beitritt Deutschlands zu einem Abkommen, das im November v. I. von allen europäischen Mächten mit Ausnahme von England, Rußland, Dänemark, Griechenland und den Balkanstaaten vereinbart wurde und eine Reihe wichtiger Bestimmungen über das internationale Privatrccht enthält. Die erste regelt die gegenseitige Mittbeilung gerichtlicher oder außergerichtlicher Urkunden in Civil- nnd Handelssachen. Sie erfolgt auf Grund eines an die zuständige Behörde deS anderen Staates zu richtenden Ersuchens der Beamten der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte im Wege des diplomatischen Verkehrs, wenn nicht ein unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen den Behörden der beiden Staaten zugelassen ist. Auf demselben Weg können gerichtliche Behörden eines Vertragsstaates durch Er suchungsschreiben an die eines anderen innerhalb ihres GeschäftSkreiseS die Vornahme richterlicher Proceßhandlungen und anderer gerichtlichen Handlungen erbitten. Ferner wurde vereinbart, daß den Angehörigen der Vertragsstaaten, wenn sie in einem derselben wohnen, bei Inanspruch nahme der Civilgerichte keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abverlangt werden kann, nur weil sie Aus länder sind. Ferner werden die Angehörigen der Vertrags staaten in allen unter denselben gesetzlichen Bedingungen bei Klagen zum Armenrechte zugelassen, wie Einheimische; schließlich ist vereinbart worden, daß Personalhaft in Civil- oder Handelssachen nicht anders als in den Fällen stattsindet, in denen sie gegen Inländer anwendbar sein würde. Der Vertrag wurde im Juni und Juli 1894 im Haag vereinbart und den Theilnebmern an jener Conferenz das Recht des Beitritts bis zum 1. Januar 1898 offen gehalten. Am 9. November ist das Reich gemeinsam mit Oesterreich-Ungarn beigetreten. Der Reichstag soll nun die verfassungsmäßige Zustimmung dazu ertheilen. Mit welcher Frivolität selbst die Worte der heiligen Schrift von polnischer Seite für politische Zwecke gemiß- braucht werden, davon legt folgender „Psalm des Volkes", abgedruckt in Nr. 106 der „Praca", Zeugniß ab: „Vater unser, Vater, der du bist im Himmel, Blicke herab auf deine in Fehde untergehenden Söhne, Geheiligt werde dein Name, rufen wir zu dir, Obwohl das kranke Herz in der Brust erstirbt. Vater unser, Vater, wenn der Feind den Namen Schändet und fürchterliche Lebensqualen uns bedrücken, Rusen wir Ungebeugten unter dem Drucke der Fesseln: Herr, zu uns komme dein Reich. können und dann wieder schluchzen, als ob das Herz ihr brechen wollte. Vor dem Doctorhause traf sie mit Hans und mit Emilien zusammen, die da ein wenig im Sonnenschein lustwandelten. Emilie, die endlich ihre Ver zagtheit bemeistert hatte, erzählte dem jungen Manne, wie leicht es ihr geworden, die Versöhnung zwischen Vater und Sohn zu bewerkstelligen. Lieschen war hinter der Hecke stehen geblieben und hatte den letzten Theil der Erzählung mit angehört. „Genau so hat es sich zugetragen", bestätigte sie vor tretend. „Du sollst der Emilie dankbar sein, Hans, sollst nie vergessen, was sie für Dich gethan hat." „Ich bleibe zeitlebens ihr Schuldner." Lieschen war mit der Antwort zufrieden, sie sah Emilie an, diese stand gesenkten Blickes bei Seite, ver- rätherische Röthe färbte ihre Wangen. Nun setzte Lieschen den Zweck ihres Kommens auseinander und entledigte sich ihres Auftrages. „Ich rechne sicher auf Ihr Erscheinen, liebe Emilie, der Vater hat Sie noch besonders genannt." Dann ging Lieschen ins Haus, um auch an die Doctorsleute ihre Einladung auszurichten. Doctor Franz war in verdrießlicher Stimmung. Soeben war ihm ein sehr scharfer Artikel gegen die Monhardt's von der Redaction einer Zeitung zurückgesandt worden. Darüber war der Doctor ergrimmt und wollte von einer Annahme der Einladung Lieschen's nichts wissen; er müsse arbeiten: „Lies diesen Brief der Redaction", sagte er zu seiner Frau, „und sage dann selbst, ob ich den unbeantwortet lassen kann." Clotilde überflog das Schreiben, ihre Miene wurde ernster: „Was bedeutet denn diese Nachschrift?" wandte sie sich an ihren Gatten. „Auch noch eine Nachschrift? Die habe ich im ersten Zorn übersehen." Clotilde las: „Nach den grauenvollen Ereignissen, die Ihnen vor Empfang dieses Schreibens schon bekannt sein dürften, werden Sie wohl auf eine Veröffentlichung der alten Geschichte Verzicht leisten." Clotilde hielt ihrem Manne den Brief hin. „Wahrhaftig, da steht es", sagte er in ruhigerem Tone. „Was ist da vorgefallen? Wo ist die Zeitung?" „Die Botin hat sie noch nicht gebracht, sie kommt eben so unregelmäßig", antwortete Clotilde. Lieschen sah bittend von Einem zum Andern. „Erwähnen Sie bei meinem Hans nichts von alledem, bester Doctor, liebe Clotilde!" „Von uns erfährt er nichts", versprach Doctor Franz. „Wenn aber, wie wir annehmen müssen, etwas Schreck liches geschehen ist, dann wird es ihm kein Geheimniß Auf den; Herzen barst der Väter blutiger Panzer, Geschändet stehen wir vor deinem Antlitz. Vater unser, Vater, dein Wille geschehe, Erhebe dein fortwährend gepeitschtes Volk. Mit thränenden Augen blicken wir gen Himmel: Herr, gieb uns des Lebens Nahrung, Soll denn ewig der dumpfe Klang der Glocke Ueber den polnischen Grabhügeln erdröhnen ? Für ein ganzes Meer des Unglücks gieb uns «inen Tropf » Trostes, laß uns Wiedererstehen, uns, deine Ritter. Bergieb uns unsere Schuld, unsere alten Sünden, So wie wir dem Feinde aufrichtig vergeben. Heute, wo deines Himmels Wölbung sich trübt, Wo wir ein Jahrhunvert über der Völker Gräber klagen, Führ uns, o Herr, nicht in Versuchung, Sondern erlöse durch rin heilig Wort das theure Vaterland." In Lesterreich wird die politische Lage sich nicht so bald beruhigen und abklären. Dafür werden die Tschechen sorgen, die mit der Berufung Badeni's die Zeit gekommc'. glaubte», um die Utopie der Wiederherstellung ihres Wenzel reiches der Wirklichkeit einen Schritt näher zu bringen. Der Sturz Badeni's schien sie um diese Hoffnung abermals z» betrügen, und deshalb veranstalteten sie die Prager Pöbel excesse, um die Regierung einzuschüchtern, damit sie sich ja nicht beikommen lasse, nunmehr mit den Deutschen Trans activnsversuche zu beginnen. Deshalb hielt der wegen seiner deutschenfresserischcn Gesinnung, wie seiner dreibundfeindlichc:: und sranzosensreundlichen Politik sattsam berüchtigte Prager Bürgermeister Podlipun seine die VolkSleikenschaften erst recht aufstachelude Rede, deshalb verlangte der Stadtratb mit Podlipny an der Spitze, bevor er sich entschließen könnte, beruhigend auf die erregten Gemüther einzuwirken, von dem Statthalter Grafen Coudenhove in kategorischem Tone eine Erklärung, daß die Prager Excesse nur die Folge voran gegangener deutscher Brutalitäten in Saaz und Prag seien, eine Erklärung, zu der im Widerspruch mit den Thatsachen sich herbcizulassen der Statthalter leider schwach und charakterlos genug war; deshalb endlich veröfsenl lichte daS Executiv-Comitse der jungtschechischen Partei ein Manifest, in welchem es erklärt, daß das tschechische Volk, treu seinen Traditionen und seiner Geschichte, entschlossen und mannhaft bei seinem staatsrechtlichen und nationalen Programm beharre. Diese Haltung der leitenden tschechischen Persönlichkeiten hat denn auch den Erfolg gehabt, daß Prag drei Tage hindurch sich im Zustand förmlicher Revolution befand, aber sie hat eS auch dahin gebracht, daß in Prag das Standrecht erklärt wurde, nm dem SchreckenSregimcnt des tschechischen Pöbels ei» Ende zu machen. Das Letztere mag ihnen ein Fingerzeig sein, daß keine Regierung Oesterreichs im Staude ist, die nationalen Wünsche der Tschechen voll zu erfüllen, ohne Oesterreich selbst aufzugeben. Aber wie will die Regierung deS Herrn v. Gautsch die Tschechen beschwichtigen, ohne die Deutschen sich noch mehr zu entfremden? Welches Aussöhnungsprogramm bringt v. Gautsch mit, hat er überhaupt ein solches, ja ist ein solches nur denkbar? DaS neue Cabinet sieht sich zwei geschloffenen bleiben. — Ich wollte Sie schon mehrmals fragen, Lieschen, wie stellt sich denn der Alte zum Jungen?" „So weit gut. Sie sind Beide bestrebt, das friedliche Einvernehmen zu wahren", berichtete Lieschen. „Und der Hans darf weiter studiren?" forschte der Doctor. „Gewiß darf er das, habe ich es doch auch zur Be dingung gemacht, als ich mich dem väterlichen Willen betreffs» meiner Heirath fügte. Sein Wort kann der Vater nicht brechen." Lieschen wurde jetzt von Hans zum Nach hausegehen geholt. Nachdem noch Doctor Franz und Clotilde versprochen hatten, Nachmittags in die Mühle zu kommen und auch Emilie mitzubringen, trat das Ge- schwisterpaar den Heimweg an. Als sie vor das Haus traten, saß Emilie auf der Steinbank und hielt die Hände vor das Gesicht. Beim Nähertreten der Beiden blickte sic auf; die Spuren heftigen Erschreckens waren ihren Zügen unverkennbar ausgeprägt. «Ist Ihnen etwas zugestoßen, Emilie?" erkundigte sich Hans. Sie versuchte zu lächeln: „Eigentlich nichts — und doch — der Reitknecht Braun sprengte mit verhängten Zügeln über die Landstraße nach Adlershof zu. — Er blickte scharf herüber; ich befürchtete, erkannt zu werden, und hielt schnell das Gesicht zu." Hans beugte sich theilnehmend zu ihr herab. „Sie müssen wieder muthig werden, wie ehemals, die Courage dürfen Sie sich von Niemandem abkaufen lassen. Warum verzagen? Stehen Sie nicht unter gutem Schutze?" Emilie zuckte die Achseln: „Sobald die Gräfin Gewiß heit erlangt, daß ich noch lebe, schützt mich Niemand vor ihrem Hasse." „Sie soll es nicht wagen, ein Haar auf Ihrem Haupte zu krümmen." „Können Sie es verhüten?" bezweifelte Emilie. „Ja", stieß er zornig hervor. Und ehe er jetzt ging, pMckte Hans ein paar Veilchen, die er am Wege entdeckt hatte, und reichte sie Emilie, die freudig überrascht zu ihm aufblickte. Beim Anblick der kleinen Liebesgabe schwanden die quälenden Sorgen, die peinigende Angst vor unbe stimmten Schrecknissen. Der Geber war längst außer Sicht, indeß Emilien's Augen noch nach der Richtung spähten, die er eingeschlagen hatte. Sie drückte die Veilchen an ihre Lippen und an ihr Herz. Als die Geschwister im Hofe der Mühle angekommen waren, kam ihnen der Vater mit freundlichem Gruße ent gegen. Dann wandte er sich an Lieschen mit dem Be
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