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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971208010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-08
- Monat1897-12
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Di» Morgen-AuSgabe erscheint um '/.? Uhr, hi» Abend-Ausgabe Wochentag« um 5 Uhr. Re-action und Erye-itio«: Johanne«,affe 8. DK Expedition ist Wochentag« ununterbrochea Wöffuet von früh S bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»: Dtta Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), UnivrrsitSt«straße 3 (Paulinum), Laut« Lösche, Katbarineustr. 14, »art. und Köuig-platz 7. Bezugs'PreiS h« Hauptexpedition oder den im Stabt, bewirk und den Vororten errichteten Aas- gavrstellen abgeholt: vierteljährlich^l4chO, «i pveimaliger täglicher Anstellung tn« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vtertehäbrltch . Direkte tägliche Krruzbandiendung in« Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. WpMcr TaMaü Anzeiger. ÄtttlsöM -es Äönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nn- Natizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigerr-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrick (4g». spalten) 50vor den Familirnnachrichten (6 gespalten) 40/^. 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Schließlich wurde die Tagesordnung, die zugleich ein Ver trauensvotum für die Regierung darstellte, mit einer so erdrückenden Majorität angenommen, wie sie seit Langem im französischen Parlamente nicht vorgekommen ist. Die Kammer achtet die Autorität deS gefällten Unheils, schließt sich der Huldigung an, die der Kriegsminister dem Heere gezollt hat, billigt die Erklärungen der Regierung, brandmarkt die Führer des abscheuliche» Feldzüge«, der das öffentliche Gewissen ver wirren will, und geht zur Tagesordnung über. Ueber die ersten beiden Puncte braucht man nicht viel Worte zu verlieren. So lange ein Unheil zu Recht besteht, muß die Kammer es natürlich achten, d. h. sie hat es an zuerkennen und darüber zu wachen, daß es in der gesetz mäßigen Weise auSgeführt wird. Damit ist aber durchaus nicht seine Unfehlbarkeit auSaesprochen; das Gesetz hat im Revisionsparagraphen ja selbst die Möglichkeit deS Rechls- irrthumS vorgesehen. Ebenso kann man nichts dagegen ein wenden, wenn die Abgeordneten, einer patriotischen Regung folgend, ihr volles Vertrauen zur Armee aussprechen. Anders stebt es schon mit dem vierten Puncte. Mit den monvurs do la cawpazno sind natürlich Scheurer-Kestner und seine Freunde gemeint. Allerdings sind in der letzten Zeit auch von. den Dreyfusfreunden Kampfmittel, besonders versteckte Anspielungen aus hohe Ofsiciere, angewendet worden, die nicht zu billigen sind, und denen Scheurer-Kestner boffentlich persönlich fernsteht. Aber wa« wollen sie besagen gegen die Art und Weise, wir von der gegnerischen Seite der Kampf geführt wird! Die Kammer hat deren KampscSweise durch ihren Beschluß, wenn nicht ausdrücklich gebilligt, so doch moralisch unterstützt; wer weiß, ob sie eS nicht noch einmal bereuen wird. Die Kämpfer für die Re vision deS ProccsseS, die bis jetzt so unglaublichen Schmähungen und Verläumdungen Trotz geboten Haden, werden sich auch durch einen Kammerbeschluß nicht irre macken lassen. Ganz eigenthümlich aber steht eS mit der „Billigung der Erklärungen der Regierung". Ja, was hat denn die Re gierung erklärt? DeS Ministerpräsidenten Haupttrumpf war die Behauptung, daß es keine Affaire Dreyfus gäbe. „Augenblicklich" beeilte er sich hinzuzufügen. So wie er cs meint, kann ihm das kein Mensch bestreiten. Augenblick lich bandelt es sich nur um den Fall des Grafen Esterhazy. Die Freunde des „Verräthers" haben keinen direkten Be weis für dessen Unschuld beibringen können — ihre Samm lung von Gutachten über daS Bordereau war rechtlich keine „neue Thatsache", kein kalt nouveau, das die Revision hätte erzwingen können —, so haben sie den Beweis indirect führen wollen, indem sie den nach ihrer Ansicht wirklichen Verfasser deS verrätherischen Schriftstückes bezeichneten. Mittelbar gehörte natürlich die Affaire Esterhazy zur Affaire DreyfuS. Und von der Rede deS Kriegsministers rief der folgende Satz den größten Jubel hervor: „Was mich andetrifft, so betrachte ich auf Ehre und Gewissen, als Soldat und als überhaupt der Armee, das Urlheil als wohl- l «gründet und DreyfuS als schuldig." Ja, hat denn irgend Jemand das bestritten? Der Kriegsminister wäre ja ein ausgemachter Schurke, wenn er an der Schuld des Gefangenen zweifelte und nicht selbst für die Revision deS Protestes ein- liäte. Also die beiden Haupterklärungen der Regierung besagen nichts. WaS bleibt dann noch übrig? Das Bedauern deS Ministerpräsidenten, daß aus einer reinen Rechtssache eine Sache der Parteileivenschaften gemacht worden ist? Nun, darin stimmt Scheurer-Kestner jedenfalls völlig mit ihm überein. Nicht die Freunde des „VerrätherS", sondern die Antisemiten sind daran schuld gewesen. Oder die Erklärung des Kriegsministers, daß die Untersuchung gegen Esterhazy gesetzmäßig geführt worden sei? Er unterscheidet zwischen Enquete und wirklicher Untersuchung, die nun erst angeordnet worden sei; wir können ihm auf diesem Gebiete nicht folgen. Die Frage, ob der untersuchungs führende General das Bordereau zur Verfügung gehabt hat oder nicht, ist von ihm gar nicht gestreift worden. Wir sind also genau „so klug als wie zuvor". Der Katzenjammer nach dem gestrigen Freudenfeste hat denn auch nicht lange auf sich warten lassen. Schon die heutigen Morgenzeitnngen sind lange nicht mehr so zufrieden mit der Regierung, wie gestern daS Parlament. „Wir werden noch lange in diesem in unserer Geschichte beispiellosen Zustande der Krise bleiben", sagt die „Libre Parole". „Wenn der Ministerpräsident erklärt bat, daß eS augenblicklich keine Affaire DreyfuS gäbe, sagt der „Jour", so hat er damit zu verstehen gegeben, daß es morgen vielleicht anders sein könnte." Es bleibt also Alles beim Alten. Wie die Drumont, Rochefort und Millevoye ihre Anstrengungen neu ver doppeln werden, so werden die Scheurer-Kestner und Clümenceau den Muth auch nicht sinken lassen. „Wir fahren fort", überschreibt der letztere kategorisch seine» Leit artikel. Was sollen diese ohnmächtigen Brandmarkungen? „Wir haben erreicht, daß Esterhazy vor's Kriegsgericht kommt, und wir werden noch mehr erreichen", tönt es aus dem Artikel deS „Figaro". Und Scheurer-Kestner selbst scheint am Dienstag im Senat nun selbst interpelliren zu wollen. Das klingt Alles nicht verzweifelt. Und noch zuversichlicher lauten die Aeußerungen der Verwandten von Dreyfus, die die „Agence nationale" gesammelt hat. „Ich bin glücklich, hoffen zu können, daß nun endlich Gerechtigkeit geübt werden wird", sagt die Gattin. „Vor Ablauf eines Monat« wird Befehl gegeben werden, DreyfuS nach Frankreich zurückzufübren", erklärt der Schwiegervater. Aehnlich lauten die Aeußerungen von Mathias Dreyfus und Bernhard Lazare. DaS Ergebniß der gestrigen Debatte ist also genau das selbe, wie daS der beiden vorhergehenden DreyfuSdebatten, nämlich Null. Man müßte höchsten« da« Duell zwischen den Abgeordneten Reinach und Millerand al- etwas Be sondere« gelten lassen, eine« jener üblichen Duelle, bei denen Löcher in die Luft geschossen werden und die nicht einmal dem Streit ein Ende machen. Deutsche- Reich. (-) Berlin, 7. December. Unter der Ueberschrift „Das junge Deutschland" theilen die „Bert. N. N." folgende« „Eingesandt" mit: „Schauplatz: Die Unterprima einer höheren Schule in Breslau. Die austretenden Schüler sind sehr gesund, rudern, radeln und turnen ausgezeichnet und kennen jedes Spiel. Lehrer: Welche Lehre kann man aus dem Kriege von 1806—7 ziehen ? 1. Schüler: Daß ein Volk, wenn es fest zusammenhält, un besiegbar ist. Lehrer: Können Sie mir eine Folge der Freiheitskriege nennen? 2. Schüler: Die Hinterlader wurden abgeschafft. Lehrer: Wer war Holtei? 3. Schüler: Schweigt. Lehrer: Er hat ja hier ein Denkmal, und auch eine Straße und eine Apotheke sind nach ihm benannt. 3. Schüler (mit blitzenden Augen): Apotheker. Lehrer: Wer mag Schleiermacher gewesen sein, der auch hier ein Denkmal hat? 4. Schüler: Stadtroth in Breslau. Die Elafse hört aufmerksam zu und bewahrt bei allen Antworten ei» feierliches Schweigen. Das Stück kann mit geringen Aenderungen vielleicht auch in anderen Städten aufgeführt werden." Ein Blatt wie die „Berl. N. N." würde ein solches „Eingesandt" nicht veröffentlicht haben, wenn es einerseits die Zuverlässigkeit seines Gewährsmanns nicht erprobt hätte und wenn eS andererseits nicht im Allgemeinen der durchaus begründeten Ansicht wäre, daß die jetzige Sportfreudigkeit der Schüler höherer Lehranstalten Lerneifer und wissenschaft liche Leistungsfähigkeit ungünstig beeinflussen. Uns sind Klagen in dieser Richtung von Seiten preußischer Gymnasiallehrer wiederholt zu Ohren gekommen. Daß ein Unterprimaner die obigen Fragen richtig beantworten kann, ohne „überbürdet" zu sein und irgendwelche körperliche Einbuße zu erleiden, wird auch dem einleuchten, der für die „Lage" der Schüler das wärmste Herz hat. Es wäre unseres Erachtens sehr er sprießlich, wenn der preußische Cultusminister Ilr. Bosse Gelegenheit erhielte, im Abgeordneten Hause sich über das Thema „Der Einfluß des Sports auf die Schüler höherer Lehranstalten" zu äußern. * Berlin, 7. December. Nachdem alle Einwände der demokratischen Presse gegen die Marinevorlage an Zug kraft verloren haben, kehrt man zu dem Lieblingsthema: den Interessen des „reinen Consu menten", zurück und stellt es so dar, als ob schließlich die Getreidezölle auf Grund der Mehrforderungen erhöht werden müßten. Dem unglück lichen Versuch, auf diese Weise die Marinevorlage und die Zollpolitik zu verquicken, tritt die „Deutsche Bolksw. Corr." entgegen, indem sie schreibt: „Man thut so, als dürfte man der Versicherung keinen Glauben schenken, daß die Kosten der Floltenvermehrung ohne Anleihe und ohne Steuererhöbung aufgebracht werden können, und meint: höbere Getreidezölle bedeuten ja dock auch eine höhere Be lastung der Consumenten; auf solche sei eS doch für die zukünftigen Handelsverträge abgesehen. Damit sei ein Verzicht auf die Handelsverträge mit Oesterreich, Rußland und Rumänien, ja auf die Handelsvertragspolitik überhaupt ausgesprochen, so daß die industriellen und Handelskreise hin sichtlich ihrer Vorliebe für den Entwurf der Flottengesetze nachdenklich werden müßten.... Unehrlich ist es, wenn das Organ des Herrn Richter und die sonstigen FreihandelSblätter mit der bekannten .-Warnung an den Consumenten" vperirrn und das Marinegesetz als Ursache einer Vertheuerung denun- ciren. Da« ist unehrlich, denn die Versicherung, daß die Kosten au« den laufenden Mitteln und ohne Steuererhöbung gedeckt werden können, bezieht sich auf den heutigen Stand der Finanzverhältn'fse. Erlaubt wäre es, auS diesem Stande nachzuweisen, daß jene Kosten keine Deckung finden werden, wenn man diesen Nachweis erbringen kann. Unehrlich aber ist eS, zu interpretiren, es wäre bei Abgabe jener Ver sicherung auf die Mehreinnahmen gerechnet, die aus einer etwaigen Erhöhung der Getreidezölle und anderen Handels verträgen fließen könnten. Das ist schon deshalb unehrlich, weil da« Marineseptennat abläuft, bevor eine Acnderung der Handelsverträge, resp. der Zollsätze, eine Wirkung auf die Finanzen geübt haben könnte. Mag man sich in letzterer Beziehung verhalten, wie man wolle, das Eine oder da» Andere erstreben, jedenfalls können die Wirkungen der künftigen Handelsvertragspolitik erst eintreten, nachdem die Flvtlenverstärkung, wie sie jetzt geplant ist, bis auf Heller und Pfennig bezahlt sein wird; eS ist also eine Perfidie, zu bebaupten, daß das Flottengesetz eine Vertheue rung der Nahrungsmittel durch höhere Getreidezölle nach sich ziehen werde, um dadurch die Versicherung, daß eS ohne neue Steuern gehe, zu diScreditiren." * Berlin, 7. December. Der Vorstand der deutschen Cokonialgesellschaft hielt am 4. December in Ham burg, wie schon kurz erwähnt, unter dem Präsidium deS Herzogs Johann Albrecht eine stark besuchte Sitzung ab. Herzog Johann Albrecht als Präsident, sowie Herr Sachse al« geschästsführendrr Bicepräsident wurden einstimmig wieder- gewählt. Ter Voranschlag für 1808, welcher nur 130 230 ./L balancirt, wurde mit geringen Aenderungen angenommen, ebenfalls ein Antrag der Abtheilung Berlin, welcher die Erhöhung des AgitarionSsonds von 12 0.Ä aus 20 000 vorschlägt. Die „Deutsche Colonialzeitung" wird vom 1. Januar 1898 ab in einer wöchentlichen Ausgabe von 8 Seiten Text nebst Inseraten beilage, sowie einer aller vier Wochen erscheinenden illu strikten Beilage von vier Seiten Text, also bedeutend vergrößert heraus gegeben werden. Von Beschlüssen, welche ein größeres Publicum intereisiren, sind noch erwähncnswerth folgende Resolution über den Togovertrag: „Die deutsche Colonialgesellschaft erklärt, Laß die Wünsche, welche sie hinsichtlich der Abgrenzung des Hinterlandes von Togo in ihren an die Reichsregierung gerichteten Eingaben vom 12. December 1895, 11. und 18. Februar 1896 und 1. April 1897 zum Ausdruck gebracht hat und welche auch die Veranlassung zur Entsendung der deutschen Togoexpedition gewesen sind, durch das deutsch-französische Abkommen vom 23. Juli 1897 nicht in ge nügendem Umfange Erfüllung gefunden haben. Die deutsche Colonialgesellschaft erkennt indessen an, daß das deutsche Togogebiet durch Festsetzung des Thalweges deS Mono eine natür liche Grenze, eine werthvolle Wasserstraße und einen Gebietszuwachs erhalten hat, der für die wirthschastliche Erschließung des Schutz gebietes von Bedeutung ist, auch ist sie davon überzeugt, daß nach der Gesammtlage der maßgebenden Verhältnisse und im Hinblick auf die formellen Mängel der heimgebrachten deutschen Verträge ein besseres Ergebniß nicht zu erreichen war. — Die deutsche Colonialgesellschaft sieht in dem Gesammtergebniß eine ernste Mahnung, »och mehr als bisher in Erfüllung ihrer satzungsgemäßcn Aufgaben dafür thätig zu sein, daß die colonialen Ideen im deutschen Volke festere Wurzeln schlagen und dadurch der Reichsregierung bei ihrem colonialpolitischen Vorgehen rin kräftigerer Rückhalt geschafft werde: sie spricht die Zuversicht au«, daß bei den zu erwartenden Verhandlungen über die Abgrenzung des Hinterlandes von Togo mit England die deutschen Ber- tragsrechte hinsichtlich Gandus und der neutralen Zone in vollem Umfange zur Geltung gelangen werden." — Hinsichtlich der Organisation des A u s k u n f t s b u r e a u s für Auswanderer wurde folgender Beschluß gefaßt: „Die 5000 für die erste Einrichtung der Auskunstsstelle werden mit der Maßgabe be willigt, daß durch eine Betheiligung des Reiches eine ersprieß liche Thätigkeit der Auskunftsstelle gesichert wird und das Reich die nothwendigen Mehrkosten übernimmt." Ein Antrag der Abtheilung Berlin, betreffend die Begründung einer landwirthschaftlichen Versuchsstation im Nheve-Hochlande durch die Regierung, sowie ein Antrag der Abtheilung Hamburg, bei der Regierung dahin vorstellig zu werden, daß die zur Durchführung des Tanganyika-Dampfer-Unternehmens noch nöthigen Summen aus Arichsmttteln zur Verfügung gestellt werden, wurde an genommen, und al« Beisteuer für dir deutsche Schule in Apia für daS Jahr 1898 wurden wieder 2000 bewilligt. Berlin, 7. December. (Telegramm.) Zur gestrigen FrühstückStafel bei dem Kaiser und der Kaiserin waren ge laden der österreichisch-ungarische Botschafter v. Szöayeny- Marich, Graf Eugen Zichy und der kaiserliche Gesandte v. Derenthall. Heute Morgen von 9 Uhr ab hörte der Kaiser die Vorträge deS Chefs des Militaircabinets und des Cbefs des Ingenieur- und Pioniercorps Generals Vogel von Falckenstein. Um 1 l Ubr begab er sich nach Berlin, um im Schlosse militairische Meldungen entgegenzunehmen. 8. Berlin, 7. December. (Privattelegramm.) Durch Cabinetsordre vom 6. December ist nach der „Nat.-Ztg." der Capitain z. S. Sack, Vorstand der Waffenabtheilunz im Reicks-Marine-Anit, zum Contre-Akmiral befördert worden. (D Berlin, 7. December. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgcm. Zlg." bezeichnet die Meldung, daß der Admiral v. Diederichs Befebl erhalten habe, keinem fremden Kriegsschiffe den Zugang in die Kiao-Tfchan-Vucht zu gestatten, als unbegründet. (-) Berlin, 7. December. (Telegramm.) In der heu tigen Sitzung der Gcneralsynodc theilte der Präsident mit, daß daS Kaiferpaar gestern Abend den Vorstand der Generalsynode empfangen und herzliche Tbeilnahme an den Arbeiten der Synode bekundet habe. — Der Kaiser beauf tragte den Präsidenten der Generalsynode, dieser seinen königlichen Gruß zu entbieten, und ihr zu sagen, daß er leb haften Antheil an den Berathungen nehme und von Herzen wünsche, daß aus ihnen ein reicher Segen für die Landes kirche erwachse. (-) Berlin, 7. December. (Telegramm.) Der Reichs gerichtsrath a. D. vr. Hambrock ist am 5. d. M. Abends in seiner Wohnung, Burggrafeostraße 16, im Alter von 79 Jahren gestorben. Fs«iHetsn. Das VerhiMniß -es Slinden zur Kunst. Bon Anna Pötsch. Nachdruck (» boten. Daß der Blinde Lesen, Schreiben, auch wohl dieses oder jenes Handwerk erlernen kann, dürfte heutzutage der Mehrheit des Publicums so ziemlich bekannt sein; der Versuch aber, ihn in seinem Verhältnitz zur Kunst zu schildern, wird, daS verhehle ich inir nicht, bei Vielen rin ungläubiges Lächeln Hervorrufen. Dennoch will ich dieses Wagestück unternehmen, weil ich, selbst eine Nichtsehende, aus der Erfahrung, theils auS eigener, theil« aus der mir persönlich bekannter Schicksalsgenossen, zu schöpfen vermag. In erster Linie mutz eS meine Aufgabe sein, die Kunstem pfänglichkeit des Blinden nachzuweisen, und das wird, besonders auf dem Gebiete der Musik, nicht schwer halten. Die Welt des Nichtsehenden bewegt sich in der Hauptsache zwischen Gehör und Gefühl, sie ist also eine Ton-, eine Gefühlswelt, und daS, meine ich, spricht am besten für sein Daheimsein im Reiche der Musik. Von blinden Tonkllnstlern, die mit Meisterschaft daS eine oder andere Instrument beherrschen, ist ab und zu in Zeitungen zu lesen, namentlich wird von ihnen erfolgreich da« Orgrlspiel ge- pflegt. Es ist eine erfreuliche Thatsache, kaß musikalisch begabte Blinde jetzt mehr und mehr al« Organisten angestellt werden, während sich ihrem öffentlichen Auftreten im Gesang, Biolinspiel u. s. w. noch mancherlei Hindernisse in den Weg stellen. Schon die Ausbildung deS blinden Musiker« ist mit zahllosen Schwierig keiten verknüpft: da« Conservatorium für Sehende ist ihm der- schloffen, weil man ihm auf Kosten der übrigen Schüler zu viel Zeit widmen müßte; Privatunterricht ist meisten« zu theuer, und eine Musikhochschule für Blinde exiftirt bei uns in Deutschland noch nicht. Ob eine solche je ins Leben treten wird, erscheint frag lich; in Fachkreisen erheben sich viele Stimmen dagegen, weil die praktische Verwerthung des in einem derartigen Institute Er lernten wahrscheinlich verhältnitzmätzig selten gelingen würde. Nur außerordentliche Talente könnten bei der auf diesem Gebiete herrschenden großen Ueberfllllung dm Wettbewerb mit Sehenden erfolgreich aufnehmen, und während diesen letzteren, wenn sie in der Oeffentlichkeit scheitern, noch daS Lehramt offen steht, würde sich der Blind« in vielen Fällen dem Nichts gegenüber sehen, denn selbst gegen seine Verwendung zum Unterricht an Musikschulen für Leidensgenossen spricht Mancherlei, so z. B. daß er unfähig wäre, die Fingerhaltung, die Mundstellung des Schülers genügend zu controliren. Doch nicht von der Bethätigung, sondern von der Empfäng lichkeit der Blindenwelt auf musikalischem Gebiete habe ich zu sprechen, und die ist, man darf wohl sagen, allgemein in ihr vor- Händen. Das Gemüth deS Nichtsehenden findet im Reich der Töne Trost und Entschädigung für Manches, wa« da» rauhe Leben ihm versagt, es schöpft daraus Kraft zu neuem Ringen, zu neuem Entbehren. Manchen Blinden wird der Klang zur Farbe, sie bedienen sich seiner zur Ausgestaltung von Vorstellungen, die Anderen durch da« Auge vermittelt werden. So versichert mir ein« musikalisch sehr begabte, allerding« etwa« phantastische Bekannte, daß sie sich die Farbe de» Himmel« u. s. w. durch bestimmte Tonarten verkörpert denke; ihre Vor stellung von Schwarz charakteristrt sie z. B. durch 6is maU. So erscheint die Musik al« traute Freundin de« Blindenleben«, aber auch ihre Schwester, die Poesie, darf man al« eine solche be- zeichnen. Die vlindenlitrratur, d. h. dir in der Punktschrift der Blinden dargrstrllte, tst, obwohl während der letzten Jahre viel auf diesem Gebiete geihan wurde, verhiiltnißmiißig noch eng begrenzt; dem Nichtsehmden steht also ein weit geringere» Maaß von Dichtungen zur Verfügung als dem Sehenden, aber sein, durch die Noth- wendigkeit meist besonders gut ausgebildetes Gedächtnitz pflegt das einmal Gehörte oder Gelesene mit großer Treue festzuhalten. Zuweilen ist schon die Frage aufgeworfen worden, ob nicht poetische Schilderungen von der Farbenpracht des Lenzes, des Sonnenaufgangs u. s. w. für den Blinden nur leere Worte und dazu angethan seien, wehmüthige Empfindungen in seiner Seele zu erwecken. Gegen diese Auffassung möchte ich energisch pro- testiren. Der normale Blinde, wenn auchmanchmal eine flüchtige Sehnsucht nach den ihm mit so warmen Worten entworfenen Far bengemälden der Natur in seinem Innern aufsteigen mag, wird dennoch derartigen Dichtungen weder völlig verständnihlos noch ablehnend gegenllberstehen, er wird unwillkürlich mit dem Auge der Phantasie zu durchdringen suchen, was ihm das leiblich« vorenthält. Gewiß, unsere Vorstellungen von den sichtbaren Reizen der Natur mögen häufig irren, aber — und das ist die Hauptsache — sie sind schön, wie sich ja dem Sterblichen alles Unerreichbare, durch die Weihe des Wunsches Verklärte schön und erhaben darstellt. Auch die Fähigkeit, sich selbst dichterisch zu bethätigen, kann man in den Reihen der Blindenwelt häufig antreffen. Freilich, die Literaturgeschichte schweigt im großen Ganzen von derartigen Erscheinungen, denn einen Homer, Ossian, Milton, Pfeffel, wenn diese Nebeneinanderstellung überhaupt gestattet ist, darf man doch nur erblindete, nicht aber blinde Dichter nennen. Die poetischen Erzeugnisse Jener, denen von Jugend auf da« Augenlicht mangelt, dringen äußerst selten in weitere Kreise; eS ist denselben ja meist Wärme der Empfindung, religiöse Begeisterung und zuweilen auch Wohllaut der Sprache eigen, aber sie sind in der Regel zu wenig originell, um bei der großen Ueberproduction auf lyrischem Gebiete, bei der geringen Sympathie, die heut zu Tage ohnehin dieser DichtungSart entaegengebracht wird, in der Oeffentlichkeit Beachtung zu finden. Immerhin verdienten die aus reiner Seele stammenden lyrischen Ergüsse einer Luise Krätschmar und An derer eher gelesen zu werden als Manches, was in der Gegenwart für höchst modern und eigenartig angepriesen wird. Unter meinen dichterisch begabten nichtsehenden Bekannten möchte ich, der Merkwürdigkeit wegen, einen Knaben erwähnen, der, obwohl schwachsinnig, dennoch ganz leidliche Knittelverse zu schmieden verstand. Während in anderer Beziehung die Ab normität seines Gehirns unverkennbar war (er sprach z. B. noch im elften Lebensjahre von sich häufig in der dritten Person), be sang er mit Vorliebe im Stile der Strubelpeterdichtungen allerlei Streiche, die von ihn selbst oder seinen Mitschülern verübt worden waren. Dieser Knabe, der von Natur ein sehr begabtes Kind ge wesen sein mag, aber durch schwere Gehirnkrämpfe einen großen Theil seiner Verstandskräfte eingebüßt hatte, war überhaupt ein redendes Beispiel für die fast unbewußte Freude, die der Blinde an Rhythmus und Reim empfindet. Er kannte beispielsweise Schiller's „Lied von der Glocke" Wort für Wort auswendig und ricitirte dasselbe zuweilen mit einer wahren Leidenschaftlichkeit, freilich ohne jedes Verständniß des Inhalts. Doch, wie bereits angedeutet, im Allgemeinen ist dem Blinden vergönnt, mit klarem Urtheil, mit der Tiefe seines Gemüths in den Geist der Dichtung einzudringen, und Viele vermögen das so Erfaßte in begeistertem Vortrage wiederzugeben. Mancher Leser wird vielleicht hier die Frage aufwerfen, weshalb sich dann Blinde, namentlich bei der großen Leistungsfähigkeit ihres Gedächtnisses, verhältnißmähig so selten als Recitatoren hören lassen. Die Ur fache hiervon ist wohl, daß schon Sehend« meist vor leeren Häusern sprechen, und daß der Blinde, dessen Aeußere» durch ausdruckslose oder zerstörte Augen oft abstoßend wirkt, noch weniger Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Die in Blindenkreisen häufig vorhandene Fähigkeit aber, gut zu declamiren, führt mich ganz unvermerkt auf daS dramatische Gebiet hinüber. Selbstverständlich kann es nicht meine Absicht sein, den BNnden in diesem Fache al» ausübend schildern zu wollen, denn wenn uns z. v. auch von rinrm Schauspieler v^
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