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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971213011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897121301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897121301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-13
- Monat1897-12
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BezirzS-PreiS K der Lauvtervedition oder den im Stadt. Di» Morgen-An-gabe erscheint um '/,7 Uh«> dir Abrnd-AuSgabe Wochentag» um ö Utzr- Nekchttt«, J»tzanne»gafs« 8. Die GrMstm ist Wochentag» »nnatibrvche« geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uh» Maler,: vtt« Riem«'» Larts». (Alke* GithM, Ünivrrsitätsstraße 3 (Paulinum), Laut» vüsche, Katbarineustr. 1< pari, und stönigstzlatz 7. Morgen-Ausgabe. MpMcr JagMü Anzeiger. Ämlsölatt -es LSnigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Natyes «n- Votizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. AnzeigenPreiS r«e 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Rrdactionöstnch (4ge- spalten) 50->z, vor den Famili«aaachrcchten («gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichntß. Tcdellarischer und Ziffernsatz nach höheren, Tarif. ^htra-veilase» (gefalzt», nur m,t dec Morgen-Ausgabe, ohne Posibesörderung ,/t 60.—, mit Posibesörderung .»t 70.—. Ännahmrschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig. tM. Montag den 13. December 1897. 91. Jahrgang. Leipzig an- Vre-Len. Nachdruck verbot,». I. ick.In Nachstehendem wird der Versuch unternommen, die Städte Leipzig und Dresden in Vergleich zu stellen. Dieser Ver gleich soll im Wesentlichen auf Aeußerlichleiten beschränkt bleiben, d. h. er soll auf Grund fe st stehender Ermittelungen, wie sie uns di« Statistik und das Berwaltungswesen liefern, er folgen. Würden die Grenzen weiter gesteckt werden, also z. B. die Ursachen der verschiedenartigen wirthschaftlichen Entwickelung und die letztere selbst, ferner Unterschiede im Charakter der Bevöl- lerung u A. besprochen werden, so würde der Umfang der Arbeit derart anschwellen, daß, wenn man sich nicht auf eine „Plauderei" beschränken wollte, deren Werth immerhin ein fragwürdiger bleibt, der Raum einer Zeitung weit über alles Maß in Anspruch ge nommen werden mühte. , . An sich ist natürlich ein jeder Vergleich ein mißlich Ding. Man verfällt dabei zu leicht in zwei Fehler, und selbst bei ihrer Erkenntniß ist es schwer, sich von ihnen frei zu halten. Der nächst- liegendste ist der, daß man di« Einrichtungen und die allgemeinen Verhältnisse derjenigen Stadt, in der man wohnt, zu rosig an sieht. Aber in diesen Fehler verfällt nkdn doch seltener als in den entgegengesetzten: nätnlich, daß man über die Vorzüge anderer Städte — und solche bestehen immer — das viele Gute der eigenen Stadt außer Augen läßt. Das ist ohne Weiteres die Schwäche derjenigen, die mit einer opponirenden Natur behaftet sind. Und cin Stückchen davon haftet an jedem Menschen. Gehen wir nun zur Sache über. Selten sind zwei Städte so zu einem Vergleich geeignet, wie gerade Leipzig und Dresden. Cs sind die beiden ersten Städte ein und desselben Landes, und in der Einwohnerzahl kommen sie sich ziemlich nahe. In der Lage sind die Unterschied« allerdings bedeutsam, aber die Vorzüge wiegen sich gegenseitig annähernd auf. Zweifellos ist die Wirth- schaftliche Lage Leipzigs eine außerordentkich günstige; kann es doch den Anspruch machen, fast der Mittelpunkt Deutschlands Ui sein. Dafür hat Dresden unter den Großstädten des Reichs eine landschaftlich selten schöne Lage und es zieht als Ein- gangsthor einer vielbesuchten herrlichen Gegend unseres engeren Vaterlandes manchen nicht zu unterschätzenden Vortheil daraus. Auch der Vorzug als Residenz ist sicher nicht zu unterschätzen. So gelangen wir im Ganzen zu dem Ergebniß, daß beide Städte gleichwertig« Vorzüge besitzen. - - Daß Leipzig, als Gemeinwesen betrachtet, größer als Dresden ist, ist bekannt. Leipzig hat der letzten Volkszählung zufolge 399 963, Dresden aber nur, nachdem am 1. Juli 1897 die Einverleibung der Vororte Pieschen und Trachenberge vollzogen worden ist, 364 286 Einwohner. Ab?r es ist schon öfter darauf hingewiesen worden, daß, wenn Dresden Einverleibungen in dem selben Umfange ausführen wollte wie Leipzig, dann seine Ein wohnerzahl die gleiche lväre. Unter Hinzurechnung der Vor orte Plauen, Löbtau, Cotta und Trachau käme Dresden sofort auf 396 000 Einwohner, also ungefähr dieselbe Ziffer wie Leip zig. Was die Bevölkern ngsdjchtigkeit anbelangt, so ist dieselbe sogar in der Umgebung Dresdens eine größere als in Leipzig. Nach einer vom Statistischen Amt der Stadt Dresden vewirtten Zusammenstellung der Bevölkerung aller derjenigen Orte, die im Umkreis von 10 Kilometer um Dresden (vom Schloßthurm aus gerechnet) gelegen sind, bezifferte sich die Ein wohnerzahl derselben am 2. December 1895 auf 630266 Per ¬ sonen. Wir haben nun für Leipzig eine gleiche Berechnung, auf 10 Kilometer, vom Marktplatz aus gemessen, angestellt und lassen das Ergebniß nachstehend folgen: Zahl dcr üi»«ohner Mb 18S0 lWb - Dresden, mit 10 km Umkreis 300832 440194 53026a Leipzig, - 10 - - 242 490 420024 476133 Dresden mehr 58342 20170 54132 Das Ergebniß ist ein ganz außerordentlich überraschendes. In dem 15jährigen Zeitraum von 1875 bis 1890 hatte Leipzig mit seinem 10 - Kilometer-Umkreis jährlich um volle 2500 Seelen mehr zugenommen als Dresden. Bei Fortdauer dieser Mehr zunahme wäre Dresden in acht Jahren, also noch vor Ausgang dieses Jahrhunderts, von Leipzig überholt worden. Aber dahin wird es nicht kommen (wenigstens nicht bis zu dem gedachten Zeit punkte hin), denn es ist ein plötzlicher und sehr bemerkenswerther Umschwung eingetreten. Dresden und Umgegend hat nämlich in dem 5jährigrn Zeitraum von 1890 bis 1895 um jährlich nahezu 7000 Seelen mehr zugenommen als Leipzig, und hat so in fünf Jahren den 16jährigen Vorsprung Leipzigs fast wieder wett gemacht. Auf das Ergebniß für das Jahr 1900 kann man unter diesen Umständen gespannt sein. Jedenfalls ist an ein baldiges Ueber- holen Dresdens durch Leipzig nicht zu denken. Was die Bevölkcrungsdichtigkeit, auf den Q u a d r a t k i kä met e r berechnet (314 Quadratkilometer nach der alten Formel r? . ir), anbetrifft, so entfallen auf Dresden und seinen Um kreis 1689 Bewohner, auf Leipzig und seinen Umkreis 1616 Be wohner pro Quadratkilometer. Zweifellos geht das Eine aus der Zusammenstellung hervor, daß nämlich Dresden in seiner wirthschaftlichen Be deutung nicht unterschätzt werden darf; schon die Bedürfnisse einer so bedeutenden Bevölkerung sind an sich beträchtliche. Das Nächste, was nach der Brvölkerungsziffer von allgemei nem Interesse sein dürfte, sind die Wohnverhältnisse. Hier müssen wir uns, wie überhaupt in allem Folgenden, bei einem Vergleich auf die Gemeinden Leipzig und Dresden be schränken. Was zunächst die Dichtigkeit des Wohnens anbe trifft, berechnet auf die Zahl der Bewohner pro Wohnung, so ist dieselbe in Leipzig etwas größer als in Dresden. Streng ver gleichbar sind hierbei nur Alt-Leipzig und Alt-Dresden, also beide Städte nach dem Stande vor der Aufnahme von Vororten. Pro Wohnung entfielen dabei im Jahre 1895 in Leipzig 4,5, in Dres den 4,2 Bewohner pro Wohnung. Das Verhältniß erscheint für Leipzig also etwas ungünstiger, doch läßt sich bei der Geringfügig keit des Unterschiedes in der Besetzung der Wohnungen ohne die Heranziehung näherer Unterlagen irgend ein exacter Schluß daraus nicht ziehen. Größe der Wohnungen, Kinderreichthum u. A. m. müßten mit in Berechnung kommen, um ein Urtheil fällen zu können. Für alles das fehlen aber die Unterlagen. Anders steht es mit dem Puncte, der am meisten interessiren dürfte: mit der H ö h e d e r M ie t h p r e i s e. Hier liefern die Ergebnisse der Wohnungserhebung ein zuverlässiges Material. Für die in Leipzig vorhandenen 77977 besetzten Mieth- Wohnungen (nur diese können hier in Frage kommen) stellte sich der Durchschnittspreis auf 370 Mark, dagegen für die in Dresden gezählten 67 739 besetzten Miethwohnungen auf 390 Mark pro Wohnung. In Dresden stellte sich also der Durch schnittspreis einer Wohnung um 20 Mark höherals in Leipzig. Dieses Ergebniß ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß Leipzig eine viel größere Zahl von Vororten einverleibt hat als Dresden, denn der billigere Miethpreis in den Vororten drückt den Gesammtdurchschnittpreis stark herunter. Man wird also auch hier gezwungen sein, zivei mehr gleiche Größen zu vergleichen, nämlich wiederum Alt-Leipzig und Alt-Dresden. Wir nehmen die Preise proheizbaresZimmer und es ist das Ergebniß folgendes: Durchzchnittspreis in Leipzig in Dresden Keller und Souterrain. . . 127,2 122,1 .« Erdgeschoß. . »»AM« 245,7 - 222,7 - 1. Obergeschoß M M « « M 200,0 - 200,6 - 2 M 185,8 . 191,9 . 3. M M M 163,9 - 175,3 . 4. . M E M M 128,3 . 164,3 . o. * (bez. Dach) . 114,8 . 133,0 - Ueberhaupt 185,5 194,0 -M Im Gesammtdurchschnitt war also im Jahre 1896 der Preis eines heizbaren Zimmers in Dresden um 8,5 theurer als in Leipzig, oder — auf je 100 Mark Miethpreis berechnet — um 4,6 Procent. Das Ergebniß ist ein ziemlich überraschendes, da man in Leipzig bisher stets annahm, daß diese Stadt höhere Miethpreis« als Dresden habe. Wie sich aus der Zusammen stellung erkennen läßt, sind in Leipzig nur die Wohnungen im E r dg e s ch o ß, die zu einem großen Theile gewerblicher Mitbe nutzung unterliegen, theuer, ebenso — wenn auch nur ein Geringes — die Kellerwohnungen, die ebenfalls in manchen Fällen gewerb lich mitbenutzt werden. Die Preise im ersten Obergeschoß bleiben sich in beiden Städten gleich, dagegen ist in den weiteren Oberge schossen Dresden zum Theil recht erheblich theurer. Uebrigens hat Dresden, genau entsprechend dem von 1890 zu 1895 stattgefundenen starken Anwachsen der Bevöl kerung, daß seit der Zählperiode 1867/71 noch nicht wieder so bedeutend gewesen ist, auch das starke Steigen erst von 1890 ab zu verzeichnen gehabt. Der Preis eines heizbaren Zimmers stellte sich: 1880 1885 1880 1885 in Leipzig . . . 173,0 182,1 ./L 189,0 ^tl 185,5 . Dresden . . . 165,5 . 158,2 - 176,5 . 194,0 . Bis vor wenigen Jahren waren also thatsächlich inLeipzig die Wohnungen theurer als in Dresden. Erst das geringere An wachsen der Leipziger Bevölkerung und das stärkere Anwachsen der Dresdner Bevölkerung hat hierin aus leicht erklärlichen Ursachen einen Umschwung zu Wege gebracht. Zu beachten ist dabei, daß infolge der Aufnahme von 17 Vororten in Leipzig eine Bau- speculation in Leipzig entstand, die zu einer Ueberproduction an Wohnungen und damit in manchen Stadttheilen zu einem Rück gänge in den Miethpreisen führte. Uebrigens waren an leerstehenden Wohnungen am 2. December 1895 in Leipzig 2921, in Dresden 2328 vorhanden, d. h. in Leipzig kam auf etwa 27, in Dresden auf 29 besetzte Miethwohnungen je eine leerstehende Wohnung. Der Unterschied ist unwesentlich. Bedeutender ist derselbe hinsichtlich derPreise der leerstehenden Wohnungen. Im Durchschnitt wurden gefordert für eine solche in Leipzig 440 Mark, in Dresden 630 Mark. Das hat seine Ursache darin, daß von den Dresdner leerstehenden Woh nungen 1742 auf Alt-Dresden, nur 586 aber auf die Vorort« Strehlen, Striesen, Pieschen und Trachenberge entfielen, während in Leipzig 1588 cuC Alt-Leipzig, 1333 jedoch auf die Vororte mit ihren wesentlich billigeren Mitehpreisen kamen. Aus dein Gesammtergebniß des ganzen zum Vergleiche herangezogenen Materials kann das Eine festgestellt werden: daß nämlich in Dresden die Miethpreise gegen wärtigetwaühöhere sind alsinLeipzig. Wenn vielleicht hierin für Dresden ein „Aufschwung" erblickt werden kann, so wird der Volkswirthschafter billige Miethen doch nie als einen Nachtheil bezeichnen können. Zudem sind die Unterschiede keine sehr bedeutenden. Als ein Gradmesser für den Wohlstand einer Bevölkerung gilt allenthalben der Fleischverbrauch. Im Allgemeinen nimmt man nun an, daß dieErmittelungdesFleischverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung bei den in der Neuzeit ge troffenen Einrichtungen (Schlachtzwang, Fleischbeschau) eine ziemlich genau zutreffende sein muß. Das ist, äußerlich betrachtet, auch der Fall, allein ein Vergleich zwischen zwei Städten begegnet doch manchen Schwierigkeiten. Gewicht und Ergiebigkeit der zur Schlachtung kommenden Viehsorten und das darnach berechnete durchschnittliche Schlachtgewicht, die Zusammensetzung der Be völkerung nach Alter, Geschlecht, Beruf und andere Dinge mehr sind von wesentlichster Einwirkung. Mit der bloßen Berechnung ist es also nicht gethan, sondern die erwähnten Factoren werden mit in Betracht gezogen werden. Vorausgeschickt sei, daß, was Leipzig und Dresden anbetrifft, die erstere Stadt einen städtischen Vieh- und Schlachthof be sitzt, während in Dresden der Vieh- und Schlachthof derFlei - scher-Jnnung gehört und nur die Fleischbeschau von der Stadtgemeinde ausgellbt wird. Hinsichtlich der Zahl der Ein wohner ist zu bemerken, daß für das Vergleichsjahr 1895 die mitt lere Einwohnerzahl Leipzigs und seiner angeschlossenen Vororte auf 396 000, die Dresdens mit Strehlen und Striesen (einschl. Militair) auf 331 000 Seelen anzunehmen ist. Geschlachtet wurden nun: in Leipzig in Dresden Rinder . . . . 22918 21 683 Kälber . . . . 57 427 60 564 Schafe . . . . 44154 43 358 Schweine . . . IN 077 106 906 Zusammen . 235 576 232 51 l. Der Gesammtverbrauch an Schlachtthieren war also in Dresden, obwohl 65 000 Einwohner weniger an der Verzehrung betheiligt waren, ein fast ebenso großer als in Leipzig. Dieses Ergebniß wird jedoch nur durch den Mehrverbrauch von Kälbern in Dresden herbeigeführt. Ganz und gar abweichend ist nun in beiden Städten die B > rechnungdesSchlachtgewichts. Angenommen wurde als solches in Leipzig . . in Dresden . jur Rindir 330 li-r 300 . xälbkr 42,9 kx 35,0 . Lchnfe 29,4 kA 25,0 - Dwwcinr 90,1 k» 85.0 . in Leipzig mebr: 30 krr 7,9 Ku 4.4 Ku 6.1 Ku Unter Zugrundelegung dieser Berechnung stellt sich der Fleisch verbrauch pro Kopf der Bevölkerung wie folgt: Lkipzig Tr-strn Rindfleisch .... 19,98 21,25 Kalbfleisch 6,56 - 7,40 » Hammelfleisch . . . 3,30 - 3,30 - Schweinefleisch . . . 25,30 - 28,32 - Zusammen: 55,14 60,27 iZ Für Dresden ergäbe sich somit ein Mehr von 5,13 Kilo gramm. Erwägt man, daß in Leipzig die gesammte, viel we niger Fleisch verbrauchende Vorortsbevölkerung einbegriffen ist. Vie Schreipuppe. Eine Wrihnachtsgeschichte von Max M«nd heim. Nachdruck »erboten. Pauh! da lag sie. Und äiiii, uää, uää tönt« e» aus dem schief und breit gezogenen Mund« der kleinen Trude, als ihr die schöne Pupp« mit den rosigen Bäckchen, den großen, blauen Augen und dem schwarz«, Lockenhaar auS der Hand gerutscht und auf dem Steinpflaster in zahllose Stücke' und Stückchen zersplittert war. Fast ein ganzes halbes Jahr, seit dem letzten, dem dritten Geburtstage, haft« das liebliche Ding mit Hilfe des wachsamen Auges der Mutter gehalten; nun lag's da unten zerschellt im Hofe und Trudchen stand im tiefstem Schmerze oabei, nicht wissend, was sie thun sollte. „O Du böses Kind, was hast Du mit dem schönen Püppchen gemacht?" rief Mama, von den Jammertönen ans Fenster gelockt, „nun komm mal gleich rauf!" Von Mitleid und Unmuth erfüllt, erfaßte Lrudchen ihre kopflose Puppe am Arm und troddelte mit ihr weinend die Treppe hinauf- „Na, nun hast Du doch auch noch Deine letzte Puppe entzwei gemacht. Du unartiges Kind, waS soll ich nun mit Dir machen?" war die Empfangsrede der Mama, als Trudchen endlich oben anzelangt war. „Ich habe sie dar nicht entzwei demacht; sie ist von selber bindefallen", schluchzte das Kind. „Ich habe Dir's doch schon so oft gesagt. Du sollst sie fest in den Arm nehmen und nicht immer so herumschlenkrrn", schalt Mama weiter. „Herr Gott, rege Dich doch deswegen nicht auf, Gretchen", fuhr nun besänftigend der Papa dazwischen, „das ist doch di» Geschichte wirklich nicht werth." „Na ja, da soll man sich nun nicht ärgern, wenn das Kind all die schönen theuren Sachen zerbricht, über die man selbst alle Hände breitet." . . „I, Du zerbrichst Dein Kochgeschirr ja auch, und ich darf nicht darüber zanken", meinte Dapa etwas spöttisch. Nach einigem weiteren Hin- und Widerreden entfernt« sich Mama, und auch Lrudchen kam, allmählich sich beruhigend, aus ihrer Ecke wieder hervor, suchte sich rin anderes Spielzeug und halte bald dir kopflose Puppe vergessen. Nach «inigrn Lagen aber holte sie den Torso doch wieder h»,vor und spielt« wieder so vergnügt damit, als ob der Kovf noch so tadellos fest auf dem Rumpf« säße wie vorher. Freilich, al» dann einmal ihre kleine Freundin Else mit ihrer Mama zu Besuch kam und die neue, prächtige Puppe mitbrachte, die ihr vo« Kurzem der GeburtStagsmann gebracht hatte, da wollte Trude ihren Puppen rest doch nicht zum Vorschein bringen. Sls«'» Püppch«n war aber auch gar zu schön, und was das schönste und überraschendste für Trudchen daran war, es konnte — freilich mit etwas kläglich quiekendem Tone — richtig ä, ä, ä schreien, wenn man es aus die Brust drückte. So etwas Reizendes hatte Trudchen doch noch nicht gesehen, und sie konnte sich gar nicht zufrieden geben, als Else beim Weggehen die schöne Schreipuppe unbarmh«rzig wieder mitnahm. „Na Trudel", fragte Onkel Hans, der acht Tage später zum Besuch bei ihren Eltern eintraf, „was wünschest Du Dir denn «igentlich zum heiligen Christ? Gewiß eine schöne Puppe." „Ja, Onkel, aber eine Schreipuppe, wie Else hat", gab Trudchen bestimmt zur Antwort. „So, so, eine Schreipuppe? Na. da wollen wir mal sehen, ob das Christkindl solche hat", meinte Onkel Hans und machte sich eine Bemerkung in sein Notizbuch. Am Sonntage darauf ging Trudchen mit Papa zu Tante Minna, Papas unverhriratheter Schwester, und wurde hier mit vielen Süßigkeiten bewirthet, so daß sie sich bald wohl fühlte und gar nichts sagte, als Papa einmal Weggehen wollte und sie währenddem hier ließ. Diese günstige Gelegenheit benutzte Tante Minna zur heimlichen Erforschung der WeihnachtSwünßch« ihres lieben Nichtchens; denn der Herr Bruder sollte gar nichts von ihren Absichten merken. „Sag mal, Trudchen, waS soll Dir denn nun der Weihnachts mann bringen?" „Eine Puppe, Tante, aber schrei«, muß sie können, richtig schreien." „Eine Puppe, die schreien kann? Da muß ich doch mal. sehn, pb der Weihnachtsmann so «ine hat." Vierzehn Tage vor Weihnachten kam die Großmama an, um, wie eS verabredet war, Trudchen einstweilen mit sich zu nehmen. Die Kleine freute sich sehr mit der guten Großmama, hie immer was Hübsches mitbrachte und so schöne Geschichten erzählen konnte. Si« hatte sich also auch jetzt wieder rasch mit ihr vertraut gemacht und war gar nicht ungehalten, als es hieß, sie soll» mit der Großmama verreisen. Nur über «ins wollte sie erst Aufschluß haben: „Aber wenn nun da der Weihnachtsmann kommt und ich bin Nicht da?" „I", beruhigte sie der Papa, „der kommt erst, wenn Du wieder da bist, jetzt noch lange nicht." „Aber schickt ihn ja nicht sott, wenn er tommt, sagt nur, er soll Watten, Tudchen tommt bleich wieder." Als Papa ihr dies ganz fest und sicher versprochen hatte, nahm si« beruhigt von den lieben Eltern Abschied und fuhr mit Großmama davon. Im Elternhause aber geschah zwei Tage darauf ein große» Errigniß, das Alles auf den Kopf stellte. Eine bisher nicht gehörte Stimme schallte durch daS Hau», eine fremde Frau ging au» und rin, Mama lag im Bett und Papa hatte viele «ilige Briefe zu schreiben; kurz, es herrschte theilweise emsige Ge schäftigkeit und Aufregung, theilweise tiefe Ruhe. Acht Tage später schien endlich Alles wieder mehr im rechten Gleise zu sein; nur das neue, Helle Stimmchen ließ sich noch zuweilen vernehmen und brachte dann Alle auf die Beine. „Hast Du denn aber auch an die Weihnachtsgeschenke gedacht?" fragte Mama eines Tages ihren Gatten, „was hast Du denn nun eigentlich für Trudchen besorgt?" „O, was Prächtiges, sicher ganz nach ihrem Wunsch, den sie mir neulich anvertraut hat. Paß mal auf, ich werde Alles so einrichten, daß das Kind wunderbar überrascht werden soll." Am 23. December brachte der Postbote eine große Kiste, „von Onkel Hans aus Berlin", wie Papa der Mama erklärte. Am Mittag des 24. December schickte Tante Minna eine wohl verwahrte Schachtel mit der Adresse „für Trudchen" und der Weisung, Papa solle nur auspacken und den Inhalt unter den Weihnachtsbaum stellen, sie werde sich zur Bescheerung selbst einfinden. Um 4 Uhr ging Papa zur Bahn und holte Trudchen mit der Großmama ab, die auch recht umfangreiche Gepäckstücke mitbrachte. Großmama schien sehr eilige und wichtige Fragen an den Papa zu haben; immer wieder redete sie unterwegs heimlich auf ihn ein und konnte sich gar nicht satt hören an den kurzen Worten, die er ihr freudestrahlend zuflllsterte. Als sie zu Hause angekommen und von Mama bewillkommnet waren, stürmte Großmama, ohne auch nur erst Hut und Mantel abgelegt zu haben, sofort ins Schlafzimmer, während Trudchen den Eltern viele Neuigkeiten zu berichten hatte und sich vor Allem Gewißheit verschaffte, daß der Weihnachtsmann noch nicht da gewesen sei. Bald darauf kam auch Tante Minna und huschte gleichfalls fort mit Mama ins Schlafzimmer. Als die Damen, außer Mama, endlich wieder zum Vorschein kamen, verschwand Papa in den Salon. Wenige Minuten später ertönte von dort daS Glockenzeichen, die Thüren flogen auf, und Heller Kerzen schimmer strahlte durch die Räume. Jubelnd stürmt« klein Trudchen hinein, mußte aber an der Thür erst ihr Derschen aufsagen. Dann wurde sie vor die Gaben geführt, die der Weihnachtsmann für sie aufgebaut hatte. Ein schönes Kleid, rin Häubchen, ein Müffchen und dergleichen mehr blieben vor der Hand unbeachtet; denn eine wahre Puppen- colonie zog ihre Augen auf sich und lieh das kleine Herz vor Freude Hüpfen. Da stand ein prächtiges Himmelbettchen mit «inem reizenden Baby im Steckkissen darin, und al» Trudchen Has niedliche Ding herausnahm und zärtlich an ihre Brust drückte, da tönte es auf einmal aus dem Innern: „ä, ä, L." Nun war der Jubel vollends groß. „Eu! eine Sreipuppe! Sieh mal, Papa! Toßmama, hör mal, wie sie sr»i«n tann! ä, ä, ä!" Das hatte Papa wirklich ausgezeichnet getroffen. Nun aber »eite«. Da saß in einem schönen Puppenwagen ein liebliches Kind mit langen, blonden Schlangenlocken, da» Trudchen so vertrauenerweckend ansah, daß sie auch dies Püppchen emporheben und küssen mußte. Und wieder tönte es, als sie die kleine Brust umfaßte, krampfhaft: ä, ä, ä! „Hoh!" jubelte Trude, „noch eine Sreipuppe!" Großmama strahlte gleichfalls vor Freude, daß sie ihre Sache so gut gemacht hatte; dagegen machte Tante Minna ein bedenkliches Gesicht, als wollte sie sagen, na ja, nun die auch noch. Und richtig, als Trudchen die dritte Puppe, eine stolze Dame in duftigem Ballkleide, emporhob, fing auch diese ihr ä, ä, ä an zu schreien. Aber die darob entstehende allgemeine Heiterkeit störte Trudchen nicht, im Gegentheil, ihr machte es große Freude, daß auch diese Dame eine Schreipuppe war. Und auch die vierte, eine fesche Spreewälderin, die der Weihnachtsmann bei Onkel Hans ab gegeben hatte, versäumte nicht, aus einen guten Druck ihr ä, ä, ä zum Besten zu geben. Trudchen lief glückstrahlend von einem Familiengliede zum andern und brachie bald diese, bald jene Puppe geschleppt, um sie von Tante, Großmama und Papa be wundern zu lassen. Da fiel cs ihr auf einmal ein, daß ja Mama gar nicht da war, und sie rief eifrig: „Wo ist Mama.' Tudchen Mama ßöne Püppchen teigen." Und horch, wie eine Antwort aus unbekannten Regionen ertönte plötzlich aus dem Nebenzimmer ein Helles Stimmchen: uääh, uääh, uääh! Trudchen horchte ganz erstaunt auf; verständnißinnig aber blickten sich die drei Erwachsenen an. „Nanu!" sagte Papa, „ist denn da noch eine Schreipuppe? Da müssen wir doch gleich mal nachsehen." Er öffnet die Thür, und siehe, da brannte noch ein Lhristbäumchen und daneben saß Mama mit einem Wickelbettchen auf dem Arm — nur größer als Trudchen ihres —, und daraus schallte es noch immer: uääh, uääh, uääh, ohne daß Mama auch nur den leisesten Druck ausübte. Mit offenem Munde stürmte Trudchen zur Mama, die unter Thränen lächelnd auf ihr lebendiges Püppchen niederblickte. „Nun, was ist denn das, Trudchen? Da hat Mama wohl auch eine Schreipuppe vom Weihnachtsmann bekommen?" „Ei!" jubelte Trude, verzückt in die zwinkernden Augen des schreienden Kindchens blickend, „das ist ein tleines Brüderchen, das mir der Weihnachtsmann debracht hat, nicht wahr, Mama?" „Nun freilich, mein Kind", bestätigte Mama, „das ist nun unsere große Schreipuppe." > Trudchen aber konnte sich gar nicht satt sehen an dem neuen Ankömmling, und so viel und gern sie auch mit ihren schönen Weihnachtspuppen spielte; wenn sie an den nächsten Tagen Jemand fragte, welche ihr denn am besten gefiele, da pflegte sie «rnsthaft zu sagen: „O, dir sind alle wundrrßön, aber tlein Brüderchen ist doch die ßönste Sreipuppe, die der liebe Weihnachtsmann debracht hat."
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