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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-18
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Als wir gestern an dieser Stelle die Bedeutung deS kaiserlichen Besuche« beim Fürsten Bismarck erörterten, wiesen wir darauf bin, daß die vom Kaiser ln Kiel an seinen Bruder gerichteten Worte: „Sollte eS aber je Einer unler- nebnien, uns an unserem Gute kränken oder schädigen zu wollen, dann fahre drein mit gepanzerter Faust", lebhaft an ein von dem damaligen Reichskanzler am 6. Februar 1888 im Reichstage gesprochenes Wort erinnern, in dem die Drobungen der russischen Presse als „eine unglaub liche Dummheit" bezeichnet wurden, durch die eine so große und stolze Macht wie das deutsche Reich sich nicht einschüchlern lassen dürfe. Wir fanden durch diese Uebereinstimmung zwischen der neuesten hochpolitischen Kundgebung deS Kaisers und einem alten Ausspruche seines ersten Kanzlers unsere Auffassung be stätigt, daß ter Besuch des Monarchen in FricdrichSruh die Ueber- zcuguug des Kaisers, für sein Borgehen in China die volle Zustimmung des Altreichskanzlers zu finden, beweise. Heute liegt in den „Hamb. Nachr." ein Artikel vor, der diese Zu stimmung auf das Bündigste in einem Tone ausspricht, der völlig dem vom Fürsten Bismarck am Ü. Februar 1888 angeschlagenen entspricht, ja am Schlüsse direkt auf deu von uns gestern citirlen Satz anspielen zu wollen scheint. Dieser Artikel, „Warnung" überschrieben, von dem bereits in einem Theile der Auflage unseres heutigen Morgenblattes eine kurze Inhaltsangabe enthalten ist, bespricht zunächst die Gründe, aus denen man in Paris und Lon Von unausgesetzt bemüht ist, gegen das deutsche Borgeben in China Stimmung zu machen, weist dann darauf hin, baß eine angebliche Peters burger Correspondenz deS Pariser „Soleil" entweder in Paris geschrieben sei oder einen zufällig in Petersburg lebenden, mit den Ansichten der maßgebenden russischen Kreise un bekannten fanatischen deutschfeindlichen Franzosen zum Ver- fasser habe, und fährt dann wörtlich fort: „Das Letztere gilt von gewissen Stimmen der russischen Presse, die in Paris und Loudon zum Belege dasür citirt werde», daß Rußland verstimmt über die deutsche Action sei. Wir haben schon mehrfach das Schwergewicht Hervorgeboven, mit dem fremde Einflüsse auf den in Rußland erscheinenden größeren Blättern lasten. Dieses Schwergewichl ist jo groß, daß man mit ganz wenigen Ausuahmen von einer wirklich ruiflschen Presse überhaupt nicht reden kann. Es sind namentlich sranzösijche, polnische und andere Einflüsse, die mittels Les Goldes oder der Feder einen grogen Theil der öffentlichen Meinung in Rußland, soweit sie durch Druckerjchwärze in die Ericheinung tritt, beherrschen. Jedenfalls sind diese Einflüsse den Deutschen feindlich. Franzosen, Polen und Engländer haben das glerche Interesse an der Erregung von Verstimmung zwischen Deutschland und Rußland. Die wirklich national-ruisische Presse, in der unver fälscht russische Anschauungen zum Ausdruck gelangen, beschränkt sich, mit ganz geringfügigen Ausnahmen, wie „RegierungSbore" rc., aus die ProvinzbläNer^ die sich nur um ruisiiche Angelegenheiten kümmern. Als Symptome der amtlichen russischen Aus fasjung oder des russilchen Volkes sind die von den fremden Blättern gegen uns citirlen Auslassungen der Petersburger Presse niemals aufzusasjeu. Im „Journal de St. Psteisdourg", im „Regierungsbolen", sowie in anderen wirklich russischen Blättern wird man niemals Aeußerungen dieser Art finden. Tie Artikel der gegen Deutschland hetzenden russischen Blätter, die im französischen Solde von Polen bedient werden, habe» keinen andern Werth,als deu von Druckichwürz« auf Papier, und wir waruen ausdrück lich davor, ihnen irgend welche Bedeutung beizulegen. Wir dehnen diese Warnung aus die Berichte aus, die von englischen Blättern, wie die „Daily News", über angebliche Unierredungen mit russischen Staatsmännern veröffentlicht weiden. Tas ist alles erfundenes Zeug, lediglich dazu bestimmt, Stimmung gegen Deutsch land zn machen und bei uns Besorgniß, Wankelmuth und Unentschlossenheit zu Gunsten Englands hervor- zurufen. Wir finden es unbegreiflich, daß Blätter, die sonst ein Urtheil haben, auf einen derartigen Schwindel hineinfallrn und die Albernheiten weiter verbreiten. Etwas mehr Kritik wäre hier doch sehr am Platze." Wenn im Reichstage bei der Speciakberathung des Etats die kleinberzigen Gegner energischer Maßnahmen zur Wah rung des Ansehens des deutschen Namens und zum Schutze der deutschen Interessen trotz der Berufung des Staatssecretairs Tirpitz auf die Zustimmung des Fürsten Bismarck zu dem Flottengesetze und selbstverständlich auch zur entsprechenden Ver wendung einer verstärkten Flottenmacht cs wagen sollten, ihre Bedenken gegen das „abenteuerliche" Unternehmen in China mit Hinweisen auf die bekannte und berechtigte Rücksichtnahme des Schöpfers des „Ruckversicherungsvertrages" gegen das osficielle Rußland zu begründen, so werden der Reichskanzler und der neue StaatSsecretair deS Auswärtigen in der angenehmen Lage sein, auf die „Warnung" des Organes des Altreichskanzlers vor „papiernen Drohungen" und „Schwindel" hinzuweisen. Dem überwiegenden Theile des deutschen Volkes wird schon diese „Warnung" zur Befestigung der Ueberzeugung genügen, daß nicht nur die besten Wünsche des Fürsten Bismarck den Bruder des Kaisers auf seiner Fahrt begleiten, sondern daß auch über das Unternehmen selbst der große Steuermann des alten CurseS mit dem des neuen im vollen Einvernehmen sich befindet. Wie zufriedenstellend die Beziehungen zwischen dem Neuen Palais und FriedrichSruh sich überhaupt neuerdings gestaltet haben, geht aus einem zweiten Artikel der „Hamb. Nachr." hervor, der die Kieler Rede des Kaisers gegen demokratische, socialdemokratische und ultramontane Be- mängler vertheidigt. Von einem Artikel des „Berl. Tagebl.", der die Befürchtung ausspricht, die Rede würde im Auslande vielfach mißverstanden oder doch ausgedeutet werden, wird gesagt, das sei „die eckte alte Bamberger'sche Nasenstüber- Politik seligen Angedenkens", und dann heißt es weiter: „Die demokratische „Volks-Zeitung" wird durch die Rede des Kaisers in der Auffassung bestärkt, daß die gegenwärtige Marine- vorlagc, die schon deshalb nur erst der Anfang einer unausbleiblich fortzusetzenden Vermehrung der Flotte jein werde, weil die übrigen Nationen den von Deutjchland gewonnenen Borsprung wieder einholen würden, und daß somit die jetzige Flotten vorlage lediglich die Einleitung zur Schaffung einer Kriegsflotte sei, die dem deutschen Volke im Laufe längerer Zeiträume noch ungeahnte Opfer auferlrgen werde. Da» ist das alte Lied von der Schraube ohne Ende, das wir bei jeder Forderung für die Erhöhnng der Kriegsmacht des Reiches von dieser Seite zu hören bekommen. Die logische Conjequenzder demokratijchen Anschauung bestände darin, daß wir unsererseits in den Rüstungen innehal.ten und dann ruhig abwarten müßten, wie das gegnerische gerüstete Ausland mit uns verfährt. Die ultramontane „Germania" kritstirt deu Kaiser ebenfalls abfällig, indem sie zu seiner Aeußerung: „Reichsgewalt bedeutet Seegewalt, und Secgewalt und Reichsgewalt bedingen sich gegenseitig so, daß die eine ohne die andere nicht bestehen kann" meint, das deutsche Re ch sei auch ohne Seemacht gewaltig genug gewesen, um durch »eine Landmacht Frankreichs Land- und Seegewalt zu überwinden und dem deutschen Handel einen neuen Aufschwung zu verleihen. Wir verzeichnen diese Stimme nur, weil sie aus einem leitenden Blatte de» Eentrums stammt und weitere Schlüsse auf das Verhalten dieser Partei in Sachen der Flottenvorlage zuläßt." Hoffentlich ist der neue Cur« in Zukunft stets so geartet, daß er in gleicher Weise von dem Steuermann« des allen ge billigt und vertheidigt werden kann. . In der Erwiderung des Prinz«» Heinrich auf die Kieler Rede deS Kaiser« hat wohl bei jedem Leser der Satz Kopfschütteln erregt, daß er, der Prinz, hinausziebe, „um das Evangelium Eurer Majestät geheiligter Person im Auslande zu künden". „Wir sind" — so bemerkt heute die „Nat.-Ztg." zu diesem Satze — „mit Stillschweigen darüber hinweggegangen in der Erwägung, daß man sich die unglücklich gewählten Worte Wohl allgemein mit der erregten Stimmung, in welcher der Prinz sprach, erklären werde. In einer Anzahl Blätter werden indeß daran poli tische und sogar religiös-dogmatische Erörterungen geknüpft. Dazu scheint unS kein ausreichender Grund vor handen zu sein, wobl aber von Neuem zu dem Wunsche, daß die Reden hoher Persönlichkeiten vor der Veröffentlichung einer Durchsicht seitens einer Persönlichkeit unterzogen werden möchten, welche die Aufgabe erhält und den Muth besitzt, auf Worte, welche einen mißlichen Eindruck machen müssen, binzuweisen, damit sie rechtzeitig geändert werden. Wer braucht nicht in der Erregung einmal Worte, die vor einer Veröffentlichung der Correctur bedürfen! Es ist nicht ein Vorrecht hochgestellter Persönlichkeiten, sondern ein Nachtheil für sie, wenn diese Correctur nicht rechtzeitig erfolgt." Wir stimmen dem vollständig bei, denn es entspricht dem, was wir bei anderen Gelegenheiten schon gesagt haben. Nur wäre binzuzufügen, daß gerade beim Prinzen Heinrich die unglückliche Wahl eines Wortes nicht ins Gewicht fällt. Von ihm darf man Wohl sagen, er sei Prinz nur im Nebenamt. Seemann von ganzer Seele, ist er ein Mann der That, und wenn Thaten von ihm ver langt werden, wird er es an der Treffsicherheit, die ihm beim Reden zuweilen mangelt, nicht fehlen lassen. Der Weggang der acht deutschen Proseffore»von der SchweizerUniversität Freiburg ist, wie schon berichtet als definitiv anzusehen. Innere und äußere Verhältnisse führten zu dem Exodus der deutschen Docenten. Man hat, so schreibt die „N. Z. Z.", den herrschenden Einfluß der Dominicaner an der Freiburger Universität in Abrede stellen wollen. Wie öfter gerade daS, was man nicht gelten läßt, zutrifft, so ist eS auch hier; die geistlichen Dominicaner professoren dominiren. Man braucht übrigens die Ver hältnisse in Freiburg nur oberflächlich zu kennen, um sofort einzusehen, daß in Freiburg ein Dominicaner hoch über dem Laienprofessor steht, und wäre der Laien gelehrte noch so gut katholisch. Mit den einflußreichen Dominicanern muß ßeheu, zu ihnen muß halten, wer an der Freiburger Universität bestehen will. Da die Dominicaner meistens romanischen Nationen angeboren, kamen die deutschen Laienprosessoren um so weniger mit ihnen aus. Die deutschen Professoren dachten sich die Universität Frei bürg nach deutschem Muster errichtet. Nun wird aber versichert, wiederholt sei die Lehrfreiheit in Frage ge stellt worden. Auch seien Plenarversammlungen, welche die Professoren angeordnet hatten, verboten worden. Schon im Jahre 1894 hätte der Lehrkörper nach vielen Beratungen ein Uni versitätsgesetz entworfen, die Vorlage sei aber irgendwo bei den Behörden stecken geblieben und jedenfalls bis zur Stunde nicht Gesetz geworden. Gegenüber mehreren Per sonen habe die staatliche Behörde die Versprechungen nicht erfüllt, die man den Professoren bei der An stellung machte. Mehrere hätten annehmen müssen, sie seien aus Lebenszeit angeslellt. Als sie dann nach Uebernahme des Lehramtes nähere Auskunft über diesen Punct wünschten, babe man ihnen einfach erklärt, die Freiburger Verfassung gestatte lebenslängliche Anstellungen nicht. Dagegen wird versichert, in einem Fall sei die Zusicherung lebenslänglicher Anstellung bei der Berufung notariell beglaubigt worden. Alle diese Dinge dürften sich in den Einzelheiten erst später er klären, da die beiheiligten Professoren vermuthlich erst reden werden, nachdem sie Freiburg verlassen, was im März geschieht. Wie verlautet, hätte beim Exodus Herr von Savignv, der Enkel des berühmten Romanisten, eine führende Nolle gespielt. Man ist daher in Freiburger Regierungskreisen auf Herrn von Savigny nicht gut zu sprechen. Die Professur batte er unentgeltlich besorgt, wie auch andere Herren aus Begeisterung für das junge Unternehmen persönliche Opfer brachten. Die abgehenden deutschen Gelehrten, denen es in Freiburg nie behaglich war, verlassen ihre Positionen, ohne andere Stellungen zu besitzen, mehrere sind genothigt, sich an deutschen Universitäten als Privatdocenten zu habilitiren. Daraus kann man ermessen, daß die Herren durch schwer wiegende Motive zu dem sensationellen Schritte bewogen wurden, den sie nun gethan. Sie scheiden von Freiburg gewiß nicht mit lieblichen Gefühlen. — Soweit die „N. Z. Z ". Gleichzeitig mit dieser Auslassung erscheint in den „Berl. N. N." eine Zuschrift ans Freiburg, welche behauptet: 1) Die Gesuche um Entlassung waren nicht ernst ge meint und sollten nur dazu dienen, gewisse unberechtigte ForSe- rungen der Demittenten zu erzwingen. Groß war die Uebcr- rasckung der Letzteren, als die Demission angenommen wurde; 2) Die demittirenden Professoren bilden nicht einmal die Hälfte der an hiesiger Hochschule thäligen Professoren deutscher Herkunft und werden sicher auch durch deutsche Lehrkräfte ersetzt werden, soweit ein Bedürfniß, sie zu ersetzen, vorhanden ist. (!) Es ist eine Unwahrheit, daß hier eine Tendenz be stehe, die deutschen Lehrkräfte allmählich von der Universität zu entfernen. Einsender könnte im Gegen- theil Thatfachen anführen, aus Lenen ein überaus weites Ent gegenkommen seitens der nichtdeulschen Professoren wie der Regierung den deutschen Professoren gegenüber hervorgeht. 3; Wenn „Treibereien" vorgekommen sind, jo sind deren Anstifter nicht diejenigen Professoren gewesen, gegen welche der Grimm der Demittenten sich richtete, sondern sie selber, und ließen sich in dieser Hinsicht überraschende Mitlheilungen machen. 4) Bon finsterem Zelotengeistr an hiesiger Universität reden kann nur, wer ihr durchaus sernsieht, oder ein Interesse daran hat, der artige Meinungen zu verbreiten." Wir geben die Zuschrift vorläufig ohne Commentar wieder, da eine Entgegnung von bctheiligter Seite, wenn auch vorerst nur auf indireclein Wege, nicht ausbleiben wirb. Endlich hat Spanien etwas Luft bekommen: der Auf stand auf den Ptzilippiucu ist erloschen, die Mitglieder des Revolutiouscomitös verlassen die Inseln, um sich nach Hongkong zu begeben und gleichzeitig erfolgt die Nieder legung der Waffen. Dieser Erfolg ist in erster Linie der Zusage gründlicher Verwaltungsrefornien und der humaneren Führung des Krieges unter oem liberalen Cabinct Sagasta zu danken. Hätte die Regierung sich des früheren General gouverneurs Polavieja, dieses Werkzeugs der Jesuiten, der die Kerker mit Unschuldigen füllte und Las Standrecht in der unverantwortlichsten Weise mißbrauchte, schon früher heiniberufen, so wäre der Aufstand schon längst erloschen. Die Erhebung auf den Philippinen hat seil dem Sommer 1896 gewährt und ungeheure Opfer an Geld und Menschenleben verschlungen. 'Von den Machthabern in Madrid ganz allein hängt eS jetzt ab, ob diese Opfer endgiltig abgeschlossen sind oder ob der eben zu Stande gekommene Friedensschluß nur einen Waffenstillstand bilden wird, auf den neue, mit noch größeren Opfern verbundene Kämpfe und schließlich der Verlust der Cvlonie für Spanien folgen werben. Immer und immer wieder haben die Aufstänbischen betont, daß lediglich die elende Feirvllstsn. Das Wahrzeichen der Herrendorfs. 12j Roman von L. Migula. Nachdruck »ertolcn. Hans Roland war in dieser Zeit vollständig von dem Wünscht eingenommen, die Versöhnung mit seinem Großvater herbeizu führen. Es hatte kaum ein anderer Gedanke in seiner Seele Raum; alle seine Hoffnungen und Pläne gipfelten darin, dieses Ziel zu erreichen. Er hätte cs jetzt vielleicht wagen diirf.n, sich zu ent decken; dennoch zögerte er von Tag zu Tag, er fürchtete eine Mög lichkeit des Mißlingens zu sehr. So, von seinen persönlichen Ange legenheiten in Anspruch genommen, war ihm die Veränderung fast entgangen, die sich allmählich mit Angela vollzog. Er war meist zerstreut und zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, als daß es ihm aufgefallen wäre, wie sie ihm mit einer ihr bisher völlig fremden Scheu auszuweichen suchte. Sie kam nicht mehr jubelnd in sein Zimmer gestürmt und suchte ihm unter zärtlichen Liebkosungen die Erlaubniß zu irgend einem Unternehmen abzu schmeicheln; sic schlang nicht mehr kosend die Arme um seinen Hals und schmiegte nicht mehr ihr schwarzlockiges Köpfchen zutraulich an seine Brust. Alle diese Beweise ihrer kindlichen Liebe wurden fast ängstlich von ihr vermieden und es schien sie sogar eine Ueber- windung zu kosten, ihm den üblichen „Gutenachtkuß" zu geben. Sie that es nur, um ja nicht wieder an eine Unterlassung erinnert zu werden, wie es einmal geschehen. Desto schmerzlicher fiel dem alten Norden das veränderte Wesen seiner Enkelin auf und er wünschte sehnlich, daß Rolands Geschick sich endlich entscheiden möchte, so oder so, damit er danach einen festen Entschluß für die Zukunft fasten konnte. Vorläufig konnte er nichts thun, als abwartend verharren; er ließ Angela ruhig gewähren, ohne mit einem Worte an den Grund ihrer leisen Schwermuth zu rühren, den er ja nur zu wohl kannte. Er billigte ihre Zurückhaltung vollständig und hegte die feste Hoff nung, daß sie mit ihrem gesunden richtigen Empfinden sich schon zurechtfinden werde. Nur Eins machte ihn besorgt, daß sie jede freie Stunde zu angestrengtesten Gesangsübungen benutzte. Er fürchtete, ihre zarte Constitution würde solchen strengen Anforde rungen nicht gewachsen sein. Wohl ahnte er den Zweck ihres neu erwachten Fleiße«, und wenn er diese« unermüdlich« Streben auch billigen konnte, so sah er doch mit steigender Besorgniß, daß ihr zartes Gesichtchen bleicher und schmaler wurde und die dunklen Augen immer größer und glänzender daraus hervorschauten. Darum begrüßte er Günther von Herrendorf jedesmal mit auf richtiger Freude, wenn er kam, Angela abzuholen oder zu einem Spazierritt, einer Fahrt in seinem Ponywagen aufzufordern. Es war doch eine Zerstreuung für sie und sie kam von diesen Ausflügen immer sichtlich heiterer gestimmt nach Hause. Auf einem solchen Spazierritt war es, daß Angela entzückt über die sich allmählich entfaltende Frühlingspracht in der Natur ihr Pferd anhielt und bewundernd ausrief: „Wie herrlich ist es hier; sehen Sie, Günther, die Buchen da drüben an den Bergabhängen bedecken sich schon mit einem zarten, grünen Schimmer, dazwischen schauen die rothen Steinbrüche hervor und dort oben die Häupter des Hochgebirges sind noch ganz mit Schnee bedeckt." „Ja, es ist schön hier, aber was ist das Alles im Vergleich zur Umgebung der Ringburg! Man sollte nicht glauben, daß bei der geringen Entfernung die Gegend dort einen so ganz anderen Charakter zeigen könne. Haben Sie einmal das Bild gesehen, daS in Großpapas Arbeitszimmer hängt? Es stellt die Ringburg im Mondschein dar." Angela verneinte. „Schade, es ist wunderschön, wenn auch freilich nur ein schwaches Abbild der Natur. Am besten wäre es, Sie kämen selbst nach Herrendorf und sähen sich meine Heimath an; sie würde Ihnen sicherlich gefallen." „O, wie gern thätr ich das!" rief Angela, glücklich in dem Gedanken, Onkel John's Vaterhaus kennen zu lernen, in dem er so viel Leid erfahren, und das wiederzugewinnen sein höchstes Streben war. „Wie gern käme ich auf die Ringburg!" „Wirklich, ist das Ihr Ernst, Fräulein Norden?" fragt» Günther eifrig mit strahlenden Augen. „Nennen Sie mich nur nicht immer Fräulein Norden, sonst muß ich ja Herr v. Herrendorf sagen, und das wäre mir höchst unbe uem", sagte sie lachend, „ich bltibe lieber bei „Günther", also rufen Sie mich nur ganz ruhig „Angela", das ist viel gr- müthlicher." „Wenn Sie es mir erlauben, so thue ich es sehr gern", er. widerte Günther erröthend und wiederholte dann seine Frage. „Gewiß ist es mein Ernst", erwiderte sie; „ich habe von Inga und Lieutenant Herrendorf schon so viel von dem schönen alten Stammschloß gehört, daß ich es für mein Leben gern kennen lernen möchte. Aber dazu wird es wohl schwerlich kommen." „Warum nicht? Wenn Sie nur wollen, dann ist die Sache bald gethan. Wir werden wohl in nächster Zeit die Stadt ver- lasten, wo wir dies Jahr ohnehin weit länger geblieben sind als sonst, und da will ich Papa sagen, daß er Herrn Roland bittet, Ihnen die Erlaubniß zu geben, uns begleiten zu dürfen. Meinen Sie nicht, daß er es thun wird?" „Warum sollte er nicht? O, es wäre herrlich", meinte An gela. Im Geist sah sie sich auf der Ringburg als Vermittlerin zwischen Großvater und Enkel; welches Glück, wenn es ihr gelingen sollte, die Beiden zu versöhnen! Aber gleich darauf flog ein Zug schmerzlicher Wehmuth über ihr von der augen blicklichen Erregung zart geröthetes Gesichtchen; „Hans Roland Herrendorf" hatte dann das lang ersehnte Ziel erreicht; er würde die schöne Asta zur Herrin der Ringburg machen und in seinem Herzen keinen Raum mehr für die arme Angela haben! Der Sänger Roland verschwand von der Erde und mit ihm ihr Onkel John, der treue Beschützer ihrer Kindheit. Sie mußte lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, und für ihren alten Großvater zu sorgen, denn auf der Ringburg war kein Raum mehr für sie, neben der stolzen, wunderschönen Hausfrau. Nicht um die Welt hätte sie mit ihr Zusammenleben mögen! Nein, nein, dann zöge sie fort in die weite Welt und würde eine Sängerin, wie ihre arme, todte Mutter, und wenn ihr einst das Herz brechen würde, fand sie vielleicht einen ebenso treum Freund, wie Onkel John es der theuren Tobten gewrsen war! Es Ivar wohl schwer, zu scheiden, sie würde ihn vielleicht nie tvicdersehen, nie mehr von ihm hören: „Komm her zu mir, mein Liebling, laß mich Dein sonniges Gesichtchen" — oder: „Es macht mich glück lich, wenn ich Dein Helles Lachen höre." Er hatte es schon so lange nicht mehr gesagt, ihr Dasein war fast von ihm vergeßen! Helle Thränen traten in ihre Augen. „Was ist Ihnen, Angela?" fragte Günther besorgt. „Sie sind ganz blaß geworden; fühlen Sie sich nicht wohl?" „O doch, mir fehlt gar nichts", stieß sie zusammenschreckend hervor; sie hatte seine Gegenwart völlig vergessen. „Ich war thöricht und machte mir unnütze Gedanken; ich bin «ine recht unartige Begleiterin. Ein schlechter Dank für Ihr freundliches Anerbieten; seien Sie nicht bös«, ich will mich gewiß bessern." „Das haben Sie gar nicht nöthig; ob Sie traurig oder froh sind, ich bin immer glücklich, wenn Sie mir nur erlauben, Sie zu begleiten. Und was Ihren Besuch auf der Ringburg be trifft, darf ich mit Papa sprechen und das Weitere veranlassen? Kommen Sie gern zu uns?" „Sehr, sehr gern. Es ist geradezu «in Herzenswunsch von mir, die alte Ringburg und ihre schöne Umgebung kennen zu lernen." „Also abgemacht, Sie kommen mit uns. Hurrah, daS wird eine herrliche Zeit!" In seiner Herzensfreude spornte er sein Pferd zum Galopp und dahin sausten Beide durch die erwachenden Fluren. 17. Capitel. Es war ein seltsamer Zufall, daß fast zu derselben Zeit Inga zu ihrem Bruder sagte: „Sie sollten uns Ihre kleine Angela mit auf die Ringburg geben. Ich finde, sie ist in letzter Zeit recht blaß und schmächtig geworden; die frische Gcbirgsluft würde ihr sicher gut thun." Hans hatte sich, Ivie fast täglich, nach dem Diner zu einer Plauderstunde bei Herrn v. Hcrrcndorf eingesunken und Fritz dort angetroffen, der ebenso wie er den alten Herrn möglichst oft besuchte. Dieser hatte nun endgiltig den Entschluß gefaßt, in nächster Woche nach der Ringburg überzusiedeln. Jetzt, wo draußen Alles zu grünen begann, litt es ihn nicht länger in dem „Käfig", wie er sein schönes Stadthaus nannte; er sehnte sich nach seinem prächtigen Park, nach der frischen, freien Luft, die dort über die Berge wehte. Man hatte eben davon gesprochen und Inga ihren Vorschlag daran geknüpft. „Es ist auch wahr, lieber Roland, die Kleine könnte mit uns kommen. Keiner würde glücklicher sein, als mein Junge, der ganz verliebt in das zierliche Elfcnkind ist, und wenn Ihnen bange wird, so kommen Sie auch hinaus. Wir haben in ihr zugleich ein Mittel, Sie ebenfalls nach der Ringburg zu locken, was meinen Sie?" Hans war im ersten Augenblick so betroffen gewesen, daß er nicht gleich eine Antwort fand. Es schien ihm ganz unmöglich, Angela, wenn auch nur für kurze Zeit, fortzugeben, jetzt, da er ein festes Heim besaß; hatte sie ihm doch genug gefehlt während seiner Gastspielreise! Indessen sagte er sich doch gleich, daß ihre Anwesenheit auf der Ringburg von großem Vortheil für ihn sein würde, und so erwiderte er nach kurzem Zögern: „Ich freue mich herzlich, daß Angela in so hohem Grade Ihre Zuneigung errungen Hot und wüßte nicht, wo ich sie lieber sähe als in Ihrer Familie. Indessen kommt es in diesem Fall weniger auf meine Meinung als die Zustimmung des Großvaters an. Ich fürchte, er Ivird sich nicht gern von der Kleinen trennen wollen." „Das glaube ich doch, wenn er sieht, daß es zu ihrem Besten ist", erwiderte Fritz lebhaft. „Er äußerte sich neulich sehr besorgt über die Gesundheit seiner Enkelin und ich finde wirtlich, Inga hat Recht, Angela sieht in letzter Zeit angegriffen aus. Ich wundere mich, daß es Dir noch nicht aufgefallen ist." (Fortsetzung folgt.)
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