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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971227029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897122702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897122702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-27
- Monat1897-12
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VezugS'Prri- M H«ptqpedMmi de» t»r Otckbt» k»irk «> de» Vororte» errichtete» Ao*. aabfftelle» «bg«hokt: oter1«ljührlich^l4L0, bet gwekaoltaer täglicher 8»ft«ll,»g «s Han» <^l bchL Durch di« Poft be»og«> für Deutfchlmib und Oesterreich: vierlehLbrlich X Dtrecre tägliche krrazbandienduag ftts Auslaad: mooallich 7.LV. Di» Ift«gr»L«rgabe erscheint mn '/,? Uhr. bi» Ibrad^lusgab« Wochentag» um b Uhr. Re-artts» »ar ErveLittoa: -ohannesgafie 8. Di»Expedition ist Wochentag» nnnnterbroche» «»»fi«t »o- früh 8 bi» Abend» - Uhr. Fittale»: Vtt» Air««'» kortim. Mlfreb H«h«>» Uliversität-strabr 3 lPanliaum). Lont« Lösche. Kacharftunstr. 14, »art. nab »äniglpüch 7« Abend-Ausgabe. WpZgcrTagcblajl Anzeiger. Amtsötatt des Ä'o'mgttchen Land- und Ämtsgenchtes Leipzig, des Mathes und NoNzei-Änües der Ltadt Leipzig. «59. Montag den 27. December 1897. AnzeigenPrei- die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg, Reclamen unter dem RedactionSstrich (4g» spalten) SO>H, vor den Familienaachrichtai (6 gespalten) 40^- Gröber« Schristea laat unser«» PrrüS- »rrzrichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Veilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Poslbrsörderuax SO.—, mit Postbesördernug 70.—. -- < Ännahmeschluk für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Kstorgr »«Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sei de» Filiale» und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets aa die Expedition zu richten. Druck m«d Verlag voa E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. December. Die süddeutschen Klottcngegner haben die Feiertage mißmuthig uud grollend verlebt, da sie fürchten, alle ihre Agitationen gegen die Marinevorlage würden fruchtlos sein. Besonders niederdrückend ist ihnen die Thatsache, daß die Expedition nach China die Stimmung für diese Vorlage günstig beeinflußt und trotzdem im Reichstage keinen energischen Einspruch erfahren hat. Ter demokratische Stuttgarter „Beobachter" klagte daher seinen Lesern unmittelbar vor dem Feste vor: „Da haben wir schon wieder die ganze Bescheerung: seit der Generalmarsch geschlagen wurde und aus den Erdwällen von K ao- Tschau die deutsche Flagge weht, ist über weite Kreise der Nord deutsche» das Kriegssieber wieder gekommen Selbst solche Bierphilister, die seit langen Jahren gewöhnt sind, frei- sinnig« Stimmzettel zur Wahlurne zu tragen, sind von dem stolzen, srohgemuthen Soldatengeist ergriffen und vom Länderhungrr angekränkelt. China ist Trumps? Die afrikanisch« H,tze hat noch nie die Köpfe so heiß gemacht wie die mongolische Errungenschaft. . . Das ist so die Stimmung, die durch die Bevölkerung jetzt schon geht. Und dieser Stimmung daben sogar Richter und Bebel bei ibren Etatsredcn Rechnung tragen müsse«. Man hat von keiner Seile eine scharfe Zurückweisung dieser Politik der überseeischen „Abenteuer" vernommen; man legre sich eine starke Reserve auf, nicht blos um die Kreise der Re gierung nicht zu stören, sondern auch um nicht eine Stim mung gegen sich zu bekommen, die schon klar genug erkenn bar war." Während aber die württembergischcn und die badischen Demokraten in das Unvermeidliche sich fügen zu wollen scheinen, giebt der ultramontane niederbayerische Klerus daS Spiel noch nicht ganz verloren; er will wenigstens „seine Schuldigkeit thun". So bat der Abg. vr. Pichler, Domvicar in Passau, in einer Passauer Ver sammlung erklärt, daß die sämmtlichen bayerischen Cenlrums- nbgeordneten das „Flottenseptennat und die über mäßigen Forderungen" ablcdnen und sich somit in Gegensatz zu ibren preußischen College» stellen würden; das Gleiche Hal der Abg. Leonhard, Sladtpfarrer zu Deggendorf, erklärt; beide Herren sind es vermulhlich, von denen der Gedanke ter Veranstaltung einer Einspruchs Versammlung der bayerischen Centrumspartei gegen die Flottenvorlage ausgeht. Ob der Gedanke realisirt wird, ist freilich noch frag lich, denn nachdem das Organ des Abgeordneten 1>r. Schädler, DomcapitularS in Bamberg, wie bereits gemeldet, sich für die Vorlage erklärt bat, werden es sich die Väter des Gedankens wohl zweimal überlegen, ob es rathsam sei, eine Versammlung zu veranstalten, in welcher der Zwiespalt unter den geistlichen Mitgliedern der bayerischen Cenlrumöparlei offenkundig werden und zu schroffen Auseinandersetzungen sübren könnte. Inzwischen ist auch Bischof Anzer aus Rom nach München zurückgekehrt; cr bestätigt daselbst, daß der Papst „die beste Meinung von tcm Borgeben Deutschlands hat und cs wohl z» würdigen weiß", und hat auf die Frage eines Berichterstatters der „M. N. N.", was er von dem Ergebnisse der deutschen Flottenexpedition halte, geantwortet: „Diese Expebition wird nicht nur für die Missionen einen guten Erfolg haben, sie wird insbesondere dem deutschen Handel großen Nutzen bringen, der seit den letzten Jahren einen bedeutenden Aufichwunq genommen hat und nur dem englischen nawsteht. Ich bin der Ueberzeuguug, daß, wenn die Bucht voa Kiao-T>chau in deutschem Besitz bleibt, diese An iedelnng erneu großartige» Ausichwung nehmen und für den deutschen Handel sich von außerordentlicher Wichtig keit erweisen wird. Kiao-Tjchau ist der nördlichste ständig eisfreie Haien, die Gegend hat gutes Klima, das beste von China, und Kiao-Tjchau wird als Eudjiaiioa für Schiffe und nls Knotenpunkt für viele Eisenbahnlinien, die in Bälde gebaut werden dürften, von großer Bedeutung werden. Die in der Nähe befindlichen Kohlenlager befähigen es ganz besonders für diese Bestimmung. Früher mußte man die englische Kohle einfüdren, in den letzten Jahren benutzte man die javanische Kohle. Diese ist aber bei Weitem nicht von der Güte der chinesischen Kohle Ein besonders vorzügliches Lager befindet sich etwa fünf bis sechs Stunden landeinwärts vom Hasen, das in den bisher ver öffentlichten Aufzeichnungen nicht ausgenommen war. In Kiao- Tlchau giebt es nur einen kurzen Winter. Von Ende December bis Ende Januar fällt Schnee, jedoch nicht viel. Die Thäler der Umgebung sind sehr fruchtbar, die Höhcnzüge dagegen sind rauherer Natur." Die bayerischen Flottenfreunde werden nicht verabsäumen, den Bischof zu noch weiteren Kundgebungen zu veranlassen und mit diesen den Gegnern einer kraftvollen, zielbcwußten auswärtigen Neichspolitik und der zu ihr nölhigcn Mittel entgcgeuzutreten. Hoffentlich kommt auch die bayerische Regierung bald in die Lage, ein energisches Wort zu sprechen. Es verlautet nämlich, die bayerischen Centrums- niitglieder, die mit dem Vorgehen Deutschlands in China und mit der Flottenvorlage unzufrieden sind, beabsichtigten, in der Kammer an die Negierung eine Anfrage über die Wirksamkeit jenes Bundesraths-Ausschusses „für die auswärtigen Angelegenheiten" zu richten, der nach Art. 8 der Reicköverfassung durch die Vertreter Bayerns, Sachsens und Württembergs und zwei alljährlich zu wählende andere Bevollmächtigte gebildet wird und in dem Bayern den Vorsitz führt. Gerade eine solche Anfrage würde der bayerischen Regierung Anlaß zu der Erklärung bieten, daß sie von der neuerlichen strafferen Führung der inneren wie der auswärtigen Neichspolitik durchaus befriedigt ist und eine von bayerischen Reichslags abgeordneten kommende Opposition gegen diese Politik lief beklagen würde. Die „Times" suchen ihre Mitlheilung, daß die deutschen militairischen Instrukteure nach Ablauf ihrerVeriräge aus chinesischen D ie nsten ausscheiden würden, als eine Folge der jüngsten Vorgänge hinzuslellen und zu einer Verhetzung Deutschlands und Rußlands auszuschlachten. Hätte Kaiser Wuhelm, ehe er in Graubenz den Nachbar im Osten seinen lieben und getreuen Freund nannte, von der „Entlassung der deutschen Trilliergeanten" bereits Kcnntniß gehabt, jo wäre, meint das Blalt, daS Wort ungesprochen geblieben. ES sei hiergegen darauf bingewiesen, daß die Ver abschiedung der deutschen Instrukteure eine längst be kannte Tbat fache ist, die mit den neuesten Ereig nissen in keinerlei Zusammenhang steht. Schon am 2l. August d. I. meldete die „Kölnische Zeitung" wörtlich: „Die geringe Zahl ehemaliger deutscher Ofsiklere, die noch im Dienste einzelner Vicekönige, nicht der Centralverwaltung, in China lhälig ist, wird sich voraussichtlich nach Ablaus ihrer Veruäge noch erheblich verringern. Dagegen soll die Zahl russischer Instrukteure ioi chinesischen Heere beträchtlich zu nehmen." Das genügt, um darzulhun, daß dieses neueste Fechterstückchen des englischen Blaues ein Schlag ins Wasser ist. Uebrigens sind die deutschen Instrukteure in Wufung, an ihrer Spitze Major Freiherr von Reitzcnstein, vom Generalgouvernement von Nanking durch Ueberweisung einer für sie besonder- geschlagenen Medaille ausgezeichnet worden. In den Lagern von Srtzclin nabe Weisung war im Mai eine Meuterei auSgebrochcn, deren Nieder werfung dem energischen Eingreifen der deutschen Officiere zu banken war. Die Verleihung der Medaillen, die >n Gegen wart beS deutschen, sowie des österreichisch-ungarischen Coninls in Shanghai in feierlicher Weise, während die Artillerie einen Salut feuerte und die Truppen salutirten, durch den Viceköuig Liu Kun-i erfolgte, ist der Ausdruck des Dankes der chinesischen Regierung. Zur Stellungnahme der einzelnen Mächte schreibt die „Köln. Zig.: Es sei anzuerkennrn, daß die französilche Presse die chine sischen Vorgänge von dem allgemein maßgebenden Standpunkte der praktischen Jnteresjenpotitik aus beurtbeile und mit klarem Blick und anerkennrnswerther Verleugnung ihrer Gefiihle gegen Deutsch- land daran festgehalten habe, daß die Verhältnisse selbst eine Jnterejiengemeinschast zwischen Rußland, Frankreich und Deutschland construirt haben, die sich nicht durch Druckerschwärze auf Papier verschieben lasse; daß dieiem Jnieressinblindel England gegenüberstehe und Japan zu wäblen habe, auf welche Seite es Len Schwerpunkt feiner Interessen treibt. England versuche diese natürliche Sachlage dadurch zu verrücken, daß es Amerika für seine Interessen ein- spanne; es sei jedoch nicht wahrscheinlich, Laß der Versuch Erfolg habe. Japans Zukunft in Onasien sei an die Bedingung geknüpit, daß es seine Entwickelung auf der Bahn des Friedens suche. Es sei zu erhoffen, daß Japans bisherige verständige Politik auch in kritischen Tagen auf dem rechten Wege bleibe. Die Meldung, England habe bei Italien ein gemein sames Vorgehen in China angeregt, wird von dem „N. Wiener Tagbl." als grundlos bezeichnet. Wir batten dieselbe gleich als unglaubwürdig charakterisirt. — Das deutsche Reich wird binnen kürzester Zeit unter dem Bcseble deS Vice- Admirals Diederichs zwei Kreuzer-Divisionen in Oslasien versammelt haben. Die erste Kreuzer-Division, welche direct den Befehlen des Vice-Admirals Diederichs untersteht, ist zusammeugesetzt aus dem Kreuzer erster Classe „Kaiser", den Kreuzern zweiter Classe „Prinzeß Wilhelm" und „Irene", der Corvette „Arcona" und dem Stalionsschiff „Geyer". Die zweite Kreuzer-Division unter dem Prinzen Heinrich besteht aus den Kreuzern erster Classe „Kaiserin Augusta", welche dieser Tage in Hongkong eingelroffen ist, „Deutschland", dem „Gefion" und dem SlaliouSsckiffe „Möwe". Die gcsammte russische Kriegsflotte in Ostasicn besteht aus 30 Schiffen und Fahrzeugen nebst 7 Torpedo booten, die insgesammt 5l50 Mann an Bord haben; an Geschützen führen die Schiffe 22 schwere, 405 mittlere und 229 leichtere. Die französische Flotte setzten sich bis jetzt aus 7 Schiffen zusammen, dem Panzer kreuzer „Bayard" (464 Mann an Bord, 4 schwere, lO mittlere und 14 leichte Geschütze), dem Kreuzer dritter Classe „Descartes" (378 Mann an Bord, 14 mittlere, 19 leichte Geschütze), dem. Kreuzer „Eklaireur" (195 Mann an Bord, 8 mittlere, 6 leichte Geschütze), dem Kanonen boote erster Classe „Comöte" (76 Mann an Bord), dem Aviso zweiter Classe „Alouette" (71 Mann an Bord), den Kanonenbooten dritter Classe „Asalanche" und „Jacquin" (48, bezw. 50 Mann an Bord). Nach den neuesten Nach richten haben noch zwei Kreuzer, „Jean Barl" und „Pascal" den Befehl erhalten, nach den oslasiatischen Ge wässern abzugehen. England endlich Hal 27 Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern: ein Schlachtschiff, 9 Kreuzer, 7 Kanonenboote, 4 Torpedosänger, 3 Schaluppen, 2 Enipsaugsschiffe und 1 Proviantschiff. Den Oberbefehl über das Geschwader hat Sir Alexander Buller. In Italien scheint cs fest, als sollte die innere Unsicher heit niemals ein Ende finden. Der konservativ gesinnte Minister Nudini Haire seinen Empfindungen einen gewaltigen Stoß versetzen müssen, um den radikal gesinnten Zanardelli in sein Ministerium aufzunebmen, und was Hal diese- Opfer der politischen Ueberzeugung geuützl? So gut wie nichts. DaS Ministerium ist einem offenen Mißtrauensvotum der Kammer nur eben mit knapper Noch entgangen. Und eS ist säst sicher, daß eS bei rem ersten ernsthaslen Zusammenprall über den Haufen geworfen wird. Durch die Aufnahme Zauardclli'S hat Rudini seine früheren Freunde von der Rechten vor den Kopf gestoßen, ohne daß er die völlige Unterstützung der Linken dafür eingctausck>t bat. In Italien bestehl bedauerlicherweise die Politik der parlamentarischen Führer viel weniger darin, ein bestimmtes Parteiprogramm zur Durchführung zu bringen, als darin, womöglich selbst zur Regie»ung zu gelangen. Deshalb hat Nudini, indem er Zanardelli berief, die Gegnerschaft anderer parlamentarischen Häuptlinge lbeils nicht zu beseitigen ver mecht, lbeils sogar direct beranfbesckworen; so stehen außer einem Tbeile ter Reckten und der äußersten Linken die Gruppen Crispi'ü und Sonninv's und die Anhänger Giolitti's feindlich gegenüber und lauern nur auf eine Gelegenheit, um den Ministerpräsidenten, der nun schon 1^/« Jahr, eine für Italien ziemlich lauge Zeit, iin Amte ist, zu stürzen. Nunmehr sind die Englnnöcr, wie wir im heutigen Morgenblalte mittheilten, tbaisächlich im Besitze ÄassalaS. Mil 25 Officieren und 825 Mann cgyptischer Truppen hat Oberst ParsonS am ersten Weibnachlsseiertage dort seinen Einzug gehalten. Daß die Askari der bisherigen italienischen Besatzung in den englischen Dienst übertreten würden, war vorauSzusehcn, da sie g» ößtentbeilo aus der Gegend zwischen Agordat nnd dem Gasch stammen, den Kriegsdienst als nährenden Beruf betrachten und von den Engländern gewiß nickt geringer besoldet werden. Oberst ParsonS wird sich darüber schon vorher vergewissert haben, denn ohne das Hinzu kommen eingeborener Soldaten erscheinen die im Anmarsch be griffenen 825 Mann zur dauernden Behauptung des Forts nicht ausreichend. Auch ist in der Gasch- und Atbara-Ebene eine Neiter-Abtbcilung unbedingt erforderlich. Von einem Ersatz der Ausgaben, die Italien während der 3^2 Jahre der Besetzung auf Kassala verwandt hat, ist nickt mehr die Rede. England hat klugerweise so lange mit der Ueber- nabme gezögert, daß eS sich jetzt damit fast den Schein des Wobltbäters verschaffen könnte. Bekanntlich verlangte Baldissera bereits im April 1896 aus mili- tairischen Gründen die Räumung des vorgeschobenen Postens, wurde aber von Nom aus, lediglich mit Rück sicht auf die englischen Wünsche, abschlägig beschicken. Jetzt soll den Italienern nur der Werth der in Kassala vor gefundenen Vorrälhe an Lebensmitteln, Waffen und Munition ersetzt werden; nicht einmal für den kostspieligen Bau des starken Forts sollen sie entschädigt werden, geschweige denn für die Wegcvcrbesserungen, Bruunenanlagen u. s. w. Zweifel herrschen vorläufig auch noch hinsichtlich der neuen Grenzlinien ErytbräaS. Man sollte meinen, es müßten dafür lediglich die Festsetzungen des Vertrages vom 15. April 1891 maßgebend sein, denen zufolge die Grenze 20 lcm östlich von Kassala läuft und dann Weiler südlich zum Atbara abschwenkl. Der Engpaß von Sabderal (21 Icm östlich Kassala), wo die Italiener Be festigungen angelegt haben, würde ibnen dann verbleiben. Verschiedene Aeußerungen namentlich englischer Blätter lassen aber vennuthen, daß England die Grenze um ein beträcht liches Stück ostwärts, nämlich bis zum Barka, vorrücken möchte. Tann wäre Agordat der wesllichue befestigte Platz der Italiener. Von einer völligen Rückendeckung der letzteren gegen die Dcrwischgefahr infolge der Anwesenheit der Eng länder in Kassala kann nickt die Rede sein. Dafür er bringt ter mahdislische Einfall im Januar 1897 (8000 Mann) den besten Beweis. Dementsprechend wird fraglich, ob Italien sein Colonialbeer nun ohne Weiteres um die Stärke der bisherigen Besatzung Kassalas verkürzen kann. An die Engländer tritt nun zunächst die Aufgabe, die Verbindung zwischen Kassala und Berber, sowie Kassala und Suakin herzustellen. Die Straße Tokar-Kassala längs deS Barka wurde schon Ende Oktober vom Feinde frei gemeldet. Ein Bahnbau längs dieser Straße wird wohl nickt lange auf sich warten taffen, denn England, daS 1895/96 dem in Das Wahrzeichen der Herrendorss. 18j Roman von L. Migula. N-chdnick verboten. „Ich war ein Waisenkind, ein armes, verstoßenes Geschöpf, das von der Gemeinde erhalten wurde, und dem Keiner das karge Brod gönnte, das ihm gegeben wurde. Vielleicht wäre ich elend verkommen, wenn die junge gnädige Frau sich nicht meiner er barmt hätte. O, sie war ein Engel, und „der Engel von Herren dorf" hieß sie ja auch überall! Sie war zu gut für diese Welt, darum nahm sie unser Herrgott zu sich in den Himmel, als die kleinen Junker, ihre Söhne, erst wenige Jahre zählten. Sie waren Zwillingsbrüder und hingen aneinander wie die Kletten; ivo der Eine war, konnte man sicher sein, auch den Andern zu finden. Und so zärtlich wie sie einander liebten, wurden sie auch von ihrem Vater geliebt; er machte in seinem Herzen keinen Unterschied. Aber so gut und lieb die Beiden waren, bereiteten sie ihm doch eine schwere Sorge, nämlich, daß er nur Einem sein Erbe hinterlassen tonnte; ich habe selbst gehört, wie er das ausgesprochen hat. Damals hatte mich der gnädige Herr gerade zum Parkaufseher gemacht. Der alte Parkwärter konnte seinen Posten nicht mehr recht versehen, und da war es ihm ganz recht, daß er eine junge, kräftige Stütze bekam. Ich zog zu ihm in das ParkhäuSchen, das ich seitdem nicht mehr verlassen habe. Unser gnädiger Herr hatte sich nach dem Tode seiner Ge mahlin ganz auf die Ringburg zurückgezogen; er konnte sich über den Verlust niemals trösten und ist auch in seinen besten Jahren gestorben. Seine Söhne waren für ihn Alles. Ein Tag verging wie der andere, ohne alle Abwechslung. Da kam eines Sommers ein alter Onkel zum Besuch, der Urgroßvater von dem schmucken Lieutenant Fritz ist's gewesen, ein guter, ehrwürdiger Herr. Er hat sich oft mit mir unterhalten und immer war er leutselig und freundlich. Einmal stehe ich hinter einer Taxushecke und ver schneid« die jungen Triebe, da kommt unser Herr mit seinem Gaste daher. Als sie sich nähern, höre ich den Herrn sagen: „Ja, lieber Onkel, Sie haben recht, es sind prächtige Burschen, einer wie der andere und sie sind mi, Beide gleich ans Herz ge wachsen. Darum aber mach«» sie mir doch schwere Sorge." Er seufzte tief und sein Onkel fragte theilnehmend: „Weshalb denn, mein Sohn? Ich kann nicht einsehen, wie Dir diese gesunden, tüchtigen Jungen Sorge machen können?" „Doch, Onkel! »ich', ich liebe sie Beide gleich und muß doch Einen um des Andern willen benachtheiligen, denn Herrendorf ist Majorat und nur der Aelteste kann es erben. Wären sie nicht Zwillinge, so würde ich mich eher darein finden, so aber quält mich der Gedanke unsäglich, daß Siegfried, der ja für den Aelteren gilt, es am Ende doch nicht ist und Günther seinetwegen vielleicht mit Unrecht benachtheiligt wird." „Bah, das ist ja dummes Zeug, mein Junge! Wie kannst Du Dich mit solchen thörichten Hirngespinnsten plagen! Vorläufig lebst Du ja noch und wirst hoffentlich noch viele Jahre leben und bist Du einmal todt, dann laß' Du ruhig die Gerichte be stimmen, welcher von Beiden daS beste Recht besitzt, Du kannst ver sichert sein, daß die nicht eher entscheiden, als bis die Sache klar liegt." „Das habe ich mir schon oft gesagt. Nun vergißt Du aber, daß ich als Familienoberhaupt vor meinem Tode den Ring des Zwerges an meinen Nachfolger zu übergeben habe; da stehe ich nun doch wieder auf dem alten Flecke." „Ha, ha, ha", lachte der alte Herr so herzlich, daß ich fast mit gelacht hätte; „da geht Dir's ja grade wie den weiland Zwillings- Zwergenprinzen, die sich auch keinen Rath mit dem Ringe wußten. Lieber Sohn, über diesen alten Aberglauben sollten wir doch heut' zu Tage fort sein! Na, ich bin nicht umsonst ein Nachkomme deS weisen Urahnen und ich gebe Dir den guten Ratk: Schenk den Ring fort und mach Dir weiter keine Sorge; in unserer Zeit ge schieht es nicht so leicht, daß ein Unberechtigter Erbschaften wie das Herrendorfer Majorat antritt." Der gnädige Herr schien ganz entsetzt. „Aber, Onkel, den Ring, der sich seit Jahrhunderten in unserer Familie befindet, dieses kostbarste Familienkleinod sollte ich leicht sinnig fortgebrn und damit den Traditionen unseres Geschlechts geradezu in das Gesicht schlagen?" „Nicht leichtsinnig, mein Sohn", sagte der alte Herr sehr ernsthaft und legte seine Hand auf den Arm des Neffen. „Nicht leichtsinnig! Denke ein ¬ mal noch — hat dieser Mng nicht schon unsägliches Un glück und sehr viel Gelegenheit zu Neid und Mißgunst in unsere Familie gebracht? E» wäre nicht Leichtsinn, e» wäre Verdienst, wenn dieses unglückselige Erbstück verschwände! Denn so lange dieser verhäng»ißvolle Ring existirt, werden die Herrendorfs in ihrem zähen Festhalten an alten Ueberlieferungen, trotz Recht und Gericht, nicht aufhören, sich durch ihu in ihrem Thun und Denken beeinflussen lasten." Der gnädige Herr schwieg und schien nachzudenken. Sie gingen weiter und ich hörte nichts mehr; aber was ich da eben ver nommen hatte, das ging mir im Kopfe herum Tag und Nacht. Ich hätte kein Herrendorfer sein müssen, wenn mich die Sache mit dem Ring nicht beschäftigt hätte. Jedes Kind kennt hier die alte Sage, in den Spinnstuben erzählen sie die alten Weiber dem jungen Volke und so vererbt sie sich fort, von Geschlecht zu Ge schlecht. Zu gern hätte ich erfahren, was unser Herr beschließen würde und eine seltsame Fügung war's, daß mein Wunsch er füllt wurde. Es vergingen Wochen nach der Abreise des alten OnkelS und eines Abends — Hochsommer war's gerade — streckte ich mich, nachdem ich den Tag über geschafft hatte, müde an dem Ufer des Baches ins Gras. Es >var noch nicht dunkel, aber doch Feierabend und ich konnte mir nach dem heißen Tage die Ruhe stunde gönnen. Ich lag da und träumte, dichtes Weidengestrüpp hing über mich nieder, Alles war ganz still ringsumher. Da hörte ich plötzlich Schritte; der gnädige Herr kam rasch heran. Dicht am Bache blieb er stehen, da hörte ich ihn sagen: „Ob es recht ist, was ich thue, mag Gott entscheiden, ich kann nicht anders handeln! Ich kann es nicht über mich gewinnen, einen meiner Söhne zu meinem Nachfolger zu bestimmen! Mein Gewissen würde mir keine Ruhe lasten bei dem Gedanken, daß ich möglicher weise in einem Jrrthum gewesen bin. Möge nun der Ring, der so Vielen zum Fluch geworden ist, von der Erde verschwinden, wie Onkel Herrendorf mir gerathen hat; vielleicht ist eS wirklich das Beste. Ich habe zum Andenken an das alte Kleinod gleiche Ringe anfertigen lasten und will jedem meiner Söhne einen geben, ehe ich sterbe; dabei will ich ihnen erklären, weshalb ich den wahren Ring verschwinden ließ und ich hoffe, sie werden meine Hand lungsweise verstehen und billigen." Ich hatte mich halb erhoben und sah durch die Zweige, wie er einen blitzenden Gegenstand betrachtete; soviel ich erkennen konnte, einen Ring. Da erklang es wieder: „So fahr denn hin, Du Wahrzeichen unseres Geschlechtes, ich opfere Dich dem Glück meiner Kinder." Er beugte sich über daS Master und im nächsten Augenblick fiel das Kleinod hinab. Ich hätte fast laut aufgeschrien, als ich das sah, aber ich besann mich noch rechtzeitig und verhielt mich still, bis der Herr gegangen war. Dann aber sprang ich auf, warf rasch die Kleider ab und stieg ins Wasser. Ich juchte und suchte, aber ich konnte nichts finden. Schon wollte ich die Hoff nung aufgeben, da schimmerte es mir von einer ins Master ragen den Weidenwurzel goldig entgegen, hastig bückte ich mich und da hielt ich ihn in der Hand, den sagenhaften Ring, von dem Jeder wußte und den doch Keiner gesehen hatte. Nachdenklich be trachtete ich ihn. Was sollte ich damit beginnen? Ihn wieder in den Bach werfen und dem Zufall überlasten, ob er jemal- wieder ans Tageslicht kommen würde? Nein, nein, das konnte ich nicht! Ich sah es als eine Fügung des Schicksals an, daß ich die That des liebenden Vaters hatte mit ansehen dürfen und das alte Familienkleinod vor dem Untergang zu bewahren. Ich nahm ihn mit mir und verbarg ihn sorgfältig, um —" „Und Du hast ihn wirklich, den echten Ring?" brach nun Hans Roland los, der gleich Inga mit wachsender Spannung gelauscht hatte, und sich nicht länger halten konnte. Der Alte öffnete einen Moment groß und erstaunt die Augen, er schien die Gegenwart ganz vergessen zu haben. Dann schloß er sie wieder unv winkte abwehrend mit der Hand. „Still, still! Habe ich nicht gesagt. Ihr sollt mich nicht unter brechen! Ich habe jetzt zum Glück nicht mehr viel zu sagen. Der gnädige Herr starb ganz plötzlich an einem Schlaganfall, und es schien wirklich so gekommen, wie er vorausgesehen batte. Fried lich und in Eintracht lebten die Brüder miteinander, bis sie sich verheiratheten und Jeder seinen Haushalt gründete. Ich vergaß dann fast auch diese Angelegenheit, bis plötzlich die schwarze Gnä dige auf der Ringburg erschien und die Geschichte mit dem Ring auf einmal wieder zu spuken begann. Die Dienstboten hören Mancherlei und hören Vieles, wovon die Herrschaft sich nichts träumen läßt. So hörte auch ich, daß die Gnädige behauptet hatte, den wahren Ring zu besitzen; aber ich lachte nur, ich wußte eS ja viel bester. Damals dachte ich daran, ob ich nicht dem jungen Herrn von dem Ring sagen sollte, aber ich überlegte zu lange. Als ich meinen Entschluß gefaßt hatte, war der Herr abgereist und kam nie wieder, im Kriege wurde er erschossen. Da beschloß ich denn, den echten Ring für mein Junkerlein zu bewahren; ihm wollte ich ihn geben, wenn er alt genug geworden, seine Reckte zu vertheidigen. Bis dahin wollte ich ihn langsam darauf vorbe-
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