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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189712312
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18971231
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18971231
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-31
- Monat1897-12
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1897
- Autor
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Vezug--Prei- I» der Haaptex-edition oder d« i« Stadt-_ bezirk und deu Vorort« «richtet« Ans- ^bestellen abgekolt: vierteljährlich ^i4ck0, tri zweiinaliaer täglicher Zustellung ins jyaus SsO- Durch dir Post bezogen für Drutjchloud und Oesterreich: vieneliadrtich v —. Direkte tägliche Krruzbaildienvuug in» Au-land: monatlich 7.S0. Tie Morgen-Au-gabe erscheint nm '/,7 Uhr, dir Abend-Au'-gäbe Wochentags um b Uhr. tledacnon »nd Lrpe-itio»: Johanne«,affe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm s Sortim. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 3 (Paulinurn), Laut» Lösche, Satdarinensrr. 1-, Part, uub KüuigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. KpMcr TagMalt Anzeiger. AmtsvM -es ÄömgNchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Notizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. N8 Freitag den 31. December 1897. An-ei-enPrei- die -gespaltene Pentzeile LO Pf-. Rrclumen unter dem RedortivaSsreich l4a«» spalten) bO 'L, vor den gamilieniiachtichtea lvgejpailen- 40/^. Grtcherr Schriften laut uuirrem Prois- verjeichniß. Tabellarischer und Zifferusap nach höherem Taris. csrtrar Beilagen (gefalzt), nur mit der Nvruea»Ausgabe, ohne Postbefvrderung ./« 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Änuahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Au-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je riu« halbe Stund« früher. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. Sl. Jahrgang. Rmrftsche Gasse 6 Herr Rrleär. Rtsvlier, Colonialivaarenhandlung, Ranstädter Tteinweg 1 Herr 0. LiiKeluumu, Colonialwaarenhandlung, Gchützenstratze 5 Herr öul. Zokümltiden, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 3» Herr ü. Vittrick, Cigarrenhandlung, Aortstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr R. Rörkoiü, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Vlagwitz Herr 6. OriitLwauu, Zschochersche Straße 7», - Reudnitz' Herr LuKmauu, Marschallstraße I, - - Herr Leink. >Vvkvr, Mützengeschäst, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr L. Rilutsck, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr (x. ^auwuuu, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das I. Vierteljahr 1898 baldgesälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 50 ^s, mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 50 ^s, durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn H In Leipzig nchmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johameesgaffe 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Universttätsstratze S, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. Llttvl, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr Ikeoü. keter. Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. R. 8ekukvrt's XLvktoiKvr, Colonialwaarenhandlung, frankfurter Straste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Rruur, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Lduarü Retrer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straste 45 Herr LI. L. Llkrvokt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Robert Oreioer, Zweinaundorfer Straße 18, - Eutritzsch Robert Lltuer, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Robert LRver, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr Ubert Lluüuer, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, ' - Neustadt Sekelt's ^nuoneeu-Lxpeällloll, Eisenbabnstraße 1, Anzeigen für die Frühnummer von Montag, -en 3. Januar, erbitten wir bis spätestens heute Abend 7 Uhr. Rudolf von Bennigsen. LS Heute legt Rudolf v. Bennigsen sein Amt als Ober präsident der Provinz Hannover nieder. Man kann sagen, oaß er damit gleichzeitig au« dem politischen Leben ausscheide, denn obwohl er sein ReichStagSmandat noch bis zum Schlüsse der Tagung beibcbält, wird er wohl nur selten noch in einem Parlamenie sich hören lassen, dessen Charakter durch feiu Präsidium sattsam gekennzeichnet wird. Nur wenn die Noch es erheischt, wird ihn sein nimmermüdes Pflichtgefühl veranlassen, noch bei wichtigen Entscheidungen zu erscheinen, um keine Stimme in die Waagschale des nationalen Ge dankens zu legen, für den er gewirkt hat in den mehr als l Jahrzehnten, in denen er eine politische Thäligkeit ausübte. Bennigsen'S Leben währt länger denn 70 Jahre, und da cS roller Mühe und Arbeit gewesen ist, so ist es nach dem Bibel worte köstlich gewesen. Es ist reich gewesen an mancherlei Ehren, reich aber auch an Berdruß und Enttäuschung, besonders in seiner amtlichen Stellung, die er beule rurläßt, schuf ihm der alte Haß der Welfen Ber ti uß und persönliche Kränkung. Ein welfisch gesinnter Mann aus einer Familie, Vie in der Geschichte deS Staates Hannover eine vcrhängnißvolle Rolle gespielt hat, erzählte rö einmal als ein besonders gelungenes Stückchen, daß Bennigsens welfische StandeSgenofsen ihn „geschnitten" I alten, als der Oberpräsident von Hannover vor einigen Jahren (1893) an der Beerdigung des Grafen v. Bennigsen l! eilnahm. Keiner, der zur Beerdigung herbeigeeilten Ge- u: nungSgenossen deS verstorbenen Grasen habe von dem Oberpräsidenten Notiz genommen. In den Angen seiner Sranbeszenossen war eben der hannoversche Adelige, der niik solchem Eifer den nationalen Gedanken verfocht und rin Amt von der preußischen Regierung annadm, ein Berrälber. Ein Berräiher aber ist doch nur der, der r ne verlorene Sache verläßt, um sich dem Sieger zuzuwendcn und von ihm den Lohn des Berrathes zu heischen. Bennigsen aber hat dem Welfentbum nicht erst die Fehde ange'ündigt, a!S die Sache de- hannoverschen Staate- verloren war. Er hat von Anbeginn an den Standpunct vertreten, daß Deutschland geeinigt werden müsse und daß Preußen die Rührung dabei zukomme. Er Hal dies zu einer Zeit gethan, al- der welfische Staat noch stark und Preußen noch schwach war. Er hat schon damit den Muth seiner Ueber- zcugung genugsam bewiesen. Aber er hat auch keinen Lohn von dem Sieger verlangt. Er, der sein Amt ausgegeben hatte, um für die deutsche Sache wirken zu können, wäre gewiß berechtigt gewesen, ein hohes Amt zu beanspruchen, alS da- deutsche Reich geeinigt war. Er batte damals bereit- 1'/, Jahrzehnte unermüdlich für diese Feitilleton. Lyloefterlauten. Novellrtte von Gerhard Walter. iitoLdnick dtrboien. Brausend ging der Jubel der Feiernden durch den Saal. Sylversterabend! ES war eine große Gesellschaft hier ver sammelt, aber alle, „die ein bischen was waren" im Dorf, hatten sich zusammengrthan. Auch etliche Damen waren dabei. Unter oen Herren fiel Einer auf, dem man auch im Gesellschaftsanzug den früheren Officier auf den ersten Blick ansoh. E« war rin junger Gutsbesitzer, der sich vor Kurzem hier angekauft hatte. — Alle hatten ihn gern. Besonders aber die hübsche Tochter de» Oberamtmannes, rin vielumworbenes Mädchen, die heute wieder einmal seine Tischdame war; ein gut gewachsene- und gut geartete-, blonde- Mädchen, der man eine bedeutende Mitgift nachsagte. Und man sagte auch, die könne der Premierlieutenant a. D. brauchen. Sie behaupteten, „der säße schwer". Aber den Hof machte er ihr nicht. „Sie sind heute so ernsthaft", redete da- Fräulein ihn an und berührte leicht seinen Arm mit dem Fächer, „am Sylvester- abend mutz man doch fröhlich sein!" Einigung gekämpft. Er war ein Mann von hoher Be gabung, ein Mann von Adel und stattlichem Grundbesitz, alt angesessen in der Provinz, die man gern versöhnen wollte, Führer der damals stärksten parlamentarischen Partei: wie hätte eS da bei so vielen Vorzügen, wie sie sich selten in einer Person vereinigen, ihm schwer fallen können, eine hohe Stellung in dem neubearündeten Reiche zu erlangen? Ader nichts lag Bennigsen ferner, als der Gedanke an seinen persönlichen Vortheil. DaS bewies er auch sieben Jahre später, als ihm Fürst Bickmarck einen Platz im preußischen Ministerium anbot. Auch damals dachte er zunächst nicht an sich, sondern an einige parlamentarische Mitstreiter, die ihm ebenso des Ministersessels würdig erschienen, wie er selbst. Und als ibn der Eintritt seiner Kampfgenossen inS Ministerium verweigert wurde, lehnte Bennigsen den eigenen Eintritt ab. Erst 11 Jahre später nahm er die Stelle eines Oberpräsidenten an, zu einer Zeit, wo eS ihm gerathen erscheinen mochte, daß Männer von hohem Ansehen ihre Opftrwilligkeit bewiesen, damit in dem neuen Regime auch dir Männer der alten großen Zeit nickt unvertreten seien. Die Hoffnung Bennigsen'S, daß er und der letzte Rest der „alten Männer" noch einen Einfluß aus die „neue Zeit" würden auSüben können, erwies sich als trügerisch, und er mag darunter mehr gelitten haben, als unter mancher anderen Enttäuschung seines Leben». Aber trotzdem hielt er nahezu 10 Jabre aus, und erst mit 73 Jahren vergönnt er e» sich, auSzuruheu vom politischen Kampfe. Der greise Staatsmann hat in den letzten Jahren wobl manchmal deu Vorwurf hören müssen, daß er alt geworden sei, auch innerlich. Er stecke noch immer in den Idealen, die nun doch schon langst erreicht seien, und er sei nicht mehr im Stande, neue Ideale zu erfassen und ihnen nachzustreben. Wer seine Thatigkeit genau verfolgt hat, wird diesen Vor wurf als berechtigt nicht avzuerkevnen vermögen. Berständniß- lo» hat er keiner Bestrebung der neuen Zeit gegenüber gestanden. Und wenn ihm diese nicht ideal genug erschienen, um sie mit seiner Kraft zu unterstützen, so lag die Schuld jedenfalls weniger an ihm, als an der Unklarheit und dem materialistischen Charakter der Bestrebungen. WaS ihn älter erscheinen ließ, als er innerlich war, da- war der Zwang, den sein Amt ihm auferlegte. Beim Eintritt in dasselbe war ihm volle Freiheit bei seinem Auftreten als Parla mentarier und Parteiführer garantirt worden. Aber al« Beamter durfte er sich nicht in Gegensatz zur Regierung setzen, Vie in ihrem Zickzackcurse häufig genug die Ziele aus dem Auge verlor, nach Venen er stets gerungen. Und al- Parlamentarier gegen das auszutreten, was er als Beamter zu vertreten sich genöthigt sah, widerstrebte seiner „Wen sollte Ihre Nähe nicht fröhlich stimmen?" sagte er freundlich und neigte sein GlaS gegen sie, in dem der erste Sect de« Abend- perlend schäumte; e» ging stark auf Mitter nacht. Da klang e- hell durch den Saal und daS Reden verstummte. Der Herr Oberamtmann hielt die Abschi ed-rede auf das alte Jahr. „Und, meine Herren", schloß er, „wir find alle Soldaten gewesen, und nach Soldatengewohnheit zerschmettern wir da- GlaS, aus dem wir diesen Trunk thun, zu des vergangenen Jahre- Ehre, und trinken dem neuen Jahre aus neuem Kelch zu. Der letzte Trunk soll heißen: des Vaterlandes Heil! Deutschland hoch!" Brausend und jubelnd scholl es durch den Saal; und dann plötzlich Klirren und Klingen und Svlittern, und um den Ofen häuften sich die glitzernden Scherben. Auch einige junge Mädchen hatten r- den Herren nachgemacht unter lautem oder leisem Protest der Mütter — nur Einer stand aufrecht da, sein geleerte- GlaS hoch in der Hand: der einstige Premierlieutenant der Linie, Herr Sandes. Artig neigte er sich gegen seine Nachbarin, die'mit leerer Hand dafiand und ihn verwundert ansah. V „Sie nicht?" fragte ste erstaunten Tone-. „We alter Soldat?" „Nun, Herr Sander», was ist denn da»?" riefen wahrere Stimmen. einheitlichen Natur. So mußte er als Parteiführer Manches ungesagt lassen, WaS man von ihm erwartete. So oft er aber noch in neuerer Zeit als Parlameuksredner auftrat, nie ließ er den weilen Blick, die ruhige Besonnenheit des UrtbeilS und daS Feuer der Beredsamkeit vermissen, die ibn von jeher ausgezeichnet halten und ihm stet- die Aufmerksamkeit auch seiner Gegner sicherten. Als solcher bat er auch zuweilen dem Fürsten Bismarck gegenübcrgestanden in einer Zeit, da dieser auf das Centrum sich stützen zu müssen glaubte. Niemand aber bat bereit williger alS der Schmied der deutschen Kaiserkrone anerkannt, daß seine Ziele und die Bennigsen'S die gleichen waren; Niemand hat öfter und freundschaftlicher die hohen Ver dienste des gelegentlichen Gegners gerühmt, als der Alt reichskanzler, der am 10. Juli 1894 dem Oberpräsidenten von Hannover zu seinem 70. Geburtstage folgende Zuschrift sendete: Geehrter Freund I Im Rückblick auf unsere langjährige gemein same Arbeit an der nationalen Wiedergeburt unseres gemeinsamen Vaterlandes bitte ich Sie, zum heutigen Tage meine herzlichen Glückwünsche entgegenzuuehmen. Wir sind nicht immer in dem selben Gleise gefahren, aber unser Ziel war das gleiche. Daß wir die annähernde Erreichung desselben noch beide erlebt haben und ich Ihnen heute meine Glückwünsche und meinen Tank für Ihre Mitarbeit noch lebend übermitteln kann, gereicht mir zur besonderen Freude. Ich bitte Sie, mir auch in der Zukunst, die jedenfalls kürzer sein wird als die 70 Jahre, die wir gleichzeitig lebten, das Wohlwollen zu bewahren, welches gemeinsame Arbeit uns al» Er» grbniß des Vorlebens gegenseitig geschaffen hat. Der Ihrige von Bismarck. Auch die Geschichte wird ihm die Gerechtigkeit der An erkennung nicht versagen, daß kein deutscher Parlamentarier und Parteiführer den Auf- und Ausbau de« großen nationalen Werkes Bismarcks so rege und selbstlos gefördert hat, wie er. So wirb sein Name mit dem deS ersten deutschen Kanzler- verbunden bleiben für alle Zeit. DaS mag ihn trösten über den Undank so vieler Mitlebenden. Wir aber wünschen im Interesse unsere- Vaterlandes nichts sehnlicher, alS daß recht viele von Denen, die über den „alten Mann" glauben zur Tagesordnung übergeben zu können. daS in ihrem Leben leisten möchten, was Rudolf von Bennigsen geleistet bat. Niemand würde sich mehr darüber freuen alS er selbst, dem das Wobl des Vater landes stets über seine Person ging. Fragte man ihn, ob er den Gedanken ertragen könnte, rasch in Vergessenheit zu gerathen um deu Preis, daß in den nächsten Jahren hundert andere Männer auferstünden, die den Glanz seines Namen- Er lachte, aber immer gezwungen: „Nehmen Sie an — ein Gelübde!" „Ah!" klang es aus dem Munde der Damen. „Ja, dann freilich!" polterte der Oberamtmann. „Na, können Sie uns da- nicht erzählen? DaS läßt sich ja hoch romantisch cm!" „Vedaure —- nein!" antwortete er artig; und dann war er wieder der liebenswürdige Cadalier seiner Dame; aber es lag doch etwas seltsam Kaltes in der Art, wie er sprach und sie dabei ansah. Sie hatte ihn zu sehr lieb, und machte kaum ein Hehl daraus, aber sie hatte zugleich eine Art geheimer Angst vor ihm, er hatte doch so etwas Unnahbares Der Zeiger rückte vor. Er stand dicht vor 12. Die Stimmen wurden lauter, die Stirnen gerötheter. Die Damen fächelten sich heftiger Kühlung zu; da neigte sich Fräulein Grethe Dehnhart übermüthig zu Herrn Sanders und hielt ihm ihren Sectkelch hin: „Nun zum letzten Schluß: auf das Wohl Derer, die Sic lieben!" rief sie zweideutig und sah dabei wirklich sehr reizend und unternehmend aus. Er warf den Kopf in den Nacken, und seine stahlgrauen Augen schauten sie ernsthaft streng an. ES lag etwa- wir ein plötzlich geweckter tiefer Schmerz in diesem Blick. So hob er sein GlaS und stieß an da- ihre; dann senkte er den Blick in de» perlenden Kelche» Lies« und hob ihn langsam zum Mund« durch ihre Leistungen verdunkelten, so würde er sicherlich mit herzlicher Freude auSrufen: „Vivant seguentes"! Wir aber fürchten, daß so bald auch nicht Einer sich findet, der ihn völlig zu ersetzen vermöchte, und daß gar rasch die Zeit kommen werde, in der nicht nur die alten Freunde, sondern auch viele seiner alten Gegner mit schmerzlicher Sehnsucht rufen werden: „Ist kein Bennigsen da?" Stillstand der Socialpotitik? ii. LS Neben der Schutzbedürstigkeit der im Hausgewerbe beschäftigten weiblichen und jugendlichen Personen ist in den letzten Jahren namentlich die der weiblichen Angestellten in Verkaussläden Gegenstand der Erörterung gewesen. Wie die im Reichstage eingebrachten socialpvlitiscken natio nalliberalen Anträge dem zuerst genannten Bedürfnisse ent- gegcnzukommen und auch die ArbeitSverhältniffe erwachsener männlicher HauSarbeiter zu bessern versuchen, ist vor einigen Tagen hier dargelegt worden. Der Ucberblirdung der Ver käuferinnen abzubelfen, ist eine nicht minder schwierige, aber gleichfalls dringliche Aufgabe. DaS Arbeilerschutzzesetz von 1891 behandelt in seinen Be stimmunzen über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe männ liche und weibliche Angestellte gleich. DaS liegt in der Natur der Sonntagsruhe sowohl als deS Ladengeschäfte-. Für die WerkiaAsardeit aber empfiehlt sich, da die Verwirklichung des auf geietzliche Einführung des Acht-Uhr-Abendschlusse- ge richteten Planes noch in weiter Ferne steht, eine Differenzirung, die Vie Freunde jene» Projekts als Abschlagszahlung be- trachten mögen. Der nationalliberale Entwurf verzichtet auf die Festsetzung einer Scklußstunde auch für die Verkäuferinnen, er schreibt aber vor, daß den weiblichen Bediensteten in offenen Verkaufsstellen (also nickt nur der lediglich mit der Bedienung der Kundschaft beauftragten weiblichen Angestellten) eine un unterbrochene Nachtruhe von mindestens zehn Stunden ae- slattet werden muß. Die Ladenbesitzer, für die diese Be stimmung praktische Bedeutung hat, sollen also die Wahl haben, ob sie da- Gesetz durch frühere Entlassung ihrer weib lichen Hilfskräfte am Abende oder durch bereu spatere Be schäftigung am Morgen erfüllen wollen. Die Uebunz würde sich nicht nur in den verschiedenen Gegenden deS Reiche«, sondern wohl auch in jeder großen Stabt — je nach der Branche — verschieden gestallen. AuS letzterem Grunde dürsten sich der überwachenden Thäligkeit der AussichlSbeamten große Schwierigkeiten in den Weg stellen, uud tS fragt sich, ob den Gemeinden nicht die Befugnitz eingeräumt werben soll, deu und trank ihn langsam schlürfend leer; plötzlich warf er ihn im weiten Bogen über dir Tafel weg ar O'-c. oaß er klirrend zersprang und zersplitterte. Fräulein Grethe starrte ihn fassungslo» an Ec war wß geworden und hielt die Lippen fest zusammen ^reßt. „Donnerwetter, Sander-, was soll denn das ^>iede- tirißeu rief es im wirren Chor. „Vielleicht ebenfalls ein Gelübde!" sagte er luhiu lach-«- Fräulein Grethe war den Rest des Abends sehr ,, Sanders war liebenswürdig wie immer. Und ab c b draußen die Glocken hallend zusammenschlugen, und ne: Jahr init heftigem Gratuliren und Jubelruf begrd war empfahl er sich. „Ich muß morgen zeitig verreisen!" sagte et, fick v. Fräulein Grete verneigend. Sie preßte die Fing« uiii dcn Grift des Fächers und grüßte ernsthaft zurück. Draußen war's eine kalte, klare, stille, sternglitzernd' Win c nacht. Langsam ging er seines Weges. 'Am Bahnübergang setzte er sich auf das hölzerne Geländer. Mächtig und fei- ' schallte der Dreiklang der Glocken über'S Feld. Er hatte Vir Hände gefaltet und sagte leise: „Maria! Aber er meinte ein irdisches Weib. Und in heißem Sehnen gingen seine Gedanken zurück in vergangene Zeit. Maria war seine Jugenvaespielin, und al» Fähnrich hatte er sie angebetet. Dann waren st« einander au» den Augen geksm»
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