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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980111029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-11
- Monat1898-01
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Die Finanzlage des Staates hat sich seit der letzte» Tagung, namentlich infolge der anhaltenden Steige rung der Erträgnisse aus den meisten Staatsbe trieben, fortgesetzt günstig gestaltet. DaS am l. April v. I. abgeschlossene Rechnungsjahr hat einen höheren Ueberschuß als das Vorjahr ergeben. Ebenso kann für das laufende Rechnungsjahr ein erheblicher Ueberschuß, wenn auch nach den bisherigen Schätzungen nicht in gleicher Höhe, erwartet werden. Der Staatshaushaltsetat für 1898/99 hält in Einnahme und Ausgabe das Gleichgewicht. Die gesteigerten Einnahmen haben es gestattet, für fast alle Zweige der Staatsverwaltung Mehraufwendungen in größerem Umfange in Aussicht zu nehmen. Bei reichlicher Bemessung der Mittel zur Deckung dauernder Ausgaben haben ins besondere die einmaligen und außerordentlichen öffent lichen Bedürfnisse eine weitgehende Berücksichtigung finden können. Der Ihnen alsbald zugehendc Ent Wurf eines Gesetzes, betreffend den Staatshaushalt, wird die gesetzliche Feststellung von Grundsätzen für die Veranschlagung, Führung uud Controls des Staatshaushalts Vorschlägen. Der Ent wurf steht überall auf dem Boden des verfassungsmäßigen RechtszustandeS; er beabsichtigt im Wesentlichen, Grund sätze zusammenzufassen und auszugestalten, die schon seither bei der Verwaltung der Einnahmen und Aus gaben des Staates, theils im Anschluß an Verwaltungs vorschriften, theils in tatsächlicher Uebung befolgt, in ejnzeluen Frage» auch bereits mit dem Landtage vereinbart worden sind. Die gesetzliche Festlegung dieser Grundsätze wird dazu dienen, die Sicherheit und Gleichmäßigkeit ihrer Handhabung zu gewährleisten und mehrfach hervorgetretene Zweifel und Schwierigkeiten zu beseitigen. Nach den bisherigen Erfahrungen stehen die durch die Stellung der AmtScautionen dem Staate erwachsenden Vortheile nicht in richtigem Verhältnisse zu den Kosten und Weiterungen ihrer Verwaltung und den wirtschaftlichen Lasten, die dadurch den Beamten auferlegt werden. Es soll daher die behuss Sicherung der Ansprüche deS Staates bestehende Verpflichtung der Beamten zur Stellung von Cauticnen im Wege des Gesetzes allgemein aufgehoben und damit eine erhebliche Erleichterung der betreffenden Beamtenclassen herbeigeführt werden. Ihre verfassungsmäßige Mitwirkung wird zu einer Neu- regulirung und Verbesserung deS Diensteinkommens der Geistlichen beider Confessionen in Anspruch genommen werden, welche nicht ohne Bereitstellung weiterer staatlicher Mittel zu erreichen ist. Die Stellung der Privatdocenten an den Universitäten entbehrt zur Zeit der gleichmäßigen und zum Theil überhaupt einer ausreichenden rechtlichen Grund lage, so daß eine gesetzliche Regelung dieser Verhältnisse an gezeigt erscheint. Wegen Erweiterung deS Staatseisenbahnnetzes, Förderung der Kleinbahnen und Verbesserung der Woh nungsverhältnisse ständiger Arbeiter und unterer Beamten wird Ihnen auch in dieser Tagung ein Gesetz entwurf vorgelegt werden. Die erfreuliche, insbesondere seit Errichtung der Centralgenossenschaftscasse in raschem Fort schreiten befindliche Entwickelung des Genossenschafts wesens macht eine nochmalige Erhöhung des Grund kapitals der Casse erforderlich. Diese soll hierdurch in den Stand gesetzt werden, noch mehr als bisher den An sprüchen der sich ununterbrochen vermehrenden wirthschaft- lichen Organisationen der Mittelclassen in Stadt und Land zu genügen. Zur Fortführung des Ansiedelungswerkes in den Provinzen Posen und Westpreußen wird eine Er höhung der durch Gesetz vom 26. April 1886 bewilligten Mittel begbsichtigl. Ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen »»verweilt zugehen. In großen Theileu der Provinz Westfalen und einiger angrenzender rheinischer Kreise entspricht die Einführung eines unmittelbaren gesetzlichen Anerbcrbenrechts den Nechtsanschauungen, Erbgewohnheiten und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Es ist deshalb eine Aus dehnung des gesetzlichen Anerbenrechts auf diese Gebiete in Aussicht genommen. Die durch Hochwasser in verschiedenen Theilen des Landes letzthin herbeigeführten beklagenswerthen Verheerungen haben das landeöväterliche Herz Seiner Majestät deS Kaisers und Königs tief bewegt. Die Staatsregierung hat die zur Linderung der ersten Noth und behufs Ausführung der un aufschiebbaren Herstellungsarbeiten notwendigen Maß nahmen ungesäumt getroffen und die sogleich erforder lichen Mittel, in Voraussetzung der verfassungsmäßigen Zustimmung des Landtages, flüssig gemacht. Nach dem es hierdurch mit Hilfe der aus allen Theilen Deutschlands eingeganzenen, überaus dankenswerten reichen, Spenden gelungen ist, dem dringendsten Bedürfniß vorläufig abzuhelfen, bedarf es nunmehr noch der Bereitstellung weiterer öffentlicher Mittel zur Beseitigung der Verheerungen und ihrer Folgen. Ein hierauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen unterbreitet werden. Zur dauernden Sicherung der betreffenden Landcstheile gegen Ueberschwemmungsgefahrcn sind Erörterungen eingeleitet, welche die Regulirung der in Betracht kommenden Flußläufe, deren planmäßige Unter haltung, sowie sonstige, eine geregelte Wasserabsührung er leichternde Einrichtungen bezwecken. Meine Herren! Wichtige Aufgaben harren der Lösung. Die Regierung Seiner Majestät rechnet dabei auf Ihre ver- ständnißvolle, patriotische Unterstützung. Möge die gemein same Arbeit auch in dieser letzten Tagung Ergebnisse zeitigen, die dem Vaterlande zu dauerndem Segen gereichen. Auf Befehl Seiner Majestät deS Kaisers und Königs er- kläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet." Da es die letzte Session vor den Neuwahlen ist, die mit dieser Rede eröffnet worden, so ist es begreiflich, daß die letztere einen streng geschäftsmäßigen Charakter trägt. Vor wiegend geschäftsmäßigen Charakters sind auch die an gekündigten Vorlagen der Regierung. Diese hat sich offenbar vorgesetzt, in dieser Session die „Politik der Sammlung" weiter zu betreiben, und darum ausgeschieden, was tiefgreifende Gegensätze gerade zwischen den Parteien Hervorrufen könnte, die einst im Cartell zusammenstanden. Das Vereinsgesetz ist in die nächste Legislaturperiode ver wiesen, die unabweisbar gewordene Wahlreform auch, der Mittellandcanal anscheinend ebenfalls. Aber auch so enthält das Material noch immer Anlaß genug zu kritischen Auseinandersetzungen. Ausfallen muß es zunächst, daß die preußische Thronrede die durch Ueberschwe mm ungen herbei geführte Nothlage, die in der sächsischen Thronrede in erster Linie betont wurde, erst in letzter erwähnt und Maßregeln zur Lin derung und Verhütung künftiger Verheerungen erst am Schluffe in Aussicht stellt. DaS wird Anlaß geben zuVergleichungen,die nicht zum Vortbeile der preußischen Regierung ausfallen werden. Auch die Versicherung der Thronrede, daß die zur Linderung der Noth uotbwendigen Maßnahmen „ungesäumt" getroffen worden seien, wird auf ihre Berechtigung untersucht werden. Zu kritischen Auseinandersetzungen wird ferner dasStaatS- haushaltsgesetz führen, das,unter dem Namen „Comptabi- litätSgrsetz" bekannt, ursprünglich nur von liberaler Seite, zu letzt aber von allen Parteien gefordert wurde. Es wird von ihm gesagt, daß eS im Grunde nur die Codification dessen sei, was bezüglich der Verwendung der Fonds in den verschiedenen Verwaltungen, der Behandlung unvorher gesehener Ausgaben, Niederschlagung von Dcfecten, Erlaß von Leistungen an den Staat u. s. f. parlamentarischer Brauch .sei. Parlamentarischer Brauch war eS aber auch, eine Anzahl etatsrechtlicher Streitfragen bis zur Ent scheidung eben über das Staatshaushaltsgesetz zu vertagen. Andererseits ist klar, daß der Abschluß der preußischen Finanz reform durch dieses Gesetz eine feste Abgrenzung nach dem Reiche bin und die ReichSfinanzreform immer dringlicher macht. Also ist auch schon hier Stoff zu kritischen Er örterungen in ausreichendem Maße vorhanden. Befestigt wird die Stellung der Regierung durch die als geradezu glänzend angekündigte Finanzlage. Sie ermöglicht die Fortführung der Schuldentilgung, die Ausbesserung der Gehälter für die Geistlichen, die Fürsorge für die Ueber- schwemmten, den Ausbau des Sccundärbahnnetzes, dieFörderung der Kleinbahnen, die weitere Ausstattung der Centralgenossen- schaftöcasse, die Förderung versäumter Culturaufgabeu, so des Fach- und Fortbildungsschulwesens. Dadurch ist die Regie rung in der Lage, mehr als bisher für die Förderung de. Staatseisenbahnbetriebes zu thun, die Bahnhofs- und Glei-: anlagen insbesondere in den Industriebezirken zu vergrößern und durch Vermehrung deS rollenden Materials in weitesten. Umfang den durch den gewerblichen Aufschwung herbeigeführten Verkehrsbedürfniffen Rechnung zu tragen. Vor Allem wird abe. dadurch die Maßnahme gerechtfertigt,'die ein wesentlicheSGlie, in der Kette der Aufgaben ist, die der preußische Staat al deutscher Staat in der Ostmark zu erfüllen hat: die weiter. Ausstattung der Ansied elungScommission mit einem Fonds von 100 Millionen Mark, um den polnischen Grund besitz mit deutschen Bauernansiedelungen zu durchsetzen. Gerade in dieser Frage kann die Regierung auf die ver ständnißvolle Mitwirkung der überwiegenden Mehrheit dc-- Abgeordnetenhauses rechnen, freilich auch darauf, daß die äußerste Linke und das Centrum unter Ausnutzung deö in Folge der Anwesenheit des Erzbischofs von Stad lewSki in Berlin hervorgerufenen Mißtrauens alle Minen dagegen springen lassen werden. Vom Centrum ist außer- dem ein geschlossener Aufmarsch alter und neuer „ParitätS klagen" zu erwarten. Ob die „Politik der Sammlung' gegen diesen Andrang und auch sonst sich fruchtbar erweisen wird, hängt ganz wesentlich davon ab, ob in der kommenden Session nachgeholt wird, was in der letzten versäumt worden ist: eine klare und unzweideutige Erklärung der Regierung, dag sie extravaganten und einseitigen Forderungen deS demago gischen Argrariertbums entschieden entgegenzutreten ge willt sei und ihnen gegenüber unentwegt auf dem Standpuncle deö Ausgleichs der wirthschaftlichen Interessen beharren werde. Ohne eine solche bestimmte Erklärung bleibt die „Politik der Sammlung" eine Illusion, die lediglich von der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe dazu ausgebeutet werden wird, in den Reihen der preußischen Conservativen Ver Wirrung zu stiften und mit ihrer Hilfe auch bei den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhause mittelparteiliche, auf dem Boden eines solchen Ausgleichs stehende Candidaten zu verdrängen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. Januar. Herr Eugen Richter hat neulich in seiner „Freis. Ztg." den Erfolg der deutsche» Politik in Lstasicn als gering fügig bezeichnet. In Frankreich denkt nian über diesen Erfolg anders. Der „Figaro" z. B. schreibt: „Einige Publicisten spreche» von einem halben Erfolge der deutschen Politik. DaS ist falsch, denn Deutschland hat mehr er langt, als eö ursprünglich hatte haben wollen. Es verlangte nur eine Kohlenstation und es besitzt jetzt die Herrschaft über ein gewisses Territorium. Wir unsererseits würden uns glücklich schätzen, wenn unsere französische Diplomatie uns öfter solche „halben" Erfolge erringen ließe, wie dies einer ist." Bescheidenheit ist gewiß keine der hervorstechendsten Eigenschaften der Franzosen; wenn diese also zufrieden wären, Erfolge zu erringen, wie Deutschland einen in China errungen hat, so kann man in Deutschland sicherlich mit den Leistungen der deutschen Diplomatie zufrieden sein. Jedenfalls stimm: auch die französische Socialdemokratie mit dem „Figaro" überein, wenn sie nicht gar den Wunsch hegt, von der eigenen Regierung mit noch größeren Er folgen auf überseeischem Gebiete überrascht zu werde». Feuilleton. Kampf und Entsagen. 7j Roman von M. von Eschen. Nachdruck verbot!». „Gralulire, lieber Weilar, das ist hier — Ihr Wolf", fällt die Hattenbach, eben nur grimmig daran denkend, daß der Generalstäbler für ihre Töchter nicht zu haben ist, spöttisch ein. Es ist ein Scherz, natürlich. Aber er bringt die Haupt männin in Erregung. „Warum nicht gar, Excellenz!" Die Excellenz aber lacht triumphirend auf. Ehe Lilian abermals zu dem Bewußtsein kommt, daß sie an einer merkwürdigen Zerstreutheit leidet und wieder fragen muß, um sich in der Unterhaltung zu orientiren, erscheint Alvens- lohe, zu spät, um noch mit Fräulein von Dernburg zu reiten. Er bietet Lilian eine zarte, duftige Papierhlllle, die etwas Zartes, Duftigeres noch birgt, und murmelt ein paar Worte, aus denen man ein „Verehrung zu Füßen legen" heraushört. Es sind ein paar Marschall-Niel-Rosen, selten schöne Exem plare, die zur Zeit mehr kosten, als der Hauptmann für ein Familienmittageffen anzulegen in der Ordnung finden würde. Er sieht aber auch diese Extravaganz nur als die Einlage für ein seiner Zeit zinsentragendes Geschäft an. „Da kommen meine Mädchen!" Die Generalin legt ihre Hand auf Bodo's Arm: „Sie sollen mir sagen, Herr von Mangern, wie Fredda ihr rothbraunes Reitkleid steht." Mangern ist als geschworener Junggeselle gewohnt, von allen Müttern als „intakt" behandelt zu werden. Was jede um so lieber thut, als er immerhin für den etwaigen Fall — Aus nahmen sind doch nicht unmöglich — eine brillante Partie bleibt! Außerdem aber hat er Geschmack und sein Urtheil fällt ins Gewicht. Bodo aber amüsirt es, diese Frauen, die sich schon genugsam selber ärgern, gleichfalls mit versteckten Nadelstichen aufzubringen. „Famos! Fräulein Fredda sollte immer zu Pferde er scheinen! Brillante Figur! . Wunderwerk von einem Schneider! Eh!" Die Betonung läßt außer Zweifel, daß er damit andeuten will, worüber alle Welt staunt; nämlich über die hageren, eckigen Gestalten der Hattenbach'schen Töchter auf dem Ball und deren wunderbare, schlanke, doch üppige Figuren im Tattersall. So lacht denn Alvenslohe trotz seiner Correctheit gerade heraus. Tante Weilar bemüht sich, ein Lächeln zu verkneifen. Mangern sieht ganz unschuldig erstaunt darein, wer denn eigent lich etwas zum Lachen gesagt habe. — „Gehen wir", meint Lilian, der die Unterhaltung unangenehm wird, um so mehr, als sie wieder die Blicke jenes Unbekannten auf ihrem Antlitz fühlt. „Nein, danke" — das gilt Alvenslohe — „Sie müssen noch bleiben. Wir haben einen Wagen bestellt." „Bleiben — rar machen", raunt Mangern dem Hauptmann zu. „Kurzer Zügel. Paßt auch für Frauen. Pferde und Frauen. Na, verstehen Sie doch Scherz, Excellenz ist ärgerlich!" Damit hält Mangern den Hauptmann zurück, gleichgiltig, ob diesem der Scherz paßt oder nicht. „Gnädige Frau" -- ehe noch Lilian den Fuß auf das Tritt brett des Wagens gesetzt, klingt des Unbekannten Stimme nahe ihrem Ohr. Unwillig will die junge Dame den Kopf schütteln — was kann der Mensch in dem zugeknöpften Rock mit ihr zu thun haben? Da sieht sie in seiner Hand den goldenen Reif, den sie trägt bei Tag und bei Nacht, zur Erinnerung an irgend wen — irgend Etwas. — „Gefunden", sagt der Mann mit athemsuchender Stimme noch. Es scheint, es ist ihm nicht leicht geworden, die junge Dame einzuholen durch die hindernde Menge. „Ah — danke!" Lilian nimmt den Reif. Dann — nein — Jedem reicht man die Hand nicht für einen Dienst. Und Fräulein von Dernburg läßt die schon gehobene Rechte wieder sinken. Doch sie sieht ihn an. Einen Augenblick ruhen Beider Blicke ineinander. Dann zieht er den Hut. „Schade", murmelt Lilian nach einer Weile, während sie dahinrollt, „der Mann hat ein Auge, als ob — als ob er etwas Anderes in sich trüge, als die Anderen." Schweigend sinkt das Mädchen in die Kiffen des Wagens zurück. Auch Tante Weilar verhält sich still. Gleich einem fatalen Kobold beginnt der Märchenprinz in ihrem Denken zu spuken. Gewiß, die Hauptmännin war gutmüthig; sie konnte sogar aufopfernd sein. Aber sie hatte, wie Jeder und Jede, ihren sterblichen Punct. rd Die kleine Frau möchte den Sohn für sich behalten. — Doch wenn es einmal sein muß, dann soll er wenigstens eine Andere heimführen, als ein Mädchen ohne jeden Pfennig, ohne jegliche Familienconnexionen. Er und auch sie hatten reichlich Lehrgeld für die Kenntniß des Lebens bezahlt. Man war aus dem geräuschvollen Theil des Westens in sein stilleres, vornehmeres Viertel gelangt. Merkwürdig, die Damen erschraken beinahe, als der Wagen jetzt in die ruhigen Straßen einfuhr. Dann aber schien es, als ob, wie die brandende Be wegung draußen zurückblieb, auch ihre Gedanken mit der ge wohnten Umgebung in das gewohnte Gleis zurückkehrten. „Ah bah!" Lilian fuhr mit den feinen Fingern über die Stirn. „Tante Weilar, ich lade Sie heute Alle zum Souper bei Dressel ein." „Welch eine reizende Idee!" „Gehen Sie so gern? Dann hätten wir ja längst einmal das Vergnügen haben können", meint Lilian, amüsirt über die Wärme und das Entzücken der kleinen Frau. „Daß Sie so liebenswürdig sind, Lilian, freut mich so." Einer plötzlichen Wallung folgend, reicht sie der jungen Dame beide Hände. „Möchten wir doch noch recht oft und lange zu sammen sein!" Zum ersten Mal, seitdem sie zusammen sind, meint die Hauptmännin, daß auch der letzte Nest von einem gewissen Etwas, das, ob sie auch die schätzenswcrthen Eigenschaften Lilian's anerkennt, keine volle Sympathie zwischen ihnen auf kommen ließ, oder dieser im Wege blieb, noch einmal ganz ver schwinden könne. Und wenn Wolf doch einmal Da hält der Wagen, Lord reckt die Glieder; die Damen fahren lachend auseinander, und die verwöhnte Dogge springt, Jeden zur Seite drängend, zuerst hinaus. VII. An demselben Tage nun in der Frühe, ehe sich die Anderen dem Schlafe entwanden, hatten Wolf und Helja, wie gewöhnlich, miteinander gefrühstückt. Helja besaß eine so nette Art, das Amt der Hausfrau zu üben — Wolf hätte nie gedacht, daß er diese Morgenstunde je wieder ohne sein Mütterchen hätte lieb gewinnen können. „Das Beste vom Tage ist unser Anfang hier", erklärte er eben. Helja lachte, wobei die gleich Perlen aneinander gereihten Zähne unter den jetzt viel wärmer gefärbten Lippen hervor schimmerten. „Ein solides Frühstück, damit hält es der Engländer. Er meint, daß ihm, auf diesen Grund gebaut, sein Tagewerk um so viel besser gelingt." Fräulein von Hausen präsentirt dem Major eben ein von seiner Schale befreites Ei, ein Kunststück, da das Weiße nur so weit gekocht ist, daß es eben den weichen Dotter festhält. Vergnügt blinzelt der Generalstäbler darauf nieder. Gerade so liebt er die Eier als Zukost beim Thee. „Das allein thut es aber doch nicht!" Er sieht nun mit Wohlgefallen auf das junge Mädchen. „Was Sie für eine geschickte und hübsche Hand haben, Fräulein Helja!" Dabei hält er ihre Hand in der seinen fest. „Na, wie ich meine Hände auch jetzt schonen kann!" Er lächelt von Neuem. Diesmal über des Mädchens einfache Natürlichkeit. „Hatten Sie cs denn so schlimm?" fragt er theilnahmvoll. „Ich lebe jetzt wie in einem Märchen. Nur daß mein Mütterchen " „O, wir wollen Alles thun, Ihnen die Verlorene zu ersetzen", unterbricht er schnell. Er kann nicht sehen, wenn Thränen ihre Augen trüben. Und Heller werden sie sofort. „Ja, Sie sind gut, und Ihre Frau Mama, Tante Weilar, 's ist eben wie im Märchen! Märchen aber habe ich als Kind schon lieb gehabt. Ich iveiß noch ganz genau, ich war stets furchtbar unglücklich, wenn cs hieß, ja nun ist es aus. Etwas Schönes sollte niemals zu Ende gehen!" ! Armes, liebes Ding! Wolf sagte es nicht, aber er dachte es. Zärtliches Mitleid sprach dabei aus seinen Augen, die mild und freundlich ihr entgegenleuchteten. Ein leises Roth huschte über Helja's Gesichtchen, ihre Lider senkten sich. Die Uhr schlägt auf dem Bord drüben an der Wand. Es ist Zeit für Beide zum Gehen. Voll mit goldenem Schein fluthete draußen der Morgen um die Häuser, die Gitter der Balcone und die kleinen Gärtchen, verheißungsvoll glänzten die braunen Knospen an Bäumen und Gesträuch. Fröhlich piepten es die Spatzen einander zu, daß der Lenz in das Land kommen wollte. „Herrlich, unser Gang jeden Morgen!" Wolf beugte sich zu Helja nieder. „Wir sind die Einzigen im Haus, die etwas zu thun haben." „Ja, wir haben Pflichten. Aber Sie lieben sie jetzt, Ihre Musik?" Die grünblauen Augen schimmerten erstaunt zu ihm auf. — Als ob sie die Musik nicht immer geliebt hätte! — Ach so, die Musik als Berufsthätigkeit hatte er gemeint. „Doch ja, gewiß, ich mag jetzt Alles. Das Leben ist so schön!" bekannte sie mit Enthusiasmus. „Bravo!" lachte Wolf. Was haben Sie denn in der Mappe? Was haben Sie für heute geübt?" Wolf hat wenig Zeit in seiner Jugend gehabt, sich um Musik zu kümmern. Helja mußte ihm erklären, was Schn-
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