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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980228012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-28
- Monat1898-02
- Jahr1898
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.W 105 Dl» Morgen-Ausgabe erscheint um '/«? Uh«, dk Abend-Ausgabe Wochentag» um b Uhr. ^l tz—. Dtrerte »glich» Krenzbandler int An-land: monatlich 7.SO. Nttartion und Lrvttitio«: S<h«A«e»8>ffr 8. Di» Expedition ist Wochentag» anunterbroche» Ht0fstt»t von stütz 8 bis Abend» 7 Uhr. Filiale«: ktt» Klemm's Eortim. (Alfrek Hahn), UniversttätSstraße 3 (Paulinum), LoniS Lüsche. Datbarineuktr. 14» -ok. mch Küm-Splatz li. VezugS-Prei- D» tz« Hauptexpedttion »der den lm ktak^ k»tirk nnd den Normten errichteten A«S- aobesttlleN «bgtdolt! »1etteljLhtlsch^l4.bO, bei «weimaltaer »Mer Zustellung in« vaui 5.SO. Dürch die Post bezogen für Deutschland »Ntz Otstetreich: dirrteljäylich "» Menzbandlmoung Morgen-Ausgabe. KiMer.. TagMM Mzeiger. , Amtsblatt des Königliche» Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Montag den 28. Februar 1898. Atizeigeit'Prei- Ke 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklame» unter dem RedacttoN-strlch (4a«« spalten) bO-4, vor den Familien Nachrichten <6 gespalten) 40 »Z. Kroßere Schriften laut unserem Preis verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit det Morgen - Ausgabe, ohne Postbrsötderung 60.—, mit PostbesördrruNg ./t 70.-. ^vnahmeschluß fixe Anzeigen: Abrnd-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen stad stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag van E. Polz in Leipzig. 82. Jahrgang. Ranftsche Gasse 6 Herr k'rleür. Isolier, Colonialwaarenhandlung, Ranftadter Steinweg 1 Herr 0. LvKelmavn, Colonialwaarenhandlung, Schützenftratze 5 Herr 6ut. 8eküm1( Ken, Colonialwaarenhandlung, Westvlaö 32 Herr 8. vittriok, Cigarrenhandlung, Nortstlra^e 32 (Ecke Berliner Straße) Herr ü. üörliolä, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Strafe 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr A. OrütLmaun, Zschochersche Straße 7 a, - Reudnitz Herr Luxwunil, Marschallstraße 1, - - Herr Lernü. Weber, Mützengeschäst, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr R. üüntseü, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdors Herr 8. A. Laumauir, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Für NILi'L kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanftaltett des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 2 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man für L 65 mit Bringerlohn 2 -F und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgaffe 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstratze 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Nrndtstrasre 35 Herr L. 0. Lltlvl, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr lüeoü. kettzv, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. L. 8eüubvr1'8 IsLvktotKkr, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Tttaste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Lrruiri, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Launrü Hetzer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straste 45 Herr A. L. Albreebt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Robert ttretuer, Zweinaundorfer Straße 18, - Connewitz Frau Lieber, Hermannstraße 23. - Eutritzsch Robert Altner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Rodert Altuer, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr Albert lAuüner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Hebelt's Anuoneen-Rxpeältloii, Eisenbabnstraße 1, Die Pferdezucht auf dem Thüringer Waid. Von H. Schilling. Nachdruck verboten. Im Jahre 1540 entstand zwischen dem Fürsten und Grafen von Henneberg und dem Kurfürsten von Sachsen ein Grenzstreit, der nicht nur in seinem Verlaufe viel Scharfsinn und Tinte kostete, sondern auch etwa 350 Jahre später in seinen hinter lassenen Aktenstücken den Culturgeschichtsforschern ganz un geahnte Aufschlüsse geben sollte. Es liegt aber der Ort, wo sich der Streit entspann, gar an- rnuthig auf einem Bergsattel mitten zwischen den höchsten Häuptern des Thüringer Waldgebirges, und dem Wanderer, der von der altberllhmten Hennebergischen Waffenstadt Suhl aus durch das Thal der wildrauschenden Lauter aufwärts wandert und in steiler Steigung die einsame Paßhöhe erklimmt, bietet sich ein herrlichen Anblick. Bor ihm liegt eine ausgedehnte, saftig grüne Bergmatte, im buntesten Blumenschmuck prangend. Weit hin leuchten die goldgelben Blüthensterne der Arnika, die blauen Glockenblumen und der rothe Klee, zahllose winzige Falter, in Purpur und Azur schimmernd, gaukeln darüber hin. In den würzigen Harzduft der Fichten mischt sich der herbkräftige Geruch der Bärwurz, hoch im blauen Aether schwimmt in majestätischen Kreisen ein Buffardpaar. Vorn zur 'rechten Hand stürzt der Steilabhang des tannendunklen Finsterberges zum schön gewundenen Thal der Freibach hernieder, links reckt der Sachsen stein seinen spitzen Gipfel empor, Schneekopf und Beerberg, die höchsten Erhebungen des Gebirges, sind von hier aus in kurzem Marsch zu erreichen. Hier, am Mordfleck, zieht der Renn steig vorüber, der uralte geheimnißvolle Bergpfad, der über das ganze Gebirge hinweg Don der Werra bis zur Saale rennt Und Recht und Sitte, Wildbann und Gejaide Der Thüringer von dem der Franken trennt. Und hier, in der Nähe des Mordflecks, geschah es im Sommer des Jahres 1540, daß, wie es in der Hennebergischen Anklage schrift heißt, etliche Sechsische holtzforster sich nicht entblödeten, eine Fürstlich und Gräflich Hennebergische Stute von der Weide weg zu pfänden und nach Georgenthal zu treiben, in Mcynung, hochgedachten Fürsten von Henneberg an seiner habendten her gebrachten gerechttait der trifft zu vervneuwigcn. Nun war allerdings die besagte Stute auf kursächsischem, zum Amt Schwarzwald gehörigen Gebiet betroffen worden; dem gegenüber- aber machte der Hmnebergische Anwalt mit großem Nachdruck geltend, daß schon des regierenden Herrn Herr Vatter und Frawe Mutter, ingleichen dieser selbst in mehr als fünfzigjähriger Re gierung ihre Wilsen oder stouten (d. k. Stuten) jenseits von der Grenze öffentlich zur Sommerszeit von dem Morttflegk durch die freibä-ch zum großen Schneekopf und weiter ohne Verhinderung und einsage behuet, betrieben, bewaidett und ernerett hätten; stellte auch die energische Forderung, das genommen pfandt oder deffelbigen in mangel den geburliAn werdtt zu restituieren und hinfürter ein F. G. gerechtikait vnverhindert zu lassen.*) Damit war nun freilich die heikle Sache nicht aus der Welt geschafft, denn Kursachsen dachte nicht im Entferntesten daran, sich den Hennebergischen Ansprüchen ohne Weiteres zu fügen; datirte doch die Verstimmung zwischen beiden Theilen nicht erst von gestern. Kurz vor Pfingsten desselben Jahres hatte sich Graf Wilhelm von Henneberg unterstanden, dem von Gotha her durchreisenden Pfalzgrafen Friedrich bei Rhein schon auf sächsischem Boden in Martinroda das Geleit anzutragen, *) Vergl. «Ter Rennsteig des Thüringer Waldes« von I. Büh- ring und L. Hertel. Jena, G. Fischer. Das ausgezeichnete Werk, besten XI. und XII. Capitel (Verkehrs- und Geleitswesen und Rossezucht) der obigen Darstellung zu Grunde gelegt ist, ist nicht nur für jeden Rennsteigwanderer als touristischer Rathgeber und Pfad- psinder unentbehrlich, sondern bietet auch eine reiche Fülle neuen, hochinteressanten, kulturgeschichtlichen Materials und wird allen Freunden des Thüringer WaldeS hohen Genuß bereiten. die sächsischen Geleitsmannen abzudrängen und abzuspannen und mit 30 Pferden das Vorreiten einzunehmen, während ihm das Cteleit erst ein Viertel Wegs vor der Hennebergischen Stadt Ilmenau zustand. Da das Geleitsrecht damals ein einträgliches Hoheitsrecht war, so liegt die Vermuthung nahe, daß die Pfändung der Stute am Mordfleck nur die sächsische Antwort auf jenen Ueoergriff des Hennebergers gewesen ist. Der Streit um die Pferdeweide nahm nun seinen Fortgang. Durch beiderseitiges Einverständniß wurde ein Schiedsgericht aus Räthen beider Parteien niedergesetzt und der Rath zu Arnstadt als expedirende Behörde bestimmt. Er empfing und beförderte die Klageschriften und Beantwortungen der beider seitigen Anwälte, die einander nicht nur mit juristischen Spitz findigkeiten, sondern nach der Sitte der damaligen wildbewegten Zeit auch mit herzerfrischender Grobheit zu Leibe gingen. So bemerkt der sächsische Anwalt einmal: „Unt wenn man sonst nicht wüste, das der wein diß Ihar im landt zuw Francken saur wordenn, so konnte man es doch aus des beclagten hennebergischen Anwalden Satz wholl spuren, denn er die stim so gar verloren hat, das nicht klingen will, was er redt;" — ein Ausfall übrigens, der gegenüber den sonstigen zwischen den streitbaren Herren gewechselten Hieben noch an sächsische Höflichkeit erinnert. — So zog sich nun der Proceß acht Jahre lang hin; im Jahre 1548 endlich wurde er durch den Schiedsspruch der Juristen- facultät in Heidelberg zu Ungunsten des Hennebergers ent schieden. Die Acten blieben dann unter dem Staube des Arn- städter Archivs fast drei und ein halbes Jahrhundert vergraben, bis sie im Jahre 1893 bei einer Neuordnung der Archivalien durch Rector Schmidt und Professor Einert aufgefunden wurden. Und — nun kommen wir zum Hauptpunct unserer Darstellung — sie geben ganz unerwartete Aufschlüsse über den großartigen Umfang, in welchem zur Zeit des späten Mittelalters und sicher auch schon früher bis in die Anfänge geschichtlicher Forschung hinauf die Pferdezucht auf den einsamen Höhen des Thüringer Waldgebirges betrieben worden ist. Bei der genaueren Durchsicht der Acten stießen nämlich zwei Worte auf, „wilde" und „stout", deren Bedeutung nicht ganz klar war, die aber mit der Pferdezucht Zusammenhängen mußten, da sie in Verbindung mit „Schelm" (Beschälern) und „Fullen" (Füllen) gebraucht wurden. Es ergab sich, daß „ftout" als Nebenform von Stute verzeichnet ist, auch heute noch im Greizer Dialect in derselben Bedeutung gebraucht wird. „Wilde" aber im Sinne von „Zuchtstute" war bis um die Mitte des 17. Jahr hunderts noch gang und gäbe, wie aus der 1645 erschienenen Oeeonollttu ruralis et äomestioa des Magisters Colerus her vorgeht. Nun erwähnen die alten Geleitskarten von 1600 und 1633 mehrfach „Willenställe", so in der Gegend der Schmücke, am Anfang des Kerngrundes oberhalb von Oberschönau und am Mordfleck; sie geben auch die Abbildungen dazu. Man sieht Häuser, die das Ansehen von Feldscheunen haben, aus einem auf Säulen ruhenden Dach bestehen und unten ringsum durch eine Art von Hürden geschlossen sind. Sie wurden bisher als „Ställe zur Wildfütterung" gedeutet; es ist aber nunmehr sicher, daß es Stutenhäuser oder Stutenställe «waren, in denen die Tags über auf denWaldrodungen weidenden Pferde Nachts Unterkunft fanden. Eingebaut war eine Stube für den Roßhirten (Wilden hirten, Fullenhirten), der den ganzen Sommer hindurch bei seinen Pflegebefohlenen in der Wildniß hauste. Aber noch mehr. Man wurde jetzt aufmerksam auf eine große Menge von Namen, die als Forstortsbezeichnungen über das ganze Gebirge verstreut sind und theils zweifellos, theils höchst wahrscheinlich mit der alten Pferdezucht Zusammenhängen. So giebt es einen ,Mildstall" (im Volksmund „Willerstall") bei Stützerbach, ein „Wildberg" findet sich bei Ilmenau, ebenso sind „Wilde Fitze" bei Allzunah, „Wilde Kopf" am Beerberg, „Wildenspring" bei Großbreitenbach wahrscheinlich dahin zu rechnen. Zweifellos gilt dies für die Namen „Stallacker" und „Stallwiese" am Dolmar bei Mei ningen, „Stallwiese", „unter dem Stall" in der Gegend des Jnselsberges und viele andere. Da giebt es ferner ein „Rösse- gründchen", einen „Roßkopf", einen „Rohbach", einen „Hornissen- Ferrttlrton. Das Lall-Rendezvous. Eine heitere Geschichte von Hugo Klein. Nachdruck «erboten. Die junge Wittwe lächelte und sagte: „Das Trauerjahr ist kaum verflossen . . . Geben Sie mir Bedenkzeit bis zum Ball der Amateurphotographen. Während der ersten Walzertour, die wir mitsammen machen, erhalten Sie die Antwort auf Ihren Antrag. Er küßte der schönen jungen Wittwe, die hunderttausend Mark besaß, entzückt und begeistert die klein« Hand, die länger als sonst in der seinigen ruhte. Er wußte wohl, diese kurze Bedenkzeit von zwei Tagen war eine leere Förmlichkeit. Er las das ja in den Augen der interessanten Frau, er fühlte es in dem sanften Druck ihrer weißen Finger. Nun war der Vallabend gekommen. Siegesbewußt steckte er die Gradenie ins Knopfloch. In Frack, Lack und Claque zog er als moderner Ritter gewappnet aus, die blonde Ball schöne (mit 100000 Mark) zu erobern, die ihm so viele feind selige Gewalten streitig gemacht hatten. Ein triumphirendes Lächeln seines Mundes lieh die Haare seines dunklen Schnurr bart» noch kühner sich emporsträuben. Ja, daß er besonders diesen interessanten Livländer Baron von Boor aus dem Felde geschlagen, das war ein Erfolg, auf den er stolz sein konnte. „Wohin fahren wir?" fragte d«r Kutscher. Wohin? Er suchte die Einladung in den Taschen des Fracks, ohne sie zu finden. Er suchte sich zu erinnern — war sie nicht in das Hotel d« Rome? Ganz richtig, das Lote! de Rome. Er rief da» Ziel dem Rofsrlenker zu und sprang m den Wagen. Im Vestibüle gab es ein großes Gedränge. Er trat an die Caffe, sein« Karte zu lösen und legt» den verlangten Betrag doppelt auf da» Pult. Heute durfte er grohmllthig sein.. Dafür geleitete ihn eines der Comitömitglteder selbst in den Saal. Es war eben eine Tanzpqus«, »r konnte mit Muh« den Saal durch schreiten, um seine Schöne zu finden. Er durchschritt ihn sogar zweimal, ohne die Gesucht« zu erblicken. Er wurde unruhig. Es war ja möglich, daß sie sich verspätete. Aber wie, wenn sie ihren Entschluß bereut hätte? . . . Plötzlich erblickte er ihre ergraute Freundin, die dicke Commerzimräthin Langenheim, in einer Ecke. Die mußte mehr wissen. Rasch trat er auf sie zu. „Echön'a auten Abend, Frau Eommerzienräthinl" „Ich soll schon wieder tanzen? Heute geht es wirklich zu arg! Ra, ymnetwegen!" Die fiel ihm wirklich gleich in die Arm«. O du Grund gütiger! Mit diesem Koloß durch den Saal zu walzen! Aber was war zu thun? Er mußt« sich fügen, wollte er nicht unhöflich erscheinen. Es war schwere Arbeit, das Ungethüm durch die Menge zu Wirbeln. Von der einen Tour floß ihm schon der Schweiß die Stirn herab. Doch er wollte ja wissen... „Ihre schöne Freundin, Frau von.Plankenstein, noch nicht hier?" „Soll si« denn kommen?" „Ich glaube wohl." „Sie hat mir nichts davon gesagt. Sie wollte heute auf den Ball d«r Amateurphotographen." „Ja, ist das nicht der Ball der Amateurphotographen?" „Nein, da sind Si« irre gegangen, Heber Freund. Hier tanzen die Radfahrer und Radfahrerinnen von Lichterfelde." Dem armen Tänzer schwindelte es. Keuchend stellte er seine Dame nieder und strebte dem Ausgange zu, den er indessen nicht zu leicht erreichte, denn es giebt mehr der umfangreichen Hindernisse in einem Äallsaale, wo Radfahrerinnen walzen. Ja, wo war der Ball der Amateurphotographen? Wieder suchte er die Einladung in allen Taschen des Fracks, zum zweiten Male vergebens. Doch der Droschkenkutscher wird es wissen. »Ist Ihnen bekannt, wo der Ball der Amateurphotographen?" „Weeß jerad« nich ... In der Philharmonie wird jetanzt —" Richtig, daß er das vergessen konnte! „Rasch nach der Phil harmonie!" Der arme Gaul mühte sich; Anerkennung, wer Anerkennung verdient! Na, da war die Philharmonie. Dieses Mal warf der Ballgast eilig und nicht doppelt den verlangten Obolus auf den Lassatisch und stürmte nach dem Tanzsaale. Wenn die Schön«, die er liebte, mit den 100 000 Mark nur nicht böse geworden war! Nun, er wollt« Alles aufw«ndrn, um si« zu versöhnen. Er sucht« und suchte — auch da sah er sie nirgends. Dafür umringten ihn plötzlich die drei Fräulein von Glümmer mit ihrer Mama. „Ach, die best«n Tänzer kommen zuletzt!" sagte di« Mama mit Lberfließender Freundlichkeit, und die ältlichen Töchter ver drehten die Augen. Er konnte sie so nicht stehen lassen — sie kamen ja auch manchmal in das Haus einer gewissen Wittwe, und ihre spitzen Zungen waren berüchtigt; er durfte sie nicht zu Feindinnen machen. Etwas steif verbeugte er sich vor Fräulein Louise, die sich sofort zur Quadrille in seinen Arm hing. „Haben Sie nicht Frau von Planknstein gesehen?" war seine erste Frage an da» Fräulein. „Nein, ich habe sie nicht gesehen. Sie müssen schon mit mir vorlieb nehmen." „Gern — daran zweifeln Sie doch nicht?" sagt« er mit bittersüßem Lächeln, während seine Blicke durch den Saal flogen, um d,« Ersehnte ru entdecken. Aber er entdeckte sie nicht, dafür wäre er, als «r bet der OsteOnes äs änwes seiner Dame graziös die Hand reichen wollte, auf dem glatten Parkett beinahe gestürzt. „Hier hat es keine Gefahr", sagte die Tänzerin lächelnd, „Aerzte sind ja bei der Hand." »So?" „Nun — auf dem Kränzchen der Medicinalbeamten!" Die Haare sträubten sich dem Tänzer zu Berge. „Wie, das ist nicht der Ball der Amateurphotographen?" „Wo denken Sie hin! Hier ist das Faschingsreich der Medicinalbeamten — da sehen Sie die Dammspende!" Richtig! Das Büchelchen lag in einem Pulverschächtelchen, als käme es geradewegs aus der Apotheke. Die sinnreiche Damenspende war nicht zu verkennen. Fräulein Louise lachte unbändig, er machte ein gar zu komisches Gesicht. Am liebsten hätte er das bejahrte Fräulein erdrosselt. In der konventionellen Welt, in der wir leben, war er aber gezwungen, die Quadrille zu Ende zu tanzen, bis zur letzten Figur, und die Tänzrrin nach ihrem Sitze zurückzuführen. Sie hatte die ganze Zeit über gelacht und erzählte nun den Schwestern in unvrrsieglicher Heiterkeit und in fliegender Eile das komische Malheur ihres Tänzers. Er wartet« nicht ab, bis di« anderen jungen Damen in das Lachen einstimmten, und eilte fort. Im Winterrock fand er endlich seine Einladungskarte. Die Faschingsunterhaltung der Amateurphotographen fand im großen Saale des Architektenhauses statt. Darauf wäre er nie ver fallen. Also vorwärts, nach dem Architektenhause! Wieder rollte der Wagen dahin, aber viel langsamer, als früher, wie eben müde Rosse zu so später Stunde ihr Vehikel ziehen. Wäre der ermüdete Renner aber auch mit Eilzugsgeschwindigkeit durch die Nacht gestürmt, es würde für die Ungeduld des verspäteten Freiers noch viel zu lässig gewesen sein. Endlich am Ziele! Dieses Mal war er an richtiger Stelle, dafür erkundigte er sich aber sorgsam im Vestibüle: „Ist hier der Ball der Amateurphotographen?" — „Ja wohl", erwiderte man ihm. Er bezahlte di« dritte Karte und schritt besorgt, kummerschwer dir Treppe empor. Was wird sie von ihm denken? Wie wird er ihren wohlbegründeten Groll entwaffnen? Wie sollte er ihr entgegentreten?" Man hielt bereits die Raststunde. Der Ballsaal war beinahe leer, die Gäste stärkten sich in dm Speiscräumm. Dort drängte sich Alles, dort mischte sich auch der späte Besucher in das Gewühl. Da carambolirte er mit einem biergläserbeladenen Gany med, dort goß ihm rin Kellner die Bratensauce auf den Frack. Die Damen, die er suchte, fand «r nicht, trotzdem er nun auf dem richtigen Balle war. „Wen suchen Sie denn so eifrig, mein Bester?" ließ sich plötzlich eine heiser« Stimme vernehmen, in der unser Held unschwer die der Hofräthin von Strehlen erkannte. „Ah, Frau Hofräthin, meine Hochachtung! ... Ich suche Frau von Plaukenstein. Haben Sie sie nicht gesehen?" „Unsere Plankenstein? Natürlich! Ich sage Ihnen, ihre Cröme-Seidrnrobe — einfach entzückend! Und gemacht ist dieses Kleid, gemacht, wirklich künstlerisch! Dann das Arrangement von Orchideen — diese Frau hat einen Geschmack —" „Wo, bitte, könnte ich sie finden?" „Aber, mein Bester, nirgends! Setzen Sie sich nur ruhig zu uns, so . . . Dir schöne Plankenstein ist schon fort —" „Fort??!!" „Natürlich. ... Ich bitte Si«, der erste Ball einer jungen Wittwe nach dem Trauerjahr ... es schickt sich nicht, zu lange zu bleiben . . . Und dann war unsere arme Freundin km ganzen Abend verstimmt. Sie dachte gewiß immer an den Seligen, Sie wissen ja, wie sie ihn geliebt »hat! Ich glaube sogar, sie liebt ihn noch! Natürlich!" Die Natter! WaS di« alles natürlich fand! Gleichviel, das wichtige Stelldichein war verpaßt. Resignirt senkte der irre gegangene Ballfahrer das Haupt und stärkte sich nach den ver schiedensten unerquicklichen Strapazen des Abends mit einem kaltm Huhn, das auch nicht ohne Mühe zu erjagen war. Am nächsten Morgen eilte er zu Frau von Plaukenstein. Er wurde nicht vorgelafsen. Verzweifelt ging der Besucher von dannen. Er mußte die folgenden Tage noch dreimal vorsprechen, bis dir Migrain« der Twme gewichen war und die Pforte sich aufthat ... Da faß aber schon der interessante Livländer im Salon, der Dame des Hauses gegenüber, und erklärte ihr die Fabrikationsweis« seines heimischen Nationalliqueurs, des Allasch, was sie sehr zu fessrln schien — wenigstens wurde der Dritte gar nicht beachtet. Und als dieser schließlich gewaltsam das Wort an sich riß, um in rührender Weise vom Mißgeschick sein«r letzten Ballnocht zu erzählen, di« er zumeist in dm Droschken zugebracht, mit denen er irvegefahrm, da sagt« die Dame malitiös: „Man sieht, daß Ihr Herz nicht mit im Spiel» war. DaS hätte Sie sonst den richtigen Weg geleitet." Er wurde kühl entlassen. Und vergebens waren all« weiteren Schritt«, die er boi der Dame that, seine Briefe, seine Blumen und sein« sonstigen Aufmerksamkeiten. Sie hat ihm das ver fehlte Rendezvous nie verziehen und sich dem livländischen Baron zugewandt, leider mitsa-mmt ihren 100000 Mark. Der trostlos« Freier wird nie mehr eine Balleinladung in ein« unrechte Tasche stecken, wo sie nicht gefunden werden kann. Dies« Vorsicht ist aber zu nichts mehr nütz». Wer weiß, wann er wieder «in Rendezvous erhält — von 100 000 Mark!. .
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