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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980224014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-24
- Monat1898-02
- Jahr1898
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Bezug-'Prei- Ai der Hauptexpedittoa oder den kn Stadt- bezirk und den Vororten errichteten Aus- aabeslrllen abgrbolt: vierteljährliche 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- hau» ^l b.üO. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrliäbrlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandjrndung in» Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. dir Abcnd-Ausgabr Wochentags um 5 Uhr. Ne-action und Erve-itio«: Aohannesgasse 8. DI» ikrvedition ist Wochentag» ununterbrochen geüffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktto Illemm's Sortim. (Alfreö Hahn), Universitätsstratze 3 (Paulinum), Louis Lösche. Katbarinevstr. Ls, patt. und König-Platz 7. 88. Morgen-Ausgabe. MMer TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Ä'o'niglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Volizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Auzeigen.Prei- die S gespaltene Petitzeile SS Pfg. Reclamen unter demRrdaction»ftrich (»ge spalten) bO/H, vor den Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.—, mit Postbeförderung ^ll 70.—. Ännahmeschluß fiür Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 82. Jahrgang. Donnerstag den 24. Februar 1898. Rechte und Pflichten der pofl. vr. Ur. Unzählige Verträge auf Beförderung von Briefen und Packeten mit oder ohne Werthangabe werden tagtäglich mit der Reichäpost abgeschlossen, zahllos« Anweisungen zur Aus zahlung von Geld, sowie zur Präsentinmg von Quittungen, von Wechseln oder anderen Schuldscheinen, sowie zu deren Ein- cassirung werden der Post ertherlt. Im Vergleich zu der kolossalen Anzahl der zu befördernden Gegenstände und zu besorgenden Ge schäfte kommt es derhältnihmäßig nur selten zu Beschwerden oder gar zu gerichtlichen Klagen, — ein Beweis, daß der kolossale Apparat im Ganzen trefflich functionirt. Wenn einmal ein Pro test gegen die Post geführt wird, so handelt es sich oft um Auf lehnung des natürlichen Rechtsgefühls gegen die gesetzlich besonders begünstigte Stellung der Post. So verhielt es sich in dem un längst mitgetheilten Falle, als ein eingeschriebener Brief zwar mit der darin befindlichen Mittheilung angekommen war, jedoch ohne das bewiesenermaßen hineingelegte Geld. Die Post verwaltung lehnt« den Schadensersatz ab, weil sie nur bei Briefen mitWerthangabe „für den Verlust und die Beschädigung" l-aftet, bei eingeschriebenen Briefen jedoch nur für 'den Verlust. Was noch seltsamer berührte, als der Standpunct der Post, war, daß auch die Gerichte ihr Recht gaben. Es heiht in dem be treffenden Urtheil: „Der dem Absender wichtigste Inhalt war zweifellos das Geld; immerhin war das aber nicht der ganze In halt, das mit einer Notiz beschrieben« innere Couvert gehört« jedoch auch dazu. Die Notiz enthielt eine Nachricht und damit einen Theil des Inhalts. Dieser Theil der Sendung ist ange- kommen. Man kann also nicht davon sprechen, dast die Sen dung nicht ihr Ziel erreicht habe. Vielmehr hat die Sendung nur erheblichen Schaden erlitten, ist also beschädigt." Für blohe Beschädigungen eingeschriebener Sendungen hat die Post jedoch, wie gesagt, keinen Ersatz zu gewähren. Neuerdings steht auf der Tagesordnung der Umfang des ausschließlichen Rechts der Post zur Beförderung von Briefen und Zeitungen, der sogenannte Postzwang oder das Postregal. Zufolge dem Reichspostgesetze beschränkt sich der Postzwang auf verschlossene Briefe und auf politische Zei tungen, welche öfter als einmal wöchentlich erscheinen. Die Beförderung aller anderen Gegenstände, d. h. offene Briefe, Karten, Drucksachen, Waarenproben, steht Privatunternehmungen völlig frei. Der Begriff der verschlossenen Briefe ist allerdings streng ausgelegt, so ist z. B. oberstrichterlich eit» Frachtbrief, welcher an einer Stelle mit einer Oblate verklebt war, um eine dort nirdergeschriebenr Mittheilung an den Empfänger des Gut» nicht Jedermann lesen zu lassen, als ein verschlossener Brief er achtet und dessen Beförderung durch den Frachtführer bestraft. Offene Briefe, welche in versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Packeten befördert werden, werden ebenso wie ver schlossene Briefe angesehen. Privatpersonen ist die Beförderung ihrer Briefe lediglich durch expresse Boten oder Fuhren ge stattet, wobei bestimmt ist, daß ein solcher Expresser nur von einem Absender abgeschickt sein und auch Anderen keine post pflichtigen Sachen mitbringen darf. — Betreffs der Zeitungen hat die Post das ausschließliche Beförderungsrecht nicht nur in Betreff der Abonnenten, sondern für alle Empfänger. Dies Vorrecht hat aber eine örtliche Begrenzung, es besteht nämlich nur, wenn Bviefe und Zeitungen von einem Ort nach einem anderen Orte befördert 'werden sollen. Für Zei tungen ist selbst dies nicht einmal durchgeführt, da dieselben innerhalb des zwsimoiligen Umkreises ihres Ursprungsortes von Jedermann, insbesondere also von den Zeidungsspediteuren, be stellt werden dürfen. Zufolge einer Entscheidung des Reichs gerichts werden die zwei Meilen nicht von den Mittelpuncten der beiden betheiligten Orte bemessen, sondern von dem äußersten Ende deS Ursprungsorts bis zum Anfangspunkt des Bestim mungsorts. Diesem ausschließlichen Desörderungsrecht der Post steht ihre Bef'örderungs pflicht gegenüber, wenn die Sendung den regle mentmäßigen Vorschriften entspricht. Mit dem Einwurf eines Briefes in den Briefkasten entsteht die Verpflichtung der Post zur Beförderung. Die Rechte des Absenders gegenüber der Post wegen Verlust und Beschädigung der eingelieferten Gegenstände sind sehr ver schieden. Für Verlust, Beschädigung und verzögerte Bestellung gewöhnlicher Briefe leistet die Post keinen Schadenersatz, nur für Briefe mit Werthangabe und für eingeschriebene Briefe haftet sie, aber auch hier verschieden, wie wir oben bei Mittheilung eines Rechtsstreites schon sahen. Geht ein Brief mit Werth angabe verloren oder wird er beschädigt, so kann der Absender den angegebenen Werthbetrag von der Post ersetzt verlangen, ohne daß er zu beweisen braucht, daß Geld oder Werthsachen, welche den angegebenen Werth auch wirklich hatten, sich in dem Briefe befunden haben. Die Post muß, wenn sie dem Absender weniger als den angegebenen Werth auszahlen will, beweisen, daß zu hoch declarirt sei. Ist in betrügerischer Absicht zu hoch declarirt worden, so verfällt der Absender nicht nur der Betrugsstrafe, sondern verliert auch jeglichen Anspruch auf Schadenersatz. Ist der Brief nur e i n ges ch r i eb e n, so enthält der Absender im Fall« des Verlustes ohne Rücksicht auf den Werth der Sendung eine Entschädigung von 42 Mark. Anders verhält cs sich mit Packet« n. Für deren Verlust und Beschädigung haftet die Post, auch wenn sie ohne Werth angabe aufgegeben sind,»allerdings nur in beschränkter Höhe. J:X Falle eines Verlustes oder einer Beschädigung eines Packeis har nämlich der Absender den erlittenen Schaden nachzuweisen, erhält aber keinesfalls mehr als 3 Mark für jedes Pfund der ganzen Sendung. Packete, die weniger als ein Pfund wiegen, werden den Packeten im Gewicht von einem Pfunde gleichgestellt, ebenso werden überschießende Pfundtheile, wmn auch nur wenige Gramm, stets für ein volles Pfund gerechnet. Für eingeschriebene Packete wird ebenso wie für eingeschriebene Briefe eine feste Ver gütung von 42 Mark gezahlt. Bei Packeten mit Werthangabe ist ebenso wie bei Briefen mit Werthangabe für die Post diese Werthangabe bindend, wenn sie nicht beweisen kann, daß der „angegebene Werth den gemeinen Werth der Sache" übersteigt. Zu Gunsten der Post stellt nun 8 7 des Gesetzes folgende V e r- muthung auf: „Wenn der Verschluß und dir Verpackung der zur Post gegebenen Gegenstände bei der Aushändigung an den Empfänger äußerlich unverletzt und zugleich das Gewicht mit dem bei der Einlieferung ermittelten übereinstimmend befunden wird, so darf Dasjenige, was bei der Eröffnung an dem ange gebenen Inhalt fehlt, von der Postverwaltumg nicht vertreten werden. Die ohne Erinnerung geschehene Annahme einer Sen dung begründet die Vermuthung, daß bei der Aushändigung Verschluß und Verpackung unverletzt und das Gewicht mit dem bei dec Einlieferung ermittelten übereinstimmend befunden worden ist." Diese Vermuthung ist nun aber keine unumstößliche, das hat das vormalige Reichs-Oberhandelsgericht erkannt, allerdings unter Widerspruch der Reichspostverwaltung. Trotz der „ohne Erinnerung" geschehenen Annahme kann ich daher nach richtiger Ansicht den Beweis führen, daß die Sendung schon bei der Aus händigung verletzt gewesen sei, sowie auch ferner den Beweis, daß der Brief oder das Packet während des Transports einen Gewichtsverlust erlitten habe. Sehr günstig ist durch das Gesetz die Postverwaltung gestellt gegenüber solchen Personen, welche die an sie eingehenden Post sendungen selbst abholen oder abholen lasten. Die Postverwal tung ist dann für di« richtige Bestellung nicht verantwortlich. Dafür, daß ein Brief von dem Briefträger an den Adressaten oder anstatt dessen einer zu dessen Hausstand gehörigen Person oder dergleichen nach Maßgabe der Postordnung bestellt wird, ist die Post sonst verantwortlich. Läßt Jemand aber seine Briefe abholen, so kann die Postanstalt die Briefe Jedem verabfolgen, der sich meldet, „sofern nicht auf den Antrag des Adressaten zwischen diesem und der Postanstalt ein desfallsiges besonderes Abkommen getroffen worden ist." Dasselbe pflegt in der Art zu geschehen, daß die Briefe nur ausgshändigt werden an Jemanden, der eine sogen. Posttasche überbringt, zu der der Schalterbeamte einen zweiten Schlüssel hat. Ohne ein« solche Abmachung ist das Ab holenlassen von Postsendungen sehr gefährlich. Bei Post anweisungen zeigt sich dies naturgemäß am leichtesten. Die Post ist nicht verpflichtet, die Echtheit der Unterschrift und des etwa beigefügten Siegels unter dem unterschriebenen Postanweisungs formular zu untersuchen; ebensowenig braucht sie die Legitimation Desjenigen zu prüfen, welcher unter Vorlegung der unter schriebenen Postanweisung oder bei Packeten ohne Wertangabe unter Vorlegung der Begleitaoresse die Aushändigung der Sen dungen verlangt. Professor Dernlburg bezeichnet dies mit Recht als eine große Härte, denn das Abholenlassen von Postsendungen sei für viele Personen eine geschäftliche Notwendigkeit, und man dürfte dieserhalb die Adressaten nicht so ungünstig stellen. Die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen an die Postverwaltung ist an einen kurzen Zeitraum gebunden, nämlich an sechs Monate vom Tage der Einlieferung der Sendung an. Di« Verjährung wird unterbrochen nicht nur durch Zu stellung derKlageandiePost,sondern auch schon durch Einbringung einer Reklamation bei der zuständigen Oberpostdirection. Für die Feststellung des Thatbestandes kommt der Post die Vorschrift zu Hilfe, daßDas, was ein Briefträger oder Postbote über die von ihm geschehene Bestellung auf seinen Diensteid angezeigt, so lange für wahr und richtig anzunehmen ist, bis das Gegen- theil überzeugend nachgewiesen wird. Diese Vorschrift ist jeden ¬ falls dann bedenklich, wenn der Postbote nicht als unverdächtiger Zeuge anzusehen ist, weil er wegen Verletzung seiner Dienst instruction möglicherweise «ine Disciplinarstrafe zu gewärtigen haben wird. Deutsche- Reich. * Berlin, 23. Februar. Der Chefredakteur Tippe! in Schweidnitz hatte an den einstigen Cbef der Admiralität, Grafen v. Caprivi, eine Anfrage bezüglich der Marine vorlage gerichtet und darauf den Bescheid erhalten, daß seine Ansichten über die Marine in seinen von ihm al» Chef der Admiralität dem Etat beigegebenen Denkschriften niedergelegt seien. Dieser Bescheid ist auch insofern wichtig, al» die freisinnige Presse vorher bezweifelt hatte, daß sich Graf von Caprivi heute noch zu seinen Denk schriften , deren Darlegungen im Wesentlichen mit der Begründung der jetzigen Marinevorlage über einstimmen , bekennen würde. Nachdem dieser Einwanv widerlegt ist, versucht e» der Freisinn mit einem anderen Mittel. Die „Freis. Ztg." schreibt mit Bezug auf jene Denkschriften: „Alle diese Denkschriften sprechen sich bekannt lich gegen eine gesetzliche Bindung der Flottenpläne aus." — Das ist unzutreffend. In der letzten Denk schrift deS Grafen v. Caprivi vom Jahre 1887/88 wird aus drücklich anerkannt, wie wichtig es für die Marineverwaltung sei, für einen längeren Zeitraum eine bestimmte Summe für SckiffSbauten festzusetzen. Der hierauf bezügliche Passus der Denkschrift lautet nach der „Kreuzztg.*: „In einer der letzten Sitzungen der vorjährigen Budget« commtjsion wurde der Gedanke hingeworfeo, ob sich dir pecuniären Mittel für den Bau von Kriegsschiffen nicht in der Art etwa contin- gentiren ließen, daß man olljädrlich eine gleiche, für einen längere» Zeitraum srstzusetzende Summe, mit der dann die Marine-Ber« waltung auszukommen hätte, dafür ausmürse. Indem di» Admiralität diesem Gedanken näher trat, glaubte auch sie, ihn befürworten zu sollen. Da jeder Schiffsbau einen längeren Zeitraum zu denn« sprachen pflegt und die Projekte aus mehrere Jahre hinaus wieder zu einander in engen Beziehungen stehen, so ist die Admiralität ohnehin genöthigt, mit ihren Plänen einen größere» Zeitraum zu umfassen. Andererseits lassen sich aber diese Pläne nur allgemein halten, eine neue Erfahrung, eine neue Erfindung, eia Unglück-falb kann dazu nöthigrn, dieselben unerwartet zu modificiren. Ist aber ein umfassender Plan einmal bis in Details an die Oeffrnltichkeit gelangt, bat er die Billigung der gesetzgebenden Factorrn gefunden, so ist seine Abänderung immer mit Schwierigkeiten verbunden. Es würde deshalb vom Standpunct der Verwaltung dankbar angenommen werden, wenn für einen längeren Zeitraum, etwa für fünf Jahre, die« jenige Summe sixirt würde, auf dir für Sch'ffsbauten — Ersätze sowohl als Neubauten — voraussichtlich würde gerechnet werden können." In diesen Ausführungen ist kein Wort davon enthalten, daß sich Graf Caprivi gegen eine gesetzliche Bindung der Flottenpläne ausgesprochen hätte. * Berlin, 23. Februar. Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demokraten, Freisinnigen und Socialdemokraten kam FattiHats«. Die Sappho von Wersmeninken. i. Groß-WerSmeninken — wer wußte im Reiche bis vor wenigen Jahren etwa» von dem kleinen ostvr«ußischen Bauern» darf, und beute? Uebrrall hat sein Name einen guten Klang, überall, wo man auch nur mit einigem Interesse den Erscheinungen de» literarischen Markte» folgt, kennt man e» al» dir Heimatb einer deukscbrn Frau, die, in dürftigsten Verhältnissen al- das Kind hart arbeitender Handwerktfleute geboren, aufgewachsen in der Schule der Noth, einem Land mann vermählt, selbst in schwerer Feld- und Hausarbeit ihre Kräfte aufreibend, heute als eine unserer besten Dichterinnen gepriesen und gefeiert wird, deren erste poetische Gabe, al ber bekannte Preßburger Literarhistoriker Carl Schrattenthal sie der deutschen Leserwelt darbot, von einem fast ohne Gleichen dastehenden literarischen Erfolge begleitet war, deren „Gedichte" allerorten so lebhaft und nachhaltig begehrt wurden, daß die rascher und rascher sich notbwendig machenden Auflagen — in einem Jahr waren «S wohl fünf undzwanzig — der wachsenden Nachfrage k-um zu folgen vermochten. Nachdem Johanna Ambrosius einmal „entdeckt* war, war sie der ausgesprochene Liebling aller Freund« echter Porst« — auch wir begrüßten an dieser Stelle den ersten Sckritt der Dichterin in die große Welt — war keine Tage», zeitung so klein, um ihr ihr Schicksal zu erzählen und Proben ihrer herrlichen Dichtungen zu geben, ward st« au» dem fernen, weltfremden Dorfe — ihr Wille war e», nur vorübergebend — in die literarischen Kreise unserer Reich-Hauptstadt ein geführt, wandt« unser Kaiserhaus ihr sein Wohlwollen und seine Gunst zu. Die Bauersfrau von WerSmeninken war arm und krank, sehr krank, als im Herbst de» Leben« ibr Dichterrubm ihr selbst unerwartet aufblübt« und prächtig sich entfaltete, und in di« Freud« ihrer Brrehrer mischt« sich die webmütbige Besorgniß, idr nicht lange den woblvrrvirnten Dank und d,e ungesuchte Anerkennung zollen zu können. Da war e« wieder der edle Schrattentbal, der die allgemein« Aufmerksamkeit auf die Lag« der weit weniger um ihre Gesundheit als da« Fortkommen ihrer beißgeiievten Kinder sorgenden Dichterin lenkte, der ihr den Reinertrag ihre» literarischen Debüt« zu wendete und Ldreniammlunarn anregte. Im Februar l8v« konnte er da» Borwort zur 25. Auflage der „Gedichte" mit dem trostreichen Ausblick schließen: „Nachdem die Dichterin nun auch von allerhöchster Stelle in den Stand gesetzt worden, durch eine längere Badecur für ihre Gesundheit Sorge zu tragen, dürfen wir un» wohl der sicheren Hoffnung bingeben, daß Johanna Ambrosiu«, nunmehr körperlich ge stärkt, un« bald mit weiteren Erzeugnissen ihrer Muse er freuen möae." Diese Hoffnung ist rasch in Erfüllung gegangen: Unlängst erschien der zweite Band lyrischer Dichtungen (Gedichte von Johanna Ambrosiu«. Au-gewählt von Professor Karl Weiß- Schrattentbal. 2. Theil. Königsberg i. Pr., Thomas und Ovpermann'S Verlag. 159 S.), und wenn derselbe auch nicht daS gleiche Aussehen erregt hat, wie sein Vorgänger, mit dem sa ein ganz neue» Phänomen am literarischen Himmel auftauchte, so stebt diese neue Gabe, waS dichterische Begabung, Tiefe deS Empfindens, Unmittelbarkeit und Ori ginalität der Conception, Plastik des AnschauenS, Wobllaut der Sprache und Größe der Weltanschauung betrifft, der ersten durchaus gleich, mag auch als Nachlese da« Eme oder da« Andere mit Aufnabme gefunden baden, da« den un gezählten Perlen bei den Sammlungen nicht gleichwertbig ist, aber al» dankenSwerther Beitrag zur Charakteristik der Dichterin um so lebhafter begrüßt werden muß, al- die eigen artige, einem psychologischen Problem gleichende Erscheinung, die sie darstellt, unserem Herzen und Verstäodniß nicht nahe genug gerückt werde« kann. Wenn wir ein stgnifieanteS Merkmal, da« die zweite Sammlung von der ersten unterscheidet, aufzeigen sollen, so ist r» unserem Empfinden nach eine bestimmt sich aufvrängende Nuancirung de« Tone«, auf den die Lieder des zweiten TbrileS gestimmt sind. Da» Lachende und Kosende, da« Tändelnde unv Neckend«, da« Leichtblütige und Uedermütbige «ar schon kein hervorstechender Zug in jenem ersten An- aebiad« — begreiflicherweise im Hinblick auf Charakter und Leben-gang der Dichterin —, aber e« leuchtete doch gar nicht so selten au» duukelem Gewölk blitzartig hervor und ver goldete die Fesseln, die diesen zu hohem Fluge geborenen Geist schon von de« Tagen der Kindheit an beengten und drückten. Diesem freundlicheren Strahl«, diesen helleren, heiterrrn Lichtern begegnen wir in der neuen Auswahl seltener und seltener; uns will bedünken, Johanna Ambrosius sei noch ernster in ihrem Weltansckaueo, noch strenger in ihrem Welt- und Menschen-Urthril geworden, dieser auS sich und durch sich allein gewordene Geist habe sich noch mehr auf sich selbst zurückgezogen und habe hier und da ein herbere« Gepräge und einen rauheren Zug angenommen. Man höre al- Prob« da» folgend« ergriifrub« Gedicht: ,,Mein« Seele", Habt lhr geseh'o »tu alt' vorfallne» Hau»? So sieht «ach mein« Seel« au»l Zerplatzt die Wände, blind« Feasterlrj,, Kein lnst'ger Kuß a»ht w«d«r au« noch »in O»i» süßer Ton »nrchhallt den öd«« Raum, Nur hie v»ra«ss»nh«lt winnt l»i«' im Traum; Und kommt du Rach», krächzt drin h«» Ubn Schrei, Der liebe Mond selbst geht geschwind vorbei, Und Todtenfalter fliegen rin und auS: So stehl'» in meiner armen S««l« an«I Welch düstres Nachtbild! Und dann daS andere: Wild laßt sprossen auf meinem Hügel Da» Rosenrei»; Pflanzt mir auch keine Myrten, noch Lorbeer, Noch Edelweiß. Frei soll der Platz der Soune, dem Mond, Dem Sturme sein; Drückt mir dir todtwunde Brost nicht entzwei Ml. einem Steinl Sprossen und grünen und blühen laßt, Was Gott mir sä't, Eurer Liebe bedarf ich nicht — kommt Alles zu spät! Bei Weitem nicht alle Gedichte drr zweiten Sammlung geben so herzzerreißender Stimmung Ausdruck. In anderen zeigt sie sich von der Wendung ihre» Geschicke- erfreut unv beglückt. So singt sie in dem tiefempfundenen „Mein Herbst", nachdem sie geklagt, daß der Frühling ihr nur Sturm und Ei- und Schnee, der Sommer nur Regen unv Unsegen gebracht: Nun ist es Herbst, welch' Wunder ist gejchrhn I Was mir im Lenz, im Sommer auch verregnet, Es blühen meine Felder, meine See'ul Mein goldner Herbst, wie host du mich gesegnet!" Man sollte erwarten, daß da- der Grundton wäre, drr alle ihre Lieder durchzieht, hat sie doch erreicht, wa» nur wenigen Sterblichen vergönnt ist, hat doch die dankbare Be wunderung und die aufrichtige Verehrung weitester Kreise ibr Kränze geflockten, nack denen Tausende vergeblich ringen, kört sie ihren Namen doch unter denen der Besten nennen, sieht st« dock auf jedem ihrer Schritte sich von inniger Tbtil- nahme und Liebe begleitet! Wie mag e- also kommen, daß Trostlosigkeit sie zuweilen beschleicht und eine gewisse Bitter keit ihre Seele erfüllt? Wir finden e» nur allzu erklärlich, allzu begreiflich. Johanna Ambrosiu» ist ein zartbesaitete« Gemütb, eine Priesterin deS Schönen, deren Seele der Hauch deS Genius berührt und geweiht. Von Jugend auf mit hoben Idealen erfüllt, nach dem Höchste» strebend, immer au<hol«nd zu gewaltigem Flügelschlag, in sich spürend den gottgepflanzten Keim zu herrlicher Entfaltung — und nun di« Umgebung, in die da« Schicksal sie gestillt, der gänzliche Mangel an Berständniß, wohin sie blickt», der aufreibende Kampf um« täglich« Vrvd, den sie tagaus tagein zu kämpfen gezwungen, die Krankheit, die sie dahinsiechen ließ, Alle» centnersckwere Bleigewichte, di« den Aufschwung ihres Geistes hemmten, mit einem Wort, d«r quälend« Zwiespalt zwischen Jd«al und Wirklichkit, der ihr Leben zernß, da» war e«, was lange, lange Jadr« hindurch ibrem Herzen Wund« um Wunde schlug, ibr Hoffnung um Hoffnung zu Grabe tragen ließ, sie ernst und allgemach düster stimmte und zuweilen — vrrhjtterte. Zwar hat der Spätherbst ihr noch schöne und reiche Frucht m den Schooß geworfen, aber wa- sie gelitten und geduldet, war doch zu viel und zu schmerzvoll, al« daß sie e« ganz vergesse» könatr, zu lange haben die Wunden geblutet, als daß sie nun mit einem Male völlig sich schließen sollten. Aber noch ein- mag binzukommen. In der Abgeschieden beit ibre- bäuerlichen Dasein« war ibr die große Welt fremd geblieben, kannte sie die Menschen darin nur von ferne. Da entführt man dir ängstlich Zögernd« plötzlich ibrem stillen Dorfe, ihrer ärmlichen Hütte und stellt sie mitten hinein in die breitest« Oeffrntlichkeit, in dir SalonS der Haupt stadt, in di« große Gesellschaft. Wir vermutheo, si« hat sich dort nicht sonderlich wohl befunden und war froh, al« sie wieder die trauten Wiesen ihrer WerSmeoinkener Fluren grüßen konnte. Sie kam beim, verschüchtert und verstimmt, verstimmt darüber, daß ibre Lieder, die sie nur für sich gesungen, nicht mehr ihr treu gehütetes Heilig, tbum, ihr allemiges Eigentbum Warrn, daß die Kritik sich ihrer bemächtigte, daß neben den Stimmen lauter Be wunderung doch auch solche neidischer Verkleinerung fick meldeten, daß gerade in ihrer engeren Hrimatb „Größen" der literarischen Zunft, die, an innerem Werth und geistiger Begabung weit unter ihr stehend, ohne jeg liche« Verständnis für da«, wa» sie bewegte und wa» sie schuf, ihren Charakter zu verdächtigen suchten, sie mit Kotb bewarfen und mäkelnd und entstellend den mit «inem Wurf errungenen Kranz mit plumper und täppischer Hand zu zer reißen trachteten, Kritiker, dir ihr jede Höher« Begabung ab- sprachen, si« scheltend vom Parnaß wirsen und spöttelnd sie unter hie dutzendweis« aufschiebenden „weiblichen Talente untergeordneter Art" zu rubriciren sich anmaßten. Zwar widmet sie di«s«n Kunstlichtern die Verachtung, di« ihnen gebührt und sucht sich in drei sathrischen Strophen, die da« Thema behandeln: „Die schlechtsten Frücht« sind r» nicht, daran die WeSpen nagen", über ihr Urtheil hinwegzusrtzen, den „kleinen, dummen Wichten" mit Pen Verse» den Laufpaß gebend: Und sl< sch si» so naa,« iah Mit Zittern und mit weben, Dachr ich: laß sie » in Friede» chu», Hl« wollen doch auch teh«»I Allein ohne Frage hat di« giftig», ihrabschneitziah» Art einer gewissen Kritik st« auf» Tiefst« empört und erbittert und sie im Innersten verletzt. Gegen bi«s» Feinde wehrt ff« sich mit scharfer Waffe; Was wollt ihr, wa»? wffn, »rn»« Brgst Mit kalten Messern zerschneid«»? In tausend Gtück« voll r,h« Sud Zerreißen mein Leb«», mei» -etwa? vermessen Beamuenl so stolz «vi« der Ise Schau ich aus ruck Kräh« lmmtid«, Met»» Hand ist r»t», w»t»» -tpp« kft »stzr, Aeta meiner Seele Geßebrr. Und holtet ihr auch ein teuflisch M-ffch» Ich lache euch Hüllen gestalten, Ihr werdet mit eurem Gezeter «tcht Meta GlaubeuSbnwtar »erspalten
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