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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980226027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-26
- Monat1898-02
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Sie berufen sich dabei auf die Auslassungen eines rheinischen nationalliberalen Blattes, das seinen Parteigenossen rathen zu müssen glaubte, nicht auf eine Auslösung im Falle der Ablehnung des Flottengesetzes zu drängen, weil sie selbst noch vor einigen Monaten mit dem Septennat nicht einverstanden gewesen seien und deshalb jetzt von ihren Gegnern der Inkonsequenz geziehen werden könnten. Diese Behauptung ist aber eine irrige. Nicht aus in der Sache selbst liegenden Gründen haben sich nationalliberale Abgeordnete und Blätter gegen die Bindung des Reichstages erklärt, sondern sie haben lediglich die Frage aufgeworfen, ob eS im Interesse der Flottenvermehrung rath- sam sei, diese Bindung zu verlangen, und ob es möglich sein werde, bei dem jetzigen Reichstage oder im Falle eines Appells an das Volk bei diesem selbst mit einem solchen Verlangen durchzudringen. Inzwischen aber bat sich die Lage bedeutend geklärt, einmal durch den Zwischenfall von Haiti, dann durch die Erwerbung von Kiaotschau, drittens dadurch, daß die neuen Männer, insbesondere Herr v. Bülow und Admiral Tirpitz, eS rasch verstanden haben, sich Sympathien zu er werben, vierten- in letzter Zeit durch die offen zur Schau getragene feindselige Stimmung in Frankreich. Durch diese Thatjachen hat einerseits die Regierung das Vertrauen des Volkes gewonnenzweitens ist die bis in den vergangenen Herbst hinein vorhandene Mißstimmung beseitigt oder wenigstens wesentlich gemildert worden und, drittens ist speciell die Ueberzrugung, daß für Deutschland eine kräftige Marine erforderlich sei, in immer weitere Kreise gedrungen. Wenn die alten Cartellparteien jetzt nicht mehr zu besorgen brauchen, daß bei Neuwahlen keine Mehrheit für daS sogenannte Septennat sich finden werde, so hat doch kein Mensch ein Recht, ihnen Inkonsequenz vorzuwerfen. Wenn nun aber auch wirklich der Eine oder der Andere von Denen, die jetzt für das Septennat eintreten, ursprünglich sachliche Bedenken gegen dasselbe gehabt hätte, so wäre eine solche Wandlung der Auffassung im politischen Leben weder etwas Ungewöhnliches, noch etwas nicht Ehrenvolles. Kein Geringerer als Fürst Bismarck hat mehr als einmal hervor gehoben, daß er nicht die mindeste Schande darin sehe, in der oder jener Hinsicht seine Ansicht geändert zu haben. So sagte er z. B. am 21. Februar 1879, daß, wenn er es im Dienste deS Lande« für notbwendig hielte, mit seinen früheren Grundsätzen in Widerdruck; zu treten, er keine» Augenblick auslehen würde, den Weg, den er für irrthümlich erkannt habe, zurückzugehen und seinen Irrthum offen einzugestehen. Wenn ein Meister der Politik wie Fürst BiSmarck, eS für möglich erklärt, irrige Anschauungen gehabt zu haben, und wenn er meint, daß eS keine Schande sei, solche An schauungen über Bord zu werfen, dann wird es Wohl auch Anderen nicht verdacht werden dürfen, wenn sie zu höheren Auffassungen sich bekehren. AuS Sorge, einer In konsequenz geziehen zu werden, braucht man sich daher in nationalliberalen Kreisen vor den Neuwahlen unter der Parole „Für oder wider die Flottenvorlage" nicht zu scheuen. Diese Scheu herrscht auch tatsächlich nur im I gegnerischen Lager, waS man schon daraus erkennt, daß dort I immer wieder versichert wird, bei einer Auflösung würbe eS f sich ja keineswegs nur um die Stellung zu der Flotten vorlage, sondern auch um unzählige andere Fragen politischer, wirtbschaftlicher und socialer Art handeln. Wenn man so geflissentlich dieFlottenfrage in den Hintergrund zu schieben sucht, so bekennt man damit, daß man sich in dieser Frage mit der Mehr heit der Wähler nicht eins weiß. Es ist ja eine platte Selbst verständlichkeit, daß eS sich bei Wablen nicht um eine einzelne Frage handeln kann, weil daS Parlament nicht um dieser einen Frage willen gewäblt wird. Aber die Erfahrung bat auf der andern Seite gelehrt, daß die Wähler sich in ihrer Entscheidung vor allen Dingen dadurch bestimmen lassen, wie die Candidalen sich zu der Frage stellen, die im Brenn punkte des Interesses steht. Das würde im Falle der Auf lösung naturgemäß die Flottenfrage sein, und deshalb haben Diejenigen zu Besorgnissen Anlaß, die das Empfinden haben, daß ihre Meinung nicht von der Mehrheit der Wählerschaft getheilt wird, nicht aber Diejenigen, die wissen, daß sie sich mit einer stets wachsenden Mehrheit der Bevölkerung in dieser Frage im Einklang befinden. Die Art, wie die Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe die Autorität des Fürsten BiSmarck mit ihrer Agitation zu verflechten bestrebt ist, hat die „Nal.-Lib. Corr." veranlaßt, sich an einer Stelle, die sie für wohlunterrichtet hält, über die Stellung deS Fürsten zu diesem Bestreben und zu den großen Fragen, deren Lösung die Berliner Bundes leitung im Sinne ihrer Sonderwünsche berbeizuführen sucht, zu informiren. Ueber das Ergebniß dieser Anfrage schreibt heute die „N.-L. C.": „DaS Ergebniß war eine erneute Bestätigung, daß die Intentionen des Fürsten Bismarck dahin gehen, Laß über den parteipolitischen Auseinandersetzungen nicht die nationale Wohlfahrt vergessen werden und daß in friedlichem Ausgleich der Interessen an gestrebt werden soll, die nationale Arbeit zu schützen, alle Zweige de» Erwerbslebens gleichmäßig zu fördern und dabei der Land- wirthschaft eine wirksame zollpolittsche Fürsorge zu Theil werden zu lassen. Nicht eine einzige Aeußerung des Fürsten Bismarck liegt vor, mit der eine den Interessenausgleich hemmende und die Gegensätze verschärfende Agitation und die sogenannten großen Mittel irgendwie legitimirt werden könnten. Wir begnügen uns, die- festzustellen. Auf Einzelheiten einzugehen, müssen wir uns versagen. Die Persönlichkeit des Fürsten Bismarck und die Dank barkeit und Verehrung, die ihm alle Patrioten entgegenbringen, sind ein so kostbarer Besitz der Nation, daß wir es für eine Ver sündigung am guten Geiste des deutschen Volkes betrachten würden, sie parteipolitisch auszumünzen." ES hätte dieser Mittheilung kaum bedurft, um Klarheit über die Stellung des Altreichskanzlers zu dem Treiben der Bundesleitung zu verbreiten, denn von dem Einiger Deutsch lands versteht es sich ganz von selbst, daß er nur in der gleichmäßigen Förderung aller Zweige des Erwerbslebens die Vorbedingung der nationalen Wohlfahrt erblickt. Und wer darüber etwa im Zweifel hätte sein können, hätte sich nur der Gründe zu erinnern gebraucht, die ihn zum Gegner der Caprivi'schen Handelsverträge machten. Er bekämpfte sie, weil sie nach seiner Ueberzrugung nicht alle Zweige des ErwerdS- iebens förderten, und muß daher jetzt wünschen, daß künftig dieser Fehler vermieden werde. Wenn er zur Zeit eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den Treibereien deS Herrn Or. Hahn sich auserlegt und dem besonders von diesem Herrn betriebenen Krebsen mit dem Namen Bismarck nicht scharf entgegentritt, so hat daS zweifellos lediglick einen taktischen Grund. Dem Fürsten liegt jetzt vor allen Dingen daS Zustandekommen des Flottengesetzes am Herzen und eS entspricht nur seiner alten Gepflogenheit, bis zur Erledigung dieses Gegenstandes alle Auseinandersetzungen zurückzustellen, die möglicherweise einen ungünstigen Einfluß auf die Entscheidung ausüben könnten. Wenn die rechte Zeit kommt, wird der Fürst gewiß nicht zögern, mit aller nur wünschenswerthen Deut lichkeit seine Auffassung über die „Politik der Sammlung" darzulezen. Wie unS von einer Seite, die wir für genau unterrichtet halten, versichert wird, sind eS ähnliche Gründe gewesen, die bisher die preußische Negierung abgehalten haben, im Abgeordnetenhaus« näher auf die Provokationen des Herrn vr. Hahn einzugehen. Der Austritt der Tcutschen aus dem böhmischen Landtag ist beschlossen. Fürst Lobkowitz, der Oberstland marschall, hat den Jungtschecken den Willen gethan und es zugelasien, daß vor der Budgetberatbung die Adreß- debatte im böhmischen Landtag erfolgt. Da Fürst Lobkowitz sich die Instructionen für sein Verbalien auS Wien geholt, ist durch die nun erfolgte Entscheidung bewiesen, daß Minister von Gautsch eS um keinen Preis mit den Tschechen verderben will. Er wird bei der Mitte März beginnenden Session des ReicbSratbS die Früchte dieser Aussaat ernten. Die deutschen Abgeordneten, die diese Entscheidung heute durch den Austritt aus dem böhmischen Landtage beantworten wollen, werden, wie zur Zeit Badeni'S, zur Obstruktion gedrängt, mit der gestern bereits im Prager Landtag von den Deutsch-Nationalen begonnen wurde, und es steht zu befürchten, daß unter diesen Umständen der österreichisch - ungarische Ausgleich nicht zu Stande kommt. Baron Gautsch hat durch diese Nachgiebigkeit den Tschechen gegenüber eine schwere Verantwortlichkeit auf sich geladen, und es ist wohl möglich, daß er dabei sein Minister portefeuille verliert. Bisber sind die Gerüchte, die den Grafen Thun als „kommenden Mann" bezeichneten, nicht ernst ge nommen; jetzt gewinnt eS allerdings den Anschein, als wolle die Regierung den Versuch mit den föderalistischen Plänen wagen. Welche Tollheiten das junglschechische Zukunsts- Programm enthält, zeigt rin Artikel der Prager „Narodni Listy", in welchem nachzuweisen versucht wird, daß die Slawen in ihrem wechselseitigen Verkehre sich einer slawischen Sprache gemeinsam bedienen müssen, und daß auS praktischen Rück sichten am ehesten die russische Sprache, welche von allen slawischen Idiomen die reichste Literatur hat, geeignet sei. Gelegenheit zur Erlernung der russischen Sprache sei ja in allen slawischen Ländern genug vorhanden. Selbst den gali zischen Zeitungen erscheinen diese jungtschechischen Phantasien hirnverbrannt, und der Lemberger „Prezeglond" sagt mit Anspielung auf die Autonoinistenmajorität, „sollten diese Ideen in politischen Fragen zur Anwendung gebracht werden, so müßte schließlich das Russische die Sprache der Armee, der Central-Behörden, der österreichischen Delegation und VeS NeichsratheS werden". Man kann diese in Wien herr schende Vorliebe für da- Tschechenthum nicht anders als unbegreiflich bezeichnen. Die fraiizösischen Radicalen klagen, daß Frankreich vom Säbel und vom Weihwedel beherrscht werde. Der Säbel hat in dem Zola-Proceffe laut genug geklirrt, der Weihwedel macht sich nicht so vernehmlich bemerkbar. Aber dadurch, daß die Klerikalen nicht viel Geräusch machen, darf man sich nicht darüber Hinwegtäuschen lassen, daß sie die Zeit gekommen glauben, in der ihr Weizen blüht. Die klerikal gerichtete Presse ist in stetem Aufschwünge begriffen. Der Besuch von klerikal geleiteten Schulen ist in Mode ge kommen, wie denn überhaupt in dem so unheiligen Frankreich von Zeit zu Zeit eine Aera äußerlicher Frömmigkeit eintritt. Die Klerikalen, die klug genug waren, scheinbar zur Republik überzutreten, werden bei der gegenwärtigen Strömung aller Voraussicht nach bei den Wahlen einen so erheblichen Erfolg erringen, daß sie die gemäßigten Republikaner werden zwingen können, in ihre Bahnen einzulenken. Diese Wandlung Frankreichs von einer freidenkerischen Republik in eine klerikale Republik, die vielleicht nur eine Ueberleitung zur klerikalen Monarchie dar stellt, ist für die Beziehungen Frankreichs zu Rußland ganz und gar nicht gleichgiltig. Dem freidenkenden Republikaner ist eS herzlich gleichgiltig, welcher Confession die russischen Verbündeten sind, und welche Anstrengungen die Verbündeten machen, ihre Confession zu verbreiten. Der französische katholische Klerikale aber denkt daran, daß Frankreich der „allerchristlichste" Staat ist, und daß eS als solcher gewisse historische Traditionen und Pflichten besitz», insbesondere im Orient. Hier aber stoßen die französischen katholischen Inter essen und die griechisch-katholischen Interessen hart aneinander. Wie sich das katholische Frankreich als Vormacht deS römischen Katholicismus im Oriente fühlt, so ist Rußland die Vor macht deS griechischen Katholicismus. Daraus ergeben sich Reibungen, die wobl von allgemeinem Interesse sind, weil sie politische Consequenzen haben können. Die französische klerikale Presse führt schon jetzt eine sehr scharfe Sprache darüber, daß Rußland im Orient, insbesondere im heiligen Lande den griechischen Katholicismus auf Kosten deS römischen Katholicismus mit allen Mitteln auszubreiten bemüht sei. In dem sogenannten „Streit um die heiligen Stätten", der von 1850 bis 1853 währte, handelte eS sich äußerlich zwar nur um geringfügige Dinge, wie um die Schlüssel zu den Thüren der St. Marienkirche in Bethlehem, thatsächlich aber auch schon wie heute darum, ob die Lateiner oder die Griechen, b. h. die römisch-katholi'che oder die griechische Kirche die Präpotenz im heiligen Lande haben sollten. Dieser Streit war daS Vorspiel zum Krimkriege, in dem Frankreich und Rußland erbitterte Gegner waren. ES sei dieses Beispiel angeführt, um darzuthun, daß wenn auch Frankreich und Ruß land wohl Verbündete sein können, weil sie keine politischen Gegensätze haben, doch konfessionelle Gegensätze zwischen ihnen bestehen, die sich dann auf daS politische Gebiet über tragen können, wenn eine ausgesprochen konfessionelle Partei in Frankreich an daS Ruder gelangt. DieFurcht der Engländer vor einem seemächtige'n Deutschland wächst mit dem Herannahen der parlamen tarischen Entscheidung über daS Schicksal des Flottengesctzes. So bricht der Londoner „Globe" in einen förmlichen Wuth- schrei darüber aus, daß die australischen Deutschen in einer Kundgebung an den Reichstag zu Gunsten der Marine vorlage einlraten, und denuncirt unsere in Australien lebenden Landsleute den Anglo-Australiern als eine ebenso un dankbare wie gefährliche Gesellschaft. Die „Undank barkeit" findet das genannte Londoner Blatt darin, daß die australischen Deutschen, obwohl sie dort als „Mitcolonisten", nicht als „Fremde" behandelt werden, dennoch treu an ihrer Nationalität hängen; eine „Quelle großer FerriHeton. Durch eigene Kraft. I2j Roman von Alexander Römer. Nachdruck verbot«!. Mutter Heidemann erzählt« Ottilie von 'der Scene zwischen Vater und Sohn, al» Ludwig zuerst von diesen Plänen erfuhr. „Da hätten Sie sein« Augen sehen sollen", sagte Frau Dori», „die leuchteten wie die liebe Sonne, er war rein au» dem Häuschen. Und mein Alter — nein, so etwa» habe ich mein Lebtag nicht gesehen, — al» ob ihm einer alle Falten au» dem Gesicht geglättet hätte, so schier sah er au», und er lachte, daß er sich schüttelte, und ich dacht« wahrhaftig, da fängt er noch an zu tanz«n mit dem Jungen. Dazu brachten «S nun die alten, steifen Beine aber nicht mehr, nur Champagner sollte ich herauf schaffen au» dem Keller, und das Andere — na, da» wissen Si« ja, denn Sie wurden ja hrrumgeholt, damit Sie beim Trinken halfen." Ja, daS Andere -wußte Ottilie, denn «s war ein« fröhliche Sitzung gewesen, der Pastor war auch dazu gekommen, Mutter Heidemann batte tüchtig aufgetragen, und e» wurde mehr al» eine Flascht de» schäumenden Naß, die man ausstach. Sie war ganz mit fortgeriflen worden in d«r glückseligen Stimmung, die da herrscht«, hatte sich al» dazu gehörend gefühlt und wiederholt mit dem alten Heidemann und Ludwig angestoßen. Sie cunii- sirten sich überhaupt all«mal sehr gut, wenn sie beieinander Warrn. Der Pastor konnte prächtig ereahlen, köstlich« Anekdötchen au» seiner Studenten- und HauSlehrerSzeit, bei denen man von Herzen lachen mußte. Im Dorfe wurde man daran gewöhnt, die Drei viel bei- sammen zu sehen, das schlank«, schwarz gekleidete Mädchen in der Mitte, me beiden Männer ihr zur Seite, rüstig au»schreitend, lachend und plaudernd. Spähende Aug«n und zischelnd« Zungen, welche ein Vergnügen daran finden, solch fröhliche Harmonie zu stören, gab «» hier nicht, wenn auch wohl einmal ein listiger Bauer und eine geschwätzig« Bäuerin ihre Bemerkungen tauschten. „Ob de Herr Pvstur up dat fin Frölen utaeiht, odder ob't den Kröger sin Ludwig i»? Een von de beiden werr't woll werren." Jedenfalls hörte Ottilie solche Bemerkungen nicht, und sie störten ihr nicht den glücklich wieder errungen«» Gleichmuth der Seele. Di« Baupläne für da» neue Hau» beschäftigten sie l«b- hast, der Architekt wurde erwartet; sobald der Frost aushörte, sollte begonnen werden. Der Alte wollt« nicht knausern, und Ludwig's Wünsche und Geschmack sollten allein maßgebend sein, auch -waS die innere Einrichtung anlangte, redete ihm Niemand drein. Er fragte ost Ottilie um ihr« Meinung, und seine Mienen strahlten von Glück, wenn er ihr eifrigstes Interesse gewahrte und sie ihren Geschmack sehr lebhaft kundgab. Er richtete sich immer danach, wenn «r es auch still und gewissermaßen heimlich that, ohne Worte darüber zu verlieren. Es war eine harmlos glückliche Zeit. Ottiliens Vater war viel abwesend. Er verfügte über eine gute Portion Dreistigkeit und fiel bald diesem, bald jenem be nachbarten Landmann ins Haus, unter irgend einem Vorwand, intereffirte sich dort für Boden und Wirthschaft und wußte seinen Besuch auSzudehnen. Die ländliche Gastfreundschaft duldete den Eindringling. Dabei hatte er den Kopf voll Projecte, warb überall Theilnehmer und Kunden für di« seltsamsten Artikel, die er auS Australien holen wollte. Seine Redegewandtheit war be deutend, und «S gelang ihm mitunter mit seinen fabelhaften Aus schmückungen und Versprechungen, einzelne biedere Hinterwäldler zu blenden und Zusagen für Hilfen zu erlangen, wenn sein großes Unternehmen ins Leben treten werd«. Um seine Tochter sorgte er sich nicht. Er redete zu den Schwestern von ihrer dereinstigen Verheirathung, wie von einer feststehenden Sache und ließ eS unklar, wen er sich als Schwieger sohn dachte. Marianne schwieg dazu, denn in ihr keimte selbst eine Hoff nung; sie war nur noch im Zweifel, wie Ottilie im letzten Grunde gesinnt sei. Paßte die wirklich zu Ludwig Heidemann, und nahm st« ihn schließlich? Wie eS um ihn stand, war wohl zu sehen, und er war ein« sehr gute Partie. Si« griffe ia in «inen GlückS- topf, und keiner hätte denken können, daß ihr in ihren Ver hältnissen so «twas geboten würde. Aber — so aut sie sich auch jetzt schickte und fügte, wer wußte, ob ihr nicht doch der alte Hoch muth tm Nacken saß. Die harmlosere Liesa war freilich anderer Meinung. Ihr alte», so liebebedürftiges Herz, dem im Leben wenig Befriedigung gegeben war, ergötzte sich cm dem Liebesroman, der sich da unter ihren Augen abzuspielen begann, und ihre Phantasie wob gar liebliche Zukunftsbilder. Da hotten sie, die einsamen alten Jungfern, einen Anhalt und «ine Familie in ihren letzten Leben»- tagen. Wie hatte eS ihnen Sorgen gemacht, als da» Kind kam, wie ungern hatten sie e» eigentlich ausgenommen, nun macht« der liebe Sott r» so gut. Sie könnt« ihr«r Zunge auch nicht ganz gebiet«», und «» fiel manch« Andeutung und verblümt« Frag« von ihren Lippen der Krugwirthin gegenüber. Diese schmunzelte und voller Sonnenschein lag aus ihrem breiten Gesicht, aber sie war in ihren Aeußerungen merkwürdig zurückhaltend. Ihr Mann hatte sie zu streng ins Gebet genommen. Dem alten Heidemann wollte di« Sache noch nicht sicher in den Kopf. „Das ist nicht das Rechte, wenn die Frau meint, herunterzusteigen zu dem Mann", sagt« er, „ich will nichts auf das Mädchen gesagt haben, aber sie ist doch 'ne anders Ge wöhnt«. Hier hat si« ja sonst K«inen, da schickt sie sich, und der Ludwig mag ihr ja auch gefallen. Das ist für meinen Jungen aber nicht genug, den muß seine zukünftige Frau für ihren Herrn und Meister halten, das ist er Werth. Sie wird aber meinen, wenn er ihr nicht immer wi« jetzt, wo er verliebt ist, die Hände unter die Füße legt, da sei ihr an ihrer Krone gerückt. Darum sollst Du Mch nicht reinmischen, Mutter, hörst Du? Wir wollen den Jungen seinen eigenen Wsg gehen lass«»." Inzwischen wurden die Beiden, um die e» sich handelte, immer vertrauter. Auch in Ludwigs Ton schlich sich mit der Zeit immer mehr der Charakter des Werbers und Freier» ein. Er kannte die Welt draußen nur au» Büchern, aber «r hatte sich in seinem klugen Kopf wohl ein Bild von ihr zurechtgemacht, und ein guter Theil Nüchternheit und Borsicht lag ihm im Blut. Er wollte sich nicht iiberheben und seine Hand da nicht ausstrecken, wo sie zurück gewiesen werden konnte. Aber war es Ueberhebung, wenn er um die Enkelin de» Müllers in seinem Dorfe warb, um das arme Mädchen, dessen traurige Lage zurrst sein Herz gerührt hatte, und die ihn dann mit ihrem Liebreiz umstrickt«? Er könnt« ihr ein sorgenfroies Loos bieten. Er war s«hr glücklich in diesem Frühling und während des Sommer», der diesem folgte. Er konnte sich nicht täuschen, sie «rwidert« seine Neigung, ihr« klares Auge sagte ihm, daß er verstanden wurde. Si« mühte sich rührend, wirthschaftliche Kenntnisse zu er werben, in Küche und Keller Bescheid zu lernen. Er sah si« im Geiste schalten und Watten im neuen Hause, s«in süße», geliebtes Weib, sein Glück, sein« Wonne. Von dem Kommen der Herrschaft verlautrte noch nicht». Die Frau Baronin war im Bad«, d«r Herr Baron ebenfall», aber in einem andern al» di« Gemahlin. Der jgnae Baron war in die Schweiz gegangen, um seine N«rv«n zu erfrischen. Einnahmen hatte Baron Folix »och nicht, wohl aber Ausgaben, von denen sein Vater, der in diesem Puncte doch abg«härt«t war, erklärt«, daß sie haarsträubend seien. Der Krugwirth schritt mit s«in«m Ludwig über da» Feld, e» war Juli, und der Rogqenschnitt hatte begonnen. Die Beiden redeten Lb«r di« GutSverhaltnisse. „Der Baron wird tief in Wechselschulden stecken", meinte Ludwig, „und bei dem Leben, das sie führen, reitet er sich immer tiefer hinein." „Wird schon so sein", murrte der Alte und kraut« seinen Kopf, während er die Mütze, die ihm zu warm wurde, in d«r Hand hielt. „Da ist dann mit dem besten Willen nicht mehr zu stoppen." „Du hast's redlich versucht, Vater, stundest wohl abermals die Zinsen — nein, denk nicht, daß es mir nicht recht wär«. Ich bin nicht so habgierig, und für mich hast Du treu genug gesorgt." „Ja, siehst Du", -sagte der Alte, „ich mache mir so meinen eigenen Vers darauf, bis zu einem gewissen Punct. WaS wir haben, haben wir hier auf dem Waldstättenschen Grund und Boden erworben, haben von der Herrschaft unseren Verdienst gehabt, freilich durch unseren eigenen Schweiß und Fleiß. Mir geht es an» Herz, wenn hier mal Alle» zu Grunde geht, ich wollt' es retten, aber ich sehe jetzt, «S hilft nichts. Da heißt's kümmere Dich um das, was Dein ist. Na, Du bist ja nach mir da, und Du bist ein gescheidter Kopf. Ich hab' manchmal so meine stillen Gedanken. Wir haben's ihnen nicht aus den Händen genommen, aber vielleicht fällt es — durch ihre Schuld — unver meidlich in unsere — in Deine Hände, Ludwig, und — na, dann hat unzrr Herrgott es so gewollt." Er hielt inne — eine Mädchenstimme sang hinter der Hecke drüben. Ludwig's Gesicht leuchtete auf, eine Blutwelle stieg in sein wettergebräuntes Gesicht. Der Alte sah ihn von der Seile an, und in seinen gefurchten Zügen glätteten sich die Falten. Ottilie bog um die Ecke. Die Sonne war im Untergehen und vergoldete ihr Blondhaar. Sie hatt« den Strohhut abge- nommen und befestigte im Gehen einen frisch gewundenen Korn blumenkranz auf demselben. Si« gewahrte die beiden Männer noch nicht und trällerte ihr fröhliches Liedchen weiter. Jetzt blickte sie auf und stand wenige Schritte vor ihnen. Rasch färbte da» flüchtige Roth auch ihr Gesicht, sie sah sehr lieblich aus mit den lebhaften Augen und dem freudigen Aus druck in dem frischen, feinen Gesicht. Selbst über de» alten Krugwirth» Mienen stahl sich ein be hagliche», wohlgefällige» Lächeln. Sin allerliebstes Ding war sie, nur zu fein. Sie schüttelte jetzt Beiden, dem Alten und dem Jungen, die Hände. Fidel, ihr treuer Begleiter, sprang kläffend, wie toll vor Freude, um die Drei herum. Sie lachten und wehrten dem Thier, das si« nicht zu Wort kommen ließ. Ottilie hatte ein Wachtelnest im Roggenfeld entdeckt und wollt« Ludwig davon erzählen. E» saß da, wo gerade morg«n gemäht werden sollte, sie war beim Kornblumenpflücken darauf gestoßen; di« allerliebsten kleinen Lhierchen waren darin, di, Alten au», geflogen.
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