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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980319016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-19
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Kroßere Schriften laut unserem Preis verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffern!»« nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ti 60.—, mit Postbeförderung ^ii 70.—. Iinnahmeschluß fiL Anzeige«: Abend«Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Margeu.AllSgabr: Nachmittag- 4Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« au die Ex-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. W 92. Jahrgang. Sonnabend den 19. März 1898. Steuerfragen und Reichsfinanzreform. b. Die Bennigsen-Lisber'sche Resolution, durch deren An nahme die Reichsregierung sich die Flottenvorlage im Reichstag gesichert hat, wird zwar glücklicherweise kaum, wenigstens in den nächsten Jahren nicht, zur praktischen Rrulisirung gelangen, die Anregungen wegen der Deckungsfrage haben aber ein wich tiges Problem wieder zur Discussion gestellt, das in letzter Zeit mehr und mehr von der Tagesordnung geschwunden war: die Reichsfinanzreform und die Art etwa notwendig werdender neuer Steuern. Für ängstliche Gemüther sei von vornherein nochmals betont, daß die Erörterung, wie auch die Regierung erklärt hat, nur eine akademische ist, denn zweifellos können für die nächsten Jahre, höchst wochrscheinmich aber für die ganze Dauer des Flotten-Sexennats, die Mehrausgaben aus bereits vor handenen Mitteln des Reichs, ohne jede Steuererhöhung, gedeckt werden. Vor fünf Jahren, als die Reichsfinanzen nicht so glänzend waren, wie sie heute sind, sondern bei einem durch die Einzel staaten zu deckenden Deficit angesichts der damaligen großen Heeresvermehrung vermehrte Steuern nvthwendig schienen, zu» gleich die stärkere Anspannung der einzelstaatlichen Matrikular- beiträge deren Finanzen in Unordnung zu bringen drohte, trat der preußische Finanzminister v. Miquel mit seinem ersten Plane zur Reichsfinanzreform auf. Derselbe war auf einer Konferenz von den Finanzministern der Mittelstaaten vollständig gebilligt worden und wurde auch im weiteren Verlauf der Dinge von diesen Ministern warm unterstützt. Er kam darauf hinaus, daß für 100 Millionen Mark neue indirecte Steuern geschaffen, be ziehungsweise vorhandene Steuern um diesen Betrag erhöht werden sollten. Von den damaligen verschiedenen, Tabak, Bier, Branntwein, Börse und Wein aufs Korn nehmenden Projecten ist thatsächlich nur dir Verdoppelung der Börsensteuer Gesetz ge worden, die etwa 20 Millionen einbringt. Von jenem utopischen Jahresplus von 100 Millionen Mark waren 60 Millionen für die Kosten der Militairvorlage berechnet, 40 Millionen sollten alljährlich den Einzelstaaten überwiesen werden. Wie es aber einerseits nicht angängig ist, daß das Reich dauernd zum Kost gänger bei den Einzelstaaten gemacht wird, so wäre es anderer seits auch bedenklich, den Einzelstaatrn so große Summen regel mäßig vom Reich zu überweisen, Steuern auf Vorrath zu creiren, während die Einzelstaaten vielleicht die Reichssubvention gar nicht nöthig haben. An diesen Erwägungen scheiterten 1894 die großen Steuerpläne des Reichs im Reichstage, dem die Ent wickelung der Dinge jedenfalls insofern Recht gegeben hat, als die weitere Anziehung der Steuerschraube sich unnöthig erwies, indem das damalige Deficit des Reichshaushalts einem Uebcr- schusse von ca. 100 Millionen im letzten Jahre Platz gemacht hat. Statt der Realisirung neuer Anleihen hat man endlich mit der Tilgung der schon über 2 Milliarden Mark angewachsenen Reichsschuld beginnen können. Später beschränkte sich ein zweiter Plan darauf, Matrikular- beiträge und Ueberweisungen regelmäßig auszugleichen. Nach Art. 70 der Reichsverfassung sind die Bedürfnisse des Reichs, soweit dieselben aus Zöllen, gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen nicht gedeckt werden, „so lange Reichssteuern (d. i. directe) nicht eingesührt sind", durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Be völkerung aufzubringen (Matrikularbeiträge). Andererseits hat laut Franckenstein'scher Clausel von 1879 dos Reich die über 130 Millionen Mark hinausaehenden Einnahmen aus Zöllen an die Einzelstaaten abzuliesern, ebenso das Erträgniß der Branntwein- und der Stempelsteuer. Durch diese gegenseitigen Zahlungen werden natürlich die Finanzen erheblich complicirt. Das Centrum will das aber so im partikularistischen Interesse, damit das Reich nicht allzu selbstständig werde. Um so mehr mußte man sich wundern, daß gerade vom Centrum bei der Flottrnvorlage Anträge gestellt wurden, nach denen eine eventuelle Mehrbelastung durch Zuschläge zur Einkommensteuer die Einzel staaten treffen sollte und also eine Art Reichseinkommensteuer geschaffen worden wäre. Verfassungsmäßig ist eine Reichseinkommen-, Reichs vermögens- oder Reichserbschaftssteuer wohl zulässig. In den siebziger Jahren befürwortete man sie sogar als neues wichtiges Band für die deutsche Einheit. Nun ist aber im Laufe der Jahre immer mehr der Grundsatz in die Praxis übergegangen, daß die indirekten Steuern dem Reiche, die directen aber den Einzelstaaten gehören. Auch haben die Einzelstaaten seitdem zumeist ihre Landeseinkommen- rc. Steuern wesentlich aus gebildet und erhöht, so daß jetzt oder künftig eine Reichs einkommensteuer größeren Schwierigkeiten auch auf materiellem Gebiete, abgesehen von politischem, begegnen würde. Man darf auch diese Projekte sonach als ziemlich akademisch bezeichnen. Der nun beim Flottengesetz ausgestellte Grundsatz, daß neue Steuern nur auf die stärkeren Schultern geladen werden sollen, wird ja fast allseitig gebilligt. Immerhin ist es interessant, daß ein eventueller Mehrbedarf nach dem angenommenen Antrag Bennigsen-Lieber nicht durch Erhöhung oder Vermehrung ver invirecten, den Massenverbrauch belastenden Reichssteuern gedeckt werden darf. Das eventuelle Erforderniß würde also doch, läßt man eine unwahrscheinliche directe Reichssteuer beiseite, auf eine oder die andere Weise von den Einzelstaaten aufzubringen sein. Geht man auf dem Wege weiter, so kommt man zum Gegentheil der beabsichtigten Rcichsfinanzreform, welche Reichs und Staatsfinanzen möglichst unabhängig von einander machen, jedenfalls die Einzelstaaten vor einer Höherbelastung durch Matrikularbeiträge gegenüber den Ueberweisungen schützen wollte. Man darf begierig sein, wie dann Finanzminister v. Miquel seinen Lieblingsplan durchführen will. Der erste deutsche Torpedobootzerstörer. D Wie schon kurz gemeldet worden, läuft am 24. März der erste für die deutsche Marine erbaute Torpedobootszerstörer vom Stapel. Das neue Boot, „v 10", ist in gewisser Weise den englischen Torpedobootszerstörern nachgebildet worden, wenn es auch im Aussehen den deutschen Torpedo-Divisionsbooten ähnlich ist. Die Veranlassung zum Bau dieses Bootes auf einer englischen und nicht auf einer deutschen Werft ergab sich aus den vielen in jüngster Zeit von England gekommenen Meldungen über die mit dem Typ des Torpedobootszerstörers erzielten außerordentlichen Geschwindigkeiten. Das jetzt der Vollendung entgegengehende Schiff ist aus der Werft von Thornycroft <L Co. in Chiswick bei London erbaut. Bei einem Deplacement von 360 t ist es 64,6 irr lang, 5,6 m breit und hat einen Tiefgang von 2,3 in- „O 10" hat einen Schiffskörper aus Stahl, der unter der Wasserlinie verzinkt ist, um das Rosten zu verhüten. Die Torpedoarmirung besteht aus 3 Lancirrohren, nämlich einem Bugrohr und zwei Decksbreit- seitrohren, die artilleristische Armirung aus 5 5-ciu-Schnell- ladekanonen. Von großem Interesse ist die Maschinenanlage, die aus zwei Kompoundmaschinen, die 6500 indicirte Pferde kräfte entwickeln, besteht. Die Maschinenleistung übertrifft die jenige sämmtlicher Avisos, sowie der modernen Küstenpanzer, und kommt derjenigen der Panzerschiffe 3. Klasse nahe. Die nach einem Patent der Bauwerft hergestellte Kesselanlage besteht aus drei Wasserrohrkesseln. Auf die Leistungen des Bootes, das zur Probe und zur Prüfung der vielfach hervorgehobenen außergewöhnlichen Fahrt leistungen der englischen Fahrzeuge in Bestellung gegeben wurde, ist man in den Kreisen unserer Marine gespannt. Die von englischer Seite bekannt gegebenen Resultate beziehen sich nämlich stets auf Probefahrtsgeschwindigkeiten englischer Neubauten, welche mit leichtem Schiff und ohne Armirung ausgesührt sind, während bei den Probefahrten der deutschen Boote die Schiffe stets vollständig seefertig ausgerüstet sind. Der deutsche Torpedobootsjäger würde nach englischer Ansicht auch 30 See meilen in der Stunde laufen, während der Erbauer, unter Be rücksichtigung der schwereren deutschen Probefahrtsbedingungen, nur 27^ Seemeilen (6Z deutsche Meilen) als Abnahme geschwindigkeit garantirt hat. — Die Baukosten des Bootes, welches bereits im Herbst v. I. fertig sein sollte, dessen Ab lieferung aber durch den Ausstand der englischen Maschinenbau arbeiter um volle 6 Monate verzögert wurde, belaufen sich auf 2 407000 Mark. Wenn „v 10" die kontraktlich bedungene Geschwindigkeit von 27tz Seemeilen in der Stunde ausführen kann, wird es das schnellste Schiff der deutschen Marine sein und in Bezug auf die Geschwindigkeit als Vorbild für alle späteren, in Deutschland zu erbauenden Boote gleicher Art dienen. Deutsches Reich. * Leipzig, 18. März. Die „Gazeta TorunSka" (Nr. 54) berichtet, daß zum 6. März eine polnische Volks versammlung nach Lauen bürg in Pommern berufen war, um in der Flage des Gottesdienstes in polnischer Sprache und der Waklorganisation Beschlüsse zu fassen. Ueber den tragikomischen Verlauf dieser von uns schon früher erwähnten Versammlung verlautet Manches, was wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. An der Versammlung betheiligten sich etwa 100 Personen. Die Einberufer waren Herr Verleger Viktor Kulerski aus Graudenz und Herr Brejski, Redacteur der „Gazeta Tornnska". Von den übrigen Anwesenden war, wie festgestellt wurde, nur ein Einziger, der Schneider M. Koszalka, des Lesens und Schreibens kundig; auf ihn wurden denn auch später alle zu vergebenden Ehrenämter übertragen. Herr Kulerski eröffnete die Verhand lungen mit einer längeren Ansprache, in der er unter Anderem ans- ührte, daß, wenn die polnischen Stimmen im Wahlkreise Lauen burg nicht ausreichten, um einen Polen durchzubringen, es doch im Parlamente Freunde gäbe, dir sich der gerechten (polnischen) Sache annähmen und zu deren Gunsten rin Compromiß abgeschlossen werden könnte. Daraus nahm Herr Brejski das Wort, um die gegnerischen Parteien zu charakterisiren. Er griff zunächst die Con- servativen an, welche die Maigesetze gemacht, den Erzbischof Ledochowski in die Verbannung getrieben und arbeiterfeindliche Gesetze geschmiedet hätten. „Werdet Ihr je einem solchen Confer« vativen Eure Stimme geben?" „Ja, jal" schrie die be geisterte Versammlung. Darauf belehrte Herr Kulerski die Anwesenden, Laß sie aus diese Frage „nein!" antworten müßten, worauf alle entrüstet „nein!" riefen. Sodann ging es über die Nationalliberalen her. Auf die Frage Brejski's, ob die Ver- sammelten einen solchen wühlen würden, riefen diese, jetzt besser geschult: „Nein, nein!" Ebenso wenig fanden die Socialdemo kraten und die Antisemiten vor den Anwesenden Gnade. Das Centrum, weil in dem Wahlkreis nicht vertreten, kam nicht in Be- tracht und so blieb denn noch die sreisinoige Partei übrig. Herr Brejski äußerte sich nicht sehr entzückt über sie, aber er kannte doch an, daß sie den Polen ab und zu Gerechtigkeit widerfahren ließe. Der Redner schloß mit der Frage: „Einen solchen Mann könnt Ihr doch in der Stichwahl wählen, nicht wahr?" „Nein, nein", scholl eS entrüstet von den Lippen der Hörer, die nun auf das Neinsagen eingeübt waren. Abermals mußte den Versammelten zu Gemüthe geführt werden, daß jetzt „ja, jal" die richtige Antwort wäre, worauf bcreitwilligst eingegangen wurde. Nachdem darauf Herr Kulerski zum Candidaten für die nächste Wahl ausgestellt worden war, wurde ein polnisch-katholischer Arbeiter- Verein unter dem Schutze des heiligen Bruno, deS angeblichen Schutzpatrons Pommerns, begründet. Der freisinnige LandtagSabgeordnete Jäckel wird durch die politische Unschuld seiner Lieblinge innig gerührt sein. L2 Berlin, 18. März. Der Regen, er regnet jeglichen Tag, nämlich der Regen klerikaler Empörungsreden über den Herodes, genannt preußischer Staat. Die Berathung des CultusetatS im Berliner Abgeordneten Hause wollt» kein Ende nehmen und es waren fast immer nicht nur die selben Dinge, sondern dieselben Worte, die vorgebracht wurden. Die „Parität" ist Heuer nicht so in Mode wie in den früheren Jahren, diesmal bestritt daher die Elementar schule die Hauptkosten der Unterhaltung. Die Klerikalen fanden die armen Kleinen in puncto katholischer Schulaufsicht mit „Grausamkeit" (wörtlich) behandelt und setzten dem CultuS- minister Or. Bosse erschrecklich zu, was sehr komisch war. Der jetzige Cultusminister hat so viel für den UltramontaniSmuS in der Volksschule gcthan, daß ihm zu thun nichts mehr übrig bleibt. Das katholische Elementarschulwesen in Preußen ist total verpfafft und Ör. Bosse durste mit Recht sagen, auf diesem Gebiete herrsche „tiefster Friede". Allerdings der Friede, den Ter hält, der nicht das Geringste mehr zu erkämpfen hat. Der Feuilleton. Oie Ergebnisse von Nansen's Nordpolfahrt. Nansen wirft am Schluffe seine« Buches*) die Frage aus: Welche Ausbeute hat die norwegische Polar expedition gebracht? nnd er beantwortet diese Frage in einer weit eingehenderen Weise, als er dieses in der ersten Auflage seines BucheS gethan hat. Es kann hier nicht der Ort sein, auf alle Einzelheiten einzugeben, wir müssen dieser- halb auf daS Buch selbst verweisen, aber einige Stellen aus der Zusammenfassung der Reiseergebnisse dürften den Werth der Nansen'schcn Forschungen und der Polarfahrt überhaupt erhellen. Nansen führt u. A. aus: Die Entdeckung neuer Länder war nicht der Zweck der Expedition; sie war vielmehr darauf berechnet, mit dem Eise zu treiben und so weit als möglich vom Lande abzuhalten, da dieses der Trist leicht hindernd in den Weg treten konnte. Nichtsdestoweniger darf man wohl sagen, daß sie unsere Kenntniß der Vertbeilung von Land und Meer in den dem Pole zunächstgelegenen Gebieten in nicht geringem Grade bereichert hat. Die unleugbar wichtigste unserer geographischen Ent deckungen war daS tiefe Polarmeer selbst. Wie schon bei Entwickelung de- Plans der Expedition erwähnt worden ist, hatte man diese- Meer bi-her in der Regel für seicht gehalten. In der DiScussion der Geographischen Gesellschaft in London vor unserer Abreise wurde mir gegenüber betont, daß man beinahe überall am Nordpol Land zu finden erwarten müsse. Soweit man da« Meer bisher untersucht hatte, war eS überall seicht. Südlich von Franz-Joseph-Land und Spitzbergen hat die Tiefe di« zu 160 Faden (300 Meter) betragen, während nördlich von der sibirischen Küste nur eine Tiefe von nicht mehr als 40 (75 Meter), höchsten- 80 Faden (150 Meter) sestgestellt worden war. Außerdem hatten die Expeditionen, die in diesem Meere nach Norden hin vorgedrnngen waren, dort stet» neue- Land entdeckt. Die österreichisch-ungarische Tegettboff-Expedition batte wäbrend ihrer Drift Franz- Joseph-Land, die Jeannette-Expedition die Henrietta-Insel, die Jeannettr-Jnsel und Bennett-Land entdeckt. Auch ich glaubte, daß da« Polarbecken im Ganzen seicht sei, wenn ich auch die Möglichkeit Hervorbob, daß sich guer durch da- unbekannte Polarbecken eine tiefere Rinne hinziehen und die große, zwischen Spitzbergen und Grönland gelegene, bi- zu 4800 m betragende Tiefe mit dem von der „Jeannette" befabrenen Gebiete verbinden könnt«. Eine solche Rinne haben wir thatsächlich gefunden, da da« Meer unter 79° nördlicher Breite im Norden der °) In Nacht und Li«. 2 VSad«. 2. Auflage. Verlag von F. A. Vrockhan«, Lat-zig. Neusibirischen Inseln plötzlich tiefer wurde und bis auf 3500 und 3800 m sank nnd diese Tiefe wäbrend der ganzen nord westlichen und westlichen Drift der „Fram" bis nördlich von Spitzbergen beibebielt. Ich glaube, daß es nicht allein eine chmale Rinne sein kann, sondern daß das Polarbecken zum größern Theile eine Tiefsee ist, die nach Norden und Osten bin die Fortsetzung der Tiefsee deS Nordatlantischen Oceans bildet. Wie weit diese Tiefsee sich nach Osten hin erstreckt, davon können wir unS eine begründete Ansicht nicht bilden; wir wissen nur, daß sie bis nördlich von den Neusibirischen Inseln reicht; aber eS ist Wohl wahrscheinlich, daß sie sich auch weiter nach Osten hinzieht; die „Jeannette" fand ja auch, daß die Tiefe jedeSmal zunahm, wenn sie nach Norden oder Nordosten trieb. Was für Schlüffe kann man nun annehmbarerweise über die Vertheilung von Land und Meer in den noch unbekannten Theilen deS PolarmeereS ziehen? Ich glaube, wir dürfen mit Sicherheit annehmen, daß diesseits des Pols nur wenig oder gar kein Land liegen kann; und zwar aus mehreren Gründen. Schon die Annahme, daß ein so tiefes Meer auf eine so weite Strecke bloS eine schmale Rinne sein sollte, ist an und für sich unwahrscheinlich; eS muß sich sicherlich noch ein gutes Stück von unserer Route aus nach Norden erstrecken. Ferner sahen wir in keiner Richtung Anzeichen von Land. Während unserer Schlittenfahrt nach Norden schien da« Ei« mit großer Geschwindigkeit, ja mit größerer, al« wir es weiter südlich gefunden haben, zu treiben. In den Rinnen war große Bewegung, und wir selbst wurden öfter ziemlich schnell in verschiedenen Richtungen weiter ge trieben, so schnell sogar, daß e« bisweilen auSsah, al- wären wir Wind und Wogen hilflos preisgegeben. Derartige EiS- maffen könnten sich kaum mit so großer Freiheit bewegen, wenn eS Land von einiger Größe in der Nähe gäbe, denn diese« würde der Drift unübersteigliche Hindernisse in den Weg legen. Während die „Fram" an der Nordwestküste von Sibirien entlang fuhr, machten wir einige mehr zufällige Entdeckungen, die, obwohl von geringerer Wichtigkeit, doch von geographischem Interesse sein können. Wie im 4. Capitel deS 1. Bande erzählt ist, fanden wir dort viele neue Inseln, und die ganze Küstenlinie scheint bedeutend mehr zerrissen und eingeschnitten zu sein, al- man bi-her geglaubt hat. Schon im Karischen Meere fanven wir eine neue Insel, die Sverdrup-Jnsel, und weiter an der Küste entlang die Scott-Hansen-Jnseln, die Element--Markham-Jnseln, die Ringne«-Jnseln, die Mohn- Inseln und die General-Tillo-Jnseln, sowie noch einige auf der Westseite der Halbinsel Tscheljuskin, wie die Fearnley- Inseln und die Axel-Heiberg-Jnseln. Im Norden der von Nordenskiöld besuchten Taimyr-Insel fanden wir eine größere Inselgruppe, die in nördlicher und nordöst licher Richtung eine ziemliche Au-vehnung zu haben schien, und der wir d«n Namen Nordenskiöld - Inseln I gegeben hatten. Im Süden von Nordenskiöld's Taimyr- Sund batten wir im Colin-Archer-Hafen geankert. Auch dort fanden wir verschiedene Inseln und das Land war, soweit wir es untersuchen konnten, durch Buchten und Meer engen zerkheilt. Hier war die einzige Stelle an diesem Theile der Küste, wo wir an daS Festland selbst herankamen. Aber wo wir uns ihm weiter im Südwesten genähert hatten, machte es aus uns stets wieder den Eindruck eines von zahl reichen FjordS zerschnittenen Landes. Die Vorstellungen, die ich mir nach den älteren Karten von dem zwischen der Dickson- Jnsel und der Taimyr-Bucht liegenden Theile Sibiriens gemacht batte, haben sich daher wesentlich verändert. Statt der einfachen Küstenlinie mit flachen Buchten scheinen wir es hier mit einer echten Fjordküste und einer recht deutlich aus gebildeten Schärcnkette, vor der draußen im Meere noch zahl reiche größere und kleinere Inseln liegen, zu thun zu haben. Nach Westen hin, glaube ich, erstreckt sich Franz-Joseph- Land viel weiter, als wir bis jetzt wissen. Auf der Nordseite von Alexandra-Land sahen weder Jackson noch wir daS West ende der Jnselreihe; die große, offene Rinne am Lande ent lang, die sich ein gutes Stück in dieser Richtung hinzuziehen schien, deutete auf Land hin. Auf der Südseite deS Alexandra- LandeS hat Leigh Smith ebensowenig wie Jackson die West grenze des Landes gesehen. Es würde interessant sein, das noch unbekannte Gebiet, daS hier nach dem Nordostlanve und Spitzbergen zu noch übrig geblieben ist, zu untersuchen. Johansen und ich würden es durchzogen haben, wenn wir nicht Jackson und seine Leute getroffen hätten. Hoffentlich gelingt eS diesen, diese Aufgabe zu lösen. Soweit unsere Untersuchungen reichten, scheint die Insel gruppe zum wesentlichen Theile vulkanischen Ursprungs zu sein und auS Basalten zu bestehen. Im nördlichen Theile reichen diese und andere Plagioklas - Pyroxen - Gesteine bis ganz an daS Ufer. Dies war am Cap Fisher im 81° nörd licher Breite der Fall, wo der Basalt mit einer beinahe loth- rechten Felswand in die See hinabfiel. Ebenso erreichte er das User bei Cap M'Clintock, bei unserer Wintcrhütte, am Strande der Frederick-Jackson-Jnsel, bei dem Vorgebirge mit Säulen basalt, wo wir die Nackt vom 25. auf den 26. August 1895 zubrachten, beim Cap ClementS-Markham, beim Cap Felder und auf der Torup-Jnsel. Dasselbe schien auch, soweit ich sehen konnte, auf der Südseite deS Krvnprinz-Rudolf-LandeS der Fall zu sein. Ich spähte dort im Norden überall ver gebens nach sedimentären Schichten, deren Versteinerungen über daS geologische Alter des Landes Aufklärung hätten geben können. Nur bei Cap Helland fand ich eine Boden erhebung von losem, verwittertem Thonschiefer, aber keine Versteinerungen. Auf der Südseite der Inselgruppe, bei Cap Flora und in dessen Umgebung, reichte der Basalt jedoch nicht an die See hinunter. Hier erhob sich vom Ufer au« eine Thonformation bi« zu einer Höhe von 160—200 w, und auf dieser lag der Basalt in einer Mächtigkeit von 160—200 w, wenn nicht mehr. Nach dem, was Dr. Koetlitz, der Geolog der Jackson- Expedition, mir mittbeilte, scheinen auf den anderen Inseln westlich von der Nortbbrook-Jnsel ähnliche Verhältnisse vor zuliegen. Da der Basalt also hier auf der Südseite an mehrern Stellen erst in größerer Höhe gefunden wird, wäbrend er sich weiter nördlich überall bis an die See zu erstrecken scheint, sieht es beinahe so au-, al- fielen die Formationen der Inselgruppe, sowohl die Thonablagerung wie die Basaltdecke, nach Norden ein, wo der Basalt vielleicht auch vurchgebends an Mächtigkeit zunimmt. Jedenfalls könnnen wir mit Sicherheit sagen, daß Franz- Joseph-Land im Ganzen betrachtet eine Bildung ist, die nicht älter als die Juraperiode sein kann; eS ist also, geologisch gesprochen, von verbältnißmäßig jungem Alter. Die flachen Basaltdecken, die sich auf allen Inseln, zum Theil sogar in einigermaßen gleicher Höhe au-breiten, scheinen uns noch da von zu erzählen, daß hier einst eine größere, zusammen hängende Ländermaffe gewesen, die im Lause der Zeit — unter dem Einflüsse der verschiedenen Kräfte, die am Lande zehren, wie Frost, Feuchtigkeit, Schnee, Gletscher und Meer — zerstückelt und zerstört worden und theilweise unter der Oberfläche deS MeereS verschwunden ist; vielleicht sind auch Verwerfungen vorgekommen und einzelne Theile in die Tiefe gesunken, wovon nun nur noch die durch Fjorde und Sunde ge trennten, zerstreuten Inseln und Inselchen als Uebcrreste zurückgeblieben sind. Wahrend unser- Aufenthalt« auf Cap Flora fanden Jackson und vr. Koetlitz eines Tage« auf einem kleinen Berg kamme, der aus dem im Norden der Statiou gelegenen Gletscher bervorragte, zahlreiche Pflanzenversteine rungen. ES ist die- der Fund, von dem ich schon oben gesprochen habe. Ein paar Tage später, am 17. Juli, be gaben Or. Koetlitz und ich unS wieder dorthin. Der Berg gipfel bestand ganz auS stellenweise typisch säulenförmigem Basalt und erhob sich mitten im Gletscher bi- zu einer Höhe, die ich auf 200—230 m über dem Meeresspiegel schätzte; die Höhe genau zu messen, war unS leider keine Zeit geblieben. An zwei Stellen lagen hier in einer den Basalt bedeckenden Schicht eine Menge Sandsteinfragmente. Beinahe in jedem dieser Bruchstücke fand man Abdrücke, meist von Coniseren- nadeln, aber auch von kleinen Farnblättern. Wir sammelten von diesen Schätzen so viel, als wir tragen konnten, und kehrten Abend- schwer beladen und höchst befriedigt heim. Einige Tage später gelangte Johansen auf einem Schneeschuh- ausfluge zufällig, ohne eS zu wissen, an denselben Ort und sammelte dort ebenfalls Versteinerungen, die er mir brachte. Infolge der beständigen Drift wird in dem Theile des PolarmeereS, den wir durchfuhren, da« EiS nicht alt. Ich habe äußerst selten EiS gesehen, da» ich auf «in Alter von 4 bi- 5 Jahren schätzen konnte, und ich glaube, daß 5 bi« 6 Jahre ia der Regel die längst« Zeit ist, welch« di« Ei«»
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