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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980330021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898033002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898033002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-30
- Monat1898-03
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181 Die Morgen-AvSgabe erscheint um '/,? lihr. die Abrnd-AuAgab« Wochentag» um b Uhr. Re-action »nd Erpeditiou: Aohannesgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbroche» geöfinet von früh 8 bi« Abklld« 7 Uhr. Filialen: Dtto Klemm's Eortim. (Alfteetz Hatz»), Huiversitätsstraße 3 lPaulinum), Lo»i» Lösche. Ketharinenstr. 14, pari, und KS»ig«pkb, 7. VezugS'Pre» M tz« Hauptexpeditiou oder de» t» Gtadt« bttirk und den Vororten errichtete» Aus- aabestellen «bgeholt: vi«rt«ljüdrlich^l4.öO. ort zweimaliger täglicher Zustelluug in« Hem« L.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich . Dir«» tägliche Krenzbandlendnug de« LuSland: monatlich 7LÜ. Abend-Ausgabe. KiMM TMblatt Nrhzeigen-PreiO die 6 gespaltene Petitzeile 20 chrclamen unter dem Redaction-strich (4 g» spalten) üO^. vor den ^auiilirac.ackrtckteM <6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« perzeichuih. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. -rtra-Beilagen (gesalzt), nur mft de« Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderuuz' SO.—, mit Postbesörderung 70.—. o»»» Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Nolizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Mittwoch den 30. März 1898. AnnahrurschluK für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Kkorge»-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Dn den Filiale» und Annahmestelle» je ei« halb« Stund« früher. Anzeige» fiud stet« an die Erpetzitta» zu richte». Druck u»d Verlag vo» r. Pol» t» Leipzttz 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. März. Der Reichstag hat beschlossen, vor den Osterferien nicht« Weiteres mehr als die dritte Lesung deS Etats vorzunehmcn, und weil er so entschieden hat, wird der Etat heute fertig werden. Morgen, als am letzten März, muß er genehmigt sein, wenn kein Nothgesetz erforderlich werden soll. Aber dieses Druckes bedurfte es nicht, die Hand voll Abgeordneter, die noch in Berlin sind, zum Schluffe zu drängen. Es ist kein Halten mehr und das entspricht sogar den Ueberlieferungen aus besseren parlamentarischen Zeiten. Bis zum Schluffe der dem Palmsonntag vorhergehenden Woche ist der Reichstag wohl niemals versammelt gewesen. Diesmal wird allerdings die Oster- und Frühlingsungeduld noch durch die Aussicht auf die Wahlen verstärkt. Die Abgeordneten gehen, um ein Wort deS Herrn v. Levetzow zu gebrauchen, als morituri in die Ferien. AuS diesem Gefühl heraus ist auch eine Unter brechung der Sitzungen für die ungewöhnliche Dauer von vier Wochen verabredet worden. Natürlich wird der jetzt schwache PulSscklag deS Reichstags bei seinem für den 26. April angcsetztcn Wiederzusammentritt noch schwächer sein. Er gedenkt dann noch etwa acht Tage zusammenzu bleiben. Ob die unvermeidliche Unrast dieser kurzen Spanne Zeit den noch ihrer Erledigung harrenden Arbeiten günstig sein werde oder nicht, läßt sich nickt entscheiden. Gewöhnlich geht es am Schluffe einer Session oder gar einer Gesetz- gebungöperiode sehr geschwinde und die mit dem Bürgerlichen Gesetzgcbuche zusammenhängenden Justizgesetze werden auch ohne Zweifel von der Eiligkeit profitircn. Sie sind Caviar für das parlamentarische Volk und können bei einer Frequenz von sieben Mann, den Präsidenten und das Burean eingeschlossen, unbeanstandet beschlossen werden. Aber ob auch die Militairstrafproceßordnung noch passirt, das siebt bei den Göttern. Sie wäre bei einer Be setzung des Hauses, wie es sich bei der zweiten Lesung der Flotten vorlage zuiammengefunden hat, nach unserer Ueberzeugung einer Mehrbeit unbedingt sicher, der gute Wille zur Schlichtung der wichtigen Strcitpuncte, die nock zwischen dem Reichstag und dem Bundesrath schweben, ist vorhanden und die Frage der letztinstanzlichen Rechtsprechung für die bayerischen Armee- corps wird bekanntlich im Einführungsgesetze vertagt. Aber eS ist fraglich, ob es nicht eines beschlußfähigen Reichstags, d. b. der Anwesenheit von 199 Herren, bedürfen wird, »m die Angelegenheit zum Ende zu führen. Es kann sein, daß die eine oder die andere Partei die Frage in ihre Agitation einzubezichen wünscht. Wir denken dabei weniger an die Socialdemokratie als an Herrn Nichte r, der noch niemals so entblößt vor die Wähler getreten ist, wie er cs jetzt muß, und Lust haben konnte, aus dem Lappen der Militairstrafproceßordnung seine politische Armseligkeit etwas aufzuputzen. Wird aber die Beschlußfähigkeit angezweiselt, so wird sie vielleicht auch nicht vorhanden sein. Bestimmt ist nur, daß die Nationalliberalen, insoweit sie nicht durch Krankheit ver hindert sind, vollzählig erscheinen werden. Sie würden dies auch thun, wenn sie nicht durch die Verlegung ihres Delegirtentages vom 24. April auf den 1. Mai einen Anreiz erhalten hätten, sich in der kritischen Zeit in Berlin aufzuhalten. Es kommt nun auf das Pflichtgefühl derConser - vativen und des CentrumS an. Die Ersteren würden sich allerdings mit sich selbst in Widerspruch setzen, wenn sie nicht auf allgemeines Erscheinen hielten, denn in den beiden strittigenFragen der Militairstrafproceßordnung haben sie sich zu Wortführern deS Standpunctes der Regierung aufgeworfen. Und was das Centrum angeht, so hat eS sich moralisch für die Zu- standebringung des Gesetzes verpflichtet, indem es durch den Muuv des Abg. Gröber — übrigens der Wahrheit gemäß — erklären ließ, der Reichsgesetzentwurf sei besser als das vielgerühmte bayerische Militairstrafverfahren. Da er unbestritten auch dem bestehenden preußischen, sächsischen und württembergischen Proceß vorzuziehen ist, und da ferner die Ueberzeugung allgemein ist, daß diese lang ersehnte Reform, wenn von der Minute auSgeschlagen, wenigstens in einem halben Menschenalter nicht wieder zu haben sei, so würde die „ausschlaggebende Partei" eine schwere Verantwortung auf sich laden, wenn sie sich durch die Wahl bewegung von der Bildung eines beschlußfähigen Hauses ab halten ließe. Der Zwiespalt, der sich in der EeulrumSfraction des Reichstags wegen der Flott en frage zu erkennen gegeben bat, wirkt in dem Theile der Centrumspresse, der gegen die Bewilligung der Marinevorlaae agitirt hatte, nock nach und äußert sich in scharfen Angriffen gegen vr. Lieber und seine Freunde. Die „Köln. VolkSztg." macht zwar den Versuch, die infolge „unleugbarer Fehler, die neuerdings vorgekommen sind", hervorgerufeue gereizte Stimmung durch Vertröstung auf eine Belohnung der Partei zu beschwichtigen, aber die Gereizten scheinen an eine Belohnung deshalb nicht glauben zu wollen, weil sie sich bewußt sind, keine verdient zu haben. Sie wollen sich auch nicht beschwichtigen und versöhnen lassen und sind erfreut über den Riß, den der „starke Thurm" oes CentrumS erlitten hat. So erklärt der „Aachener Volks freund" rund heraus: „Die lange fortgesetzten Bemühungen des Herrn Abg. vr. Lieber und seiner „Adjutanten", des Prinzen v. Arenberg, des Freiherrn v. Hertling, des Abg. Spahn und anderer, die ganze Fraktion unter einen Hut zu bringen, sind erfreulicher Weise ge scheitert, und zwar gündlich gescheitert." Selbst der „Westfäl. M«rc", der das Flottengesetz nur sehr lau bekämpft hat, geht mit der Fractionsleitung scharf ins Gericht, indem er schreibt: „Man wird sich dort, wo man die Leitung in Händen hat, auch die Frage vorlegen müssen, ob denn auch von Anfang an alles geschehen ist, um die Einheit zu wahren, oder ob etwa für die Zukunft nicht doch andere Mittel und Wege eingeschlagen werden müssen. Wir können hier nicht verschweigen, daß man es in den Kreisen der Wähler mit dem größten Erstaunen vernommen bat, daß die Fraction in die Berathung der Vorlage erst eingetreten ist, nachdem die erste Lesung in der Commission vorüber war. Die allerwichtigsten Anträge wurden von dem der Fraction angehörenden Referenten ringebracht, ohne daß die FracttonSgenossen eine Ahnung davon hatten, wie sie selbst sich dazu würden stellen können. Ja, durch den bekannten Drckungsantrag sollen selbst die anderen Centrums- mitglieder in der Commisiion vollständig überrascht worden sein." Diese und ähnliche Auslastungen erinnern lebhaft an den Streit, der 1894 nach den Handelsverträgen im Cen trumslager sich abspielte. Auch damals batte sich bekanntlich die Fraction bei der Abstimmung gespalten und die Folge war eine noch Monate lang sich fortsetzende heftige Fehde in der Centrumspreffe. Damals wie heute hatten sich besonders die bayerischen CentrumSmitglieder gegen die Regierung engagirt, damals, wie heute wurde besonders der Abg. Lieber stark an gegriffen, damals, wie heute war für die regierungsfreundlichen Mitglieder des CentrumS großentheilS die Rücksicht auf „Fulda und Rom" maßgebend gewesen. Nur Eins ist anders als damals, und zwar sehr zum Mißbehagen deS CentrumS. Damals nämlich war seit den Reichstagswahlen kaum ein Jahr vergangen und die feindlichen Brüder hatten deshalb reichlich Zeit, sich wieder auSzusöhnen. Heute stehen die Reichstagswahlen nabe bevor, und da ist eS denn wenig er freulich für die Partei, wenn gerade die Führer in der eigenen Presse heftig angegriffen werben. Trotzdem wird der Streit große praktische Folgen schwerlich haben, da die rebellirende demokratische und particularistische Centrumspreffe Wohl zur rechten Zeit von „höherer Stelle" aus zurückgepfiffen werden wird. Ob wirklich, wie man in Washington anzunehmen scheint, in Madrid bereits der psychologische Moment gekommen ist, daß man dem amerikanischen Begehren, das Blutvergießen auf Cuba einzustellen, sich nicht mehr schlechthin widersetzt, muß sich erst noch zeigen. Die bis jetzt aus spanischer Quelle vorliegenden Nachrichten sprechen nur für die Geneigtheit der Madrider Regierung, den Krieg mit den Ver einigten Staaten zu verhüten und zu diesem Zwecke die Wünsche derselben in Erwägung zu ziehen. So wird unS gemeldet: * Madrid, 29. März. Der Ministerpräsident Sagasta er klärte nach Beendigung seiner Besprechung mit dem amerikanischen Gesandten Woodford, der Letztere habe ihm gesagt, er hätte auf diese Gelegenheit gewartet, um die Wünsche seiner Regierung betreffs Cubas und der Lage der Concentratos auszusprechen. Er, der Ministerpräsident, habe einige zu diesen Fragen gehörige Puncte mit Woodford erörtert und ihm auch versprochen, seine Erklärung zu studiren und sie sowohl der Königin-Regentin als dem Ministerrathe vorzulegen, damit der Letztere seine Entscheidung treffen könne. Danach ist es noch keineswegs so weit, daß, wie Washingtoner Nachrichten wissen wollen, Spanien in Alles willigt und Cuba aufgiebt. So sehr wir wünschen, daß der spanischen Herrschaft auf der großen Antille in der Art, wie sie bis jetzt bestanden, ein Ende gemacht werde — und, nach dem jetzt auch eine deutsche Firma dort daS c'v8t In xuerio an sich hat verspüren müssen, sähen wir am liebsten heute noch die Spanier den Rücken wenden — so offen müssen wir bekennen, daß die Einmischung Nordamerikas völkerrechtlich unstatthaft ist und eine viel schärfere Zurückweisung verdient, als ihr zu Theil geworden ist. Wenn eine Madrider Meldung der „Intern. Corr." recht unterrichtet ist, bezeichnet man in dortigen Regierungskreisrn für eine Vermittelung folgende Bedingungen als möglich: 1) Untersuchung des „Maine"-Wracks durch unparteiische Taucher und Ingenieure. Im Falle die Zerstörung durch eine Untermine festgestellt wird, zahlt Spanien die Hälfte der Herste llungs- kostea des „Maine". 2) Die Vereinigten Staaten erkennen die den Cubanern gewährteAutonomie als ausreichend für die Wieder- Verstellung der öffentlichen Ruhe und erkläre» sich bereit, jede Aus rüstung von Freicorps zu unterdrücken. 3) Die Vertheilung der von Nordamerika für die nothleidenden Cubaner gelieferten Liebes gaben wird durck eine aus sämmtlichen ausländischen Consuln zu bildende Commission vorgenommen, während die Ber- theilung durch amtliche Organe der Bereinigten Staaten als un möglich bezeichnet wird. Das Letztere deshalb, weil in diesem Falle nickt die Noth leidenden, sondern die Insurgenten die Unterstützten sein würden. UcbrigenS haben, wie man uns meldet, die in Mexiko wohnenden Spanier, um die Hilfsaction der Ver einigten Staaten überflüssig zu machen, beschlossen, den Nicht- combattanten auf Cuba mit Geldmitteln zu Hilfe zu kommen. Eine zu diesem Zweck aufgelegte Subscription hat bereits den Betrag von 1 Million Dollars erreicht. Das wird in Madrid den etwa gesunkenen Muth neu beleben und mit dazu beitragen, die Washingtoner Action zu einem langsameren Tempo ver anlassen. Nach einem uns vorliegenden Telegramm ist denn auch die Botschaft Mac Kinley'S, betr. den Credit für die kubanischen Nothleidenden, noch immer nicht an den Congreß gelangt. Sie wurde gestern nicht erwartet und dürste auch heute ausgeblieben sein. Die Stimmung im Senat und Repräsentantenhaus ist zwar immer noch sehr kriegerisch, aber man übereilt sich nicht. Neber die Zugeständnisse Chinas an fremde Mächte bringt die „Daily Mail" folgende Uebersickt: Rußland. 18. December. Rußland besetzt Port Arthur. 30. Januar. Rußland verlangt Schadenersatz für die Deutsch land gewährten Zugeständnisse. 3. Februar. Russische Truppen besetzen die Mandschurei. 7. März. Rußland verlangt Port Arthur unter denselben Be- dingungen, unter denen Deutschland Kiaotschau erhalten hat. 2ü. März. Rußland erhält Port Arthur und Talirnwan, sowie das Recht, eine Eisenbahn durch die Mandschurei zu bauen. Deu tschland. 14. November. Deutsche Truppen landen in Kiaotschau, um Schadenersatz für die Ermordung eines Missionars zu verlangen. 30. November. Ansprüche formulirt, darunter die Besetzung von Kiaotschau als Kohlenstation. 10. Januar. Kiaotschau an Deutschland auf 99 Jahre verpachtet; China erklärt sich bereit, Schadenersatz zu zahlen. 26. Februar. Deutschland erhält ein Eisenbahnmonopol in Schantung. 13. März. Ter deutsche Consul verlangt, daß die ganze Provinz Schantung zur deutschen Einflußsphäre gehören soll. Frankreich. 17. März. Frankreich verlangt — unter sehr günstigen Aus sichten für die Erfüllung seines Wunsches —, daß China nicht die Provinzen Uunnan, Kwantung, Äwangsi und Kweitschau abtreten und Leitjchau nicht als Kohlenstation verpachten soll. G roßbritannien. 26. December. Erlangt die Wiedereinsetzung McLeavh Brown's als Rathgebers Les Zollamtes in Korea. 24. Januar. Britische Kriegsschiffe verlassen Port Arthur, nach dem sie dort wochenlang die Russen beobachtet hatten. Die Russen bleiben im Hafen. 22. Februar. Anleihe abgeschlossen. Diese soll von deutschen und engliichen Banken ausgegeben werden. China soll eine Garantie geben, daß der Jangtse nicht an eine fremde Macht abgetreten werden wird. Die Anleihe wird in Deutschland überzeichnet, findet dagegen in London keine gute Ausnahme. Nach dieser Uebersicht ist England freilick am schlechtesten weggekommen, aber durch das officielle russische Communiquv ist ihm wenigstens die Möglichkeit zu einem anständigen Rück züge gegeben. Nach dieser officiellen Auslegung deS Vertrages mit China soll zwar offenbar Port Arthur nicht Frei hafen werden, und weder dieser Hafenort, noch Talien- wan sollen für Kriegsschiffe anderer Staaten ohne Weiteres freistehen, aber indem der letzterwähnte Hasenort den Handelsschiffen aller Völker geöffnet wird, wird eine Forderung erfüllt, die vor einige» Monaten bekanntlich England an China stellte, und gegen die damals Rußland energisch remonstrirte. Die „Times", die ein ent schiedenes Eingreifen wegen der russischen Erfolge in Ostasien fordern, geben zugleich das beste Argument für eine friedliche Haltung Englands. DaS Blatt erinnert nämlich daran, daß in Westasrika jeden Augenblick die englischen und französischen Interessen collidiren können, daß der Sudanfeldzug noch nicht erledigt sei, daß die in Uganda durch die Meuterei der Sudanesen ent standenen Unruhen noch nicht ganz beseitigt seien, und daß endlich die Verhältnisse in Südafrika noch nicht geklärt seien. Um so mehr Grund ist für England vorhanden, in der ostasiatiscken Frage die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben, wozu ja auch um so weniger Berechtigung vorliegt, als die russischen Errungenschaften England nicht hindern, seinerseits Erfolge in China zu erzielen. Deutsches Reich. U Berlin, 29. März. Die „Vossiscke Zeitung" läßt sich unter dem Eindruck der Annahme des Flotten gesetzes durch den Reichstag zu dem Geständniß herbei, daß sich die Stimmung für eine Flottenvermehrung im Volke wesentlich verbessert hat. DaS freisinnig-volkSparteilicke Organ zählt auch die Gründe auf, welche seiner Meinung nach für diesen Umschwung der Volksstimmung ausschlaggebend waren. Ob unv wie weit diese Gründe zutreffen, mag hier außer Erörterung bleiben. Charakteristisch aber für die politische Logik und Consequenz des genannten Blattes erscheint, daß eS gleichwohl kein Wort des Tadels für die Vertreter seiner Partcirichtung im Reichstage findet, obschon diese durch ihre Fenrlletsn, Durch eigene Kraft. 38s Roman von Alexander Römer. Nachdruck virbotra. Aber auch in ihr regte sich der Wunsch und ward beinahe zur Leidenschaft, das Mädchen, welches nun wohl bald die Seine wurde, zu sehen — vielleicht war das zu ermöglichen. Der Pastor kam am Sonnabend, und sie redete mit ihm darüber. „Alle Welt sagt es, und Sie wissen sicher auch davon", be merkte sie. „Kennen Sie das Mädchen? Erzählen Sie mir von ihr. Sie werden es begreifen, wie mir sein Glück am Herzen liegt." Der Pastor sah verlegen aus, er empfand eS zu lebhaft, wie ihr zu Muthe war. „Ich hoffe es, daß sie zu ihm paßt", entgegnete er. „Ich habe kein competentes Urtheil über junge Damen und kenne dieses Fräulein Weber zu wenig, aber sie ist jung, sehr heiter, und Jugend, Frische, Lebenslust, das sind Dinge, die Ludwig in seiner Umgebung braucht. Er spricht sich ja nie über dergleichen auS, aber es scheint mir so, als ob er das Mädchen schon lange gern hat, und da wird er auch glücklich werden." Krampfte sich dabei doch ihr Herz zusammen? Sie war froh, a!S der Pastor eilig Abschied nahm; sie flüchtete in ihre Kammer, wo keine« Menschen Auge sie sah, verschloß die Thür und warf sich in wildem Schluchzen auf ihr Bett. „Jung, frisch, lebenslustig" — wie sie einst eS war, eine kurze, kurze Zeit — als seine Liebe wie Sonnenschein über sie kam. Ihre Blüthe ward früh geknickt, rauh hatte ihr da« Schicksal mitgespirlt, und als sich ihr der Himmel öffnete, da verschwß sie ihn sich selber. Sie zählte jetzt L2 Jabre und ihre Jugend war dahin. Sorgen, Noth, Entbehrung, Demüthigung Warrn ihre Zukunft, ihr einziger Sonnenstrahl war ihr Kind, und dessen Loo« ward dem ihrigen ähnlich. Derselbe schwere Schatten fiel in den Kelch feiner Blüthe — die Katastrophe kam nur früher, wo sein« Kinderseel« »och nicht» davon empfand, aber später! Ach! Wie viele Rückblicke hatte sie gethan, — Otto Victor würde sie einst auch thun. Der Paroxismus der Verzweiflung ging vorüber, sie mußte stark sein. War sie denn so schlecht, daß sie ihm sein Glück nicht gönnte? Wie konnte sie noch an sich denken, an ihre ver fehlte Existenz! Siebenunddreißigstes Capitek. In Ludwig'S Hause war Heller Jubel. So viele leuchtende Farben, so viele lustige jugendliche Stimmen kannte das öde Haus bisher noch nicht. Er hatte drei Equipagen zur Stadt geschickt, um seine Gäste zu holen. In der ersten, der elegan testen, saß die amtsräthliche Familie, Vater, Mutter und zwei Töchter; LouisenS Schwester war noch ein Backfisch von 15 Jahren. In dem großen Eßzimmer mit der Veranda, die nach dem Garten ging, war eine festliche Tafel gedeckt mit dem spiegel glatten Damastgewebr au» der Mutter Leinenvorrath, mit Silbergeschirr und echtem Porzellan. Frau Doris hatte Jahr um Jahr heimlich für des Sohnes Einrichtung geschafft. Früchte und Blumen zierten den Tisch, ein Anblick, der da» Herz jeder Mutter, welche ihre Tochter als künftige Herrin hier dachte, lachen machen konnte. In den anderen Zimmern vertheilte sich die Gesellschaft. Ludwig war schrecklich beklommen zu Muth. EinestheilS war ihm eine solche Festlichkeit mit Damen im eigenen Hause ungewohnt, er fühlte sich noch nicht eingeschult als Wirth. Dann kamen ihm wehmüthige Gedanken — wie großen Antheil an diesen Vorgängen würde seine Mutter genommen haben — und dann stieg ihm gewaltsam, ganz ungehörig, ein anderes Bild herauf — die Eine, die er in diesen Räumen einst als Herrin gedacht, für die er jede« Stück hier ausgewählt hatte. Al« schweb« sie unsichtbar hier zwischen dieser ihm auf einmal so fremd dünkenden Menge, so war ihm zu Muth, und er athmete schwer und fragte sich: „Bist Du toll?" Welch ein Segen war Llau« Hartwig heute für ihn! Er war unvergleichlich, er ersetzte ihn überall, wo sein« Krast un zulänglich war, er sorate für die Herren, er unterhielt di« Damen. Er hatte lustige Einfälle in unerschöpflicher Menge, er bracht- sie Alle »um Lachen, und wo man lacht, da amüfirt man sich. Endlich ging man zu Lisch«. Elan» hatte di« Plätze ge ordnet, Louise Weber saß zwischen Ludwig und ihm, die Frau Amtsrath gegenüber. Ludwig nahm sich gewaltsam zusammen. Woher kam nur dieses erstickende Gefühl, als würde ihm die Kehle zugeschnürt? Um die Bewirthung brauchte er nicht zu sorgen, seine Haus hälterin hatte sich Hilfe genommen und ihre höchste Ehre darein gesetzt, daß Alles auserlesen war. Die Gäste entwickelten auch einen anerkennenswerthen Appetit, die Stimmung war ebenfalls belebt genug, ein Toast jagte den andern, er selber brachte einen auf seine Gäste aus, der launig klang und tadellos gesprochen wurde. Aber von seiner Nachbarin zur Rechten hatte er wenig. Claus nahm sie reichlich in Beschlag, Louischens silberhelles Lachen tönte ununterbrochen an sein Ohr, aber seine Unterhaltungs gabe hatte es nicht hervorgerufen. Zu seiner Linken saß die Häßlichste unter den Anwesenden, auch die Wortkargste, und er vernachlässigte sie auch wohl reichlich. Ihm war wie im Traum. Es rauschte und brauste um ihn wie tosende Brandung, und ihm war, als versinke er in dem Strudel. Die Miene der Frau Amtsräthin umwölkte sich allmählich, nur wenigen Eingeweihten bemerkbar. Ihr Töchterchen war ja unwiderstehlich reizend heute, aber sie kümmerte sich zu wenig um ihren Nachbar, den Hausherrn, und ging ganz in diesen Albernheiten, die der Maler ihr vormachte, auf. Der war ja ein allerliebster Mensch, und auch sie lachte ein paarmal aus vollem Halse, man konnte seiner ausgelassenen Komik schwer widerstehen, aber Herr Heidemann schien es zu empfinden. Er saß da im Grunde steif und einsilbig, Frau Amtsrath nahm, als die Tafel aufgehoben ward, ihre Tochter beiseite und mahnte sie, sich zusammenzunehmen. „Du denkst Dir nichts dabei", sagte sie, „aber Deine Ver traulichkeit mit dem Maler ist ja auffällig." LouiSchen wurde roth bis über die Ohren und versicherte, sich wirklich gar nichts dabei gedacht zu haben. „Ja, das ist es eben", raunte die Mutter und schob sie wieder unter die Anderen. Nach Tisch pertheilte sich die Gesellschaft. Die Alten hielten Siesta, die Jungen schwärmten im Garten, zuletzt wurde ein Sparirrgang in den Wald beschlossen. Man mußte da die Parkanlagen d,I Herrenhaus«» passirrn, und jetzt fügte r» sich so, daß Ludwig an Louischens Seite den Führer machte. Sie war jetzt sehr sittig und sinnig, der eben erhaltenen Mahnungen der Mutter eingedenk, und sie wandelten in ehrbarem Schritt neben einander, den Uebrigen ein Stück voran, und redeten von recht alltäglichen Dingen. So kamen sie am Garten des Herrenhauses vorüber, und Louischen guckte neugierig auf die Herrlichkeiten drinnen, auf die künstlichen Teppichbeete, auf die Statue der Flora und den Springbrunnen in dem glattgeschorenen Rasenrondel. Die von Glycinien umrankte Terrasse lag im Schatten, dort saß eine schwarzgekleidete Dame, mit einer Handarbeit beschäftigt, und zu ihren Füßen spielte ein blondlockiger Knabe in weißem Kleidchen. Das Bild war anmuthig, verkörperte Poesie, und Louischen flüsterte: „O, wie reizend!" und hielt den Schritt an, um die Dame genauer zu sehen. Sie standen sehr nahe; eine niedrige Taxushecke trennte den Parkweg, auf dem sie gingen, von dec Terrasse, wo Ottilie sich befand, und jetzt blickte diese auf. Des Mädchens bewundernde, neugierige Augen begegneten den ihrigen, Ludwig zog den Hut, Louischen knixste, und über Ottiliens blasse Züge huschte ein flüchtiges Roth, während sie freundlich die Grüße erwiderte. Aber auch Otto Victor hatte die Vorübergehenden erschaut und er lief mit Hellem Freudengekreisch auf seinen Freund Ludwig zu, den er ja nie ohne ein besonderes Zeichen seiner Anhänglichkeit vorüberließ. Ludwig mußte den kleinen Meister Ungestüm erst begrüßen, und unterdessen kam auch Ottilie die Stufen herab und öffnete die Eingangspforte. Ludwig stellte seine Begleiterin vor, Ottilie forderte sie auf, einzutreten; die Miene Louischens verrieth, wie gerne sie das that, und da wurde nun der schöne Garten mit seinen lauschigen Lauben und Pavillons, seinen schönen, seltenen Sträuchern und Bäumen besichtigt und be wundert. Ottilie schritt dem jungen Mädchen voran, Ludwig folgte mit dem Knaben, den er wieder seine Sprünge und Kletter kunststücke machen ließ. „Seltsames Verhängniß", dachte er, „warum muß ich nun die Beiden da vergleichen?" Neben der schwebend anmuthigen Gestalt Ottiliens, nebrn ihrer trotz de» schlichten schwarzen Kleide» durchav» vornehm«»
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