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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189804031
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980403
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980403
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-03
- Monat1898-04
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1898
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DeAx-s-Preis Nedartilm »«- Lrpe-itio«: -otz«aae«,affe 8. Di» Expedition ist Wochentag« nnmrtrrbroche« geöffnet von früh 8 bi« Lbeud» 7 Uh^ - Die Morgea-AuSgab« erscheint tun '/,? Uhr, Xe «beu>-Aurgab« Wochentag« m» - Uhr.' mck den Vororte» errichtete» An«» ß>öeft»0««bgeholt: vt«rtrlMrltck>^4.ÜO, V-et»-N«r tüglich« Zuft.ll»«« i»« Haus^iLchL D»rch di, Post bezogen fttr Dratfchlmch and Oesterreich: vterteliLhrlich --l S.—. Dtrecte tägliche Kvenjbandsrndung Ausland: monatltch 7.20. . Filialen: Dlt» Klemm'« Lortim. (Alfred Haha), Universitätsstraße 3 (Pautinum), Louis Lösche, Kathariaenstr. I«, Part, and Sönigsplatz 7. MWMrIaMalt Anzeiger. ÄmLsölatt -es Königlichen Land- nnd Ämtsgerichles Leipzig, -es Nathes nn- 2?olizei-Ämles -er Stadl Leipzig. - die S gespaltene PetüzeN« K0 Wg. Reelame» aater demNeöartioasstrich («a» spalten) S0>H, vor X» yaaNItevaachrichi»» i« gepalten) »roher, Schrift» laut «rs««a -mi». verzeichriih. Labrllarilcher mch Ztfstkdsatz »ach höherem Tarif. Krtra» Beilagen lg»f»l»t), »ar mit der Mvrurn»Au«aade, oh», Postb«sdrd«rung ^l vO—, mit Postbeförderiw- ^li 70.—. Jinnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. tvei den Filialen und Annahmestellen je ei»» Halde Stunde früher. Anzeigen stad stet« an di» Expedit»«« zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. Sonntag den 3. April 1898. 82. Jahrgang. 1«8. Aus -er Woche. . Daß die Ernennung des ReichSstaatSsecretairS der Marine, Tirpitz, zum preußischen StaatSmiuister Aussehen erregt bat, ist begreiflich. Ebenso derstäudlich für den Kenner unserer Preßverhältnifse, wenn auch nicht sehr erfreulich, ist daS ungereimte Zeug,- da« aa vielen Stellen darüber geschrieben worben ist. Namentlich die Betrachtung über die „etatS- rechtliche" Seile der Entschließung lassen etwas mehr politischen Elementarunterricht für eine starke Gruppe der Träger der gedruckten politischen Volkgbelebrung recht erwünscht erscheinen. Wir begnügen uns mit der Feststellung, daß diese Ernennung eine finanzielle Seit« überhaupt nicht hat, auch keine im Reiche gelegene. Selbstverständlich wird ein preußischer Minister, dem auS dieser Eigenschaft keine preußische Besoldung zufließt, als solcher vom Reiche erst recht nicht bezahlt. WaS den politi schen Charakter der Berufung angeht, so hätte eS nicht aus drücklich gesagt zu werden brauchen, daß sie auS der eigensten Initiative des Kaiser- hervorgegangen ist. Das versteht sich von selbst, und deshalb ist auch nicht- mit der Aussassung anzufangen, die in der Ernennung einer gemeldeten Ver- stärkung deS Einflusses des preußischen Ministerpräsidenten, der zugleich deutscher Reichskanzler ist, im Slaatsniinisterium erblickt. Die oberste Initiative geht im Reiche und in Preußen schon lange nicht mehr auf eine Kräftigung der ministeriellen, überhaupt verfassungsmäßigen verantwortlichen Stellen aus und sie kann im vorliegenden Falle diesen Zweck gar nicht verfolgt haben, denn die gesteigerte Vermehrung portefeuille loser Mitglieder des Staatsministeriums, die zugleich ReichS- staatSfecretaire sind, schwächt den Inhaber des obersten Reichs- und StaatSamteS in diesen beiden Eigenschaften. Man hat gesagt, der Ministerpräsident werde im Staatsministerium gestärkt, wenn in dasselbe Herren träten, die im Reiche seine Untergebenen sind. Sehr viel wahrscheinlicher ist es aber, daß der Reichskanzler in der „Reicksregierung" Einbuße an Geltungskraft verliert, wenn er hier Untergebene hat, die im Skaatsministerium seine zweifel los selbstständigen, weil verantwortlichen College« sind. Die dem Geiste der Reichsverfassung durchaus zuwiderlaufende Umgestaltung der Reichsämter zu thalsächlich selbstständigen Stellen liegt obnehin seit geraumer Zeit in der Tendenz. Wird hier der Reichskanzler beeinträchtigt, so wird er es aber auch im Staatsministerium, weil die Mehrung der Minister, die nichts zu ministriren haben, die aus geschäftlichen Erwar tungen nicht begründete Vielköpfigkeit des StaatsministermmS das Gewicht und Ansehen dieser Körperschaft überhaupt schwächt. Je stärker besetzt die „Cabinette", desto weniger haben sie zu sagen. DaS ist ein Satz, zu dem man gar nicht erst durch Nachdenken zu gelangen braucht, die Er fahrung bat ihn gelehrt. Die Berufung deS Herrn Tirpitz muß deshalb, so vor- tbeilhaft eS zuweilen sein mag, daß hinter sein fachmännisches Urtheil über Marineangelegenheiten engherzige preußische Finanzrücksichten zurücktreten müssen, doch recht ernst genommen und darf keineswegs als eine rein preußische An gelegenheit angesehen werden. So „unverworren" mit Preußen, wie sein Amt, ist keines deS ReichSrestortS, deren Vorstände dem preußischen Ministerium angehören. Bei den Obliegenheiten deS StaatSsecretairs de- Innern be darf die Wechselwirkung zwischen Einzel- und Bundesstaat keiner Hervorhebung; der Kriegsminister, den man mit heran gezogen bat, wird allerdings vom Reiche besoldet, aber er ist eben doch nur preußischer Minister, und wenn hier eine that- säckliche Absonderlichkeit besteht, so ist sie eine verfassungs mäßige und eine historisch wie bundespolitisch sehr wohl be gründete. Vom Reicksstaatssecretair deS Auswärtigen Amtes endlich kann man zwar mit voller formaler Berechtigung sagen, er habe in Preußen gar nichts „zu suchen", umso weniger, als Preußen ja ein eigene- Ministerium für seine besonderen auswärtigen Angelegenheiten besitzt. Wie grau diese Theorie aber ist, konnte man erkennen, als der Evangelische Bund über den preußiscken Gesandten beim Vatikan, also einen Untergebenen des preußischen Ministers des Aeußern, Beschwerde führte. Der Bund ging an den Reichskanzler in seiner Eigeusckafl als preußischer Minister des Auswärtigen, aber der Vorstand des Auswärtigen Amtes beantwortete die Klage. Letzteres war nicht correct, aber diese Incorrectheit entsprach einer lebendigen richtigen Vor stellung von der Bedeutung deS deutschen und von der Bedeutungslosigkeit des preußischen auswärtigen Ressorts. Zwar ist ja der Reichskanzler bisher immer preu ßischer Minister des Aeußern gewesen, aber die gesteigerte Selbstständigkeit der Staatssecreiariate, die. nun einmal vorhanden ist, macht eS geradezu nothwendig, daß ent weder der Vorstand des Auswärtigen Amtes des Reiches preußischer Minister ist oder, da Berlin in den heutigen Zeit läuften beim Vatikan nicht unvertreten sein will, die Gesandt schaft beim päpstlichen Stuhle in einen Neichsposten ver wandelt wird. UebrigenS ist auch zwischen der Leitung der deutschen auswärtigen Angelegenheiten und der Besorgung des preußischen diplomatischen Dienstes bei den deutschen Regierungen ein engster Contact unentbehrlich. Wir erinnern nur daran, daß die Verpflichtung übernommen worden ist und beobach et wird, die Regierungen der Einzelstaaten über den Gang der auswärtigen Polin? deS Reichs auf dem Laufenden zu er halten. Alle bisher zu preußischen Ministern ernannten StaatSsecretaire haben also mit Preußen eine innere Be rührung. Vom Vorsteher des Reichömarineamts läßt sich das aber nicht sagen. Die Berufung des Herrn Tirpitz ist also eia uovissimum und bedeutet, wie zu befürchten steht, einen neuen Schritt auf der Bahn, die von dem System der Verantwortlichkeit in der Regierung immer weiter ab- gefübrt hat. Nach den Osterfeiertagen wird die Wahlbewegung höhere Wellen zu schlagen beginnen. Die Abgeordneten sind zu Hause und brauchen sich, wenn sie für ihre Wieder wahl agitiren, nicht einmal wegen ihrer Anwesenheit zu geniren; denn sie sind ausnahmsweise mit Recht zu Hause. Daß, wie die „Cons. Corr." wünscht und die „Hamb. Nachr." befürworten, noch von Berlin auS etwas für die Politik der Sammlung durch die Bildung eines Centralausschusses der Anhänger des Zusammengehens aller Erwerbsgruppen geschehen würbe, ist nicht wahrschein lich. Die vorsätzliche Trübung de- Sammelwassers wird noch viel zu eifrig und erfolgreich betrieben, als daß von einer gemeinsamen Organisation Anderes erwartet werden dürfte, alS eine politische Desorganisation der Parteien ohne Förderung der wirthschastlichen Einigung. Die Herren Klapper und vr. Hahn würden sich um die Centralstelle natürlich nicht kümmern. Tie „Cons. Corr." macht Zukunftsmusik. Die „Gegensammlung" ist übrigens nickt besser daran, trotz der prompten Unterschriften-Lieserung für ihren Auf ruf, die wir vorauSgesehen. Die „Nationalzeitung" hatte die Druckerschwärze für die endgültigen Reichstagsbeschlüsse über die Flotten-Organisation nicht trocken werden lassen, ohne Herrn Richter ein „Alles vergeben und vergessen, suvons umis" zuzurufen. Die Antwort lautete wie gewöhnlich, und so muß die „Sammlung" noch immer um die aus einsamer Höhe flatternde Fabne der Freisinnigen Vereinigung versucht werden. Arbeitet aber auch Herr Richter auf eigene Faust, so wird er doch des Beifalls von rechts her nicht entbehren. Er nennt die Vertreter des Gedankens zur Sammlung im Sinne des Grafen vou Schwerin und des Herrn Möller „Junker und Schornsteinbarone". Das muß heutzutage als eine respektable Leistung angesehen werden, die dem „Schutz- verbände" willkommen ist, so lange sich Niemand die Mühe nimmt, die Berliner Jackengrasen und Mäntelprinzen fick einmal handelspolitisch näher zu betrachten. Dieser Fleiß würde wahrscheinlich durch Zustimmung sogar aus Berliner politisch unverdäcktig freisinnigen Kreisen belohnt werden. Dort geht eS in freisinnigen Versammlungen, wenn solche über haupt zu Stande kommen, recht verdächtig zu. Dieser Tage stritt man fick z. B. im Bezirksverein der Potsdamer Vorstadt über die Aufgaben der freisinnigen Vereine. Landtagsabgeordneter Wetekamp (von der Fr. Volkspartei wohlgemerkt) empfahl, die Diskussionen über den Mittelstand einzuführen, um den kleinen Mann wieder für die Partei zu gewinnen. Die Handwerker, selbst wenn sie Innungsmitglieder feien, dürften nicht vor den Kopf gestoßen werden. In der Er örterung beklagte man sich bitter über das Fernbleiben der wohlhabenden und intelligenten Leute au« den frtisinn'gen Versammlungen. Die Parteiführer stiegen nur zur Zeit der Wahl von ihrer olympischen Höhe hernieder. Die frei sinnigen Blätter schenkten der Vereinsthätigkeit nur ganz geringe Beachtung, eS sei darum kein Wunder, wenn die Bewegung mehr und mehr einschliefe. Andere Redner gaben dem Communalfreisinn die Schuld an dem Niedergange der Partei. Ein älterer Mann, dem Anscheine nach einer der Veteranen aus der Zeit Schulze (Delitzsch) bezeichnete seine Parteigenossen als Schlafmützen. „Wir haben keine Demokraten in der Stadtverordnetenversammlung", rief er aus, „darum ist Alles schlapp geworden!" Das gab den Anlaß zu einem heftigen Wortgefechte zwischen den Vertretern der alten und der neuen Richtung. Ein junger Redner hielt den An wesenden vor, daß sie den echt freisinnigen Geist nicht gepflegt hätten, sonst wäre der Antisemitismus bei den Liberalen nicht so inS Kraut geschossen. Es sei nichts Seltenes, daß liberale Männer mit antisemitisch angebauchten Söhnen zu rechnen hätten. Die Alten von der Partei Richter erwiderten darauf, daß sie sich von den Jungen nicht schulmeistern lassen wollten. Erst dem Eingreifen der Referenten gelang eS, die erhitzten Gemülher einigermaßen zu beruhigen. Wenn Herr Richter in der „Fr. Ztg." über „dergleichen Veranstaltungen" bemerkt, sie batten lediglich den Zweck, „parteifeindlichen Blättern neuen Stoff zu geben", so ist varan so viel richtig, daß die freisinnigen Blätter dergleichen Veranstaltungen zumeist todtschweizen. Die vorstehenden Angaben sind einem antisemitischen Blatte entnommen, das aber nicht Lügen gestraft werden konnte. Deutsches Reich. L Berlin, 2. April. Mit der gegenwärtigen Lage der Mili t airstrafproceß - Reform im Hinblick auf die bayerische NcservatrechtSfrage beschäftigt sich «in lesen-wertber Artikel, der von Professor vr. v. Marck verfaßt, in der soeben erschienenen Nummer der „Deutschen Juristen zeitung" vorliegt. Darin wird die bundesstaat-rechtliche, die proceßrechtspolitische und die staatspolitische Seite dieser Frage auf Grund deS geltenden Rechtes eingehend dargelegt. Wir beben daraus zunächst den Passus hervor, der sich mit der historischen Darlegung des RechtSstandeS besaßt, auf Grund deren, wie erinnerlich, der preußische Kriegsminister zu Schluß folgernngen kam, die denen des bayerischen Gesandten gerade entgegengesetzt waren. Professor vr. v. Marck schreibt dazu: In jener großen Zeit dachte man in großen Züge»; man legte die Grundlagen de« neuen Gebäudes, die praktische Entwickelung in ihrem Geiste der Zukunft überlastend. Und wie klein erscheint in der Tbat die heutige Obergerichts - Frage gegenüber dem da» maligen Zusammenschlüsse von Waffenbrüdern zum neuen Reichl Ist man so darauf angewiesen, aus der Gesammtheit der Er» scheinungen in dem Rechtsverhältniß des Gliedes zum Ganzen und aus dein Wesen einer darnach zu regelnden Rechtsmatrrie selbst seine Schlüsse zu ziehen, so kommt man zu dem Ergrbniß: Die Contrahenten konnten nicht wollen, daß dem Reiche diese Gesetz gebung zugewiesen, ihm aber dir Möglichkeit genommen fei, für die Anwendung des gemeinsamen Rechtes diejenige Bürgschaft der Einheitlichkeit zu schaffen, die allein durch ein gemeinsames Höch'.'gericht gewahrt werden kann. Der historisch« Besitzstand Bayerns ist kein Gegenbeweis, weil, so lauge rin gemeinsame! Militair-Strasproeeß nicht bestand, auch rin gemeinsame« Obergericht nicht in Frage kam. Bei nothgedrungen so allgemeinen Grund lagen für die Gewinnung eines rechtlichen Ergebnisse« ist eS natürlich, daß ein strikter Beweis für die Berechtigung oder Nicht berechtigung de« bayerischen Anspruch- kaum zu führen, daß vor Allem keiner der beiden Theilr den anderen zu überzeugen im Stande ist, weil eben die Auffassung über die Gesammtstellung im Bunde bei jedem von ihnen eine einigermaßen verschiedene sein mag. Der Aufsatz schließt: Wir können also nur die Hoffnung aussprechen, daß die Ver» Handlungen von Regierung zu Regierung zu einer billigen Einigung aus einem Mittelwege führen werden. Und diese Hoffnung gewinnt eine Stütz« in dem versöhnlichen Schluffe der Berathuug im Reichs tage vom 19. März, wonach der Abg. Frhr. v. Hertling erklärte, dag er mit Rücksicht aus die Verhandlungen jetzt obig« Anträge aus der Commission nicht wiederholen wolle, sie nur für den Fall des Scheiterns jener für die dritte Berathuug Vorbehalte. Der Reichs» kanzler bestätigte, daß die Worte „gesetzlich anderweit" hinsichtlich der Streitfrage völlig res iutexrn beließen, nnd wie« hin auf die nunmehr von Monarch zu Monarch augebahute» Verstün» Feuilleton. Ein merkwürdiger Kuhhandel. Bon HanS Siegelt. Nachdruck »erboten. Hoch droben am Fichtelberg liegt, von uralten Tannen und Fichten umgeben, das kleine Dörfchen Tellerhäuser. Die Be wohner dieses Dorfes sind theils Waldarbeiter, theils Land- wirthe, die dem Boden mit echt rrzgebirgischer Zähigkeit die spärliche Frucht abzuringen trachten. Außerdem gab es von jeher in Tellerhäuser drei Beamte. Bon diesen waren zwei „fiernaam" oder „grußartig un reich" — eine Eigenschaft, die sich besonders dadurch offenbarte, daß diese beiden Beamten Bor hänge an den Fenstern hatten. Die glücklichen Zwei also waren der Herr Förster und der Herr Lehrer. Zu ihnen gesellte sich einer, der „nett ganz asu fiernaam" war, daS war der Wald wärter Barthel. Besagter Herr Förster trieb neben seinem Amte auch Land- wirthschaft, da zu dem Forsthausr reichlich acht Acker an Dienst ländereien gehören. Der Rinder breigestirnte, glatte Schaaren (es waren 3 Kühe und 2 Kälber) zeugten von dem „Reichthum" ihrrs Besitzers. Unter diesen Kühen befand sich eine, die den sanften Namen „Jette" führte. Jette war von jeher die Lieblingskuh deS Försters gewesen. Sie hatte in gewohnter Treue jahrelang ihrem Herrn gedient; hatte Milch geliefert, wie wenig andere Kühe; hatte den Wagen und den Pflug gezogen, selbst Pferdestrlle vor einem Rennschlitten vertreten; sie hatte alljährlich zur Weihnachtszeit gewissenhaft für die Erhaltung ihrer Art und die Vermehrung des gehörnten Besitzstandes gesorgt; sie hatte den jüngeren Schwestern die Kunst des Gesanges beigebracht — eine Wohlthat, die die Schülerinnen durch freiwilligen Gehorsam vergalten; kurz, Jette war die beste Kuh von ganz Tellerhäuser. Seit einiger Zeit jedoch war mit Jette eine merkwürdige Veränderung vor sich gegangen. Die frühere Bescheidenheit und Sittsamkeit waren gewichen und hatten einem aufsässigen Trotz Platz gemacht; die Milch wurde immer spärlicher, zuletzt hörte sie ganz auf; der anmuthige Gesang hatte sich in rin zorniges Brummen verwandelt, und zur Vermehrung deS Rind viehs trug sie nur insofern bei, al« sie eS regelmäßig bei der Vorbereitung zu der erwähnten Pflicht, als dem ange nehmeren Thril, bewenden ließ. Unter solchen Umständen wird kein Mensch es dem Förster verübeln wollen, wenn er mit Frau Alinde sich dahin einigte, daß die Kuh an den ersten besten Fleischer verkauft werden muffe. Ein Metzgermeister aus Rittersgrün, der von der Absicht de« Förster« gehört hatte, bot für die starke Kuh sechzig Thaler und erhielt sie. Allein wegen de» hohen Schnee« konnte er sein Ei-enthum nicht sofort miinehmen, sondern mußte «ine Zeit ab warten, in der man ohne Lebensgefahr den Weg von Teller häuser nach RitterSgrün wagen konnte. In der Zwischenzeit ward Jette immer ungezogener. Sie brummte in einem fort, scharrte die Pflastersteine aus der Erde und betrug sich nach jeder Seite hin so, daß der Förster schließlich sich entschloß, die Kuh selbst nach Rittersgrün zu führen. An einem Sonnabend, kurz vor Weihnachten, sehen wir den Förster mit seiner geliebten Jette thalwärts wandern, sehr zur Verwunderung derselben, die geglaubt hatte, auch heute gälte es eine Reise nach dem ihr lieb gewordenen Gottesgab. Unterwegs gesellte sich plötzlich zu seinem Förster der alte Barthel. „Gnt'n Morng nntenanner, Harr Farschier!" begann er, „wu soll's dä hiegieh?" „Nach RitterSgrün, zum Fleischer." „Do zieh iech mit, gaam Se när 's Stricke! haar!" Der Förster hatte nichts dagegen, und nun wanderten sie selbdritt das Waldthal hinab. Der weite Weg ward mit allerhand verständigem Gespräch verkürzt, besonders Barthel war unermüdlich im Erzählen. Er sprach von seiner „Zipp", die in der Mauser lag, von der bösen Katze, die den Zeisig seines Steuers beraubt hatte, von dcm herrlichen Hahn, der die schönste Stimme auf der Welt hatte, und von vielem Anderen. Selbstverständlich erwähnte er auch der im Felde befindlichen Soldaten, die den Franzosen den Standpunkt klar machen mußten. „Mir ka's eegal sei, waar de Priegeln kriegt, wenn ere när d'r Wiesentholer Aptheeker rächt viel kriegt!" fügte er hinzu. „Das ist ein bösartiger Wunsch", warf der Förster seinem Freund entgegen. „Js mir ganz eegal! Daar Hot mir Schänd un Brand ahgetha!" „Inwiefern denn, Barthel? Da höre ich doch das erste. Wort." „Wie iech dann Friehgahr drinne war, saht er, mei Nos' seeech gerod aus wie a Fliegenpilz; wenn iech a su fortsaufen theet, kennt's sei, daß mei Nos' noch amol in Flamme auf- giehe theet." „Hahahaha! Na, Barthel, so schlimm ist's noch nicht. Der Nase wegen brauchen wir uns noch nicht zum Master zu be kehren." „Maanese >), Harr Farschier?" fragte der erleichterte Barthel, dem die Zuversichtlichkeit seines Försters wohlthat. „Gewiß, Barthel!" bestätigte der Herr Förster. So waren sie bis nach Zweibach gekommen. Hier schlug Barthel vor, man möchte erst einen „Thee" einnehmen, „'s thut siech bester laafen", fügte er zur Begründung hinzu. Diesem Grunde konnte sich der Förster unmöglich verschließen, und so nahm man denn einen „Thee" ein. Es lief sich wirklich bester. Nach einer knappen Stund« gelangte man in den Lhren- ') Meinen sie? zipfel. Eben wollten sie die am Wege stehende Schneidemühle pasfiren, als sich plötzlich ein Fenster öffnete und eine lebhafte Stimme rief: „Gut'n Morng nntenanner! Harr Farschier, wu sell's dä hiegieh?" „Guten Morgen, Schreier, — zum Fleischer!" antwortete der Förster. „A wos? A fette schiene Kuh zum Flaascher?" „Ja, Schreier, sie ist brümmerisch!" „Jnu, när net zu'n Flaascher. De Flaascher sei kenn Schuß Pulver waart: Erscht machen se ne Leiten 's Zeig soht?) schlacht, un nochert well'n se aa noch nischt gaam. Worzu thunne Se de Kuh dä nett salbrscht schlachte?" „Im Winter kann ich doch das viele Fleisch nicht gebrauchen." „Wos sell se dä kosten?" forschte Schreier weiter. „Siebzig Thaler." „Dos is viel Gald — iech ho när itze ao nett viel Pfeng —" „Nu, in drei Teufels Namen! Will denn der Schreier etwa die Kuh kaufen?" „Jnuste, iewerleeng ward mor sich wühl die Sach' erscht kenne! Dos gieht doch nett wie bei d'r Eppelfraa, un siebzig Thaler is fei kaa Fuchsdrack!" Nach einigem Hin- und Herreden erstand Schreier die Kuh für fünfundsechzig Thaler. Er bat den Förster, sich gefälligst in die gegenüberliegende Kneipe zu begeben, er werde sofort nachkommen, sobald er die Kuh in den Stall gebracht haben werde. Während nun der Förster mit dem über den Handel glück lichen Barthel in die Kneipe ging, schickte sich Schreier an, sein Eigenthum in Verwahrung zu nehmen. Gustl, Schreier's treue Gattin, hatte keine Ahnung von der plötzlichen Vermehrung ihres Rinderbestandes. Ihr Mann glaubte, er könne ihr eine rechte WeihnachtSüberraschung bereiten, klopfte also fröhlich, im Bewußtsein einer guten Thal, ans Küchenfrnster und rief: ,l?istl, mach amol de Stallthür auf!" „Worzu dä?" schallte es dumpf heraus, „mor well'n se när zulostn, 's kennt reischneie!" „Mach när auf, 'S iS a su kalt do Hausen", bat der Hausherr. „Nüsse, wenn Diech a su friert, taste doch reikumme!" er widerte die praktische Auguste. „Mach när auf!" befahl der Herr. „Erscht muß iech mei Gans noch fertig ruppen." Schreier kannte sein Weib genau. Er fügte sich inS Un vermeidliche, indem er brummte: „Do hilft's nu Webber nischt; do muß ich klaane Griene zugaam un muß warten; oder der Rupprich sell de Weibsvölker hul'n, wenn se irwer'n Gensruppen sei!" Jette wackelte ver- ständig mit den Ohren und folgte ihrem neuen Besitzer geduldig bis an die Stallthür. Sie wußte: „Der erst« Eindruck ist der beste!" Darum benahm sie sich so gebildet, wie nur irgend möglich. *) s-tt. Endlich war Auguste mit dem Rupfen des beliebten Bogel« fertig. Sie schloß die Stallthür auf. — „Jnu Christi« Geesis — wos is dä dos?" „A Kuh", sagte Schreier. Jette nickte beistimmend mit dem Kopfe. „Dos watz iech allaa!" wetterte Auguste. „Nu, worzu freegste dä do?" „Wann ») is dä die Kuh?" „Dei", antwortete er. Jette wedelte unterwürfig mit dem Schwänze. „Latsch när kaa Zeig! Wie timmst Du dä zu daar Kuh?" „Die Hot Dir 'S Bornkinnl«) bescheert!" schmeichelt« Schreier mit seinem freundlichsten Lächeln. „Ich will wissen, wie Du ze daar Kuh komme bist!" beharrte die erzürnte Auguste. „Na, wenn Du 's nu aamol wissen willst — gekaaftho iech se!" „Gekaaft? Bun wann dä?" „Vun Tallerheiser Farschier." „Jnu, Kiste dä olber? Wie taste Dir dä dun Tallerheiser Farsckter die alte rute Kub, die brümmerisch is un taane Zeh l>) meh Hot, aufhenge losten?" Jette legte hier herausfordernd die Ohren zurück. „Siste dä nett, doß die Kuh nett amol for'n Flaascher gut is? Ja, iech waß schu, wenn Du ne Tallerheiser Farschier host, nochert is mit Dir nischt meh ahzefange. Un daar Farschier, daar fraht sich, doß er en Dumme gefunden Hot. Oder, de Farschier komme su wir su nett in Himmel, der Tallerheiser oder geleich gar nett. En fette Ma gibt 'S rund immedim nett!" „Gustl", unterbrach Schreier seine bessere Hälfte, „do Hausen is a su kalt, soog morsch") liewer dinne, wos de noch off'n Harze host." „A wos, Du willst's wühl aa noch nett gehatt Hom?" fuhr die grausame Auguste fort, „in menn Stall kimmste mor nett mit Deiner Kuh!" „Nu, do fier ich se halt nei in de gute Stub!" Schließlich mußte Auguste, überzeugt von der Unabänderlich keit der Thatsachen, doch die neue Kuh aufnehmen. Jette betrat mit gemischten Gefühlen ihr jetziges Heim. Schreier zog die unvermeidlichen Filzschuhe an, steckte die Pfeife in Brand und ging in die Kneipe, in der die beiden Wald menschen schon längst auf ihn gewartet hatten. „Na, kimmste endlich?" sagte der alte Barthel. „Ja, itze die ich schu do — iech ho mich erscht a halbe Stund mit meiner Fraa rimgestrieten, mir i« de Kaahl ganz treich!" ') „Halt' dä Dei Fraa a rächte Frahd?" fragte Barthel weiter. „Ha — Frahd! 's hett nett viel gefaahlt, hrtt se miech mit samster Kuh zum Teifel gegt! ') Na, well mor när erscht amol trinken — off gut» Gelick, Harr Farschier!" „Off guts Gelick, Schreier!" °) Wem. Da- geboren« Kindchen (Lhristkiad). ») Zähne. 1 mir »«. *) trocken. gejagt.
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